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Geschichte der Juden in Bayreuth

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Mahnmal auf dem Jüdischen Friedhof

Die Geschichte der Juden in Bayreuth beginnt im 13. Jahrhundert.

Mittelalter

Um den Handelsverkehr von Nürnberg nach Böhmen durch Bayreuth zu lenken, soll Burggraf Friedrich III. von Nürnberg eine Anzahl von Juden in seine 1248 in seinen Besitz gelangte Stadt Bayreuth aufgenommen und sie mit Privilegien ausgestattet haben.[1]

Bis Mitte des 14. Jahrhunderts standen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation alle Juden unter dem unmittelbaren Schutz des Kaisers. Karl IV. (römisch-deutscher Kaiser ab 1355) übertrug die Vollmacht des Judenschutzes auf die Landesfürsten. Die erhoben von den Juden Abgaben für Schutzbriefe und Privilegien bezüglich der Religionsausübung. Der Zutritt zu den Handwerkszünften und zu anderen ehrbaren Berufen blieb den Juden verwehrt. Daher waren sie gezwungen, ihren Lebensunterhalt mit Tätigkeiten wie Hausieren, Handel mit Kleinwaren oder Geldverleih auf Pfänder zu verdienen. Letzterer führte zwangsläufig zu Missstimmungen mit der übrigen Bevölkerung und der Obrigkeit.[2]

Das Bayreuther Stadtbuch des Jahres 1464 regelte den Handel zwischen Juden und Christen. Es enthielt unter anderem das Verbot des Wuchers und des Handels mit Hehlerware oder Sakralgegenständen sowie eine Regelung der Eidesformel der Juden.

Die Landesherrn der Markgrafschaft Brandenburg-Culmbach-Bayreuth waren durchwegs keine religiösen Eiferer. Sie betrachteten die jüdischen Gemeinden pragmatisch als zusätzliche Einnahmequellen und nahmen sie wiederholt gegen Angriffe von Seiten des Klerus in Schutz. Markgraf Albrecht Achilles verwehrte sich 1451 entschieden gegen die Forderung der Bamberger Diözesansynode, dass Juden zur Kennzeichnung einen gelben Ring tragen sollten.[2]

Die ablehnende Haltung von Teilen der Bevölkerung beruhte hauptsächlich auf der Furcht vor den Andersgläubigen und ihren fremdartigen Gebräuchen sowie dem Misstrauen gegenüber den jüdischen Zinsgeschäften. Rassistischer Antisemitismus ist in jener Zeit in Bayreuth nicht nachweisbar, sein gelegentliches Aufflackern im Spätmittelalter und der absolutistischen Zeit war religiös bedingt. Blutige Pogrome wie in Hof (1515) oder Regensburg (1519) gab es in der Stadt offenbar nicht.

1515 und 1561 setzten die Vertreter der Städte auf dem Landtag Auswanderungsbefehle für alle Juden des Fürstentums durch. Auch dem Markgrafen Christian trotzten die Landstände 1611 gegen dessen Bedenken ein Ausweisungsmandat ab. Jener, der vor allem aus fiskalischen Interessen die Juden im Land behalten wollte, konnte sein Mandat jedoch nicht widerrufen, und griff daher zu einem Trick: Er machte die Juden seiner Ehefrau Marie zum persönlichen Geschenk, die sie daraufhin unter ihren Schutz nahm.[3]

Es kam vor, dass Kreditnehmer hofften, durch die Ausweisung ihrer jüdischen Gläubiger ihre Schulden loszuwerden. Andere verübten in jüdischen Anwesen Diebstähle und Raub. 1699 stellte der Fränkische Reichskreis fest: „Allerhand loses und liederliches Gesindlein“ rotte sich zusammen, um „unter dem Prätexte eines wider die Juden abgefaßten Hasses würkliche Rauberey und Plünderungen“ in Judenhäusern zu begehen. Den Tätern wurde die Todesstrafe angedroht.[4]

Synagoge vor dem Umbau, 2012

Dass manche Juden mit gebrauchten Gegenständen handelten, erregte Argwohn und Misstrauen unter der Bevölkerung und seitens der Obrigkeit. Markgraf Georg Wilhelm schrieb den Juden 1713 eine neue Eidesformel zu ihren Ungunsten vor. 1714 untersagte er den Juden aus hygienischen Gründen den Handel mit alten Kleidern, rauhen Fellen, Bettwaren, Feder- und Lederartikeln sowie allen anderen „giftsaugenden“ Waren. Im Jahr darauf ordnete er an, dass die wohnsitzlosen „Betteljüden“ nicht in die Stadt eingelassen werden, sondern ihr Almosen vor den Stadttoren erhalten sollten.[4]

Epoche der Aufklärung

Tor und Taharahaus am Jüdischen Friedhof

Noch weit ins 18. Jahrhundert hinein konnten die Juden ihre Verstorbenen nicht in Bayreuth bestatten, sondern mussten sie nach Baiersdorf bei Erlangen überführen. Zu Versammlungen und Andachten trafen sich die Bayreuther Juden in Privatwohnungen. Mit dem Regierungsantritt Friedrichs III. im Jahr 1735, einem Vertreter des aufgeklärten Absolutismus, verbesserte sich die Lage der jüdischen Untertanen. Fortan wurde ihnen gestattet, ihren Wohnsitz innerhalb des Fürstentums beliebig zu verändern, ihre Kinder zum Besuch der jüdischen Schule und der Synagoge anzuhalten, zu Familienfesten und an Feiertagen jüdische Gäste von außerhalb des Fürstentums einzuladen sowie christliche Dienstboten anzustellen. 1759 verkaufte Friedrich das alte Redoutenhaus in der Münzgasse an den Bankier Moses Seckel, der in dem Gebäude eine Synagoge einrichtete. Gegenüber der Synagoge entstand Mitte des 18. Jahrhunderts am Mühlkanal ein Ritualbad für jüdische Frauen. 1767 wurde eine Satzung beschlossen, die die internen Angelegenheiten der jüdischen Gemeinde regelte. 1786 konnte an der Nürnberger Straße ein Grundstück erworben werden, auf dem ein Friedhof angelegt wurde.[4]

19. Jahrhundert

In der Zeit der preußischen Herrschaft (1791 bis 1807) sah sich die Regierung gezwungen, die jüdische Bevölkerung des Fürstentums gegen Ritualmordverdächtigungen in Schutz zu nehmen. Unter Strafandrohung wurde untersagt, physische und psychische Gewalt gegen Juden auszuüben. 1819 kam es in Bayreuth erneut zu Ausschreitungen, bei denen Juden geschmäht und mit Steinen und Äpfeln beworfen wurden. Zunehmend war die Feindseligkeit weniger religiös, sondern rassistisch geprägt. Mehr und mehr wurden sie als Mitglieder eines Volkes, das einen Fremdkörper innerhalb Deutschlands darstellte, empfunden. Der Freispruch von Mitgliedern des Gesangvereins Sankt Georgen, die wegen eines antsiemitischen Liedes vor Gericht standen, wurde 1883 von einem Teil des Publikums bejubelt.[4]

Wurden 1763 in der Stadt noch 24 jüdische Familien gezählt, so gab es um 1840 bereits 101 jüdische Haushalte. 47 Personen führten ein Ladengeschäft, fast ausschließlich im Bereich Textil und Mode. 33 Juden handelten mit Vieh oder Hopfen oder gingen hausieren. 16 Mitglieder der Gemeinde lebten vom Kreditgeschäft oder ihrem Vermögen. Nach der Aufhebung des Zunftzwangs waren bereits 46 jüdische Mitbürger als Lehrlinge, Gesellen oder Meister in handwerklichen Berufen tätig.[4] Um die folgende Jahrhundertwende umfasste die örtliche jüdische Gemeinde mehr als 350 Personen.[5]

1863 wurde den Bayreuther Jüdinnen eine Mikwe in der Badeanstalt Rosenau eingerichtet. Zwischen dem alten Bad und der „Münzmühle“ entstand 1867 eine Schächterhütte, in der das Vieh nach jüdischen Vorschriften geschlachtet wurde. Sie verschwand im Zuge des Baus der Königlichen Filialbank (heutiges Iwalewahaus).

Frühes 20. Jahrhundert

Der Antisemitismus in Nordbayern zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte einen wirtschaftlichen Nährboden. In Bayreuth hatte der jüdische Kaufmann Joseph Friedmann 1898 an der unteren Opernstraße ein Kaufhaus errichtet. In den „Wölfelbauten“ auf der anderen Straßenseite existierte seit 1888 bereits das Kaufhaus von Luitpold Kurzmann (Opernstraße 22). Beide Geschäfte boten, über den für Juden „üblichen“ Textilbereich hinaus, ein breitgefächertes Angebot an. Das stetzte sie dem Vorwurf aus, den einheimischen Mittelstand zu schädigen.

Öffentliches Wohlwollen begleitete die vierzig jungen jüdischen Männer, darunter eine Reihe von Freiwilligen, die im August 1914 zum Kriegseinsatz verabschiedet wurden. Doch bereits 1919 war die Atmosphäre des Zusammenlebens frostig geworden. Die jüdischen Mitbürger wurden als Sündenböcke für den verlorenen Krieg und einen tristen, freudlosen Alltag gebraucht. Diesmal handelte es sich nicht um eine kurzfristige antisemitische Welle. In Bayreuth wurde, wie auch in anderen fränkischen Städten, vom Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund, einem Vorläufer der NSDAP, lange vor dem Anbruch des „Dritten Reichs“, eine regelrechte Pogromstimmung erzeugt. Die politische Brunnenvergiftung erreichte auch die Schulen, besonders Oberklässler hatten offene Ohren für antisemitische Parolen. In einer Zeitungsanzeige der örtlichen Ortsgruppe des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens vom 10. September 1919 heißt es: „Kann es den Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft, die in letzter Zeit durch eine maßlose, gemeingefährliche und anonyme Hetze ständig schwer angegeriffen wird, verargt werden, wenn sie nach den Urhebern dieser Hetze Umschau halten?“ Am 8. Oktober 1919 wies der jüdische Rechtsanwalt Berthold Klein auf einer stürmischen Veranstaltung des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbunds, bei der laut Bayreuther Tagblatt „nur noch Handgranaten fehlten“, die Vorwürfe gegen das Judentum zurück und legte ein Treuebekenntnis zum Deutschtum ab.[6]

Am 7. Januar 1920 tauchte erstmals in einer Zeitungsanzeige der Bayreuther Tagblatts das Hakenkreuz auf.[7] Viermal innerhalb des ersten Quartals jenes Jahres trommelte der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund seine Gefolgschaft in seinem Stammlokal Bauernhof (Maximilianstraße 38) zusammen. Mit aggressiven Inseraten wurde Mitgliederwerbung betrieben. Die antisemitischen Hetzparolen verschafften der Gruppierung offenbar regen Zulauf, Ende des Jahres 1922 zählte sie rund 300 Mitglieder. Der Oberbürgermeister Albert Preu warnte im Stadtratbereits im Januar 1920: „Die Angriffe gegen das Judentum ... nehmen allmählich Formen an, welche eine Bedrohung nicht nur der Beteiligten, sondern auch des öffentlichen Friedens bedeuten.“ Mit einer Beschwerde der israelitischen Kultusgemeinde befasste sich der Stadtrat am 13. Dezember 1922. Sie betraf die andauernde Hetze der „Deutschvölkischen“ in Versammlungen und auf Plakaten, doch die Stadväter unternahmen nichts dagegen.[6]

Eine Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) wurde am 22. November 1922 gegründet, vier Monate später wurden bereits mehr als 300 Mitglieder gezählt. Am 18. März 1923 wütete Julius Streicher im Sonnensaal (Richard-Wagner-Straße 4) gegen Juden und Marxisten. Die Folge war eine erbitterte Straßenschlacht, die von der NSDAP später als „Feuertaufe“ verherrlicht wurde. 1923 kam Adolf Hitler erstmals in die Stadt und hatte am 23. September seinen ersten öffentlichen Auftritt beim Deutschen Tag. Nach dem gescheiterten Novemberputsch ordnete Frankens SA-Führer Walter Buch an, dass für „Hitlerblut“ Judenblut fließen müsse, was – anders als in Unterfranken – in Bayreuth nicht befolgt wurde. Unter Beteiligung des Hauses Wahnfried wurde, nach dem vorübergehenden Verbot der NSDAP, als Tarn- und Auffangorganisation der Völkische Bund unter dem Vorsitz des Volksschullehrers Hans Schemm (der „an jedem Laternenpfahl einen Juden baumeln“ sehen wollte) ins Leben gerufen.[6]

Bei der Wiederaufnahme der Richard-Wagner-Festspiele im Jahr 1924 kam es zu judenfeindlichen Demonstrationen. 1925 ärgerte sich Hitler, bei seinem ersten und einzigen Besuch der Festspiele vor 1933, über den Auftritt eines jüdischen Künstlers und sprach von „Rassenschande“. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre ließ der Druck auf die Juden vorübergehend spürbar nach. Die wirtschaftliche Konsolidierung stärkte die politisch gemäßigten Kräfte und bremste den Aufstieg der Nazis. Friedrich Puchta schrieb am 14. Oktober 1927 in der örtlichen SPD-Zeitung: „Die Hakenkreuzlerei ist im wesentlichen eine Sache für den rückschauenden Geschichtsschreiber geworden.“[6]

Zwei Jahre später hatte sich der Wind erneut gedreht. Im März 1929 formulierte das Bayreuther Tagblatt: „Die Stimmung der Massen im antisemitischen Sinne macht sich bemerkbar ... in Bayreuth marschiert der völkische Gedanke.“ Bei den Stadtratswahlen des 8. Dezember jenes Jahres erhielt die NSDAP auf Anhieb neun der dreißig Sitze. Schemm, nun „Gauleiter“, Abgeordneter und Mitglied des Stadtrats, sorgte fortan für permanente Konfrontation. Er versuchte, die örtliche Geschäftswelt gegen den „Angriff des Warenhausjuden auf Bayreuth“ aufzuputschen, wetterte im Dezember 1930 gegen die Einladung zweier Juden als Gäste einer Primizfeier durch die katholische Kirche und erklärte im September 1931 den „Verteidigungskrieg des Bayreuther Mittelstandes gegen die Eröffnung eines [jüdischen] Einheitspreisgeschäftes“.

Leztmals wehrten sich die Bayreuther Juden öffentlich in einer Anzeige in der Oberfränkischen Zeitung: „Glaubt nicht den Verleumdungen und Beschimpfungen ... Wir deutschen Juden sind Menschen wie Ihr und nicht besser und nicht schlechter als Ihr“.

Die Verfolgung der Juden während der nationalsozialistischen Diktatur

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollen sich, so die nationalsozialistische Tageszeitung Fränkisches Volk, über 15.000 Menschen auf den Straßen und Plätzen der Stadt versammelt haben. Auch wenn diese Zahl vermutlich zu hoch angesetzt ist, lässt sich doch feststellen, dass die Mehrheit der Bayreuther Bevölkerung damals ein positives Verhältnis zu den Nazis hatte. Der Bayreuther Hans Schemm, zum Gauleiter berufen und nach der Gleichschaltung zum bayerischen Kultusminister ernannt, war überaus populär, seine Ansichten waren für viele Oberfranken prägend. Er knüpfte an die pseudo-wissenschaftliche Rassenlehre Houston Stewart Chamberlains an, der in Bayreuth gelebt und eine Tochter Richard Wagners geheiratet hatte. Die Arier bezeichnete Schemm als „Gottmenschen“, die Juden als minderwertigste unter allen Rassen. Den Deutschen sei „die Weltaufgabe übertragen worden, den ganzen Erdball vom Dreck und Mist des Minderrassentums zu reinigen“.[8]

Auffällig ist, dass bereits vor gesetzesähnlichen reichsweiten Anordnungen in Bayreuth Maßnahmen gegen Juden vorgenommen wurden. Kurt de Jonge wurde im März 1933 im Gefängnis St. GeorgeninSchutzhaft“ genommen, ins Konzentrationslager Dachau überstellt und dort schwer misshandelt.[9] Im Oktober 1933 versuchte Karl Schlumprecht, seit dem 26. April 1933 Oberbürgermeister der Stadt, die Eheschließung des jüdischen Bürgers Justin Steinhäuser mit einer Christin zu verhindern. Im Juni 1934 wurde der Jude Leopold Reinauer, der eine deutsche Kellnerin zu sich eingeladen hatte, von Nazi-Anhängern verprügelt und anschließend wegen „rassenschänderischen Verhaltens“ verurteilt. Der Jude Max Friedmann kam im Monat darauf wegen „unsittlicher Verfehlungen gegenüber seinem Dienstmädchen“ in „Schutzhaft“, wurde also ohne Anklage eingesperrt.[8] Ebenfalls im Juli 1934 wurde der jüdische Handelsvertreter Reinhaus von SA-Leuten misshandelt und verschleppt, er tauchte nie wieder auf.[9]

1933 gab es etwa 30 jüdische Firmen in der Stadt, deren Geschäfte sich vielfach in zentraler Lage befanden. Bereits vor dem reichsweit organisierten Boykott jüdischer Geschäfte, der am 1. April 1933 begann, stellte die SA am 11. März vor dem Schuhgeschäft Isaak Zwirns (Maximilianstraße 71)[10] und dem Kaufhaus Erwege (Opernstraße 11, Inh. Max Friedmann)[10] Posten auf, um Kunden abzuschrecken. Trotz der Ausweitung dieser Maßnahme ab April blieben den jüdischen Geschäftsleuten zunächst Kunden erhalten, das Warenhaus Heinrich Schiefer (Richard-Wagner-Straße 4)[10] ging aber noch im selben Jahr in Konkurs. Im Zeitraum 1935 bis 1937 mussten dann viele jüdische Geschäfte aufgeben oder wurden „arisiert“. Zum Zeitpunkt der Pogrome des 9. November 1938 („Reichskristallnacht“) existierten in Bayreuth nur noch vier jüdische Läden. Die durch den Boykott, der auch Ärzte und Rechtsanwälte betraf, erzwungenen Geschäftsaufgaben entzogen den meisten Juden ihre Erwerbsbasis. Jüdischen Viehhändlern wurde die Gewerbelegitimation entzogen, ab Juli 1938 durften Juden nicht mehr als Hausverwalter tätig sein.[8]

Bis November 1938 hatte man im Reich rund 250 antijüdische Verordnungen und Erlasse verhängt, von denen viele auch in Bayreuth Niederschlag fanden. Juden mussten ihre Führerscheine abgeben, durften andererseits aber keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen. Ihren Kindern wurde der Besuch deutscher Schulen untersagt: im November 1936 mussten die jüdischen Schülerinnen das Lyzeum (heute: Richard-Wagner-Gymnasium) verlassen. Die jüdische Herz-von-Hertenried-Stiftung und eine weitere wurden im Mai 1938 aufgelöst und deren Vermögen beschlagnahmt. Juden durften keine Rundfunkgeräte mehr besitzen, im September 1939 wurden ihnen durch die SA 25 Radios abgenommen. Im folgenden Winter mussten sie alle in ihrem Besitz befindliche Wertgegenstände aus Gold, Silber und Platin entschädigungslos abgeben, Ende 1941 dann ihre warme Winterkleidung. Ab September 1941 waren sie unter Strafandrohung gezwungen, in der Öffentlichkeit den gelben Judenstern zu tragen; auch in Bayreuth sind Fälle bekannt, in denen Juden von „Deutschen“ diesbezüglich denzuniert und daraufhin verurteilt wurden. Schließlich wurde letzteren jeder persönliche Kontakt mit Juden verboten, Juden durften nicht einmal mehr gegrüßt werden.[8]

Etlichen Bayreuther Juden gelang es, rechtzeitig zu emigrieren. Bervorzugtes Reiseziel waren die USA, die 55 von ihnen erreichten. Daneben wurde häufig Palästina, vereinzelt auch England, Schweden und Australien als Ziel angegeben.[8]

Novemberpogrom

1935 wurde Fritz Wächtler, als Nachfolger des tödlich verunglückten Schemm, Gauleiter der Bayerischen Ostmark. Am Abend des 9. November 1938 meldete er – telefonisch von München aus – das Attentat des polnischen Staatsbürgers jüdischen Glaubens Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris. Wächtler gab Anweisungen, wie der „spontane Ausbruch der Volkswut“ in Bayreuth abzulaufen habe. Darsteller des organisierten Volkszorns waren in erster Linie SA-Leute, die um Mitternacht durch Meldegänger aus den Betten geholt wurden und sich per Einsatzbefehl in Zivilkleidung an der Ecke Opernstraße/Wölfelstraße einfinden mussten. Sie verwüsteten das Innere der Synagoge, steckten sie aber, aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Markgräflichen Opernhaus, nicht in Brand. Hinweise auf eine aktive Rolle der Bevölkerung in der „Reichskristallnacht“ lassen sich nicht finden. Jedoch schafften Bedürftige ab den frühen Morgenstunden Holz, darunter die Sitzbänke, aus der Synagoge fort.[11]

Am Morgen des 10. November 1938 waren auch die verbliebenen jüdische Geschäfte geplündert und verwüstet: Die kleine Spielwarenhandlung Friedmann (Am Schloßberglein), der „Nürnberger Basar“ (Richard-Wagner-Straße 20, Inh. Rudolf Weigert) sowie die Textilgeschäfte Dessauer (Luitpoldplatz) und Roßkamm (Carl-Schüller-Straße 20½, Inh. Jakob und Adele Strauß). Schwerer als die Zerstörung von Sachwerten wog in jener Nacht die Menschenjagd, bei der SA und Polizei offenbar Hand in Hand arbeiteten.[11] Die meisten der noch 120 jüdischen Mitbürger wurden zunächst ins Alte Rathaus (Maximilianstraße 33) und dann in die Viehstallungen der Rotmainhalle getrieben, wo sie eingesperrt und gleichsam öffentlich ausgestellt wurden. „Besonders mittags waren die Viehstallungen ... dicht belagert, und jeder versuchte, durch die nicht allzu hohen Fenster einen Blick ins Innere zu erhaschen“. Auf dem Weg dorthin sei die Jüdin Friedmann für „ihr freches Maul“ geschlagen worden, auch dem Arzt Leo Steinberger, der gegen die Polizei „frech werden wollte“, habe man „eine gründliche Lektion erteilt“, schrieb das Bayreuther Tagblatt. Und weiter: „Der Jude Zwirn, welcher den Eintritt in seine Wohnung verwehren wollte und sich mit Gewalt widersetzte, mußte eindrucksvoll belehrt werden, daß er nichts mehr zu melden hatte“. Auch sprach die Zeitung an jenem Tag von der Rotmainhalle als einem Konzentrationslager und machte sich auf infame Weise über die Todesangst der Opfer lustig.[11] Unter den Verfolgten jener Nacht waren nicht wenige Teilnehmer des Ersten Weltkriegs, die sich stets als Patrioten gefühlt hatten, darunter mit Justin Steinhäuser ein Träger des Eisernen Kreuzes. Noch im Einwohnerbuch des Jahres 1937 ist der Jüdische Frontkämpferbund Ortsgruppe Bayreuth aufgeführt.

Widerspruch gegen das Vorgehen von Polizei und SA wurde nicht aktenkundig, lediglich der Protest eines Dorfpfarrers aus Mistelgau in einem offiziellen Bericht angeführt. Er wurde wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz gegen Staat und Partei angezeigt. Oberbürgermeister Friedrich Kempfler missbilligte vorsichtig die Gewalt gegen Sachen, die Gewalt gegen Menschen ließ er unerwähnt.[11] 23 jüdische Männer wurden anderntags in das Gerichtsgefängnis Sankt Georgen verbracht, neun von ihnen waren Anfang Dezember noch in Haft. Am 11. November 1938 wurde, nun unter der Beteiligung örtlicher Bürger, der Jüdische Friedhof geschändet, dessen Einfriedung abgerissen und die Leichenhalle beschädigt. Die NS-Zeitung Bayerische Ostmarkberichtete am 6. Dezember 1938, im Bayreuther Geschäftsleben gebe es keine Juden mehr.

Deportationen

Im Januar 1941 wurde der Viehhändler Gustay Flörsheim verhaftet, weil er „die Gesetze des deuchen Volkes bei jeder Gelegenheit frivol mißachtet“ habe, und im Gefängnis ermordet. Von den 260 Juden, die sich 1933 in der Stadt aufhielten, lebten im Herbst 1941 noch 78 Personen in Bayreuth.

Am 27. November 1941 wurden um 5 Uhr früh 60 Juden von der Gestapo aus den Betten geholt. Mit Juden aus Fürth, Bamberg und Würzburg brachte man sie zunächst in ein Sammellager nach Nürnberg-Langwasser. Dort blieben sie zwei Tage lang und wurden anschließend in einer dreitägigen Eisenbahnfahrt in das Auffanglager Jungfernhof bei Riga transportiert. Ein Teil von ihnen wurde am 26. März 1942 im Wald von Biķernieki mit Maschinengewehren erschossen und in ein Massengrab geworfen. Andere kamen über das Ghetto Riga Ende November 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz und wurden dort vergast. Glück im Unglück hatte Frau Rainauer, die mit ihrer Tochter im Konzentrationslager Kaiserwald überlebte und ein halbes Jahr lang in einem russischen Lazarett gesundgepflegt wurde.[9]

Bei der zweiten Deportation am 12. Januar 1942 wurden von den 18 noch in Bayreuth verbliebenen Juden elf in das jüdische Altersheim Weiße Taube nach Bamberg gebracht. Im September ging es von dort, gemeinsam mit Bamberger und Nürnberger Juden, zunächst ins Konzentrationslager Theresienstadt und dann weiter nach Litauen und Auschwitz. Zu ihnen zählten der Justizrat Berthold Klein, das Ehepaar Weinberger aus der Ludwigstraße und das Ehepaar Steinhäuser aus der Friedrich-von-Schiller-Straße. Keiner dieser Deportierten hat den Holocaust überlebt.[9]

Die verbliebenen Bayreuther Juden lebten fortan unter unmenschlichen Bedingungen, darunter eine Familie im unbeheizten Leichenhaus des jüdischen Friedhofs; zwei von ihnen wurden in den Selbstmord getrieben. Justin Steinhäuser wurde im November 1944 in das Arbeitslager Schedlitz in Thüringen und von dort im April 1945 in das Konzentrationslager Flossenbürg gebracht. Er zählt zu den sieben bekannten Bayreuther Juden, die den Gräuel lebend überstanden.[9]

Nachkriegszeit

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrten drei Frauen und vier Männer, die zur Bayreuther jüdischen Gemeinde gehört hatten, aus den Konzentrationslagern zurück. Zu ihnen kamen ab Mai 1945 weitere überlebende Juden, sodass die Gemeinde 1946 350 Mitglieder umfasste. Ein amerikanischer Militärrabbiner förderte ab Januar 1946 maßgeblich den Zustrom ehemaliger jüdischer KZ-Häftlinge aus überfüllten Flüchtlingslagern.[12] Sie stellten die Synagoge wieder her und führten ein geregeltes Gemeindeleben, verließen Deutschland in den folgenden Jahren aber fast ausnahmslos. 1950 war die Zahl der Mitglieder bereits wieder erheblich zurückgegangen, und die Bestellung eines funktionsfähigen Vorstands erwies sich als schwierig.

Anlässlich eines Gastspiels der Schauspielerin Kristina Söderbaum tauchten 1949 erstmals wieder antisemitische Schmierereien im Stadtgebiet auf. Den Auftritt der Ehefrau des Filmregisseurs Veit Harlan (Jud Süß) hatte das jüdische Komitee vergeblich zu verhindern versucht. Rechtsextreme Parteien wie die Sozialistische Reichspartei (SRP) knüpften unverblümt am Symbolwert Bayreuths als „Kraftzentrum des Nationalsozialismus“ an. Der stramm rechts orientierte Deutsche Block war im Stadtrat zeitweise stärker als die CSU vertreten. 1958 wurde – gegen die Bedenken des KZ-Überlebenden Justin Steinhäuser – eine Straße nach dem Rassentheoretiker Houston Stewart Chamberlain benannt.[13]

Am 4. Dezember 1951 sorgte die gewaltsame Durchsuchung der Synagoge nach vermutetem Schmuggelgut für Aufsehen. Die Gründungsversammlung der Israelitischen Gemeinde Bayreuth in ihrer heutigen Form fand am 27. Mai 1956 statt.[13]

Mitte der 1970er-Jahre lebten nur noch etwa 30 jüdische Personen in Bayreuth. Durch den Zuzug von Familien aus dem Bereich der GUS-Staaten seit den 1990er-Jahren hat die Zahl der Gemeindeglieder auf 220 wieder zugenommen. 2016 zählten zur Gemeinde 510 Mitglieder. Ein jüdisches Kultur- und Gemeindezentrum soll bis 2020 im Gebäude der Alten Münze von 1778 in der Münzgasse eingerichtet werden. Dort soll auch das Archiv der Gemeinde untergebracht werden. Dokumente von 1760 bis 1933 sind komplett erhalten.[14] Der über 950 Grabsteine umfassende jüdische Friedhof von Bayreuth, mit Grabsteinen von 1787 bis heute, wurde im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinde Bayreuth dokumentiert, das Projekt wurde 2012 abgeschlossen.

Weblinks

Literatur

  • Sylvia Habermann, Bernd Mayer, Christoph Rabenstein: „Reichskristallnacht“. Das Schicksal unserer jüdischen Mitbürger. Eine Gedenkschrift der Stadt Bayreuth, 1988
  • Bernd Mayer, Frank Piontek: Jüdisches Bayreuth. Ellwanger, Bayreuth 2010, ISBN 978-3-925361-81-4.

Einzelnachweise

  1. Adolf Eckstein: Geschichte der Juden im Markgrafentum Bayreuth, Bamberg 1907
  2. 2,0 2,1 Sylvia Habermann, Bernd Mayer, Christoph Rabenstein: „Reichskristallnacht“. Das Schicksal unserer jüdischen Mitbürger. Eine Gedenkschrift der Stadt Bayreuth, 1988, S. 7.
  3. Sylvia Habermann u. a.: „Reichskristallnacht“, S. 8.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Sylvia Habermann u. a.: „Reichskristallnacht“, S. 9 ff.
  5. Sylvia Habermann u. a.: „Reichskristallnacht“, S. 13 ff.
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Sylvia Habermann u. a.: „Reichskristallnacht“, S. 20 ff.
  7. Bernd Mayer, Frank Piontek: Jüdisches Bayreuth. Ellwanger, Bayreuth 2010, ISBN 978-3-925361-81-4, S. 188.
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 Sylvia Habermann u. a.: „Reichskristallnacht“, S. 27 ff.
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 9,4 Sylvia Habermann u. a.: „Reichskristallnacht“, S. 44 ff.
  10. 10,0 10,1 10,2 Jüdisches Bayreuth, Faltblatt der Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth
  11. 11,0 11,1 11,2 11,3 Sylvia Habermann u. a.: „Reichskristallnacht“, S. 35 ff.
  12. Bernd Mayer, Frank Piontek: Jüdisches Bayreuth, S. 202.
  13. 13,0 13,1 Bernd Mayer, Frank Piontek: Jüdisches Bayreuth, S. 204 ff.
  14. Bayreuth, Jüdische Geschichte nach 1945 / Synagoge, Alemannia Judaica. Abgerufen am 8. August 2019.
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