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Geschichte Belgiens

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Die Geschichte Belgiens behandelt die geschichtlichen Ereignisse auf dem Gebiet des heutigen, in dieser Form seit 1830 bestehenden Staates Belgien. Vorher war dieses Gebiet ein Teil des Vereinigten Königreiches der Niederlande gewesen. Zum Begriff „Niederlande“, der etwa seit dem Mittelalter existierte, siehe auch Niederlande (Begriffsklärung).

Vorlage:Geschichte der Benelux-Staaten

Territoriale Entwicklung

Das Gebiet des heutigen Belgien wurde im ersten Jahrhundert vor Christus Teil des Römischen Reiches, später der römischen Provinzen Belgica, Belgica II und Germania Inferior. Die dort siedelnden keltischen Gruppen werden jedoch erst im Laufe der Zeit romanisiert.

Im 5. Jahrhundert nach Christus zerfiel die römische Herrschaft. Das heutige Belgien und benachbarte Regionen wurden zum Ausgangspunkt und Kernland eines neuen Reiches, das die europäische und globale Geschichte nachhaltig prägen sollte – das Fränkische Reich. Die zwischen Ärmelkanal und Alpen entstehende romanisch-germanische Sprachgrenze bildete sich eher unabhängig von Staats- und Verwaltungsgrenzen und verlief quer durch das Reich (Belgien, Lothringen, Vogesen, Schweiz), in etwa dem heutigen Verlauf der Sprachgrenzen entsprechend.

Nach den fränkischen Reichsteilungen im 9. Jahrhundert gehörten die größten Teile der Grafschaft Flandern – und damit das westliche Belgien – zum Westfrankenreich – aus dem das Königreich Frankreich wurde. Diese Grafschaft Flandern hatte noch einen anderen Zuschnitt als das heutige Flandern, und beinhaltet im Süden auch das Artois. Das mittlere und östliche Belgien kam als Teil Niederlothringens zum Ostfränkischen Reiches, aus dem im 10. Jahrhundert das sogenannte Heilige Römische Reich (HRR) hervorging.

Aufgrund der schwächer werdenden Zentralgewalt im Heiligen Römischen Reich bildeten sich stärker werdende regionale Territorien. Im Bereich des heutigen Belgien waren dies z.B. die Herzogtümer Brabant und Luxemburg, die Grafschaften Hennegau und Namur, das Fürstbistum Lüttich und das Hochstift Cambrai. Ab 1384 und im 15. Jahrhundert kamen viele dieser Herrschaften zum rasch aufstrebenden Staat des Hauses Burgund, der sich aber nicht nur im Heiligen Römischen Reich, sondern auch im Königreich Frankreich ausbreitete. Er vereinigte das französische Flandern mit den Territorien des Heiligen Römischen Reiches unter einer Herrschaft. Der entstehende Herrschaftskomplex der Burgundischen Niederlande umfasste in etwa das heutige Benelux, aber nicht das Fürstbistum Lüttich im östlichen Belgien. Im Süden der Grafschaft Flandern entstand die Grafschaft Artois.

Nach dem Ende Burgunds 1477 kamen die Burgundischen Niederlande an das Haus Habsburg. Für die später belgischen Gebiete beginnt damit eine mehr als 300jährige habsburgische Ära. Bei der Einteilung des Heiligen Römischen Reiches in Reichskreise, Ende des 15. Jahrhunderts, wurden die Gebiete im Burgundischen Reichskreis organisiert.

1556, also mitten im Zeitalter der Reformation, teilte sich die Familie Habsburg in eine österreichische und eine spanische Linie. Die Burgundischen Niederlande fielen an die spanische Linie, weswegen man fortan von den Spanischen Niederlanden spricht. Deren nördliche, nicht katholisch gebliebenen Provinzen (z.B. Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, Friesland) spalteten sich jedoch bereits ab 1559 ab und erreichten schließlich 1648 die Unabhängigkeit – Vereinigte Niederlande, Ursprung der heutigen Niederlande. Zwischen 1659 und 1679 fielen verschiedene Gebiete der verbliebenen Spanischen Niederlande im Süden an Frankreich, vor allem das Artois sowie Südflandern mit Dünkirchen, Lille, Cambrai und Thionville(Diedenhofen). In dieser Zeit wurden die Grenzen des heutigen Belgiens im Wesentlichen geprägt, denn die Staatsgrenzen, die bei der Unabhängigkeit der nördlichen Niederlande und bei den französischen Eroberungen entstanden, entsprachen überwiegend dem Verlauf der heutigen belgischen Staatsgrenzen im Norden und Süden.

Die verbliebenen Spanischen Niederlande – in etwa Belgien und Luxemburg – bildeten nun einen westlichen Ausläufer des Heiligen Römischen Reiches. Nach über 150 Jahren spanischer Regierung kam das Gebiet 1713 von der spanischen Linie der Habsburger zur österreichischen Linie. Das nun Österreichische Niederlande genannte Gebiet bildete einen weitgehend selbständig verwalteten Staat, der in Personalunion mit den anderen österreichisch-habsburgischen Ländern verbunden war. Neben England wurde das heutige Belgien Kernland der Industriellen Revolution.

Aufgrund der Auswirkungen der Französischen Revolution endete 1795 nach 82 Jahren die Zugehörigkeit zu Österreich, und das Gebiet wurde für 20 Jahre Teil Frankreichs. 1806 wurde das nur noch formell existierende Heilige Römische Reich durch Kaiser Franz II. aufgelöst. Auch die anderen Gebiete des Heiligen Römischen Reiches im heutigen Belgien, vor allem das Fürstbistum Lüttich, waren bereits Teil Frankreichs geworden. Nach dem Zerfall des Napoleonischen Reiches wurde 1815 fast der gesamte heutige Beneluxraum auf dem Wiener Kongress zu den neuen Niederlanden vereinigt. Im Südosten der Niederlande wurde das Großherzogtum Luxemburg eingerichtet, noch mehr als doppelt so groß wie das heutige Luxemburg, aber kleiner als das mittelalterliche und frühneuzeitliche Herzogtum. Es wurde nicht nur Teil der Niederlande, sondern auch Mitglied des Deutschen Bundes. Bundesherr für Luxemburg war der niederländische König in seiner Eigenschaft als Großherzog

Bereits 1830 spalteten sich weite Teile im Süden der Niederlande ab und schufen den heutigen Staat Belgien. Luxemburg hingegen blieb mit den Niederlanden in Personalunion verbunden. 1839 kamen größere Gebiete Luxemburgs und Limburgs an Belgien. Der Rest Luxemburgs (der Ostteil) verblieb bis 1867 im Deutschen Bund. Als Folge des Ersten Weltkriegs kamen 1920 kleinere Gebiete Preußens um Eupen und Malmedy an Belgien; seitdem haben sich die Staatsgrenzen Belgiens nicht mehr verändert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Belgien wiederum Kernland eines historischen Prozesses, nämlich der Entwicklung der Europäischen Union (EU). 1944/1960 wurde der Benelux-Verbund geschaffen. Die Hauptstadt Belgiens, Brüssel, wurde zum Sitz der Exekutive der EU, und gehört damit zusammen mit Luxemburg (Judikative) und Straßburg (Legislative) zu den Hauptstädten der EU

Geschichte Belgiens bis zum Ende des Mittelalters

Ur- und Frühgeschichte

In Belgien gefundene Feuersteinklingen

Frühe Werkzeuge von Jägern und Fischern des Homo heidelbergensis/Homo erectus werden auf 500.000 v. Chr. datiert. Viele archäologische Funde an der Maas zeugen von der Besiedlung durch dessen Nachfahren den Neanderthaler. Durch diese rund 50.000 Jahre alte Funde bei La Neulette, Spy und Engis (genannt Engis 2) gilt Belgien als ein Hauptfundort des klassischen Neandertalers.[1] In der Jungsteinzeit entstanden um etwa 4000 v. Chr. erste feste Siedlungen. Während der Eisenzeit waren die Hallstatt-Kultur (800–500 v. Chr.) und die keltische La-Tène-Kultur die wichtigsten Kulturen im Lande.

Römisches Reich

Die Gebiete des heutigen Belgiens wurden von 57 bis 51 v. Chr. durch Julius Caesar erobert. Der Name Belgien geht auch auf ihn zurück, der allen keltischen Stämmen nördlich der Flüsse Sequana (Seine) und Matrona (Marne) die Bezeichnung Belgae gab (Galliorum omnium fortissimi sunt Belgae, De Bello Gallico, liber primus).

Unter Kaiser Augustus wurde im Kerngebiet der belgischen Stämme die Provinz Gallia Belgica mit der Hauptstadt Durocortorum (Reims) gegründet. Erst unter Kaiser Claudius wurde die Provinz romanisiert.

Fränkisches Reich

Nach dem Zerfall des römischen Reiches war das Gebiet ein Kernland des Reiches der Franken. Nach dessen Teilung kam die Grafschaft Flandern (westlich von der Schelde) zum westfränkischen (später das französische) Königreich, der Rest zum ostfränkischen Reich (später das Heilige Römische Reich).

Hoch- und Spätmittelalter

Später herrschte das Haus Burgund über beide Seiten der alten Grenze. Unter den burgundischen Herzögen wurden die Vorläufer der heutigen Provinzen (z. B. Westflandern, Ostflandern, Brabant) gebildet. Philipp der Kühne (1342–1404) erlangte die Regierung der Grafschaft Flandern. Vor allem sein Enkel Philipp der Gute vereinigte weitere Gebiete des heutigen Belgiens (Burgundische Niederlande) durch Erbe oder Kauf. Unter Karl dem Kühnen (Charles le Téméraire) erreichte das Herzogtum Burgund den Zenit seiner Macht.

Die Städte Flanderns, besonders Brügge, Gent und Antwerpen, gehörten im Hoch- und Spätmittelalter zu den Größten und Wohlhabendsten in Europa. Sie lebten von der Verarbeitung englischer Wolle zu Tüchern von besonderer Qualität, die durch die Hanse und die internationalen Messen (bes. in der Champagne) in ganz Westeuropa Absatz fanden. Die starken wirtschaftlichen Interessen Flanderns in England ließen die Region immer wieder in den Gegensatz zu dessen Rivalen Frankreich treten. Die internationale Vernetzung und der Reichtum Flanderns waren die Basis für den Aufstieg Burgunds, das sich zunehmend auch als kulturelles Zentrum mit eigenem politischen Selbstverständnis etablierte.

Spanische und österreichische Zeit

Nach der Vermählung Marias von Burgund mit dem Erzherzog Maximilian kamen Brabant, Flandern und die übrigen niederländischen Provinzen mit dem Tod Karls des Kühnen in der Schlacht bei Nancy 1477 an das Haus Habsburg. Mit der Kreiseinteilung des Heiligen Römischen Reiches wurde es zum Burgundischen Reichskreis geschlagen. Durch Erbfolge kam das heutige Belgien unter die Herrschaft Karl V. (1500–1558), einen Enkel von Maximilian I. von Österreich. Nach dessen Abdankung im Jahr 1556 fielen die niederländischen Provinzen nach der Teilung der Habsburgischen Besitztümer an die Spanische Linie. 1568 brach der Achtzigjährige Krieg aus, der die 17 Provinzen in zwei Lager teilte. 1581 erklärte sich der Norden, die Republik der Sieben Vereinigten Niederlande, (heutiges Königreich der Niederlande), für unabhängig. Im Westfälischen Frieden 1648 wurde diese Unabhängigkeit bestätigt. Der Süden gehörte weiter dem spanischen Zweig der Habsburger (Spanische Niederlande). Diese mussten aber im Pyrenäenfrieden (1659), dem Frieden von Aachen am Ende des Devolutionskrieges (1668) und dem Frieden von Nimwegen (1678) u. a. Cambrai, Lille, Arras und Dünkirchen im Westen und Südwesten der Spanischen Niederlande an Frankreich abtreten. 1706 bis 1714 wurden im spanischen Erbfolgekrieg weite Teile des Landes durch die Briten und die Vereinigten Niederlande besetzt. Durch die Friedensschlüsse von Utrecht und Rastatt (1713 und 1714) fielen die südlichen Niederlande an Österreich und hießen fortan Österreichische Niederlande. Diese waren ein nahezu selbständiger Staat, der nur durch Personalunion mit den österreichischen Landen verbunden war. In Reaktion auf die Reformpolitik Kaiser Josephs II. nach 1780, die die Autonomie des Landes einschränkten, wurde im Jahr 1790, während der Brabanter Revolution, die Unabhängigkeitserklärung der „Vereinigten Belgischen Staaten“ proklamiert. Zwar konnten die Österreicher ihre Herrschaft im selben Jahr wiederherstellen, aber 1794 wurde das Land von Frankreich besetzt und im Frieden von Campo Formio 1797 formell von Österreich an Frankreich abgetreten. Erst 1814 wurde das Land von Truppen der antinapoleonischen Koalition besetzt. 1815 startete Napoleon den Sommerfeldzug und das Land war Schauplatz der entscheidenden Schlacht gegen Napoleon, der Schlacht bei Waterloo.

Siehe auch: Statthalter der habsburgischen Niederlande

Das Königreich der Vereinigten Niederlande

Nach dem Wiener Kongress (1815) wurden die habsburgischen Niederlande mit den (nördlichen) Niederlanden zusammengeführt. Aufgrund einer teilweise ähnlichen Geschichte hielt man dies für eine gute Lösung. Der Regent Wilhelm I. regierte das Königreich der Vereinigten Niederlande als „aufgeklärter Despot“. Seine Macht war uneingeschränkt; es wurde ein Scheinparlament eingerichtet. Wilhelm I. sorgte mit einigen Maßnahmen im Süden des Reiches für Antipathie. So waren seine Religions- und Bildungspolitik sehr umstritten, da sich die Katholiken benachteiligt fühlten und der König die niederländische Sprache im Süden des heutigen Belgiens durchzusetzen versuchte. Seine Hilfe für den Antwerpener Hafen wurde hingegen positiv aufgenommen. Die politisch organisierten Katholiken und die Liberalen des Landes forderten gemeinsam Reformen, was Wilhelm I. jedoch grundsätzlich ablehnte. Da viele Bürger Angst vor den Arbeitern hatten, die mit sozialistischen und nationalistischen Aufständen drohten, ließ Wilhelm I. eine Bürgerwehr aufstellen, die bei den späteren Kämpfen um die Unabhängigkeit eine wichtige Rolle spielen sollte.

Belgien seit der Unabhängigkeit

Die belgische Revolution

→ Hauptartikel: Belgische Revolution

Belgien 1844

Die belgische Revolution führte 1830 zur Unabhängigkeit von den Niederlanden. Die französische Julirevolution hatte mit ihrer Machtübernahme des Bürgertums erste Unruhen ausgelöst. Ende August begann in Brüssel der offene Aufstand. In der Oper, heute La Monnaie/De Munt genannt, wurde die Oper La Muette de Portici („Die Stumme von Portici“) von Daniel-François-Esprit Auber aufgeführt, die bereits in Paris für Unruhe gesorgt hatte. Nach dem Ende der Aufführung zog das Publikum aus dem Theater hinaus und schloss sich einer Demonstration von Arbeitern an, die zufällig vorbei kam. Auch Einheiten der Bürgerwehr stießen zu der Menschenmenge. Gemeinsam stürmte man verschiedene Verwaltungsgebäude und den Sitz einer regierungsfreundlichen Zeitung. Die in Brüssel stationierten niederländischen Truppen verhielten sich passiv, unter anderem weil Belgier in den niederländischen Reihen durch Desinformationen gezielt Unruhe und Desertationen auslösten.

Am Tag nach den ersten Unruhen schickte Wilhelm I. seine beiden Söhne als Unterhändler nach Brüssel. Die Aufständischen forderten eine Teilung des Landes, ohne Gegenvorschläge zu akzeptieren. Nach der Abreise der Prinzen wurden auch die niederländischen Truppen aus Brüssel abgezogen. Eine weitere Verhandlungsrunde, in der Wilhelm I. persönlich mit einer Brüsseler Delegation sprach, blieb ebenfalls ohne Ergebnis. Unterdessen breitete sich die offene Unabhängigkeitsbewegung auch in andere belgische Städte aus. Ende September beschloss Wilhelm I., militärisch gegen den Aufstand vorzugehen. 12.000 Soldaten zogen gegen Brüssel und besetzten den Park vor dem dortigen Schloss. Nun stellte sich der vorherige Abzug der Garnison aus der Stadt als taktischer Fehler heraus. Den Brüsselern gelang es, eine geschlossene Verteidigung der Stadt aufzubauen. Drei Tage lang dauerten die Kämpfe, an deren Ende sich die Niederländer zurückzogen.

Am 26. September formierte sich eine provisorische Regierung in Brüssel. Frankreich und Großbritannien erkannten sie sofort an. In den folgenden Tagen wurden niederländische Beamte und Truppen aus allen Städten des Landes vertrieben. Am 4. Oktober 1830 verkündete die provisorische Regierung auf dem Balkon des Brüsseler Rathauses die Unabhängigkeit Belgiens.

In der Konferenz von London (Ende 1830) wurde Belgien die Unabhängigkeit von den damaligen Großmächten zugestanden, obwohl sie damit den gerade erst 15 Jahre alten Vertrag von Wien in Frage stellten. Die Suche nach einem König stellte sich als äußerst schwierig heraus. Der einheimische Hochadel weigerte sich, den Monarchen zu stellen. Nach langen Verhandlungen und verschiedenen Vorschlägen sprach sich das Parlament für den 15-jährigen Louis d'Orléans, duc de Nemours aus, einen Sohn des französischen Königs. Sowohl England als auch der belgische Premierminister lehnten diese Entscheidung ab, weil sie eine Machtübernahme Frankreichs fürchteten. Kurze Zeit später wurde Leopold I. von Sachsen-Coburg-Gotha, der mit zahlreichen europäischen Herrscherhäusern verwandt war, zum König eingesetzt und eine immerwährende Neutralität erklärt. Der König hatte nur beschränkte Funktionen und musste einen Eid auf die Verfassung ablegen, darin erkennt er die Souveränität des Volks, die Grundrechte und das parlamentarische System an. Die Krönung beantworteten die Niederlande eine Woche später mit einer militärischen Offensive, die aber von Frankreich, zusammen mit Belgiens Schutzmacht Großbritannien, zurückgeschlagen wurde. Erst nach einer gemeinsamen Seeblockade Frankreichs und des Vereinigten Königreiches gegen die Niederlande erklärte sich Wilhelm I. zu Friedensverhandlungen mit Belgien bereit. Erst 1839 wurde der Friedensvertrag in London unterzeichnet. Belgien verzichtete darin auf Maastricht und musste den freien internationalen Schiffsverkehr auf seinen Wasserstraßen garantieren, erhielt aber die Hälfte Luxemburgs und die Genehmigung zum Bau einer Eisenbahnstrecke ins Ruhrgebiet.

Sprachenstreit und Kolonialpolitik

Französisch wurde bei Gründung des belgischen Staates alleinige Verwaltungs- und Unterrichtssprache, Niederländisch galt als „Sprache der Holländer“. Die wallonisch-flämische Sprachenfrage war von Beginn an ein drängendes Problem des Staates. Zwar wurde in Flandern die flämische Sprache mit einer Reihe von Sprachgesetzen der bislang alleinigen Amtssprache Französisch als Schul- und Amtssprache theoretisch gleichgestellt; in der Praxis blieb das Französische aber die bevorzugte Sprache des Staates.

König Leopold II. (1865–1909 König der Belgier) griff nach dem Kongo, wo er den Kongo-Staat gründete, der von 1885 bis 1908 als sein Privatbesitz galt und dessen Bewohner ebenso als rechtloser Privatbesitz des Königs angesehen wurden. Die Exzesse bei der wirtschaftlichen Ausbeutung des „Freistaats“ (siehe Kautschukboom) sorgten 1908 als so genannte Kongogräuel international für Aufsehen und Empörung. Leopold, unter dessen Schreckensregime in dem afrikanischen Land schätzungsweise 10 Millionen Menschen durch Sklaverei und Zwangsarbeit ums Leben gekommen waren [2], wurde zur Übergabe des Kongo als „normale“ Kolonie an den belgischen Staat (Belgisch-Kongo) gezwungen. Er starb 1909. Sein Nachfolger wurde Albert I.

Siehe auch: Flämische Bewegung

Der Erste Weltkrieg und die Nachkriegszeit

Am 2. August 1914 forderte Deutschland in einem Ultimatum von Belgien freien Durchzug durch das Land. König Albert wies das Ultimatum am 3. August ab. In der Nacht vom 3. auf den 4. August rücken deutsche Truppen ein und brachen damit die seit den 1830er Jahren international garantierte Neutralität Belgiens. Die belgische Armee konnte nur kurz Widerstand leisten: am 7. August fiel Lüttich, am 20. August wurden Brüssel und Gent eingenommen, am 23. August wurden Namur und Mons überrannt. Antwerpen kapitulierte am 9. Oktober, die Küstenstädte Zeebrugge und Oostende ergaben sich am 15. Oktober.

Die Route durch Belgien war für Deutschland deshalb wichtig, weil sie so den französischen Festungsgürtel zwischen Verdun und Belfort nördlich umgehen und Frankreich zügig von Nordosten angreifen konnten. Der deutsche Vormarsch kam im September an der Marne zum Erliegen. Die Front erstarrte bis zum März 1918 weitgehend. Die Front in Belgien war etwa 60 km lang. Sie begann an der französisch-belgischen Grenze nordöstlich von Armentières. Sie zog sich über den Rücken von Messines und Wytschaete und verlief über eine flache Hügelkette in einem Halbkreis östlich von Ypern. Namen wie Höhe 60, Zillebeke, Zonnebeke, Passchendaele, Bikschoote, Langemark und Steenstraat wurden zu Fanalen des Krieges. Die Front stieß an die nördlich von Ypern nach Nieuwpoort fließende Yser, vorbei an Diksmuide und erreichte bei Nieuwpoort die Nordsee und zugleich ihren nördlichsten Punkt.

Im Verlaufe des jahrelangen Stellungskrieges zwischen Franzosen und Deutschen wurden viele belgische Städte zerstört. Das größtenteils von den Deutschen besetzte Land kam unter die Verwaltung deutscher Generalgouverneure (1914 bis zu seinem Tod im April 1917 Generaloberst Moritz von Bissing sowie jeweils für wenige Monate ein Vorgänger und ein Nachfolger (Ludwig von Falkenhausen)) und wurde entsprechend den Sprachgrenzen in Verwaltungseinheiten eingeteilt. Auf angebliche Angriffe belgischer Freischärler, der Francs-tireurs, reagierten die deutschen Truppen mit brutaler Gewalt gegen die Zivilbevölkerung. Im Laufe des Krieges kam es zu mehreren Massakern an Zivilisten in belgischen Städten, das schlimmste davon in Dinant. Ob eine größere Partisanentätigkeit in Belgien damals überhaupt vorhanden war, wird von Historikern heute kontrovers diskutiert.[3] Als in Deutschland nach dem Einzug des Großteils der männlichen Bevölkerung die Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie knapp wurden, ließ die Reichsregierung ungefähr 40.000 belgische Zivilisten in Güterzügen zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportieren. Zehntausende weitere wurden in sogenannte „Zivil-Arbeiter-Bataillone“ zusammengefasst und zu Hilfsarbeiten an der deutschen Westfront gezwungen.[4] Ihren Ruf als „Barbaren“ festigten die Besatzer im Sommer 1914 durch das Niederbrennen der an Kulturschätzen reichen Stadt Löwen, wobei auch deren berühmte Bibliothek in Flammen aufging.

Am Ende des Krieges gehörte Belgien zu den westalliierten Siegermächten und annektierte das Gebiet um Eupen und Malmedy, das heutige Ostbelgien, vom Deutschen Reich. Albert I. schloss 1919 eine Militärkonvention mit Frankreich und beteiligte sich ab 1921 an der Besetzung des Ruhrgebietes. 1925 schlossen Belgien, Frankreich und Großbritannien den Locarno-Pakt mit dem Deutschen Reich, der unter anderem die Ostgrenze Belgiens garantierte. Alberts seit 1934 regierender Nachfolger Leopold III. kündigte 1936 die Militärkonvention mit Frankreich und erklärte Belgien erneut für neutral.

Zweiter Weltkrieg

Belgien wurde auch im Zweiten Weltkrieg unter erneuter Verletzung der Neutralität am 10. Mai 1940 durch deutsche Truppen angegriffen. Nach 18 Tagen Widerstand ("campagne des 18 jours") kapitulierte die belgische Armee am 28. Mai 1940 bedingungslos – die Niederlande hatten am 15. Mai kapituliert. Belgien blieb bis zum September 1944 unter einem deutschen Militärbefehlshaber besetzt und verlor seine Selbstständigkeit. Vom 22. Mai 1940 bis 15. Juli 1944 war Alexander von Falkenhausen der Befehlshaber – sein Hauptquartier war in Brüssel.

Die belgische Regierung unter Premierminister Hubert Pierlot ging nach London ins Exil und wollte von dort den Kampf gegen Deutschland fortsetzen. Der belgische König Leopold III. hingegen befand, dass er bei seinem Volk im Land zu bleiben habe. Er legte aber seine Dienstgeschäften nieder. Die geflüchtete Regierung ließ sich in Limoges auf der letzten Sitzung des geflüchteten Parlaments mit der Bildung der Exilregierung in London beauftragen. In Belgien selbst bestand nunmehr eine ungeklärte Situation. Das ganze Land war von den Deutschen besetzt. Der König hielt sich in seiner bewachten Residenz in Laeken auf. Die Souveränität wurde vom Militärbefehlshaber ausgeübt, die belgische Verwaltung an ihrer Spitze Generalsekretäre, setzte ihre Arbeit fort - unter der Kontrolle und nach den Anweisungen der deutschen Militärverwaltung.[5]

Aber die Deutschen hatten auch eigene politische Ziele. Sofort nach dem Einmarsch erließen sie zahlreiche antijüdische Gesetze und Verordnungen und begannen mit der Judenverfolgung. In Belgien gab es vor Beginn des Zweiten Weltkrieg etwa 60.000 Menschen jüdischer Abstammung. Nur 7 Prozent von ihnen waren belgische Staatsbürger, die meisten stammten aus Osteuropa oder waren vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten aus Deutschland und Österreich geflüchtet. Die jüdische Bevölkerung wurde in den Städten Brüssel, Antwerpen, Lüttich und Charleroi konzentriert. Danach wurden die Menschen über das SS-Sammellager Mechelen in das KZ Auschwitz deportiert. Etwa 30.000 Juden wurden ab dem August 1942 deportiert, von ihnen überlebten nur etwa 1500. Im Januar 1944 wurde eine Gruppe von 317 Sinti und Roma deportiert – von ihnen überlebte nur ein Dutzend.[6]

Nach der am 6. Juni 1944 erfolgten Landung der Alliierten in der Normandie räumte die deutsche Wehrmacht im September 1944 Teile von Belgien. Die belgische Exilregierung unter Hubert Pierlot kehrte nach Brüssel zurück und zwang Leopold III., zugunsten seines Bruders Karl von Flandern vorerst auf sein Amt zu verzichten. Im Dezember 1944 und Januar 1945 war Ostbelgien von der deutschen Ardennenoffensive betroffen.

Nach Kriegsende

Nach der Rückkehr von Leopold III. auf den belgischen Königsthron stimmten 1949 die Volksgruppen in Belgien über Leopold III. als König ab. Zustimmung fand er mit 72 % vor allem im katholisch geprägten Flandern mit einer stark monarchistischen christdemokratischen Partei. Die sozialistisch geprägte Bevölkerung Walloniens hingegen stimmte mehrheitlich mit 58 % gegen den König. Das Land drohte danach in einen Bürgerkrieg zu stürzen. 1951 dankte daher Leopold III. zugunsten seines ältesten Sohnes Baudouin ab.

Am 30. Juni 1960 wurde die Kolonie Belgisch-Kongo unabhängig, wobei Belgien in der turbulenten Phase nach der Unabhängigkeit in die dortigen Konflikte verwickelt war. Mit der Unabhängigkeit Burundis und Ruandas am 1. Juli 1962 endete für Belgien die Zeit als Kolonialmacht.

Belgien als Zentrum Europas

Nach dem Austritt Frankreichs aus der militärischen Integration der NATO übernahm Belgien 1967 das NATO-Hauptquartier und das Hauptquartier Europa (SHAPE). Mit dem Ausbau der Europäischen Gemeinschaft wurde Brüssel neben Luxemburg Sitz europäischer Institutionen.

Bis in die 1950er Jahre war die französischsprachige Bevölkerung in der Wallonie die „tonangebende“ Volksgruppe in Belgien gewesen, was zu großen politischen Spannungen mit der niederländischsprachigen flämischen Bevölkerung führte, die sich in vielerlei Hinsicht unterdrückt fühlte. Erst mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Wallonen – ihr Haupterwerbszweig war der Bergbau gewesen – änderte sich diese Situation zugunsten eines angenäherten Gleichgewichtes zwischen den zwei großen Bevölkerungsgruppen.

Im Mai 1977 wurde durch den Egmont-Pakt die Einführung von drei autonomen Regionen Brüssel, Wallonie und Flandern vorgeschlagen, welches aber aufgrund weiterer Forderungen der Wallonen nicht durchsetzbar war. Durch die Gewährung regionaler Autonomierechte für Flamen und Wallonen (aber auch für die deutschsprachige Volksgruppe in Ostbelgien) und die Verabschiedung des Gesetzes, welches Belgien in einen Bundesstaat umwandelt, im August 1980 wurden zwar politische Forderungen erfüllt, die Spannungen und Gegensätze – jetzt unter einem wirtschaftlich umgekehrten Verhältnis – sind aber trotzdem bis heute vorhanden und werden u. a. von der flämischen nationalistischen Partei Vlaams Belang (früher Vlaams Blok) und der wallonischen nationalistischen Partei Front National nach außen getragen.

Hinzu kommen die zwischen 1990 und 2000 entstandenen gesamtstaatlichen Probleme – Vorwurf der Verfilzung der Bundespolitik, Skandale um Kindesmissbrauch.[7]

Als einigendes und stabilisierendes Band für das Land erweist sich das Königshaus, dem seit 1993 König Albert II. als Nachfolger von Baudouin I. vorstand.

Dennoch ist völlig offen, ob Belgien auch in Zukunft als einheitlicher Staat bestehen bleiben wird. Zwar wurde der Vlaams Blok im November 2004 verboten, doch könnte sich dieses Verbot aufgrund der breiten Zustimmung für die Partei in Flandern (größte Fraktion im flämischen Parlament) als kontraproduktiv erweisen. Es wurde umgehend eine Nachfolgeorganisation namens Vlaams Belang gegründet. (vgl. Kleinstaaterei)

Belgische Könige

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Friedemann Schrenk: Die Neandertaler. Verlag C.H.Beck, München 2005, ISBN 3-406-50873-1, S. 179.
  2. Dieter H. Kollmer: Die belgische Kolonialherrschaft 1908 bis 1960, in: Bernhard Chiari, Dieter H. Kollmer (Hgg.): Wegweiser zur Geschichte Demokratische Republik Kongo, 2. Aufl., Paderborn u.a. 2006, S. 45.
  3. Zur These, dass die deutschen Truppen die „Franc-tireurs“ aufgrund von Feindbildern und übersteigerten Ängsten meist nur imaginiert hätten, vgl. John Horne, Alan Kramer: Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit. Hamburg 2004. Kritisch dazu die Rezension von Peter Hoeres in sehepunkte.
  4. Vgl. Jens Thiel: »Menschenbassin Belgien«. Anwerbung, Deportation und Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg. Essen 2007
  5. Frank Nielens Aufsatz über die Ausrichtung der Besatzungspolitik in Belgien mit dem Titel DIE BESETZUNG BELGIENS UND FRANKREICHS (1940–1944) UND DIE ARCHIVE DER DEUTSCHEN MILITÄRVERWALTUNG auf einer Seite des deutsch-französischen Internetprojektes Frankreich im Zweiten Weltkrieg, Edition der Lageberichte des Militärbefehlshabers Frankreich auf der Homepage des Pariser Institut d’histoire du temps présent - IHTP, abgerufen am 16. Dezember 2013.
  6. Andreas Pflock: Auf vergessenen Spuren - Ein Wegweiser zu Gedenkstätten in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006, ISBN 3-89331-685-X.
  7. Der Fall Dutroux

Literatur

  • Christoph Brüll: Belgien im Nachkriegsdeutschland. Besatzung, Annäherung, Ausgleich 1945–1958. Klartext, Essen 2009, ISBN 978-3-8375-0252-7.
  • Raoul C. van Caenegem, Sigfried J. De Laet: Belgien. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 2, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1976, ISBN 3-11-006740-4, S. 213–232.
  • Bernard A. Cook: Belgium. A History. 3rd ed. New York et al 2004, ISBN 0-8204-5824-4.
  • Michael Erbe: Belgien, Niederlande, Luxemburg. Geschichte des niederländischen Raumes. Stuttgart, Berlin, Köln 1993. ISBN 3-17-010976-6.
  • Johannes Koll: Geschichtlicher Überblick, in: Ders. (Hrsg.): Belgien. Geschichte - Politik - Kultur - Wirtschaft, Münster 2007, ISBN 978-3-402-00408-1, S. 5-44.
  • Philipp Krämer: Der innere Konflikt in Belgien: Sprache und Politik. Geschichte und Gegenwart der mehrsprachigen Gesellschaft. Saarbrücken 2010, ISBN 978-3-639-28610-6.
  • Andreas Pflock: Auf vergessenen Spuren. Ein Wegweiser zu Gedenkstätten in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. In: Themen und Materialien. BpB, 2006, Info [1].

Weblinks

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