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1885

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Ereignisse

  • 1885: Bildung der vom deutsch-israelitischen Gemeindebund ins Leben gerufenen historischen Kommission zur Herausgabe von Quellen zur Geschichte der Juden in Deutschland, bei der Heinrich Graetz (wohl als Spätfolge des Berliner Antisemitismusstreits) übergangen wird
  • 1885: Freie Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums e. V., gegründet 1885 von Samson Raphael Hirsch zur Vertretung und Förderung des (vom Sinai überlieferten) orthodoxen Judentums; die "Mitteilungen der Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums" erschienen 1887-1889 halbmonatlich in deutscher Sprache in Frankfurt a. M.
  • 1885: Österreichisch-Israelitische Union, eine politische Vereinigung zum Schutz der staatsbürgerlichen Rechte der Juden, ähnlich C.V. in Deutschland, auf Initiative von Joseph Samuel Bloch gegründet, spätere Umbenennungen in "Union deutsch-österreichischer Juden", dann "Union österreichischer Juden"; gab die Wochenschrift "Die Wahrheit" heraus (Wien IX, Bergstrasse 4)
  • 1885 (?): Gründung des Wiener zionistischen Frauen- und Mädchenvereins "Mirjam" ("Verein jüdischer junger Damen"); existierte nur kurz
  • 1885: Im Jahr 1885 lernt Theodor Herzl Arthur Schnitzler kennen.
  • 1885: Frankreich: Der extrem antisemitische französische Schriftsteller und Journalist Édouard-Adolphe Drumont (1844-1917), der sich vom Voltaire-Anhänger zu einem gläubigen Katholiken bekehrt hatte, verfasste 1880 sein noch von Theodor Herzl in gewisser Weise bewundertes (!) zweibändiges Buch „La France Juive“ („Das verjudete Frankreich“), das schnell zu einem Bestseller wurde und in kurzer Zeit mehr als 100 Auflagen erlebte. Es gilt als Grundlagenwerk des modernen Antisemitismus in Frankreich und wirkte auch auf deutsche Antisemiten zurück. Gestützt auf die judenfeindlichen Schriften der französischen Frühsozialisten Fourir und Toussenel, auf frühe Schriften von Ernest Renan, auf Gobineaus Rassentheorie, auf die Lehren des neuen deutschen Antisemitismus, auf aufklärerische und klerikale Quellen aller Art, hatte er eine umfassende Darstellung des „unheilvollen Einflusses“ der Juden in der Geschichte und Gegenwart Frankreichs gegeben und die Rücknahme ihrer Emanzipation und die Beschlagnahmung ihres Vermögens zur Beschaffung von Produktionsmitteln für die ausgebeuteten Arbeiter gefordert. Die französischen Juden seine keine Franzosen, sondern bildeten einen Staat im Staate, eine eigene Nation innerhalb der französischen Nation, die sie durch ihren minderwertigen Rassecharakter und ihre Dekadenz nur depravieren. Ihre Aufsaugung durch Assimilation und Mischehen ist daher unerwünscht, sie sind und bleiben immer ein den Franzosen wesensfremdes und verderbliches Element. Eine Reihe weiterer marktgängiger antisemitischer Schriften Drumonts und, seit 1892, eine von ihm herausgegebene, zwischen rechtem Katholizismus und radikalem Sozialismus schwankende, dabei immer militant antisemitische Zeitung, „La Libre Parole“, sorgten für die Verbreitung seiner Ansichten und Forderungen in immer weiteren Kreisen, auch die wachsende Vulgarisierung seiner Beschuldigungen gegen Juden und jeden der Sympathie für sie Verdächtigen.
  • 1885: Mit der Pittsburgh Platform wird die programmatische Grundlage des amerikanischen Reformjudentums geschaffen (was die Abspaltung der „Conservatives“ nach sich zog). Die Plattform hielt fest: 1) Berechtigung anderer, speziell monotheistischer Religionen neben dem Judentum (im Judentum aber die reinste und höchste Form der Gottesidee verwirklicht); 2) die Bibel ist historisch bedingtes, aber moderner Wissenschaft nicht grundsätzlich widersprechendes Dokument; 3) und 4) das tradierte Gesetz (Tora) ist historisch bedingtes Mittel zur Bewahrung der Wahrheit, wovon für die Gegenwart nur mehr die ethischen Gebote Gültigkeit haben, was aber eine ästhetisch-zeremonielle Anwendung und Auslegung nicht ausschliesst; 5) Ersatz der traditionellen messianischen Hoffnung durch die Erwartung einer Herrschaft von Wahrheit, Gerechtigkeit und des Friedens unter allen Menschen; 6) Anerkennung von Christentum und Islam in ihrer Funktion als Ausbreiter der Idee des Monotheismus, der aber mit dem modernen Humanismus verbunden sein muss; 7) Glaube an eine unsterbliche Seele; es gibt keine leibliche Auferstehung und keine Höllenstrafen; 8) Notwendigkeit der Lösung sozialer Probleme; - 1937 wurde die Pittsburgh Platform unter dem Eindruck der Ereignisse in Deutschland und der Entwicklung in Palästina in der „Columbus-Platform“ traditionsfreundlicher und prozionistisch revidiert
  • 1885: Sidney Salomon Abrahams, geb. 1885 Birmingham, britischer Olympionike, später Generalstaatsanwalt und Oberrichter in Uganda
  • 1885: Leonard Olschki geboren, Literarhistoriker (italienische Literatur)
  • 1885: Kurt Sternberg geboren, keiner Schule zuzuzählender Philosoph
  • 1885: Ernst Kamnitzer geboren, Schriftsteller (Dramen)
  • 1885: Humbert Wolfe geboren, englisch-jüdischer Satiriker
  • 1885: Sara(h) Reisen geboren in Koidanowo, Weissrussland, jiddische Übersetzerin, Schriftstellerin, Dichterin, Tochter von Kalman Reisen, Schwester von Abraham und Salman Reisen; mit 14 Jahren kam sie nach Minsk, erhielt dort Privatunterricht und schlug sich anschliessend als Mitarbeiterin der Minsker russischen Zeitung sowie als Verfasserin jiddischer Journale, Skizzen, Erzählungen und Lieder durchs Leben; von 1908 bis 1914 lebte sie in Warschau, danach wieder in Minsk, wo sie als Lehrerin tätig war, zugleich aber auch Dramen schrieb, die auch aufgeführt wurden; nach dem Tod ihres Vaters (1921) kam sie nach Wilna und war dort als Mitarbeiterin jiddischer Zeitschriften sowie als Übersetzerin für den Kletzkin-Verlag tätig; sie übersetzte u. a. Gogol, Turgenjew, Puschkin, Tolstoi, Tagore, Oscar Wilde, Jack London und Defoes "Robinson Crusoe" ins Jiddische; darüber hinaus verfasste sie viele Kindererzählungen und Lieder (eine Auswahl unter dem Titel "Traum und Wahrheit" veröffentlicht); weitere Werke: "Cholem un Wohr", Warschau 1912; "Lieder", Wilna 1924; Sara Reisen starb 1974 in New York, wohin sie 1933 emigriert war
  • 1885: Walter Jellinek geboren, Jurist (Staats- und Verwaltungsrecht)
  • 1885: Manuel Saitzew geboren, jüdischer Volkswirtschaftler in der Schweiz (Universität Zürich)
  • 1885: Arje Feigenbaum in Lemberg geboren, Augenarzt in Jerusalem, begründete 1920 die erste hebräische medizinische Zeitschrift in Palästina „ha-refua“ und schrieb das erste moderne hebräische Lehrbuch „Das Auge“
  • 22.1.1885–1.10.1962: Karl Grune, geb. in Wien, gest. in Bournemouth, Grossbritannien, österreichisch-jüdischer Filmregisseur; er besuchte eine Schauspielschule in Wien, ging als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg, wo er aufgrund einer schweren Verwundung 1918 vorübergehend sein Sprechvermögen verlor; sein Regiedebüt gab er 1919; viele seiner frühen Filme gelten als verschollen; 1923 drehte er im Ruhrgebiet den Bergmannsfilm „Schlagende Wetter“ mit Liane Haid und Eugen Klöpfer in den Hauptrollen; „Die Strasse“ (1923) gilt als Hauptwerk Grunes; zur Zeit der Nachkriegsinflation zeigte er Verlockungen und Abgründe im kleinbürgerlichen Lebensraum; 1926 schuf er den Film „Die Brüder Schellenberg“ mit Conradt Veidt und Lil Dagover; im 1927 folgenden pazifistischen Film „Am Rande der Welt“ steht eine Müllersfamilie zwischen zwei verfeindeten Staaten im Mittelpunkt; mit Beginn des Tonfilms produzierte Grune weniger Filme; er emigrierte 1933 nach England und drehte dort „Abdul the damned“ mit Fritz Kortner; 1936 dann den Opernfilm „Der Bajazzo“ nach Ruggiero Leoncavallo mit Richard Tauber; weitere Filme: „Nacht ohne Morgen“, 1920; „Frauenopfer“, 1922; „Komödianten“, 1924; „Am Rande der Welt“, 1927; „Königin Luise“, 1928; „Pagliacci“, 1936
  • 27.1.1885–11.11.1945: Jerome Kern (Jerome David Kern), geb. in New York, gest. in New York, US-amerikanischer Komponist; er erblickte im Sutton Place District von New York City das Licht der Welt; seine Eltern waren Juden, die von Deutschland nach Amerika ausgewandert waren; die Musikalität hatte der Junge von seiner Mutter Fanny geerbt, die Klavierlehrerin war; Jeromes Vater Henry war erst Angestellter, machte sich aber später selbstständig, als die Familie nach Newark im Staat New Jersey umgezogen war; er handelte mit Möbeln und Klavieren; Henry Kern hätte es gerne gesehen, wenn sein Sohn Jerry bei ihm ins Geschäft eingestiegen wäre; aber daraus wurde nichts; der Junge wollte unbedingt einen Beruf ergreifen, der mit Musik zu tun hat; nach dem Abitur studierte er am New York College of Music; seine Lehrer waren u. a. Alexander Lambert, Austin Pierce und Paolo Gallico; später setzte er sein Studium in Heidelberg fort; 1904 kehrte er in seine Heimat zurück; von 1905 an hielt er sich immer wieder längere Zeiträume in London auf; dort lernte er auch Eva Leale kennen, die er 1910 heiratete; obwohl Kern sein Studium mit dem akademischen Grad „Master of Music“ abgeschlossen hatte, begann er seine musikalische Laufbahn mit untergeordneten Arbeiten, bis ihn schliesslich eines der vielen Broadway-Theater als Probenpianist engagierte; es war eine Zeit, in der zahlreiche Operetten aus Europa am Broadway den Beifall des Publikums fanden; immer wieder musste er dieselben Melodien spielen, bis sie die Sänger auswendig konnten; einmal leistete er sich dabei einen Scherz, indem er in ein europäisches Operettenlied eine eigene Melodie einschmuggelte; dadurch wurden ein Regisseur und ein Theaterproduzent auf das junge Talent aufmerksam; die neue frische Melodie gefiel ihnen besser als die bekannte; fortan wurden neue Lieder von Jerome Kern in die europäischen Operetten eingebaut; nach der 1911 entstandenen Extravaganza „La Belle Paree“, für die er zusammen mit Frank Tours die Musik geschrieben hatte, folgte ein Jahr später seine erste von ihm allein komponierte Operette „The Red Petticoat“; der Erfolg war gering; bereits nach zwei Monaten wurde das Stück abgesetzt; 1914 erhielt er den Auftrag, die englische Operette „The Girl From Utah“ für amerikanische Bedürfnisse umzubauen und mit eigenen Liedern zu erweitern; nun stellte sich der erste richtige Erfolg für ihn ein; die Noten seines Liedes „They Didn’t Believe Me“, des grossen Schlager dieses Stückes, wurden in millionenfacher Auflage verkauft; in dem folgenden Vierteljahrhundert komponierte Kern die Musik zu 33 Bühnenwerken; die erfolgreichsten waren „Sally“ (1920) und „Sunny“ (1925); dabei traten immer mehr Elemente der europäisch klingenden Operette zugunsten von Elementen, die später für die Gattung „Musical Comedy“ typisch wurden, in den Hintergrund; das Jahr 1927 bescherte Jerome Kern den Höhepunkt seines Ruhms: In Zusammenarbeit mit dem Librettisten Oscar Hammerstein II entstand der Welterfolg „Show Boat“; die Premiere fand am 27. Dezember 1927 am Ziegfeld Theatre in New York statt und wurde zu einem triumphalen Erfolg; erstmals wurden in einem rein amerikanischen Bühnenwerk nicht mehr blosse Musiknummern aneinandergereiht, sondern mehrfach ganze Szenen musikalisch dramatisch aufgebaut; im Laufe der nächsten Jahrzehnte betätigte sich Jerome Kern auch oft als Filmkomponist, indem er u. a. viele seiner Musicals für das in Hollywood boomende Genre „Musikfilm“ bearbeitete; zweimal bekam er den Oscar in der Kategorie „Bester Song“: 1936 für „The Way You Look Tonight“ aus „Swing Time“ und 1941 für „The Last Time I Saw Paris“ aus „Lady Be Good“; am 5. November 1945 flanierte Jerome Kern auf der Park Avenue in New York; dabei erlitt er einen Herzanfall und stürzte bewusstlos auf die Strasse; knapp eine Woche später starb er; -- weitere Hits: All the things you are; The folks who lives on the hill; Ol' Man River; Smoke Gets in Your Eyes; Look for the Silver Lining; I’m Old Fashioned
  • 1.2.1885: Nathan Birnbaum schreibt zum Thema Antisemitismus (Selbst-Emancipation! I, 1, Wien): "Der instinctive Ekel vor der moralischen Unselbständigkeit eines Stammes, der von dem merkwürdigen Wahne befallen ist, sich selbst vernichten zu wollen [gemeint ist die Assimilation, das Aufgehen in den Völkern], ist der Keim des modernen Antisemitismus
  • 5.2.1885–25.1.1919: Hugo Krayn, geb. u. gest. in Berlin, Maler und Grafiker, Schüler von Emil Orlik; seine Bilder behandeln vielfach soziale Themen (Fresko im Hirsch-Kupferwerk; "Metropolis" bzw. "Grossstadt", Berlin 1914)
  • 4.3.1885–3.3.1889: Grover Cleveland 22. US-Präsident
  • 16.3.1885–4.2.1964: Dr. Alfred Wiener, geb. in Potsdam, gest. in London, war deutscher Jude, der einen Grossteil seines Lebens der Dokumentation des Antisemitismus und Rassismus in Deutschland und Europa sowie der Aufklärung der Verbrechen des Naziregimes gewidmet hat; so war er u. a. Gründer der Wiener Library (Holocaust-Forschungseinrichtung, Herausgeber des Wiener Library Bulletin, ältestes Dokumentationszentrum über NS-Herrschaft und Judenverfolgung) und deren langjähriger Direktor; Wiener studierte Arabistik und verbrachte die Jahre 1909–1911 im Nahen Osten; während des Ersten Weltkriegs war er Soldat und bekam das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen; ab 1919 war er hochrangiger Vertreter des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C. V.) und identifizierte die NSDAP schon 1925 als Hauptbedrohung für die Juden in Deutschland; 1928 war er federführend an der Errichtung des "Büro Wilhelmstrasse" des C. V. beteiligt, das die Aktivitäten der Nazis dokumentierte und bis 1933 Anti-Nazi-Material veröffentlichte; nach der Machtergreifung Hitlers 1933 flohen Wiener und seine Familie nach Amsterdam, wo er gemeinsam mit Dr. David Cohen das Jewish Central Information Office (JCIO) gründete; 1939 flüchtete Wiener mit seiner Sammlung nach London; den Grossteil der Kriegsjahre verbrachte Wiener in den USA, wo er Material für das JCIO sammelte, aber auch für die britische und amerikanische Regierung arbeitete; er kehrte 1945 nach London zurück, wo er das JCIO in eine Bibliothek und ein Forschungszentrum umwandelte; Wieners erste Ehefrau, Margarethe, starb 1945, kurz nach der Befreiung von Bergen-Belsen, auf dem Weg in die Schweiz; 1953 heiratete er seine zweite Ehefrau, Lotte Philips; Mitte der 50er Jahre reduzierte Wiener seine Arbeit an der Wiener Library und reiste regelmässig nach Deutschland, um Vorträge für Jugendliche zu halten und Kontakte zu Kirchenorganisationen herzustellen; 1955 wurde ihm das Grosse Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen; -- bereits 1925 hatte Alfred Wiener geschrieben: "Wir ... wissen, wie wir dem Feind begegnen. Für jeden ihrer Redner müssen wir zwei haben, für jedes ihrer Flugblätter brauchen wir zehn ... Wir müssen den deutschen Bürgern die Gefahr erklären ... Kämpft gegen die völkische Bewegung, nicht um der Juden willen, sondern um des Vaterlandes willen, das unter einem Wulle oder Hitler in ein Meer von Blut und Tränen versinken wird"
  • 31.3.1885–5.6.1930: Jules Pascin (eigentlich Pincas), geb. in Vidin (Bulgarien), gest. in Paris, Maler und Zeichner, zart-dekadente Gemälde und Aquarelle, auch Pornografisches; er illustrierte Heines "Memoiren des Herrn von Schnabelewopski" (1910)
  • 13.4.1885–4.6.1971: Georg Lukács (geboren als Löwinger György Bernát; György (von) Lukács; Aussprache: lukatsch; mit vollständigem Namen György Szegedy von Lukács (Löwinger)), geb. u. gest. in Budapest, ungarisch-jüdischer Philosoph, Literaturwissenschaftler und -kritiker (entwickelte die Grundlagen einer marxistischen Ästhetik), aus wohlhabender Familie des jüdischen Bürgertums (sein Vater war Bankdirektor in Budapest); er gilt, zusammen mit Ernst Bloch, Antonio Gramsci und Karl Korsch, als bedeutender Erneuerer einer marxistischen Philosophie und Theorie in der ersten Hälfte des 20. Jhdts.; Studium in Heidelberg, Paris und Berlin; 1906 Dr. phil.; Schüler von Max Weber; 1918 Mitglied des Reichstags; 1919 während der ungarischen Räterepublik Volkskommissar (Minister) für Unterrichtswesen in der Regierung Béla Kun, dann emigriert (Wien-Berlin-Moskau, wo er knapp den stalinistischen Säuberungen entging; 1929-1945 lebte er in Moskau und erarbeitete eine marxistische Ästhetik; 1941 wurde er vom NKWD vorübergehend in das Lubjanka-Gefängnis gesperrt; zuvor war er selbst, 1936, an einer politischen Säuberung der deutschen Parteigruppe des Sowjetschriftstellerverbandes beteiligt); nach der Befreiung vom Faschismus Rückkehr nach Ungarn, 1945 Professor in Budapest (bis 1958), 1946 Mitglied des ungarischen Parlaments, einer der intellektuellen Führer des Petöfi-Klubs und damit des Budapester Aufstandes von 1956, im selben Jahr Kultusminister unter Imre Nagy, mit dem er nach der Niederschlagung des Aufstandes verhaftet wurde, seither war er verfemt, seines Lehramtes enthoben, aus der Akademie ausgeschlossen, seine Werke bis auf wenige Ausnahmen nur noch in westeuropäischen Ländern gedruckt, wo sie aber international erheblichen Einfluss auf die "Neue Linke" gewannen; zunächst ging er von Hegel, Marx und Lenin aus, wandte sich aber während seiner Emigration in der Sowjetunion (1933-1944) einem orthodoxen Marxismus zu; 1970 erhielt er den Frankfurter Goethe-Preis; Werke (Auswahl): "Die Theorie des Romans", 1916 (eine lebensphilosophische Analyse, in der er die Geschichtlichkeit als eine zentrale Kategorie des gesellschaftlichen Seins herausstellt und die "transzendentale Obdachlosigkeit" der bürgerlichen Welt thematisiert); "Geschichte und Klassenbewusstsein", 1923 (das Buch wurde zwar von der Partei abgelehnt, trug aber zur Linksorientierung der europäischen Intellektuellen in den 20er-Jahren und zur Entwicklung des Neomarxismus entscheidend bei; Lukács selbst hat sich später teilweise von diesem Buch distanziert); "Lenin", 1924; "Studien über den Realismus", 5 Bände, 1946-1949; "Goethe und seine Zeit", 1947; "Der junge Hegel – Über die Beziehungen von Dialektik und Ökonomie", 1948; "Deutsche Literatur im Zeitalter des Imperialismus", 1950; "Existentialismus oder Marxismus", 1951; "Balzac und der französische Realismus", 1952; "Der russische Realismus in der Weltliteratur", 1953; "Beiträge zur Geschichte der Ästhetik"; 1954; "Die Zerstörung der Vernunft", 1954 (Kritik der deutschen bürgerlichen Philosophie seit Hegel als geistige Voraussetzung von Irrationalismus, Faschismus und Imperialismus); "Schriften zur Literatursoziologie", 1960; "Probleme des Realismus", 1964 f.; "Solschenizyn", 1970; - Thomas Mann, der von Lukács nachhaltig beeindruckt war, hatte für die Figur des "Naphta" in seinem Roman "Der Zauberberg" Georg Lukács zum Vorbild genommen; auch sonst ist Lukács manches Mal Gegenstand literarischer Reflexion
  • 14.4.1885–20.11.1989: Rahel Wischnitzer / Rachel Wischnitzer (geborene Bernstein), Rachel B. Wischnitzer, Rachel Bernstein Wischnitzer, zuvor: Rahel Wischnitzer-Bernstein, sie wurde 1885 in Minsk/Weissrussland geboren, Kunsthistorikerin, Frau von Mark Wischnitzer, Studium in München, Heidelberg und Berlin, 1907 als eine der ersten Frauen Abschluss als Dipl.-Architekt der E. S. A. Paris, 1912-1913 Mitarbeiterin an der Jewrejskaja Enziklopedija, 1922-1924 Herausgeberin der hebräischen Kunstzeitschrift Rimmon (Berlin) sowie (mit Mark Wischnitzer) der jiddischen Kunst-Zeitschrift "Milgroim", 1928-1934 Redakteurin und Mitarbeiterin an der Encyclopaedia Judaica, 1931 Mitarbeit bei der "Arbeitsgemeinschaft für Sammlungen Jüdischer Kunst und Altertümer"; 1934-1938 Leiterin des Jüdischen Museums in Berlin und Dozentin an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, 1938 Auswanderung nach Frankreich, seit 1940 in New York, Masters-Abschluss der NYU 1944, seit 1956 Prof. für Kunstgeschichte am Stern College der Yeshiva University New York (deren Ehrendoktor seit 1968, in diesem Jahr auch ihre Emeritierung); sie war fellow der American Academy for Jewish Research und starb im November 1989 im Alter von 104 Jahren in Manhattan; Hauptwerke: Symbole und Gestalten der Jüdischen Kunst, Berlin 1935; The Messianic Theme in the Paintings of the Dura Synagogue, Chicago 1948; Synagogue Architecture in the United States, Philadelphia 1955; The Architecture of the European Synagogue, Philadelphia 1964
  • 22.4.1885–22.10.1962: Karl Schwarz, geb. in München, gest. in Tel Aviv, Kunsthistoriker, schuf 1933 in Berlin wenige Tage vor der Machtergreifung (Grundstock war die wenig gepflegte Kunstsammlung der Jüdischen Gemeinde Berlin; zur Errichtung des Museums hatte er den "Jüdischen Museumsverein" gegründet, dessen Ehrenpräsident Max Liebermann war) das Jüdische Museum und war für kurze Zeit dessen Direktor, ging im Sommer 1933 nach Palästina und leitete dort das von Dizengoff eingerichtete Museum der Stadt Tel Aviv; Hauptwerke: Die Juden in der Kunst, 1928; Modern Jewish Artists in Palestine, 1941; The Hebrew Impact on Western Art, 1950
  • 23.4.1885–14.5.1933: Erich Schönfelder (Erich Eduard Josef Schönfelder), geb. in Frankfurt am Main, gest. in Berlin, deutsch-jüdischer Film-Regisseur, Drehbuchschreiber und Schauspieler; er kam im Alter von 30 Jahren zum Film und begann zunächst als Schauspieler („Die silberne Kugel“, 1915; „Schuhpalast Pinkus“, 1916; „Hoheit Radieschen“, 1917; „Der Golem und die Tänzerin“, 1917 „Der Rodelkavalier“, 1918; „Meyer aus Berlin“, 1919); in den 20er Jahren agierte er weiterhin auch vor der Kamera, u.a. in "Gehetzte Menschen" (1924), "Der letzte Mann" (1924) und "Der Kampf der Tertia" (1929); mit "Der Greifer" (1930) entstand zudem sein einziger Tonfilm als Schauspieler; bedeutender war Erich Schönfelder aber als (Stummfilm-) Regisseur; eine Auswahl seiner Filme: „Die rote Katze“, 1920; “Der Stier von Olivera“, 1921; „Gehetzte Menschen“, 1924; „Die Frau mit dem Etwas“, 1925; „Der Feldherrnhügel“, 1926; “Die rollende Kugel“, 1927; „Der Biberpelz“, 1928; „Aus dem Tagebuch eines Junggesellen“, 1929; „Der Nächste, bitte“, 1930; „Der Liebesarzt“, 1931; „Ein ausgekochter Junge“, 1931; „Schatten der Unterwelt“, 1931 (Dialog-Regie); „Schön ist die Manöverzeit. Kartoffelsupp – Kartoffelsupp“, 1931; „Zu Befehl, Herr Unteroffizier“, 1931; „Das Geheimnis der roten Katze“, 1931; „Aus einer kleinen Residenz“, 1932; „Kampf“, 1932; als der Tonfilm eine neue Ära einläutete, konnte sich Erich Schönfelder auch hier erfolgreich etablieren; doch durch seinen überraschenden Tod 1933 im Alter von nur 48 Jahren konnte er nur noch wenige Werke verwirklichen – dazu gehören "Ein ausgekochter Junge" (1931), "Kampf" (1932) und "Aus einer kleinen Residenz" (1932); neben seiner Tätigkeit als Regisseur und Schauspieler verfasste Erich Schönfelder auch viele Drehbücher
  • 26.4.1885-5.7.1940: Carl Einstein, deutsch-jüdischer Kunstkritiker (setzte sich als einer der ersten Wissenschaftler mit der "Kunst der Primitiven" und mit dem Kubismus auseinander, vor allem mit Georges Braque) und Schriftsteller, geb. in Neuwied (Rheinland-Pfalz), Selbsttötung bei Pau als Flüchtling in Südfrankreich nahe der spanischen Grenze beim Einmarsch deutscher Truppen; aufgewachsen in Karlsruhe, wo der Vater Direktor am Israelitischen Landesstift war, später Mitarbeiter der „Aktion“; expressionistischer Erzähler und Dramatiker; in der Zerstückelung seiner Texte antizipierte er surrealistische Elemente; nachdem er 1928 nach Paris gegangen war, beschäftigte er sich zunehmend auch mit dem Surrealismus, insbesondere mit der Gruppe um Georges Bataille und Michel Leiris; daneben war er innerhalb der politischen Linken aktiv; zum Ende des ersten Weltkriegs beteiligte er sich an der Räterevolution und wurde in den Vorsitz des belgischen Soldatenrates gewählt (1918); nach der Niederschlagung kehrte er nach Deutschland zurück und gab gemeinsam mit George Grosz das politische Satiremagazin "Der blutige Ernst" heraus, von welchem allerdings jede Ausgabe der Zensur zum Opfer fiel, weshalb es nach nur 6 Ausgaben mangels Geld wieder eingestellt wurde; die Weltwirtschaftskrise und die nationalsozialistische Machtergreifung trieben den freien Schriftsteller und Kunsthändler in den Ruin; er ging ins Exil, zunächst nach Paris; 1936 nahm er in der Colonna Durruti aktiv am spanischen Bürgerkrieg teil; 1939 floh Einstein wieder nach Paris und wurde als deutscher Staatsangehöriger bis zur Flucht vor den Nationalsozialisten im Jahr 1940 interniert; obwohl Einstein mit seiner "Kunst des 20. Jahrhunderts", die 1931 in der dritten Auflage erschienen war, zunächst grossen Erfolg hatte, geriet er in Deutschland in Vergessenheit; - Werke: "Neue Blätter", 1912; "Bebuquin oder die Dilettanten des Wunders", Roman, 1912 (begründete die akausale, "absolute Prosa", zu seiner Zeit eine philosophisch-literarische Sensation); "Wilhelm Lehmbrucks graphisches Werk", 1913; „Negerplastik“, Leipzig: Verlag der weissen Bücher, 1915; "Der Unentwegte Platoniker", 1918; "Afrikanische Plastik", 1921; "Die schlimme Botschaft", 1921; "Der frühere japanische Holzschnitt", 1922; "Afrikanische Märchen und Legenden, hrsg. von Carl Einstein", 1925; „Die Kunst des 20. Jahrhunderts“, 1926; "Entwurf einer Landschaft", 1930; "Giorgio di Chirico", 1930; "Georges Braque", 1934; Gesammelte Werke, 1962; der posthum herausgegebene Entwurf "Die Fabrikation der Fiktionen" (1970) ist der Versuch einer Theorie über künstlerisches Schaffen auf der Grundlage des dialektischen Materialismus; Werke in drei Bänden, 1980-1985; Werke. Berliner Ausgabe, 6 Bände, 1992-1996
  • 29.4.1885–31.3.1948: Egon Erwin Kisch (eigentlich Egon Kisch, den Zwischennamen "Erwin" hat er sich selbst gegeben), geb. u. gest. in Prag, tschechisch-jüdischer Journalist und Schriftsteller, der "rasende Reporter"; Sohn (zweiter von fünf Söhnen) des jüdischen Tuchhändlers Hermann Kisch und seiner Frau Ernestine, geborene Kuh; er schrieb in deutscher Sprache, seit 1904 Reporter in Prag, Wien und Berlin, Volontariat beim "Prager Tagblatt", Besuch einer Journalistenschule in Berlin (1906); im Ersten Weltkrieg nahm er 1914 als Korporal am Feldzug der k. u. k. Armee gegen Serbien teil; 1917 als Oberleutnant im Kriegspressequartier in Wien tätig; Mitbegründer der linksradikalen "Föderation Revolutionärer Sozialisten, Internationale"; 1919 Eintritt in die KPÖ, im selben Jahr Begegnung mit Joseph Roth, mit dem er dann eng befreundet bleibt; Weltreisender (England, Frankreich, Dänemark, Holland, Ungarn, Schweiz, Sowjetunion, 1925/1926, 1930/1931; Nordafrika, 1926, illegal in die USA, 1928/1929, und nach China, 1932), ab 1918 Kommunist (wurde als Führer der kommunistischen Roten Garde in Wien 1919 zu drei Monaten Haft verurteilt und ausgewiesen), avancierte nach dem Krieg zum Starreporter Berliner Zeitungen; verfasste u. a.: "Der rasende Reporter", 1925 (gesammelte Reportagen, er erhob damit die Reportage zu literarischem Rang; als Richtschnur für das Schreiben gilt für ihn die Devise: Der Reporter "hat unbefangen Zeuge zu sein und unbefangene Zeugenschaft zu liefern" - dieses Prinzip gab er später aber auf und benutzte seine Reportagen bewusst als Mittel der parteilichen Agitation im revolutionären Kampf; Egon Erwin Kisch gilt als Schöpfer und Meister der literarischen Reportage; auf seinen zahlreichen Reisen entstanden jene Reportagen, die ihn berühmt machen sollten; sie sind exakte Milieuschilderungen, die Sprache und Zeitkolorit in die Berichterstattung einbeziehen; seine unstete Lebensweise liess den Buchtitel "Der rasende Reporter" zum Synonym für den Autor werden; doch Kisch war alles andere als ein Kaffeehausliterat oder Sensationsreporter; vielmehr suchte er in seinen Reportagen politische und ökonomische Prozesse mit den dahinter stehenden Schicksalen in ihrer historischen Bedingtheit literarisch zu gestalten); 1928 Mitgründer des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller Deutschlands; 1933 wird er in der Nacht des Reichstagsbrands in Berlin verhaftet und mit anderen prominenten Nazigegnern in das von der Gestapo zum "Schutzhaft"-Lager umfunktionierte Gefängnis Spandau gebracht, nach zwei Wochen aber aufgrund tschechischen Protests nach Prag abgeschoben; lebte von 1933 bis 1939 in Prag und im Exil in Paris; Oktober 1938 Heirat mit Gisela Lyner in Versailles; "Abenteuer in 5 Kontinenten" war 1934 erschienen; 1942 (in Mexiko) erschien "Marktplatz der Sensationen"; Kisch war Teilnehmer am spanischen Bürgerkrieg in den Internationalen Brigaden (1937/1938); 1939 Flucht in die USA; als Emigrant in Mexiko (seit Ende 1940-1946), zuletzt Stadtrat in Prag (Rückkehr in die Tschechoslowakei im März 1946); Kisch ist deutschsprachiger Prager, natürlich verstand und sprach er auch tschechisch; in der Tschechoslowakei, die aus dem zerfallenen Kaiserreich nach dem Ersten Weltkrieg entstand, lebte eine sehr grosse und bedeutende deutsche Minderheit, Prag galt damals als eine Stadt, in der weltweit das schönste Deutsch gesprochen wurde, denn "die Prager pflegten nur auf Tschechisch zu fluchen"; Kisch lebte in Österreich, der Tschechoslowakei, in Deutschland, Frankreich, Spanien, den USA und Mexiko, und überall fühlte er sich zu Hause, auch wenn er aus seinem Heimweh nach Prag kein Geheimnis machte; heute gilt Kisch als einer der bedeutendsten deutschsprachigen und europäischen Journalisten, er wird heute in der Tschechischen Republik, in Österreich, in Deutschland und in den jüdischen Gemeinden weltweit anerkannt und gerühmt; in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg tat man sich im Westen allerdings schwer mit dem kommunistischen jüdischen Kosmopoliten, während in seiner tschechoslowakischen Heimat gerne unterschlagen wurde, dass Kisch ein Prager Deutscher, überdies ein Prager deutscher Jude war – aber er selbst wollte alles sein und nannte sich schlicht "Weltbürger"; gegenüber Friedrich Torberg fasste er es 1938 so zusammen: "Weisst Du, mir kann eigentlich nichts passieren. Ich bin ein Deutscher. Ich bin ein Tscheche. Ich bin ein Jud. Ich bin aus gutem Hause. Ich bin Kommunist. Ich bin Corpsbursch [er war als Schüler Mitglied der "Normannia", während des Studiums in Prag aktiv in der "Saxonia Prag", einer schlagenden Studentenverbindung, die auch Juden aufnahm]. Etwas davon hilft mir immer"; wie man anlässlich einer Kisch-Jubiläumsausstellung 1998 in Wien sehen konnte, führte Kisch nicht nur ein äusserst buntes Leben, sondern hatte auch einen sehr bunten, unter der üblichen Kleidung versteckten Körper: Ein Porträt von Christian Schad zeigte Kisch mit entblösstem Oberkörper und all der Pracht seiner bunten Tätowierungen; weitere Werke, Reportagen, Reiseberichte, politische Texte etc. (Auswahl): "Aus Prager Gassen und Nächten", 1912; "Prager Kinder", 1913; "Der Mädchenhirt", 1914; "Die Abenteuer in Prag", 1920; "Die gestohlene Stadt", 1922 (Lustspiel); "Soldat im Prager Korps" (hier schildert er seine Entwicklung zum Pazifisten, später herausgegeben und bekannt geworden unter dem Titel: "Schreib das auf, Kisch!"), 1922; "Klassischer Journalismus", 1923; "Der Fall des Generalstabschefs Redl", 1924 (Alfred Redl, 1864-1913, ab 1912 Chef des Generalstabs des k. u. k. 8. Korps in Prag, war mindestens 10 Jahre lang russischer Spion und wurde nach seiner Enttarnung zum Selbstmord in Wien gezwungen; danach versuchte man den Fall zu vertuschen, er wurde aber von Kisch an die Öffentlichkeit gebracht); "Wilde Musikantenbörse", 1925; "Hetzjagd durch die Zeit", 1926; "Zaren, Popen, Bolschewiken", 1927; "Kriminalistisches Reisetagebuch", 1927; "Wagnisse in aller Welt", 1927; "Sieben Jahre Justizskandal Max Hoelz", 1928; "Paradies Amerika", 1930; "Käsebier und Fridericus Rex, Aus dem Prager Pitaval", 1931; "Asien gründlich verändert", 1933; "Eintritt verboten", 1934; "Über die Hintergründe des Reichstagsbrandes", 1934; "Geschichten aus sieben Ghettos", 1934; "Untermenschen", 1936; "Landung in Australien", 1937; "Soldaten am Meeresstrand", 1938; "Die drei Kühe", 1938; "Entdeckungen in Mexiko", 1945; "Karl Marx in Karlsbad", 1949 (Kischs letzte Arbeit, kurz vor seinem Tod 1948 entstanden; "Geschichten aus 7 Ghettos", 1982; 8 Bände Gesammelte Werke erschienen 1960 ff. in Ost-Berlin; ein Preis der DDR wurde nach ihm benannt; Kisch starb nach zwei kurz aufeinander folgenden Schlaganfällen ) – (zum Namen Kisch vgl. noch bei Guido Kisch, 1889)
  • 4.5.1885–25.2.1965: Leo Sirota, geb. in Kamjanets-Podilski/Ukraine, Pianist, begann das Klavierspielen im Alter von fünf Jahren, gab mit neun bereits Konzerte, als Paderewski auf ihn aufmerksam wurde und ihn einlud, mit ihm gemeinsam zu studieren und zu trainieren; Sirotas Eltern hielten ihn aber für zu jung; später studierte er dann an den Konservatorien in Kiew und St. Petersburg; 1904 ging er nach Wien, um gemeinsam mit Ferrucio Busoni zu studieren; bald kam es zur Zusammenarbeit mit Jascha Horenstein, dessen Schwester er heiratete; 1929 ging Leo Sirota für 15 Jahre nach Japan, unterrichtete dort und gab Konzerte; u. a. war er der Lehrer des Jazz-Pianisten Minoru Matsuya; in seiner Japan-Zeit setzte sich Leo Sirota für Yamaha-Flügel ein – gegen die vorherrschende Gewohnheit, Bechstein oder Steinway zu spielen; nach dem 2. Weltkrieg ging er nach Amerika und unterrichtete in St. Louis; Leo Sirota beherrschte ein beeindruckendes Repertoire, darunter den gesamten Chopin, den er im Radio zum Besten gab; er spielte einen hellen, brillanten Ton, immer überaus komplizierte Arrangements, technisch höchst anspruchsvoll und kaum reproduzierbar; Beate Sirota war seine Tochter
  • 14.5.1885-6.7.1973: Otto Klemperer, geb. in Breslau, gest. in Zürich, bedeutender Dirigent und Komponist, 1927-1933 an der Staatsoper Berlin, Vorkämpfer für moderne Musik; ab 1933 Berufsverbot (als "Kulturbolschewist" diffamiert); im selben Jahr emigrierte er in die USA und kehrte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Europa zurück, wo es ihm gelang, an seine ehemaligen denkwürdigen Erfolge anzuknüpfen
  • 17.5.1885–29.11.1950: Friedrich Zelnik, geb. in Czernowitz, gest. in London; Regisseur, Schauspieler und Produzent; er machte sein Abitur in Czernowitz, studierte dann Jura in Wien und ging danach über mehrere Theaterstationen nach Berlin, wo er ab 1910 für Oskar Messter als Schauspieler tätig war; in den 1910er Jahren wurde Zelnik mit eleganten Filmrollen in anspruchslosen Filmen bekannt; 1917 heiratete er die polnische Schauspielerin Lya Mara, die er später zum Star aufbaut; etwa zur selben Zeit begann er als Regisseur und Produzent (er hat eine sehr grosse Anzahl von Filmen produziert!) zu arbeiten und zieht sich von der Schauspielerei zurück; neben wenigen Literaturverfilmungen (Anna Karenina nach Tolstoi, 1920, Die Weber nach Gerhart Hauptmann, 1927) schuf Friedrich Zelnik hauptsächlich kommerzielle Unterhaltungsware, dabei mehrere Operettenfilme (und hat damit riesigen Erfolg in Deutschland und in anderen Ländern); 1929 ist er erster deutscher Dubbing-Regisseur in Hollywood; gemeinsam mit seiner Frau verliess Zelnik Deutschland 1933 endgültig und filmte in England und Holland; nachdem er die britische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, anglisierte er seinen Vornamen in Frederic; nach 1940 war er nur noch als Produzent tätig; hier die Filme, für die er die Regie übernahm: „Klein Doortje“, 1917; „Edelweiss“, 1917; „Durchlaucht Hypochonder“, 1917; „Die Krone von Kerkyra. Liebe und Hass einer Königstochter“, 1917; „Die Gräfin von Navarra“, 1917; „Das grosse Los“, 1917; „Gänseliesel“, 1917/1918; „Nachtschatten“, 1918; „Margarete. Die Geschichte einer Gefallenen“, 1918; „Die Verteidigerin“, 1918; „Der Liftjunge“, 1918; „Charlotte Corday“, 1918/1919; „Maria Evere“, 1919; „Manon. Das hohe Lied der Liebe“, 1919; „Leichtsinn und Lebewelt“, 1919; „Hölle der Jungfrauen“, 1919; „Die Madonna mit den Lilien“, 1919; „Die Erbin des Grafen von Monte Christo“; 1919; „Die Dame mit den Smaragden“, 1919; „Das Haus der Unschuld“, 1919; „Das Fest der Rosella“, 1919; „Spiritismus“, 1920; „Kri Kri, die Herzogin von Tarabac“, 1920; „Fasching“, 1920; „Die sieben Todsünden“, 1920; „Die Erlebnisse der berühmten Tänzerin Fanny Elssler“, 1920; „Der Apachenlord“, 1920; „Das Gesetz der Wüste“, 1920; „Anna Karenina“, 1920; „Miss Beryll … Die Laune eines Millionärs“, 1920/1921; „Die Geliebte des Grafen Varenne“, 1920/1921; „Trix, der Roman einer Millionärin“, 1921; „Die Ehe der Fürstin Demidoff“, 1921; „Der unsichtbare Gast“, 1921; „Tanja, die Frau an der Kette“, 1921; „Aus den Memoiren einer Filmschauspielerin“, 1921; „Das Mädel von Piccadilly“ (in zwei Teilen), 1921; „Die Geliebte des Königs“, 1921/1922; „Yvette, die Modeprinzessin“, 1922; „Se. Exzellenz der Revisor“, 1922; „Lyda Ssanin“, 1922; „Graf Festenberg“, 1922; „Erniedrigte und Beleidigte“, 1922; „Die Tochter Napoleons“, 1922; „Die Männer der Sybill“, 1922; „Das Mädel aus der Hölle“, 1922; „Irene d’Or“, 1922/1923; „Nelly, die Braut ohne Mann“, 1923; „Die Marionetten der Fürstin“, 1923; „Der Matrose Perugino“, 1923; „Daisy, das Abenteuer einer Lady“, 1923; „Auferstehung. Katjuscha Maslowa“, 1923; „Die Herrin von Monbijou“, 1924; „Das Mädel von Capri“, 1924; „Auf Befehl der Pompadour“, 1924; „Die Venus vom Montmartre“, 1924/1925; „Athleten“, 1924/1925; „Frauen, die man oft nicht grüsst“, 1925; „Die Kirschenzeit“, 1925; „Briefe, die ihn nicht erreichten“, 1925; „Die Försterchristl“, 1925/1926; „Die lachende Grille“, 1926; „Der Veilchenfresser“, 1926; „An der schönen blauen Donau“, 1926; „Der Zigeunerbaron“, 1926/1927; „Die Weber“, 1927; „Das tanzende Wien. An der schönen blauen Donau 2. Teil“, 1927; „Heut’ tanzt Mariett“, 1927/1928; „Mein Herz ist eine Jazzband“, 1928; „Mary Lou“, 1928; „Der rote Kreis“, 1928; „Walzerparadies“, 1930/1931; „Jeder fragt nach Erika“, 1931; „Ein süsses Geheimnis“, 1931; „Spione im Savoy-Hotel“, 1932; „Kaiserwalzer“, 1932; „Die Tänzerin von Sanssouci“, 1932; „Es war einmal ein Musikus“, 1932
  • 18.5.1885–8.5.1939: Kurt Löwenstein (oder Kurt Loewenstein, Pseudonym: Kerlöw), geb. in Bleckede/Elbe, gest. in Paris (an einem Herzinfarkt, beigesetzt auf dem Père Lachaise), sozialistischer Pädagoge, Dr. phil. 1910, zuvor Studium am orthodoxen Rabbiner-Seminar in Berlin, Kriegsteilnehmer, gründete die Kinderfreunde-, später Falken - (sozialistische Jugend) Bewegung, war 1919-1923 Stadtverordneter (Charlottenburg, Berlin) und seit 1921 Stadtschulrat (Berlin-Neukölln), Mitglied des Reichstags (seit 1920) für die SPD und Vorsitzender der sozialdemokratischen Lehrer, 1933 von SA-Männern misshandelt, emigrierte er über Prag nach Frankreich; 1937 Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit; postum: "Sozialismus und Erziehung" (eine Auswahl aus den Schriften 1919-1933), 1977
  • 29.5.1885–24.7.1964: Erwin Freundlich (Erwin Finlay Freundlich), geboren in Biebrich (Rhein) (die Mutter war Ellen Elizabeth Finlayson aus Schottland, der Vater Friedrich Philipp Ernst Freundlich aus Deutschland), gest. in Wiesbaden, Physiker und Astronom, 1920-1933 Observator im astrophysikalischen Observatorium in Potsdam und Leiter des dortigen Einstein-Instituts, emigrierte 1933 als Prof. nach Istanbul, 1937 nach Prag und 1939 nach Schottland; leitete 1914, 1922, 1926, 1929 Sonnenfinsternisexpeditionen zur Messung der Lichtablenkung und Bestätigung der Relativitätstheorie; Hauptwerke: "Die Grundlagen von Einsteins Gravitationstheorie", 1916; "Die Relativitätstheorie in der chemischen Wissenschaft"; - er war der Bruder von Herbert Finlay Freundlich (1880-1941, Chemiker); 1913 hatte er Käte Hirschberg geheiratet; die Ehe blieb kinderlos, und nach dem Tod der Schwester seiner Frau adoptierten sie deren Kinder Hans und Renate
  • 3.6.1885–16.3.1919: Jakob M. Swerdlow (Jakow Michailowitsch Swerdlow), geb. in Nischni Nowgorod, gest. in Moskau, Revolutionär und führender Politiker der Bolschewiki sowie etwas mehr als ein Jahr Staatsoberhaupt Sowjetrusslands; Swerdlows Grossvater war der 1875 in Saratow registrierte Händler Israel Gauchmann; 1882 liess sich sein Vater Michaim-Moshe Israelewitsch Gauchmann mit Ehefrau Elisabeth Solomonownoi, aus dem Gebiet Wizebsk kommend, in Nischni Nowgorod unter dem Namen Moshe Swerdlow nieder; nach Geburt von Sohn Joshua Salomon Moshewitsch (1884) wurde im Folgejahr Swerdlow geboren und erhielt den Namen Jankel Moshewitsch; seine Herkunft wurde seinerzeit von Rechtsnationalen und Antisemiten zur Diskreditierung der bolschwistischen Regierung als jüdisch dominiert verwendet; Vater Moshe Swerdlow betrieb drei kleine Unternehmungen: eine Gravur-Werkstatt, einen Verlag sowie eine Druckerei; Jankel besuchte 5 Klassen eines Gymnasiums, wurde aber wegen revolutionärer Agitation verwiesen und vom Vater zur Ausbildung in eine Apotheke gegeben; hier trat er 1901 in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands SDAPR ein und war neben seinem Beruf auch als Agitator in Kostroma, Jaroslawl, Kasan und weiteren Orten an der oberen und mittleren Wolga für die Partei unterwegs; wegen Teilnahme an der Beerdigung einer Studentin (B. I. Ryurkowa) wurde er am 5. Mai 1902 erstmals für 14 Tage inhaftiert; von April bis August 1903 erneut inhaftiert, befand er sich bis Ende des Jahres unter Polizeiaufsicht; im selben Jahr heiratete er die 1879 geborene E. F. Schmidt, die 1904 eine Tochter gebar, sich aber von der revolutionären Bewegung abwandte; die Ehe blieb bis zu seinem Tod bestehen; nach der Parteispaltung von 1903 schloss er sich der Fraktion der Mehrheitler (russisch: Bolschewiki) um Lenin an; am 28. August 1905 erhielt er seine erste Parteifunktion im SDAPR-Stadtkomitee von Tscheljabinsk, wo er laut Parteiarchiv an drei Abstimmungen teilnahm; an der ersten und niedergeschlagenen russischen Revolution von 1905 bis 1907 nahm er im Raum von Jekaterinburg teil, wo er 1906 zum Vorsitzenden des Ural-Gebietskomitees der SDAPR (B = Bolschewiki) gewählt wurde; im September 1907 zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt, die er in Jekaterinburg absass, ging er anschliessend nach Moskau; hier wurde er auf Beschluss des Innenministers im März 1910 für drei Jahre in das Gebiet um Tomsk hinter dem Ural verbannt, konnte aber fliehen; im November wurde er in Sankt Petersburg als „Agent des Zentralkomitees der Bolschewiki“ erneut arretiert; 1911 wurde Swerdlow's Sohn Andrej von Claudia Timofeewna Nowgorodtsewa geboren, die 1904 in die SDAPR eingetreten war; diesmal für vier Jahre verbannt, versuchte er dreimal zu fliehen, wurde allerdings immer wieder gefasst; 1912 wurde Swerdlow im Alter von nur 26 Jahren von den Mitgliedern des Zentralkomitees (ZK) der SDAPR (B) entsprechend den Parteisatzungen als zusätzliches Mitglied ins ZK aufgenommen; er gehörte der Redaktion der Parteizeitung Prawda (deutsch: Wahrheit) an, wobei er die Druckerei seines Vaters nutzen konnte; während des Ersten Weltkriegs vertrat er wie Lenin die Auffassung, dass dieser Krieg ein auf beiden Seiten imperialistischer Krieg sei, der in allen Ländern in eine Revolution gegen die Herrschenden umgewandelt werden solle; er forderte, dass die Sozialdemokraten die Arbeiter aller Länder dazu aufrufen sollten, sich als Soldaten über die Fronten hinweg zu verbrüdern; 1913 verbannte man ihn für fünf Jahre nach Turuchansk (Region Krasnojarsk), wo er mit Stalin ein Haus bewohnte; 1915 zog die Mutter seines Sohnes zu ihm, und 1916 wurde seine Tochter Nina (N. I. Podwojskowo) am Polarkreis geboren; mit der Februarrevolution 1917 begab er sich zunächst ohne seine Familie nach Moskau; in Russland im März 1917 war er einer der Parteifunktionäre, die wie Lenin den Übergang zur sozialistischen Revolution forderten; das ZK beauftragte ihn Mitte 1917, die organisatorische Leitung der Partei zu übernehmen; der VI. Parteitag wählte ihn im August 1917 ins Sekretariat des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, dessen Vorsitz er übernahm; er leitete die Parteiarbeit in Vorbereitung der Oktoberrevolution und führte den Vorsitz, als am 23. Oktober 1917 das Zentralkomitee der Bolschewiki in einer Sitzung den Beschluss fasste, „dass der bewaffnete Aufstand unumgänglich und völlig herangereift ist“; auf dem Sowjetkongress unmittelbar nach der Machtübernahme der Bolschewiki vom 25. Oktober/7. November 1917 war Swerdlow Fraktionsvorsitzender der SDAPR (B) und wurde zum Mitglied des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees (GZEK) gewählt; kurz darauf wurde er auf Lenins Vorschlag als Nachfolger Lew Kamenews deren Vorsitzender; Swerdlow leitete somit als Sekretär des ZK die Partei und war als Vorsitzender des GZEK auch das Staatsoberhaupt der Sowjetunion, während Lenin als Vorsitzender des Rats der Volkskommissare die Funktion des Regierungschefs ausübte; die GZEK-Regierung verstand sich zunächst als Interimsherrschaft bis zum Zusammentreten der russischen verfassungsgebenden Versammlung; Swerdlow war einer der in Wizebsk gewählten bolschewistischen Abgeordneten der Versammlung; bei der gewaltsamen Auflösung der Konstituierenden Versammlung durch die Bolschewiki im Januar 1918 und bei der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Brest-Litowsk im März 1918 vertraten Lenin und Swerdlow dieselbe Position; da die Mittelmächte in Folge des Vertrages die Ukraine besetzten, die Bolschewiki aber die Ukrajinska Narodna Respublika wieder Russland einzufügen gedachten, empfing Lenin auf Vermittlung Swerdlows u. a. den Anarchisten Nestor Machno im Juni 1918 in Moskau; Lenin sondierte, ob man mit den Anarchisten zusammenarbeiten könne; im März 1918 leitete Swerdlow die Verhandlungen des VII. Parteitags, der die Umbenennung der Partei in Kommunistische Partei Russlands, KPR(B), beschloss; Claudia Timofeewna Nowgorodtsewa wurde nun zum ersten Assistenten des Sekretariats der Partei ernannt; im April d. J. wurde Swerdlow Vorsitzender einer Kommission, die die sowjetische Staatsverfassung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik ausarbeitete, die dann im Juli 1918 vom Sowjetkongress beschlossen wurde; am 9. Mai 1918 wies Swerdlow an, die Zarenfamilie von ihrem bisherigen Haftort nach Moskau zu verlegen; dazu sandte er Jakow Michailowitsch Jurowski als Sonderkommissar mit 150 Rotarmisten nach Tobolsk; dies ging auf einen Wunsch Kaiser Wilhelms II., vertreten durch Botschafter Wilhelm von Mirbach-Harff, zurück, der des Zaren Unterschrift auf dem Brest-Litowsker Vertrag wünschte; Lenin berücksichtigte diese Forderung, und das Reichsschatzamt des deutschen Kaiserreiches überwies den Bolschewiki im Juni 1918 insgesamt 43 Mio. Reichsmark (heutiger Wert 100 Mio Euro), um deren Regierung zu stützen; in geringerem Umfang finanzierte die Entente im Gegenzug die Sozialrevolutionäre; Jurowski leitete den Zug der Zarenfamilie allerdings nach Jekaterinburg und arretierte sie im Haus Ipatiew; das sogenannte „Haus zur besonderen Verwendung“ war am 16./17. Juli 1918 Ort ihrer Ermordung durch Jakow Jurowski; um diese Zeit wurden weitere Romanows, mit grosser Wahrscheinlichkeit auf GZEK-Beschluss, auf sowjetischem Gebiet von der Tscheka umgebracht: Michail Romanow, der Bruder des Zaren, der bereits unter Kerenski im August 1917 mit Frau und Kind arretiert worden war, wurde am 18. Juni in seinem Verbannungsort Perm erschossen; seiner Frau Natalia gelang mit Hilfe des Gefängnisarztes die Flucht aus der Peter-und-Paul-Festung, sie emigrierte mit ihrer Tochter Nathalie nach England; im Winter gab die Regierung die Erschiessung Michails bekannt; in Alapajewsk wurde einen Tag nach der Zarenfamilie die Schwester der Zarin, Jelisaweta Fjodorowna, zusammen mit sechs weiteren Romanow’schen Grossfürsten umgebracht, darunter der Onkel des Zaren, Michael Nikolajewitsch Romanow; am 29. Januar 1919 wurde in der Peter-und-Paul-Festung in St. Petersburg der Grossfürst Nikolai Michailowitsch Romanow zusammen mit den Grossfürsten Pawel Alexandrowitsch, Dmitri Konstantinowitsch und Georgi Michailowitsch erschossen; Maxim Gorki und die Akademie der Wissenschaften hatten Gnadengesuche für diese eingereicht; nach "zahlreichen terroristischen Gewalttaten der antisowjetischen Bürgerkriegstruppen, bei denen Partei- und Staatsfunktionäre ermordet worden waren" - allerdings wurde etwa Presse-Kommissar W. Wolodarski am 20. Juni tatsächlich von Sozialrevolutionären erschossen - beschloss das GZEK am 6. Juli 1918 auf Vorschlag Swerdlows, mit "rotem Massenterror gegen die Bourgeoisie und ihre Agenten" zu antworten; am selben Tag wurde ein Oberstes Revolutionstribunal unter Beteiligung von Linken Sozialrevolutionären gegründet; am 18. Juli 1918 teilte Swerdlow dem Präsidium des GZEK nachträglich mit, dass sich weissgardistische Bürgerkriegstruppen im Anmarsch auf die Stadt Jekaterinburg befunden hatten; "es sei zu befürchten gewesen, dass die dort gefangen gehaltene frühere Zarenfamilie befreit und als lebendige Symbole des Kampfes der ausländischen Interventionstruppen und der Bürgerkriegstruppen gegen die Sowjetmacht benutzt werden könnten. Der Sowjet des Gebiets Ural habe daher den Befehl zur Erschiessung des Zaren gegeben, der in der Nacht zum 17. Juli vollstreckt wurde"; das Präsidium des GZEK billigte die angebliche Entscheidung des Gebietssowjets, der auch gleich alle weiteren Familienmitglieder, die im Ipatiew-Haus umgebracht worden waren, in seiner verspäteten Erklärung vom 19. Juli auflistete; am 27. August erteilte Swerdlow sich selbst eine Genehmigung zum Tragen und Besitzen von Waffen "aller Art"; am 30. August 1918 wurde ein Attentat auf Lenin durch die Sozialrevolutionärin Fanny Kaplan (vermutlich) verübt; Swerdlow verhörte zusammen mit Jurowski Fanny Kaplan über Nacht in der Lubjanka, fand allerdings keine Zeit, seinen verletzten Genossen Lenin aufzusuchen; am Folgetag übernahm er sofort die Leitung des Sownarkom; das Dekret über den "roten Massenterror" wurde am 5. September verabschiedet - einen Tag, bevor Lenin wieder im Amt erschien; im Februar 1919, als sich Swerdlow in Vorbereitung des VIII. Parteitags auf Reisen zu verschiedenen Konferenzen befand, erkrankte er an der Spanischen Grippe; Trotzki überliefert in seiner Biographie, dass Swerdlow nach seiner Rückkehr am 16. März vor den Kabinettsräumen noch einmal Lenin traf, der ihn dann später über dessen Tod informierte; vermutet wurde auch, dass er auf dem Weg von Hotel "Metropol" zum Kreml von der aufgebrachten Volksmenge getötet wurde; seine Bewachung wurde seinerzeit Stalin übertragen, der diesen Überfall verpasst haben wollte; das Dekret Swerdlows vom 24. Januar 1918, "Massenterror gegen reiche Kosaken zu führen, deren Ausrottung vollständig zu sein hat", wurde am Tage seines Ablebens gestoppt, es dauerte aber einige Zeit, bis der Stopp wirksam wurde; -- Swerdlows Aufstieg, den ihm innerhalb der revolutionären Bewegung in jungen Jahren der Parteiführer Lenin ermöglicht hatte, wurde in der Literatur mit dem Aufstieg von Antoine de Saint-Just an der Seite von Robespierre nach der Französischen Revolution verglichen; 1935 öffnete NKWD-Chef Jagoda, im Zuge von Ermittlungen gegen dessen Bruder, Swerdlows Tresor; über den Inhalt leitete er sofort eine Nachricht an Stalin, denn man fand 108.525 zaristische Goldrubel (etwa das vierfache Jahresgehalt eines zaristischen Ministers), 750.000 einfache Rubel und 705 Goldschmuckstücke, von denen viele mit Juwelen besetzt waren; einige zaristische Blankopässe sowie sieben auf den Namen einer „J. M. Sverdlowa“ und auf andere Verwandte bereits ausgestellte Pässe befanden sich ebenfalls im Tresor; Swerdlow war der erste sowjetische Politiker, der auf dem Roten Platz vor der Kremlmauer ein Ehrengrab erhielt; 1924 wurde Jekaterinburg, der Ort des Zarenmordes, zu seinen Ehren in Swerdlowsk umbenannt; im Zentrum der Stadt steht noch immer ein Denkmal Swerdlows; die Stadt heisst seit 1991 wieder Jekaterinburg, das Gebiet weiterhin Swerdlowsker Gebiet (Oblast Swerdlowsk); nach Swerdlow wurde in den 1950er Jahren eine Klasse schwerer Kreuzer der UdSSR (Artillerieschiffe) benannt, die seitens der NATO ein Wettrüsten im Kriegsschiffbau nach sich zog; Swerdlows Sohn Andrej (1911-1969) war NKWD-Agent und eine Zeit lang persönlicher Referent Berias
  • 28.6.1885–24.9.1953: Berthold Viertel, geb. und gest. in Wien, österreichisch-jüdischer Schriftsteller, Dramaturg, Regisseur, Essayist und Übersetzer; Sohn aus Galizien eingewanderter Juden; er war mit Karl Kraus und Peter Altenberg bekannt, 1910-1911 Mitarbeiter der "Fackel", 1912-1914 Regisseur und Dramaturg der Wiener "Freien Volksbühne", 1914-1917 Militärdienst, danach Theaterkritiker und Feuilletonredakteur beim "Prager Tagblatt" (Kontakt zu Kafka und Brod); heiratete 1918 die (lesbische) Schauspielerin Salomea Steuermann (1889-1978), bekannt als Salka Viertel (mit ihr verheiratet 1918-1947; drei Söhne: Hans, Peter und Thomas; zuvor war er mit Grete Viertel verheiratet, Scheidung 1918; nach der Trennung von Salka 1947 heiratete er zum dritten Mal: Elisabeth Newmann, mit der er bis zu seinem Tod 1953 verheiratet blieb); Berthold Viertel war 1918-1923 Regisseur in Dresden und Berlin, gründete 1923 das expressionistische Theater "Die Truppe" in Berlin, war 1925-1928 bei Theater und Film in Deutschland tätig und 1928-1947 in den USA und in Grossbritannien; kehrte 1947 nach Europa zurück und war 1948 Regisseur in Zürich sowie 1949-1953 in Wien, Berlin (Zusammenarbeit mit Brecht), Zürich und bei den Salzburger Festspielen; legendäre Inszenierungen der Dramen Tennessee Williams´ ("Glasmenagerie", "Endstation Sehnsucht", mit Curd Jürgens) in eigener Übersetzung am Wiener Akademietheater; seine Filme: "Schloss Vogelöd", 1921; "Nora", 1922/1923; "Die Perücke", 1924; "K 13 513 Die Abenteuer eines Zehnmarkscheines", 1926; "The One Woman Idea", 1929; "Seven Faces", 1929; "Die heilige Flamme", 1930/1931; "The Spy", 1930/1931; "The Magnificent Lie", 1931; "The Wiser Sex", 1931/1932; "The Man from Yesterday", 1932; "Little Friend", 1934; "The Passing of the Third Floor Back", 1935; "Rhodes of Africa", 1935/1936
  • 28.6.1885: Siegfried Thannhauser in München geboren, Internist, o. Prof. Freiburg i. B. (bis 1934), verdient um die Biochemie der Leber und Galle; später in Boston (er starb dort am 18.12.1962)
  • 1.7.1885: Max Oppenheimer (genannt "Mopp") in Wien geboren, Maler und Graphiker, dem Expressionismus nahestehend, trat besonders als Bildnismaler (u. a. Altenberg, Schönberg, Schnitzler) hervor
  • 8.7.1885–2.9.1929: Paul Leni, geb. als Paul Josef Levi in Stuttgart, gest. in Hollywood, Bühnenbildner und Regisseur, ein Wegbereiter des Horrorfilms; er machte seine Leidenschaft, das Zeichnen, zum Beruf, entwarf Filmplakate und Filmdekors, u. a. für Joe May, Max Mack und Ernst Lubitsch; in diesem Bereich machte er sich noch vor Ausbruch des ersten Weltkriegs einen Namen; später arbeitete er als Bühnenbildner in Filmen wie „Die Geierwally“ (1921); während des ersten Weltkriegs verwirklicht er als Regisseur seine ersten Filme; die erfolgreichsten deutschen Filme sind „Prinz Kuckuck“ (1919), das Kammerspiel „Hintertreppe“ (1921) und „Das Wachsfigurenkabinett“ (1924); 1926 geht er über New York nach Hollywood und arbeitet dort sehr erfolgreich weiter (u. a. „The Cat and the Canary“, 1927; „The Man Who Laughs“, 1928); im Sommer 1929 erkrankt er an einer Hirnhautentzündung, woran er im September stirbt
  • 8.7.1885-4.8.1977: Ernst Bloch (Ernst Simon Bloch), neo-marxistischer Philosoph, geb. Ludwigshafen am Rhein, gest. Tübingen, 1917-1919 in der Schweiz; in "Vom Geist der Utopie" (1918) erklärt er, Christentum und Marxismus verhiessen dem Menschen Befreiung aus dem Elend, besonders "Thomas Münzer als Theologe der Revolution" (1922); in den 20er-Jahren trat er der KPD bei; 1933 ausgebürgert, emigrierte er in die CSR, 1938 in die USA (blieb dort bis 1949); 1949-1957 Professor in Leipzig; gibt in seinem Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ (3 Bände, entstanden im amerikanischen Exil 1938-1947; publiziert 1954-1959) eine im Anschluss an Marx und in Auseinandersetzung vor allem mit Hegel entwickelte Philosophie des Kommenden. Die Hoffnung an der Grenze zwischen säkularisiertem Judentum und utopischem Sozialismus auf eine künftige diesseitige Aufhebung aller Widersprüche findet Ausdruck in der "konkreten Utopie". Wegen seiner kritischen Haltung zur SED-Politik wurde er 1957 zwangsemeritiert, seine Schüler waren Verfolgungen ausgesetzt. Von einem Aufenthalt in der Bundesrepublik kehrte Bloch 1961 nicht in die DDR zurück und lehrte seither in Tübingen. Nationalpreis der DDR 1955. Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1967. Weitere Werke u. a.: Durch die Wüste (1923); Spuren (1930); Erbschaft dieser Zeit (1935); Subjekt-Objekt (über Hegel; 1951); Gesamtausgabe, 17 Bde., 1959-1978; Naturrecht und menschliche Würde (1961); Verfremdungen (2 Bände; 1962/1964); Über Karl Marx (1968); Atheismus im Christentum. Zur Religion des Exodus und des Reichs (1968); - die zionistische Utopie Herzls hat Bloch, wie andere Marxisten auch, als kleinbürgerlich-nationalistische Regression abgetan – als Jude fühlte er sich in der Nachfolge der Propheten zum universalistischen Engagement für den Sozialismus verpflichtet; seit 1934 (bis zu seinem Tod) war Ernst Bloch mit Karola Bloch (geb. Karola Piotrowska) verheiratet
  • 15.7.1885–8.1.1967: Josef Frank, geb. in Baden bei Wien, gest. in Stockholm, vielfach geehrter (u. a. Österreichischer Staatspreis 1965) österreichisch-schwedischer Architekt; gemeinsam mit Oskar Strnad schuf er die "Wiener Schule der Architektur", die ein eigenes Konzept der Moderne von Häusern, Wohnungen und Inneneinrichtungen vertrat; er studierte zunächst Architektur an der Technischen Hochschule Wien und war dann von 1919 bis 1925 Lehrer an der Wiener Kunstgewerbeschule; er war Gründungsmitglied des Wiener Werkbundes und Initiator und 1932 auch Leiter der "Werkbundsiedlung" in Wien; 1933 emigrierte er nach Schweden und nahm 1939 auch die schwedische Staatsbürgerschaft an; er war der renommierteste Designer der Stockholmer Designerfirma Svenskt Tenn (schwedisches Zinn), seine Möbel- und Textilentwürfe trugen mit zur Entwicklung des skandinavischen Wohnstils bei; nach 1945 blieb Frank trotz Rückholversuchen nach Wien in Schweden; Josef Frank beschäftigte sich schon früh mit dem sozialen Wohnungsbau und mit Arbeitersiedlungen; entgegen den meisten anderen Architekten der Zwischenkriegszeit in Wien vertrat er den Siedlungsgedanken und nicht die Schaffung von sogenannten Superblocks im kommunalen Wohnungsbau; er verzichtete auch auf Fassadendekor und bevorzugte klare funktionale Formen; der Wiener Architekt und Möbeldesigner Luigi Blau bezeichnet ihn als eines seiner Vorbilder; neben seiner architektonischen Tätigkeit schuf er zahlreiche Entwürfe für Möbel, Einrichtungsgegenstände, Stoffe, Tapeten und Teppiche
  • 26.7.1885–9.10.1967: André Maurois (eigentlich Émile Salomon Wilhelm Herzog), französischer Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Historiker aus elsässich-jüdischer Familie, geb. Elbeuf bei Rouen, Département Seine-Maritime, Normandie, gest. Neuilly-sur-Seine; Erbe einer Textilfabrik; ab 1938 Mitglied der Académie Française; humvorvoll-sarkastische Erzählungen über britische und französische Lebensart aus seiner Zeit der Tätigkeit beim britischen Hauptquartier in Frankreich im 1. Weltkrieg; Begründer der „biographie romancée“ in Frankreich, einer Romanform, die das Leben grosser Persönlichkeiten basierend auf Dokumenten schildert; Werke (u. a.): „Das Schweigen des Obersten Bramble“, 1918; „Wandlungen der Liebe“, 1928; „Claire oder das Land der Verheissung“, 1945; Biografien von Disraeli,George Sand (1952),Proust (1949) u. a.; berühmt vor allem durch seinen Shelley-Roman, durch seine Bücher über Disraeli und Byron
  • 28.7.1885: Moses Montefiore stirbt in Ramsgate
  • 1.8.1885–5.7.1966: Georg von Hevesy, enorm vielseitiger Naturwissenschaftler, vor allem physikalischer Chemiker, geboren in Budapest als fünfter Sohn einer reichen jüdischen Familie mit acht Kindern, der Name hatte noch im 19. Jhdt. Bischitz gelautet, den Namen Hevesy verwendeten sie ab 1906; die Familie verdankte ihren Reichtum und Ruf der Pester Handels- und der Gutspächter-Tätigkeit der Bischitz-Linie sowie den Öl- und Tabakgeschäften der mütterlichen Schossberger-Linie; Grossvater Schossberger erhielt den ungarischen Adelstitel 1863 und noch zum Ende des 19. Jhdts. den Rang eines Barons; Georg von Hevesys Vater Lajos Bischitz war Gutspächter und Präsidiumsmitglied zahlreicher Grossunternehmen; er war es, der die Genehmigung zur ungarischen Schreibart des Familiennamens erhielt (Bisicz de Heves), woraus der Name Hevesy abgeleitet wurde; Georg von Hevesy machte 1903 sein Abitur am Budapester Piaristengymnasium; er erhielt eine katholische Erziehung; er studierte zunächst Philosophie in Budapest und in Berlin; 1908 promovierte er in Freiburg im Breisgau im Fach Chemie („Wechselwirkung des Metall-Natriums und der Natriumhydroxid-Schmelze“), setzte dann seine Forschungen in Zürich fort; zwei Jahre später arbeitete er bei Haber, ging von dort 1911 nach England und arbeitete im Laboratorium von Rutherford in Manchester; hier lernte er seinen späteren Freund Niels Bohr kennen; 1912/1913 forscht von Hevesy in Wien und Budapest, wird nach Habilitation in Budapest dort Privatdozent; im Ersten Weltkrieg diente er in der Armee der Monarchie, durfte nach dem Krieg eine Zeit lang Ungarn nicht verlassen und setzte so seine Forschungen 1918/1919 an der Hochschule für Veterinärmedizin in Budapest fort; zur Zeit des „weissen Terrors“ wurde ihm aber klar, dass er Ungarn verlassen musste; auf Einladung von Niels Bohr arbeitete er in Kopenhagen seit 1920, wo er 1922, zusammen mit Dirk Coster, das neue Element Hafnium entdeckte; dies brachte ihm grossen Ruhm und mehrere Professur-Angebote ein; er blieb aber am Bohr-Institut bis 1926 und nahm dann einen Ruf an die Universität Freiburg im Breisgau an, eine Stadt, die er liebte; er war ein grosser Wanderer und erkundete gerne die Umgegend; acht fruchtbare und angenehme Jahre verbrachte er in Freiburg, sein selbständiges Institut konnte mit Hilfe der Rockefeller-Stiftung weiter vergrössert werden; wegen seiner Abstammung musste er 1933 auf seine Professorenstelle verzichten; 1935 arbeitete er erneut in Kopenhagen und wurde zum Begründer der Nuklearmedizin; Dänemark wurde bereits 1940 von den Deutschen besetzt, doch erst 1943 wurde die Lage so gefährlich, dass Hevesy erneut flüchten musste; er wechselte an das Institut für organische Chemie der Universität Stockholm; im selben Jahr wurde ihm der Nobelpreis für Chemie für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Anwendung von Isotopen als Indikatoren bei chemischen Prozessen zuerkannt (= radioaktive Indikation / Tracer-Methode); der Nobelpreis bedeutete zugleich auch die schwedische Staatsbürgerschaft, so dass er sich dauerhaft in Stockholm niederlassen konnte (bereits seit 1924 übrigens wurde Hevesy viele Male für den Nobelpreis vorgeschlagen, aus den verschiedensten Gründen kam es nicht zur Zuerkennung des Preises); während des Zweiten Weltkriegs und danach wurde die von von Hevesy entwickelte Tracer-Methode zum Routineverfahren der Medizin; zu dieser Zeit begann von Hevesy sich mit einem anderen Forschungsgebiet, der Hämatologie, zu befassen; über 20 Jahre früher hatte ein Freiburger Arzt und Freund bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert; auf Heilung hoffend zog Georg von Hevesy wieder in seine Lieblingsstadt Freiburg, wo er am 5. Juli 1966 verstarb; Hauptwerke: Das Element Hafnium, 1927; Radioactive indicators: their application in biochemistry, physiology and pathology, 1948
  • 9.8.1885–18.4.1944: Hans Lachmann-Mosse, geb. in Berlin (als Hans Lachmann), gest. in Oakland/Cal., Verleger, letzter Chef des Hauses Mosse, übernahm am 1.1.1910 die Leitung des Verlages seines Schwiegervaters Rudolf Mosse (1843-1920), in dem u. a. das Berliner Tageblatt erschien und zu dem eine exquisite Kunstsammlung im Mosse-Palais am Leipziger Platz gehörte (1933 von den Nationalsozialisten enteignet); Hans Lachmann-Mosse flüchtete 1935 nach Paris, 1940 nach Los Angeles, wo er als Kunstmäzen bekannt wurde; im April 1933 hatte er die Leitung des Hauses Rudolf Mosse niedergelegt und die Erklärung abgegeben, dass er auf die Dauer von 15 Jahren den Überschuss sämtlicher Betriebe einem gemeinnützigen Fond zur Verfügung stelle, damit er zugunsten der Opfer des Weltkriegs ohne Unterschied der Konfession verwendet werde; Hans Lachmann-Mosse war der Sohn Georg Lachmanns und Vater von George Lachmann Mosse; 1911 hatte er Felicia Mosse geheiratet, das einzige Kind Rudolf Mosses, und den Nachnamen Lachmann-Mosse angenommen; 1939 liess er sich scheiden und heiratete Karola Strauch (Mutter des US-amerikanischen Physikers Karl Strauch), mit der er nach Kalifornien auswanderte
  • 15.8.1885: Edna Ferber geboren in Kalamazoo (Michigan); der Vater, Jacob Ferber, war aus Ungarn eingewandert, die Mutter, Julia Neumann Ferber, stammte aus Milwaukee; Edna Ferber war eine sehr erfolgreiche amerikanisch-jüdische Schriftstellerin, die beste Novellistin ihrer Zeit; sie behandelte in ihren Romanen auch jüdische Stoffe (z. B. in „Fanny herself“, 1917); 1924 Pulitzer-Preis für „So Big“ (zwei Kinofilme entstanden aus diesem Stoff); „Showboat“, 1926 (Vorlage für ein Broadway-Musical und für drei Kinofilme); „Cimarron“, 1929; „Giant“, 1952 (Vorlage für einen Film mit Elizabeth Taylor und Rock Hudson; gleichzeitig James Dean’s letzter Film); „Ice Palace“, 1958; sie schrieb zwei Autobiographien: „A Peculiar Treasure“, 1939; „A Kind of Magic“, 1963; Edna Ferber starb am 16. April 1968 in New York
  • 17.8.1885–1.10.1972: Kurt Hiller, geb. in Berlin, gest. in Hamburg, Pseudonyme: Keith Llurr (Keith Lurr) und Klirr (Thule), deutscher Schriftsteller, Kritiker, revolutionär-pazifistischer Publizist/Aktivist jüdischer Herkunft; als Stilist unverwechselbar wortmächtig, unbestechlich, streitbar, Einzelgänger und "a good hater", "Schandmaul der Weimarer Zeit", mit philosophischer und literarischer Urteilskraft focht er lebenslang für einen (schopenhauerschen und antihegelisch begründeten) Sozialismus, für Frieden und gegen die strafrechtliche Verfolgung und gesellschaftliche Geringschätzung Homosexueller und hatte damit viele mächtige Feinde; Jurist; gründete 1909 das frühexpressionistische "Neopathetische Cabaret"; 1926 gründete er die "Gruppe Revolutionärer Pazifisten"; 1933-1934 in verschiedenen Konzentrations-Lagern, Flucht nach Prag 1934, dann 1938-1955 in England, seitdem in Hamburg; Hauptwerke: "Die Weisheit der Langenweile", 2 Bände, 1913; "Leben gegen die Zeit", 1969; zur Frage seiner jüdischen Identität äusserte er sich u. a. 1942 auf einer Veranstaltung zur "Judenfrage" in London: "Wenn ich mich genau prüfe, dann bin ich in erster Linie der Denker meiner Gedanken ... und das hat mit Nation überhaupt nichts zu tun, in zweiter Linie Deutscher, in dritter Europäer und allenfalls in vierter von jüdischer Abkunft. Aus ihr eine Wichtigkeit zu machen, lehne ich ab. Sie überhaupt zum Gegenstand des Nachdenkens zu erheben, nötigt mich einzig die Bestienherrschaft in Deutschland"
  • 25.8.1885–29.5.1967: G. W. Pabst (Georg Wilhelm Pabst), geb. in Raudnitz, Böhmen (als Sohn eines Eisenbahnbeamten); gest. in Wien (1956 schon hatte er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen), österreichisch-jüdischer Filmregisseur, Hauptvertreter der „Neuen Sachlichkeit“ im Film; wollte zunächst Offizier werden, was aber an seiner Kurzsichtigkeit scheiterte; war zuerst am Theater; 1914-1919 in Frankreich interniert; dann Prag und Wien, 1933-1940 in Frankreich; Hauptwerke: „Die freudlose Gasse“, 1925 (mit Asta Nielsen, Greta Garbo und Werner Krauss); „Die Dreigroschenoper“, 1931 (Pabst verfilmt die "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht und bemüht sich um die Darstellung der realen "proletarischen Welt", der er die Theatralik des Theaterstücks gegenüberstellt; Brecht strengte erfolglos einen Prozess gegen Pabst an); „Kameradschaft“, 1931; „Paracelsus“, 1943; „Der Prozess“, 1948; „Der letzte Akt“, 1955; daneben: „Die Liebe der Jeanne Ney“ von Ilja Ehrenburg (Pabst unterstreicht den realen Charakter des Films mit dokumentarischen Einstellungen; so teilt er z. B. an 120 russische Laienschauspieler Wodka aus und filmt sie in betrunkenem Zustand); „Die weisse Hölle vom Piz Palü“, 1929 (Co-Regie neben Arnold Fanck; als Schauspielerin wirkte Leni Riefenstahl mit); „Westfront 1918“, 1930 (ein eindrucksvoller Antikriegsfilm, über den Alfred Kerr 1930 im Berliner Tageblatt schrieb: „Neben allem, allem, was ich im Winter sah, ging ein Tonfilm dieser Tage mir am tiefsten: weil er das Gesicht des Krieges für Nichtteilnehmer am rüdesten entblösst. Der Eindruck übertäubt Wochen, Monate. Man sollte das an jedem Neujahrstag vorführen, einmal an jedem Jahresbeginn; in jedem Dorf, in jeder Schule; von Amts wegen, durch Gesetz. Was sind Theaterstücke?“)
  • 27.8.1885–17.2.1951: Arnold Pressburger, geb. in Pressburg, Österreich-Ungarn; gest. in Hamburg, österreichisch-deutscher Filmproduzent; er übersiedelte 1910 nach Wien und gründete dort 1911 gemeinsam mit Siegmund Philipp den Filmverleih Philipp & Pressburger Allgemeine Kinematographen- und Film-Gesellschaft; der Verleih entwickelte sich rasch zum grössten der Monarchie; ab 1915 begann die Gesellschaft vereinzelt auch Filme herzustellen, darunter „Charlie, der Wunderaffe“ (Joe May, 1915) und „Der Glücksschneider“ (Hans Otto Löwenstein, 1916); daneben arbeitete Pressburger seit 1916 für die Österreichisch-ungarische Sascha-Messter-Filmfabrik GmbH, die 1918 Philipp & Pressburger aufkaufte, zur „Sascha Film-Industrie AG“ umgewandelt wurde und für die Pressburger bis 1925 rund 100 Filme produzierte; in diesem Umfeld lernte Pressburger auch den Schriftsteller und Drehbuchautoren Karl Gustav Vollmoeller kennen, der damals durch seine beiden Filme „Das Mirakel“ und „Venezianische Nacht“ internationale Erfolge feierte; aus der Zusammenarbeit mit Regisseur Alexander Korda gingen die Filme „Prinz und Bettelknabe“ (1920), „Herren der Meere“ und „Eine versunkene Welt“ (beide 1921/22) hervor; Mihali Kertész, der später als „Michael Curtiz“ internationale Berühmtheit erlangte, inszenierte unter Pressburgers Produktionsleitung u. a. „Die Dame mit dem schwarzen Handschuh“ (1919), „Die Dame mit den Sonnenblumen“, „Die Sterne von Damaskus“ (beide 1920), „Frau Dorothys Bekenntnis“ (1921), „Sodom und Gomorrha“ (1922), „Der junge Medardus“ (1923), „Die Sklavenkönigin“ (1924/32) und „Der goldene Schmetterling“ (1926); 1926 ging Arnold Pressburger nach Berlin, wo er für die die F. P. G. Film-Produktions-Gemeinschaft mbH unter anderem G. W. Pabsts Film „Man spielt nicht mit der Liebe“ (1926) produzierte; 1930 verliess er die F. P. G. und gründete die Allianz-Tonfilm, die bis 1931 zehn Filme produzierte, darunter den Carmine Gallone-Film „Die singende Stadt“ (1930, mit Brigitte Helm und Jan Kiepura), Hans Behrendts Geschichtsdrama „Danton“ (1930/31, mit Fritz Kortner und Gustaf Gründgens), Fritz Kortners Regiedebut „Der brave Sünder“ (1931, mit Max Pallenberg und Heinz Rühmann) und Phil Jutzis berühmte Döblin-Verfilmung „Berlin - Alexanderplatz“ (1931, mit Heinrich George und Maria Bard; seit 1931 arbeitete Pressburger auch für die Ufa, für die er u. a. Anatole Litvaks Filmlustspiel „Nie wieder Liebe“ (1931, mit Harry Liedtke und Lilian Harvey) produzierte; in dieser Zeit arbeitete er erstmals auch mit Gregor Rabinowitsch zusammen; beide verliessen die Ufa 1932 und gründeten gemeinsam die Cine-Allianz Tonfilm GmbH, die in den folgenden Jahren mehrsprachige Musikfilme mit bedeutenden Regisseuren wie Marcel Carné, René Clair, Arnold Fanck, Carmine Gallone, Fritz Lang, Max Ophüls, Reinhold Schünzel und Detlef Sierck und mit internationalen Stars wie Marta Eggerth, Willi Forst, Brigitte Helm und Jan Kiepura produzierte; Pressburger und Rabinowitsch waren Juden, und im Zuge der „Arisierung“ der deutschen Filmindustrie wurde die Cine-Allianz 1935 in eine Liquidationsgesellschaft überführt; 1937 folgte die Enteignung; Rabinowitsch setzte seine Arbeit in Frankreich fort, Pressburger ging über Grossbritannien nach Frankreich und von dort aus 1941 nach Hollywood, wo er erneut eine eigene Filmproduktionsgesellschaft – die Arnold Pressburger Films – gründete; das Unternehmen brachte nur vier Filme hervor, deren Regisseure jedoch Weltrang hatten: „The Shanghai Gesture“ (Josef von Sternberg, 1941), „Auch Henker sterben“ (Fritz Lang, 1943), „It Happened Tomorrow“ (René Clair, 1944) und „A Scandal in Paris“ (Douglas Sirk = Detlef Sierck 1946); während der Dreharbeiten zu Peter Lorres Meisterwerk „Der Verlorene“ starb Arnold Pressburger in Hamburg an den Folgen einer Gehirnblutung; Arnold Pressburger war der Vater des Filmproduzenten Fred Pressburger (1915-1998)
  • 29.8.1885–28.4.1958: Dr. phil. Richard Koebner (Köbner), geb. in Breslau, gest. in London, Historiker, wurde 1924 Prof. in Breslau, emigrierte 1933 nach Palästina, wo er an der Hebräischen Universität in Jerusalem Neuere Geschichte lehrte; nach seiner Emeritierung 1954 ging er nach London, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte; Hauptwerke: Venantius Fortunatus, 1915; Der Widerstand Breslaus gegen Georg von Podiebrad, 1916; Die Anfänge des Gemeinwesens der Stadt Köln, 1922; Staatsbildung und Städtewesen im deutschen Osten, 1931; Empire and Imperialism, 1961; er war u. a. auch Mitarbeiter an den Jahresberichten der deutschen Geschichte (1921-1928)
  • 6.9.1885–5.1.1969: Franz Theodor Csokor, geb. u. gest. in Wien, vielfach geehrter österreichischer Schriftsteller und Dramatiker; er gilt als einer der bedeutendsten Dramatiker des Expressionismus in Österreich; sein erfolgreichstes und auch bekanntestes Stück ist 3. November 1918, das den Untergang der K. u. k.-Monarchie thematisiert, in vielen Werken spiegelt sich die Beschäftigung des Autors mit der Antike und dem Christentum; Csokor entstammte einer gutbürgerlichen ungarisch-jüdischen Familie; der Name Csokor ist ungarisch und bedeutet (Blumen)Strauss; er begann zunächst ein Studium der Kunstgeschichte, das er aber nicht abschloss; schon früh fühlte er sich zum Dramatiker berufen und verfasste erste Stücke vor dem Ersten Weltkrieg; 1913/14 verbrachte er in Sankt Petersburg, wurde im Krieg Soldat und letztlich im Kriegsarchiv beschäftigt; Csokor war von 1922 bis 1928 Dramaturg am Raimundtheater und am Deutschen Volkstheater in Wien; schon seit 1933 war Csokor entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und unterzeichnete ein entsprechendes Dokument auf dem PEN-Kongress in Dubrovnik; 1938, nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, emigrierte er freiwillig, ging über Polen, Rumänien und Jugoslawien 1944 nach Italien, wo er in Rom lebte; er arbeitete für die BBC und kehrte 1946 in britischer Uniform nach Wien zurück; 1947 wurde Csokor Präsident des Österreichischen P.E.N.-Clubs, für den er bis ins hohe Alter tätig blieb; 1968 wurde Csokor auch Vizepräsident des Internationalen P.E.N.-Clubs; Csokor trat als überzeugter Humanist in seinen Dramen für Frieden, Freiheit und Menschenrechte ein; sein Schaffen war immer auch eng mit der Arbeiterbewegung verbunden; Csokor wurde auch der Titel „Professor“ verliehen; begraben ist er in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof; die Csokorgasse in Wien wurde 1975 nach ihm benannt; 1994 veröffentlichte die Österreichische Post eine Sonderbriefmarke zu seinen Ehren
  • 19.9.1885–1. Mai 1936: Ernst Reicher, geb. in Berlin, gest. in Prag, Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent; er begann ab 1909 an verschiedenen Theatern zu spielen; als er den damals noch unbekannten Joe May kennenlernte, begann für beide eine imposante Filmkarriere; Ernst Reichers erster Film wurde von Joe May unter dem Titel "Vorgluten des Balkanbrandes" (1912) in Szene gesetzt; 1914 erfand Ernst Reicher die Figur des Detektivs Stuart Webbs und lancierte damit eine erfolgreiche Film-Reihe, die bis 1926 dreissig Filme nach sich zog; mit diesen Filmen etablierte Ernst Reicher den Detektivfilm, der eine Reihe von Nachahmern fand; nach drei Stuart-Webbs-Filmen zerstritten sich Joe May und Ernst Reicher mit der Continental-Kunstfilm GmbH und gründeten kurzerhand ihre eigene Gesellschaft unter dem treffenden Namen "Stuart Webbs Film Company"; doch auch Joe May und Ernst Reicher zerstritten sich; als Erfinder der Figur setzte Ernst Reicher die Reihe erfolgreich selbständig weiter fort, Joe May etablierte als Konkurrenzfigur den Detektiv Joe Deebs; erst ab 1919 versuchte sich Ernst Reicher auch in anderen Filmrollen und spielte u.a. im Monumentalfilm "Das Buch Esther" den König Ahasver an der Seite seiner Frau Stella Harf; anfangs der 20er Jahre ereilte Ernst Reicher ein schwerer Unfall mit Wirbel- und Schädelbruch; da die Genesung nur mühsam voranschritt, konnte er in den nächsten paar Jahren keine Filme mehr drehen; mit Aufkommen des Tonfilms wurde der mittlerweile in die Jahre gekommene Ernst Reicher nur noch in kleineren Rollen besetzt; nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten war die Karriere des Juden Ernst Reicher endgültig besiegelt, er ging nach Prag, wo er in Vergessenheit geriet; neben der Schauspielerei realisierte Ernst Reicher auch einige Filme als Regisseur; dazu gehören "Das Werk" (1913), "Die Statue" (1914), "Der Amateur" (1916), "Die Fürstin von Beranien" (1918), "Wir von Gottes Gnaden...Hoheit Vater und Sohn" (1918), "Das Buch Esther" (1919), "Lyas Flirt mit dem Heiligen" (1919), "Der Sprung ins Dunkle" (1920) und "Im letzten Augenblick" (1923). -- Weitere Filme mit Ernst Reicher: Erloschenes Licht (1912); Ein Ausgestossener (1913); Zurückerobert (1913); Richard Wagner (1913); Heimat und Fremde (1913); Das Werk (1913); Die Statue (1913); Die geheimnisvolle Villa (1914); Der Mann im Keller (1914); Der Spuk im Hause des Professors (1914); Das Panzergewölbe (1914); Eines Mannes Schatten (1915); Der gestreifte Domino (1915); Die Schlossfrau von Radomsk (1915); Die Toten erwachen (1915); Das Mitternachtsschiff (1915); Gräfin de Castro/Die Irre (1916); Der Brieföffner (1916); Der Hilferuf (1916); Die Reise ins Jenseits (1916); Die Peitsche (1916); Die Senatorwahl (1916); Die letzte derer von Skagen (1916); Der Amateur (1916); Wohltun trägt Zinsen (1917); Wenn's ihm zu wohl ist (1917); Das treibende Floss (1917); Der Todesstern (1917); Das Lichtsignal (1917); Die Diamantenstiftung (1917); Rauschgold (1917); Das Geschäft (1917); Die Pagode (1917); Der Stellvertreter (1918); Der rätselhafte Blick (1918); Die Geisterjagd (1918); Der Teufelswalzer (1918); Der Eisenbahnmarder (1918); Rolf kann alles (1918); In Vertretung (1918); Wie Rolf, das Pflänzchen, verhilft der Schwester zum Myrthenkränzchen (1918); Der Stier von Saldanha (1918); Die Fürstin von Beranien (1918); Die Launen des Glücks (1918); Hoheit Vater und Sohn/Wir sind von Gottes Gnaden (1918); Die geheimnisvollen Briefe (1919); Rolf als Mädchen für alles (1919); Das verschwundene Modell (1919); Lyas Flirt mit dem Heiligen (1919); Die Brüder von St. Parasitus (1919); Das Schloss am Abhang (1919); Die graue Elster (1920); Die weisse Rose (1920); Der Sprung ins Dunkle (1920); Der Meister (1920); George Bully (1920); Der grosse Chef (1921); Die Camera obscura (1921); Das Rattenloch (1921); Im letzten Augenblick (1923); Die Perlen des Dr. Talmadge (1924); Die malayische Dschonke (1924); Das schöne Abenteuer (1924); Der Fluch der bösen Tat (1925); Das Parfüm der Mrs. Worrington (1925); Der Schuss im Pavillon (1925); Das Geheimnis einer Stunde (1925); Das Panzergewölbe (1926); Der Amateur oder Die grosse Wette (1926); Der grosse Unbekannte (1927); Das Geheimnis von Genf (1927); Haus Nummer 17 (1928); Hände Hoch, hier Eddy Polo (1928); Vertauschte Gesichter (1929); Gigolo (1930); Der Weg nach Rio (1930); Das Lied der Nationen (1931); Der Zinker (1931); Der Raub der Mona Lisa (1931); Eine Nacht im Grandhotel (1931); Rasputin (1932)
  • 19.9.1885–25.4.1980: Richard Lert (eigentlich Levi), geb. in Wien, gest. in Mountain View, Kalifornien, Dirigent, kam von Düsseldorf, wo er seit 1910 tätig war, über Darmstadt (seit 1912, hier 1916 Heirat mit Vicky Baum), Frankfurt am Main (ab 1916) und Kiel 1919 nach Hannover (hier Generalmusikdirektor) und 1923 nach Mannheim (auch hier Generalmusikdirektor), war (ab 1928) Gastdirigent der Staatsoper und der Philharmoniker in Berlin und emigrierte 1933 nach Pasadena/Kalifornien, wo er u. a. die Civic Orchestra Association und über zwanzig Jahre lang die Music Academy Santa Barbara leitete
  • 5.10.1885–20.9.1960: Ida Rubinstein (Ida Lwowna Rubinstein), geb. in Charkow, gest. in Vence (Südfrankreich), russisch-jüdische Tänzerin, Schauspielerin und Choreografin, sie war die Startänzerin des russischen Balletts in Paris, gehörte zu den schillerndsten Künstlerpersönlichkeiten der ersten 40 Jahre des 20. Jahrhunderts; Ida Rubinstein gilt mit ihrer expressiven Darstellung und exotischen Ausstattung (Bewegungstheater) als Urahnin der Performance; sie tanzte freizügig, exaltiert und nahezu nackt auf der Bühne, lange vor Josephine Baker; während Strawinsky behauptete, sie sei die "dämlichste Frau in der Kunstwelt, der er jemals begegnet sei", beschrieben andere sie als „faszinierende Schönheit“ und „Traumfrau der 1920er-Jahre“ (was sie auch war)
  • 7.10.1885–18.11.1962: Niels Bohr (Niels Henrik David Bohr), geb. und gest. in Kopenhagen, dänisch-jüdischer Physiker aus alter Gelehrtenfamilie (jüdische Mutter Ellen, geb. Adler), erhielt den Nobelpreis für Physik im Jahr 1922 für seine Verdienste um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung (Entwicklung des Bohrschen Atommodells)
  • 11.10.1885: Kurt Singer in Berent (Westpreussen) geboren, Arzt, Dirigent und Musikschriftsteller, 1927-1931 Intendant der Städtischen Oper Berlin, 1933 Gründer des Kulturbundes in Berlin
  • 14.10.1885–1954: David Ignatoff (auch: David Ignatow), geb. in Brossulow im Gouvernement Kiew; gest. 1954 (in New York?), jiddischer Schriftsteller und Publizist, einer der Führer der Gruppe Di Junge in Amerika; er wanderte, aus einer chassidischen Familie Osteuropas stammend, 1906 nach New York aus, musste zunächst in einer Fabrik arbeiten und wurde später Gewerkschaftsführer; sein literarisches Debüt hatte er mit der Erzählung Erwachen im Sammelband Die Jugend; grössere Bekanntheit erlangte er erstmals mit seiner Novelle Zwei Kräfte; zusammen mit dem Dichterkollegen I. I. Schwarz redigierte er 1910 den 2. Band des von der amerikanisch-jiddischen literarischen Gruppe Di Junge (oder Di Jinge = "Die Jungen") herausgegebenen Sammelbuches Literatur, welche Gruppe sich mit dem - ebenfalls von Ignatoff verantworteten - Sammelbuch Schriften etablierte und dadurch gekennzeichnet war, dass sie erstmals soziale Themen und die Kritik an der kapitalistischen Ausbeutung zugunsten ästhetisierender Tendenzen zurückstellte und sich ihres Judentums bewusster war als die Generationen davor; im Jahr 1912 gründete Ignatoff den kurzlebigen Verlag Amerika, der bald zum Sammelbecken moderner jüdisch-amerikanischer Literatur wurde; David Ignatoff schrieb in ganz eigenem, musikalisch beschwingtem Ton und Rhythmus Erzählungen, Romane, Lieder in Prosa, Kinderbücher und war auch als Übersetzer tätig; --- Werke (Auswahl): Entstehungszeit/Erscheinen bekannt: Zwei Kräfte, 1908 (Novelle); Wundermases fun alten Prag, 1916 ff. ("Wundererzählungen aus dem alten Prag", romantisch-märchenhafte Erzählungen rund um den Helden Berl Prager, der als Anhänger des heiligmässigen Rabbi Löw alle Abenteuer dank Gottes Hilfe glücklich übersteht); Dos Farborgene Licht, 1918 ("Das verborgene Licht", Erzählungen, romantisierende Neugestaltung der Geschichten des Rabbi Nachman von Bratzlaw); In Kesselgrib, 1918 (realistischer Roman in drei Teilen); Zwischen zwei Sonnen, ca. 1920; Gott behüt un beschütz, ca. 1920; Dus goldene Jingl, ca. 1920; Von der Nacht, ca. 1920; Der Gibbor, ca. 1920; Der alte Wald, ca. 1920; Beim Feuer, ca. 1920; Oif weite Wegn, 1932 (Realistischer Roman, Nacherzählung des Aufstiegs der jüdischen Arbeiterbewegung auf ihrer Suche nach einer Harmonisierung von Religion und Sozialismus); Ohne Jahr bzw. nicht ermittelt: Erwachen (Erzählung; sein literarisches Debüt); Redaktion/Herausgeberschaften: Sammelbuch Literatur (1910, Band 2); Sammelbuch Schriften; Gesamtausgaben/Sammelbände (eigener Schriften): Sammelbuch Welt an Welt, 1916; Gesammelte Schriften, vier Bände, 1919-1920
  • 21.10.1885–8.11.1974: Egon Wellesz, geb. in Wien, gest. in Oxford, österreichisch-jüdischer Komponist und Musikforscher; 1929-1938 Professor an der Universität in Wien; Schönberg-Schüler; emigrierte 1938 nach England; bedeutsame Forschungen zur mittelalterlichen byzantinischen Musik; schrieb Ballette, Opern („Die Prinzessin Girnara“, 1921; „Alkestis“, 1924; „Die Bacchantinnen“, 1931) sowie neun Sinfonien in atonaler, archaisierender Tonsprache
  • 31.10.1885–19.5.1939: Karl Radek (gebürtig: Karol Sobelsohn; eines seiner Pseudonyme war: Struthahn), geb. in Lemberg, Österreich-Ungarn, gest. (vermutlich) am 19. Mai 1939 in Werchneuralsk, Sowjetunion, Politiker und Journalist, der in Polen, Deutschland und der Sowjetunion wirkte; er stammte aus einer jüdischen Familie im Habsburger Reich, er selbst sah sich als Atheist; seine Familie orientierte sich an der deutschen Kultur, weshalb zuhause Deutsch gesprochen wurde; Radek hatte jedoch bereits als Schüler Kontakt zur polnischen Arbeiterbewegung und schrieb für polnische Zeitungen; Jiddisch lernte Radek nach eigenen Angaben erst als Erwachsener und „mehr aus Jux“; Karl Radek gehörte anfangs zu den führenden Politikern in der polnischen (nach der Revolution 1905 wegen seiner Radikalität aus der sozialistischen Partei Polens ausgeschlossen; von dieser Zeit an nannte er sich K. Radek = Kradek, aus dem Polnischen ins Deutsche übersetzt "der Dieb") und deutschen Sozialdemokratie; in Deutschland eroberte er sich als geist- und kenntnisreicher Journalist, insbesondere auf dem Gebiet der Aussenpolitik, seit dem Jahr 1908 eine führende Rolle in der sozialdemokratischen Presse (u. a. redigierte bzw. schrieb er für die Bremer Bürgerzeitung, die Leipziger Volkszeitung, die Dortmunder Arbeiterzeitung sowie die offizielle Parteizeitschrift "Neue Zeit"); bereits 1910 sagte er die Wahrscheinlichkeit des kommenden Weltkrieges voraus; als Kritiker von Rosa Luxemburg – obwohl er anfangs mit ihr gemeinsam den äussersten linken Flügel der deutschen Sozialdemokratie im Kampf gegen die gemässigteren Richtungen gebildet hatte – schloss er sich nach seinem Ausschluss aus der SPD (1912) schon vor dem Ersten Weltkrieg Lenin an und war einer seiner Vertrauensleute im Schweizer Exil; er war weiter publizistisch tätig, vor allem in der "Berner Tagwacht" erschienen seine Artikel (unter dem Pseudonym "Parabellum"), die sich gedanklich in eine Reihe mit den Schriften Lenins, Trotzkis und Sinowiews stellten, aber wegen ihrer gefälligeren Form weit grössere Beachtung fanden; in der Zeit der russischen Revolution redigierte Radek in Stockholm die Zeitschrift "Der Bote der russischen Revolution" und später (1917-1918) das Petersburger Blatt "Der Völkerfriede" sowie das Moskauer Blatt "Die Weltrevolution", die beide in deutscher Sprache zum Zweck der Antikriegs-Propaganda erschienen; Radek war auch einer der Teilnehmer der berühmten Fahrt Lenins im verplombten Eisenbahnwaggon gewesen auf der Rückkehr durch Deutschland und Schweden nach Russland; er wurde dann unter anderem Sekretär für Deutschland im Exekutivkomitee der Komintern und war 1918 Delegierter bei den Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion in Brest-Litowsk; Ende 1918 reiste er illegal nach Deutschland, um zu sondieren, ob die sowjetischen Bolschewiki von dort Unterstützung erwarten könnten; nach seiner Verhaftung wurde ihm von der Sowjetunion nachträglich ein diplomatischer Status gegeben, um sein Leben zu schützen; dies erschien notwendig, da zu dieser Zeit einige der führenden Kommunisten - wie Rosa Luxemburg - in Deutschland nach einer Gefangennahme ermordet worden waren; Radek erhielt bald die Erlaubnis, in der Haft im Berlin-Moabiter Gefängnis zu arbeiten und legte sich dafür eine Bibliothek an, für die er eine weitere Gefängniszelle erhielt; in diesem „Moabiter-Salon“ empfing er auch deutsche Politiker, Wirtschaftsführer und Intellektuelle; wichtig ist insbesondere die Begegnung mit Walter Rathenau von der AEG, der später deutscher Aussenminister wurde; beide erkannten, trotz aller persönlichen Abneigung, dass ihre Staaten gemeinsame Interessen hatten; damit war eine Grundlage für den Vertrag von Rapallo gelegt; als Aussenpolitiker der UdSSR − er war 1918 kurzzeitig Volkskommissar für das Äussere − suchte er nicht nur bei den deutschen Linken Unterstützung,sondern auch bei den Nationalisten; so wurde er sowjetischerseits der führende Vertreter des Nationalbolschewismus; programmatischen Ausdruck fand diese Haltung 1923, als er eine Rede auf Schlageter hielt, der während der Ruhrbesetzung von den Franzosen getötet wurde; als Vertreter der Komintern unterstützte er nachdrücklich den Hamburger Aufstand der KPD (1923); die Politik der SPD-Regierung wurde von ihm mit dem Begriff des Sozialfaschismus bezeichnet, der später von Stalin übernommen und systematisiert wurde: „Sozialdemokratie ist die Zwillingsschwester des Faschismus“; daneben war Radek auch Urheber einer Diskussion über Gemeinsamkeiten der KPD mit rechten Gegnern des Versailler Vertrages und der Weimarer Republik; der Auslöser war seine Rede zum Tod von Schlageter, den er − bezugnehmend auf den Titel eines Romans von Friedrich Freksa − am 21. Juni 1923 auf dem 3. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI) als Wanderer ins Nichts bezeichnete; Radek und die KPD hofften, mit diesen Positionen die nationale Komponente ihrer Politik zu stärken; 1925 wurde Karl Radek – aus den ersten Reihen der politischen Macht bereits ausgeschlossen – erster Rektor der im November ausschliesslich für chinesische Studenten – Angehörige der Kommunistischen Partei Chinas beziehungsweise der Kuomintang – eröffneten Sun-Yatsen-Universität in Moskau; in den 1920er Jahren gehörte Radek als Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU zur Opposition um Trotzki, wurde 1927 aus der Partei ausgeschlossen und nach Sibirien verbannt; nach der Rückkehr und seiner "Selbstkritik", d. h. hier der willenlosen Unterwerfung unter die offizielle Linie der Partei 1929, war er als international geschätzter Journalist (Redakteur der Izvestja 1930-1937) und Kulturfunktionär tätig; 1934 gab ein Prawda-Artikel von Radek das Startsignal zur Vergöttlichung Stalins; 1937 wurde Radek als Anhänger Trotzkis im zweiten Moskauer Schauprozess angeklagt; im Prozessverlauf versuchte er auf versteckte Weise anzudeuten, dass er trotz seiner scheinbaren Geständnisse kein Verräter sei; so erinnerte er den Staatsanwalt Andrej Januarjewitsch Wyschinski daran, dass die Anklage einzig auf seiner Aussage beruhe und erwähnte in Folge auch „andere Absprachen“; es wird vermutet, dass es diese Absprachen waren, die ihm ein Todesurteil ersparten; Radek wurde schliesslich im Februar 1937 zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt – seither ist er verschollen; nach einer unbewiesenen Angabe wurde er 1941 in Moskau gesehen, offiziellen Angaben zufolge aber am 19. Mai 1939 im Lager Werchneuralsk im Südural von einem kriminellen Mitgefangenen erschlagen; erst in der Perestroika-Zeit wurde Radek rehabilitiert (1988); Radek hat ein Nachleben in Literatur und Kunst wie wenige andere Bolschewiki; Lion Feuchtwanger war bei der Urteilsverkündung in Radeks Prozess anwesend und schrieb in seinem Reisebericht Moskau 1937 über das Lächeln, mit dem Radek den Raum verliess; dieses Lächeln taucht seither in der Literatur über Radek immer wieder auf; Arthur Koestler inspirierte er zu der Hauptfigur in seinem Roman Sonnenfinsternis (1940); die Widersprüchlichkeit seiner Persönlichkeit spiegelt der biographische, von Kritikern aber teils als idealisierend empfundene Roman Radek von Stefan Heym (1995); Bregenzer Festspiele und Neue Oper Wien zeigten im August 2006 die Uraufführung von Richard Dünsers Kammeroper Radek über eine der „politischen Schlüsselfiguren des 20. Jahrhunderts“
  • 4. November 1885-29. November 1973: Felix Braun, österreichischer Schriftsteller
  • 5.11.1885–13.8.1953: Oskar Goldberg, geb. in Berlin, gest. in Nizza, Religionsphilosoph und absonderlicher, rückwärtsgewandter Mythenforscher (Eintreten für die Wiederherstellung des biblischen Opferkults usw.); Dr. med., 1914-1917 Militärarzt, dann bis 1920 Direktor des Orientpsychologischen Instituts in München, 1925-1933 zentrale Figur der "Philosophischen Gruppe" in Berlin (mit Simon Guttmann, Erich Unger, Adolf Caspary und weiteren Persönlichkeiten; man betrieb dort u. a. "kabbalistische Metaphysik"); emigrierte nach 1933 nach Frankreich und in die USA; Hauptwerke: Die 5 Bücher Mosis, 1908; Das Volk, 1921; Die Wirklichkeit der Hebräer, 1925; Maimonides' Kritik der jüdischen Glaubenslehre, 1935; Die Götter der Griechen, 1937; On Numbers in the Bible, 1946; - Thomas Mann hat Goldberg als "typisch jüdischen Faschisten" bezeichnet und ihn in seinem "Doktor Faustus" als "Dr. Chaim Breisacher" der Lächerlichkeit preisgegeben
  • 6.11.1885–2.5.1962: Dr. phil. Sigismund Loewe (Siegmund Loewe), geb. in Berlin, gest. in Sarasota, jüdischer Physiker und Industrieller, er war Gründer und Eigentümer der Firma Loewe (Radio, TV), er studierte Physik und Elektrotechnik und promovierte unter Max Wien in Jena mit magna cum laude; Siegmund Loewe emigrierte nach der Arisierung seines Unternehmens 1938 in die USA; in der deutschen Stadt Kronach/Oberfranken (Firmensitz) sind eine staatliche Realschule und eine Strasse nach ihm benannt worden; Literatur: Kilian J. L. Steiner: "Ortsempfänger, Volksfernseher und Optaphon. Die Entwicklung der deutschen Radio- und Fernsehindustrie und das Unternehmen Loewe 1923-1962", 2005
  • 11.11.1885–25.8.1951: Fritz Karsen, geb. in Breslau, gest. in Guayaquil/Ecuador, Pädagoge und Schulreformer (einer der ersten Begründer einer Gesamtschule in Deutschland; Versuch der Errichtung einer "Arbeitsschule"; er war auch der erste, der durch Unterrichtskurse junge Arbeiter zum Abitur geführt hat), 1908 Dr. phil., 1921-1933 Direktor des Kaiser-Friedrich-Realgymnasiums in Berlin-Neukölln, das er 1927 zu einer Gesamtschule ausbaute und das seit 1930 Karl-Marx-Schule hiess; 1931-1933 Dozent der Universität Berlin für ausländisches Schulwesen; emigrierte 1933 nach Paris, wo er eine Schule für ausländische Kinder einrichtete; war beteiligt am Aufbau der Universität Bogota/Kolumbien, ging 1938 in die USA, betreute 1946-1948 die deutschen Universitäten der US-Zone, war bis 1951 Deutsch-Professor in New York, reorganisierte das Universitätswesen in Ecuador; Berlin hat eine Schule nach ihm benannt; Hauptwerke: Die Schule der werdenden Gesellschaft, 1921; Deutsche Versuchsschulen der Gegenwart und ihre Probleme, 1923; er war auch Herausgeber des Lehrbuches der Geschichte für Höhere Schulen
  • 7.12.1885–20.5.1970: Bertha Badt-Strauss, geb. als Bertha Badt in Breslau; gest. in Chapel Hill, North Carolina, bedeutende deutsch-jüdische Publizistin, Journalistin und Autorin; sie wurde in eine traditionell-religiöse jüdische Gelehrten-Familie geboren (Vater: Benno Badt, 1849-1909; ihr Bruder war Hermann Badt, 1887-1946) und studierte in Breslau und Berlin Literaturgeschichte, Englisch, Latein und Philosophie; in Berlin promovierte sie 1908 als erste Frau an der philosophischen Fakultät über Annette von Droste-Hülshoff; 1913 ging sie nach Berlin und heiratete dort Bruno Strauss, der Gymnasiallehrer war und parallel über Moses Mendelssohn forschte; 1921 kam ihr Sohn Albrecht zur Welt; sie war zionistisch eingestellt und begeisterte sich insbesondere für die von Martin Buber formulierte Idee einer Jüdischen Renaissance; beide, sie und ihr Mann, lebten bis an ihr Lebensende streng observant; nach dem Ersten Weltkrieg begann sie, über jüdische Themen zu schreiben, und wurde im Laufe der Jahre zu einer der produktivsten, bekanntesten und meistgelesenen Publizistinnen im Berlin der Zwischenkriegszeit; sie verfasste zahlreiche Artikel, wissenschaftliche Aufsätze, Lexikonbeiträge, Kurzgeschichten, Biografien und Buchbesprechungen und war Herausgeberin literarischer Werke (u. a. Droste-Hülshoff, Rahel Varnhagen), von Übersetzungen und Textkritiken; 1939 flüchtete das Ehepaar über London in die USA (Shreveport, Louisiana), wo Bruno Strauss eine Dozentenstelle erhalten hatte; der Sohn war bereits 1933 zur Ausbildung nach Grossbritannien geschickt worden; in ihrer neuen Heimat publizierte Bertha Badt-Strauss weiter, wenn auch in einem bedeutend geringeren Umfange, nicht zuletzt deswegen, weil sie seit Jahren an Multipler Sklerose litt und sich ihr Gesundheitszustand in Amerika deutlich verschlechtert hatte; ihr Mann starb 1969, sie selbst starb ein Jahr später, am 20. Mai 1970 im Haus ihres Sohnes; Werke (Auswahl): Annette von Droste-Hülshoff, 1909; Rahel und ihre Zeit, 1912; Süsskind von Trimberg, 1920; Moses Mendelssohn, 1929; Jüdinnen, 1937; Herausgeberin der Briefe von Hermann Cohen, 1939; Jessie Sampter, 1956; -- Literatur: Martina Steer, Bertha Badt-Strauss (1885-1970). Eine jüdische Publizistin, Frankfurt am Main 2009
  • 1885 ff.: so genannte Polenausweisungen
  • 1885–1913: David Carlebach (Rabbiner in Halberstadt)
  • 1885–1933: Hans Moral, Zahnmediziner in Rostock
  • 1885–1941: Otto Hirsch, geb. in Stuttgart, ermordet im KZ Mauthausen, Jurist, wurde 1911 Rechtsanwalt in Stuttgart; 1912 im Dienst der Stadt, leitete er im ersten Weltkrieg das Kriegsleistungswesen, wurde 1920 Ministerialrat im württenbergischen Innenministerium und förderte die Neckar-Kanalisierung als Leiter der Neckar-AG; 1933 wurde er Direktor der Reichsvertretung der deutschen Juden; versuchte, sich den ersten Deportationen entgegenzustellen; im Frühjahr 1941 wurde er mit seiner Frau nach Mauthausen deportiert und kurz danach ermordet; Stuttgart benannte eine Strasse nach ihm
  • 1885–12.8.1942: Sabina Spielrein, geb. in Rostow am Don, gest. ebenda (ermordet), russisch-jüdische Psychoanalytikerin; 1904 wird sie wegen „Hysterie“ in die psychiatrische Klinik Burghölzli in Zürich eingewiesen und dort u. a. von C. G. Jung, der damals dort Oberarzt war, behandelt; 1905 beginnt sie nach ihrer Genesung ein Medizinstudium in Zürich, 1905-1909 ist sie die erste Analye-Patientin, dann Geliebte von C. G. Jung; aufgrund dieser „therapeutischen Grenzverletzung“ beginnt C. G. Jung 1906 mit Sigmund Freud einen Briefwechsel; Freud kam dann zu der Auffassung, dass jeder Analytiker zunächst selbst als Analysand eine Analyse durchlaufen müsse, bevor er Patienten betreut; 1909 endet die Analyse Spielreins abrupt; Spielrein promoviert 1911 in Zürich mit einem dezidiert psychoanalytischen Thema, kommt dann später in Wien in Kontakt mit Freud selbst; später arbeitet sie (u. a.) über Kinderpsychologie; bei Beginn des ersten Weltkrieges flüchtet Spielrein aus Deutschland in die Schweiz, lebt 1915 bis 1921 in Lausanne; 1921 ist sie acht Monate in Genf die Psychoanalytikerin von Jean Piaget; 1923 Rückkehr nach Russland an ihren Geburtsort, 1935-1937 "verschwinden" ihre Brüder Isaak, Jan und Emil Spielrein – vermutlich im Gulag; 1936 wird in der Sowjetunion unter Stalin die Psychoanalyse verboten; Sabina Spielrein arbeitet dennoch weiter an ihren Themen; 1942 nach dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion wird sie bei einer Massenerschiessung von Juden mit ihren zwei Töchtern Renata und Eva von den Nazis durch Rostow am Don getrieben und in der Schlangenschlucht ermordet; sie hinterliess Tagebücher und ihre Briefwechsel mit Freud und Jung, die wichtige Dokumente aus der Frühphase der Psychoanalyse darstellen
  • 1885–1943: Osias Gordon (Osias Jehoschua Gordon), Siedler in Rischon le-Zion, einer der ersten Schekelsammler im Jischuw, war Sekretär des Vereins En ha-qore in Rischon le-Zion
  • 1885–ca. 1944: August L. Mayer (August Liebmann Mayer), geb. in Darmstadt, umgekommen in Auschwitz, Kunsthistoriker in München
  • 1885–1950: Bernhard Gottlieb, geb. in Kuty (Galizien), gest. in Ann Arbor (Michigan), Zahnarzt, als solcher Teilnehmer am 1. Weltkrieg, seit 1921 Prof. an der Universität Wien; 1938 entlassen, ging er für zwei Jahre nach Palästina an die Hebräische Universität, dann in die USA, wo er Prof. für Zahnheilkunde in Ann Arbor wurde; er arbeitete über "Alveolar-Pyorrhoë", war Karies- Spezialist und hat die Zusammenhänge zwischen Zahnheilkunde und allgemeiner Biologie herausgearbeitet
  • 1885–1959: Joseph Sprinzak, israelischer Arbeiterführer und erster Präsident der Knesset. - Joseph Sprinzak wurde in Moskau geboren. Sein Vater war in der Chovevei Zion Bewegung aktiv. Als die Juden 1891 aus Moskau ausgewiesen wurden, übersiedelte die Familie zuerst nach Kischinew und später nach Warschau. Das Heim der Sprinzaks war ein Zentrum für junge hebräische Schriftsteller und Zionisten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte Sprinzak zu den Gründern von HaTehiyah, einer zionistischen Gruppe, die von Jitzchak Grünbaum geleitet wurde. Er arbeitete in einem hebräischen Verlag und für hebräische und jiddische Zeitungen. 1905 kehrte er nach Kischinew zurück und engagierte sich in zionistischen Angelegenheiten. 1908 verbrachte er einige Monate in Konstantinopel, wo er mit zionistischen Führern in Kontakt kam, danach studierte er in Beirut Medizin. Sein Studium war nur von kurzer Dauer, denn nach einigen Monaten wurde er gebeten, Sekretär des HaPoel HaZair („der junge Arbeiter") zu werden. Den Ersten Weltkrieg verbrachte Sprinzak in Eretz Israel. Er war Delegierter zum elften und zwölften Zionistischen Kongress, der erste Repräsentant der Arbeiterbewegung des Jischuw in der Zionistischen Exekutive. Nach der Staatsgründung wurde er in den Provisorischen Staatsrat gewählt und in die ersten drei Knessetperioden. Sprinzak war zehn Jahre lang Präsident der Knesset und hatte grossen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie des Landes. Joseph Sprinzak war ein zionistischer Führer, der sich in Israel und im Ausland sehr stark mit der Basis identifizierte. Seine Konzeption von Zionismus gründete auf Sozialismus und dem Prozess der nationalen Wiedergeburt. Während seiner Amtszeit als Sekretär des HaPoel HaZair war er mit der Integration jemenitischer Juden beschäftigt. Im Ersten Weltkrieg organisierte er die Arbeiter des Jischuw. Als Mitglied der Zionistischen Exekutive war er in den Zwanzigerjahren zuerst Chef der Abteilung für Arbeit und später der Einwanderungsabteilung. Er war ein Gründungsmitglied der Histadrut und gehörte der Tel Aviver Stadtregierung an. In den Dreissigerjahren war Sprinzak als Angehöriger der Exekutive der Histadrut massgeblich an der Gründung der Mapai Partei Ben Gurions beteiligt. In den Vierzigerjahren wurde er ein führendes Mitglied des Zionistischen Zentralrates und schliesslich Generalsekretär der Histadrut. Joseph Sprinzak starb 1959.
  • 1885–1965: Lonny Epstein, Pianistin

Bücher

  • S. Buber, Midrasch Tanchuma, 2 Bde., Wilna 1885 (Nachdruck Jerusalem 1964)
  • S. Buber, Liqqutim mi-Midrasch Elle ha-Debarim Zutta, Wien 1885
  • H. Hirschfeld, Das Buch al-Chazari aus dem Arabischen ... übersetzt, Breslau 1885
  • A. Tawrogi, Der thalmudische Tractat Derech Erez Sutta, Königsberg 1885
  • Theodor Herzl, Muttersöhnchen, 1885
  • B. Niese (Hrsg.), Flavii Josephi Opera, 7 Bände, Berlin 1885-1895 (Nachdruck 1955)

Zeitungen und Zeitschriften

  • Seit 1885: Centraal Blad voor Israëlieten in Nederland, in Amsterdam wöchentlich in Niederländisch herausgegebenes offizielles Organ der jüdischen Gemeinden
  • Seit 1885: Der Morgenjournal, in New York erscheinende jiddisch-zionistische Tageszeitung
  • Seit 1885: The Jewish Spectator, in Memphis, Cal., wöchentlich in englischer Sprache erscheinend
  • 1885–1888: Zion, in Drohobycz/Galizien in zwangloser Folge in hebräischer Sprache erscheinende chowewe-zionistische Zeitschrift
  • 1885–1893: Selbstemanzipation, in Wien halbmonatlich in deutscher Sprache erscheinendes chowewe-zionistisches Organ (vgl. bei Nathan Birnbaum, 16.5.1864-2.4.1937)
  • 1885–1893: Vigio Israélite, in Oran (Algier) erscheinendes jüdisches Wochenblatt in arabischer und französischer Sprache reformerischer Tendenz
  • 1885–1938: Die Wahrheit. Untertitel: Unabhängige Zeitschrift für jüdische Interessen – bzw.: Deutschösterreichische Wochenschrift für jüdische Interessen - Österreichische Wochenschrift für jüdische Interessen. Jüdische Wochenschrift; Herausgeber / Chefredakteure: Jacob Bauer, Alois Kulka, M. Löwy, Ludwig Hirschfeld, Oskar Hirschfeld; "Die Wahrheit" erschien unter wechselnden Untertiteln jeweils wöchentlich von 1885 bis 1938, als die Wiener Zeitschrift von den Nationalsozialisten verboten wurde; wie im Fall anderer Periodika erfolgte die Gründung der Zeitschrift "Die Wahrheit" als Reaktion auf den im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts stark anwachsenden Antisemitismus; in der Tradition der grossen liberalen, parteiunabhängigen Periodika betrachtete es der Begründer Jakob Bauer (1852-1926), auch Herausgeber der "Cantoren-Zeitung", als "nothwendig die Fackel der Wahrheit zu entzünden ... und nicht nur die Aussenwelt über die wahre Gestalt und das Wesen des Judenthums zu belehren, sondern auch die eigenen, durch Indifferentismus vom Judenthum losgelösten Glieder zu sammeln" (1.1.1899); unter ihrem langjährigen Herausgeber Bauer richtete "Die Wahrheit" ihr Augenmerk zunächst auf übergreifende Themen des Gemeinde-, Vereins- und Kulturlebens; ein weiterer Schwerpunkt galt der Information über das breite Spektrum der 'Wissenschaft des Judentums'; unter Bauers Nachfolger Ludwig Hirschfeld (1876-1931) gewann "Die Wahrheit" zunehmend an politischem Profil, wobei das Blatt - vergleichbar der "CV-Zeitung" oder der Zeitschrift "Im deutschen Reich" - der Maxime verbunden blieb, dass eine friedliche Koexistenz von Juden und Nichtjuden als gleichberechtigte Staatsbürger unterschiedlicher Konfessionen angestrebt werde müsse

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