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Wolfgang Leonhard

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Wolfgang Leonhard (1990)

Wolfgang Leonhard (geb. 16. April 1921 in Wien als Wladimir Leonhard; gest. 17. August 2014 in Daun[1]) war ein deutscher Historiker. Er galt als einer der führenden Kenner der Sowjetunion, der DDR und des Kommunismus. Leonhard war Mitglied der Gruppe Ulbricht und wurde bekannt durch seinen Bestseller Die Revolution entläßt ihre Kinder. Seit 1968 bis zu seinem Tod war er Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

Leben

Kindheit und Jugend in Deutschland und Schweden

Wolfgang Leonhard ist der Sohn der Publizistin Susanne Leonhard, einer engen Freundin von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Susanne Leonhards erster Ehemann, der Dramatiker Rudolf Leonhard, erkannte offiziell die Vaterschaft an. Zur Zeit der Geburt des Sohnes lebte das Ehepaar Leonhard jedoch getrennt; Susanne Leonhard war zu diesem Zeitpunkt mit Mieczysław Broński, dem sowjetischen Botschafter in Wien und engen Vertrauten Lenins, nach sowjetischem Recht verheiratet.

Im Jahr 1931 zogen Mutter und Sohn nach einer kurzen Episode in Berlin-Reinickendorf in die linke Künstlerkolonie Berlin am Breitenbachplatz. Wladimir Leonhard besuchte von 1930 bis 1931 das Realgymnasium Reinickendorf und anschließend die in den 1920er Jahren von Fritz Karsen aufgebaute Karl-Marx-Schule in Berlin-Neukölln, die erste deutsche Gesamtschule. 1931 schloss sich Leonhard der Kinderorganisation der KPD, den „Jungen Pionieren“ an. Wegen der zunehmend kritischer werdenden Sicherheitslage in Berlin besuchte Leonhard 1932 für ein Jahr das reformpädagogische Landschulheim in Herrlingen und wurde nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Herbst 1933 nach Viggbyholm bei Stockholm in ein Internat in Sicherheit gebracht. Seine Mutter blieb bis Frühsommer 1935 illegal in Deutschland.

Jugend- und Erwachsenenjahre in der Sowjetunion

Wladimir Leonhards Mutter besuchte ihren Sohn im Frühjahr 1935 in Schweden und kehrte nach zwei Warntelegrammen nicht mehr nach Deutschland zurück. Schweden verweigerte ihr das Asyl. Sie emigrierte zusammen mit ihrem Sohn Wladimir, der die sowjetische Staatsbürgerschaft besaß, im Juni 1935 über Leningrad nach Moskau. Susanne Leonhard wurde im Herbst 1936 anlässlich einer stalinistischen Säuberungsaktion verhaftet und für zwölf Jahre in ein Gulag bei Workuta deportiert. Leonhard verbrachte diese Zeit im „Kinderheim Nr. 6“ (einem Kinderheim für die Kinder deutscher und österreichischer Kommunisten) und besuchte bis 1937 die deutschsprachige „Karl-Liebknecht-Schule“ in Moskau. Nach den stalinistischen „Säuberungen“ musste die Karl-Liebknecht-Schule wegen Lehrermangels schließen. Leonhard wechselte in die 93. Schule (eine russische Schule) in Moskau. Mit 19 Jahren begann Leonhard 1940 ein Studium an der „Moskauer Staatlichen Pädagogischen Hochschule für Fremdsprachen“. Ende September 1941 (nach dem deutschen Angriff) wurde Leonhard als Deutscher in den Norden Kasachstans zwangsumgesiedelt. Dort besuchte er zwischen 1941 und 1942 ein Lehrerinstitut in Karaganda. Ab Sommer 1942 wurde Leonhard an die Schule der Komintern in Kuschnarenkowo bei Ufa, (Baschkirische ASSR) versetzt und erhielt dort, unter dem Tarnnamen „Wolfgang Linden“, eine Ausbildung zum kommunistischen Politkommissar. Am 10. Juni 1943 löste Stalin die Kommunistische Internationale auf, woraufhin die Schule geschlossen wurde.

Von 1943 an war Leonhard Sprecher am Sender „Freies Deutschland“ des Nationalkomitees Freies Deutschland.

Bereits während seiner Zeit in der Sowjetunion kamen Leonhard immer wieder Zweifel am Stalinismus. An der Komintern-Schule durchlebte Leonhard die erste zermürbende „Kritik und Selbstkritik“.

„Was würde jedoch sein, wenn sich bei mir weitere kritische Auffassungen aufdrängten, die ich bei mir behielt, und weislich verschwieg? Heute glaube ich, daß damals ein Weg begann, der sieben Jahre später, nach schweren inneren Kämpfen, dazu geführt hat, daß ich mit dem Stalinismus brach und aus der sowjetischen Zone Deutschlands flüchtete.“

Wolfgang Leonhard 1955 in Die Revolution entlässt ihre Kinder zu den Folgen der ersten „Kritik und Selbstkritik“.[2]

Rückkehr nach Deutschland 1945

Wolfgang Leonhard kehrte am 30. April 1945 als 24-jähriger Jungfunktionär mit Walter Ulbricht in der so genannten Gruppe Ulbricht nach Berlin zurück, wo er sich in Berlin dem Aufbau der kommunalen Verwaltung widmete. Von Juli 1945 bis September 1947 war er in der Abteilung Agitation und Propaganda des ZK der KPD (ab 1946 ZK der SED) tätig. Von 1947 bis 1949 lehrte Wolfgang Leonhard an der SED-Parteihochschule Karl Marx – Fakultät Geschichte – in der Hakeburg in Kleinmachnow. 1949 brach Leonhard jedoch mit dem Stalinismus und floh über Prag nach Jugoslawien, wo er bei Radio Belgrad arbeitete.

1950 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über, wo er neben Josef Schappe und dem bayrischen KP-Abweichler Georg Fischer zu den Mitbegründern der Unabhängigen Arbeiterpartei Deutschlands, einer antistalinistisch-blockfreien, sozialistischen Partei, gehörte. Die Gruppe bestand mit finanzieller Unterstützung durch die jugoslawische KP bis Ende 1952 und wurde von der KPD als „titoistische Schappe-Leonhard-Clique“ diffamiert.[3]

In der Bundesrepublik betätigte er sich dann als Ostexperte, Kommentator für Fragen der Sowjetunion und des internationalen Kommunismus, und wurde zeitweise als „Kremlastrologe“ bezeichnet. 1955 veröffentlichte Leonhard sein bekanntestes Buch Die Revolution entläßt ihre Kinder, in dem er seinen politischen Weg von Moskau im Jahre 1935 bis zu seiner Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone 1949 beschreibt. In Meine Geschichte der DDR bezeichnet Leonhard sich als den ersten Prager Botschaftsflüchtling der DDR, da seine Flucht aus der SBZ nach Jugoslawien über die Prager Botschaft führte.

Lehr- und Forschungstätigkeit

Von 1956 bis 1958 absolvierte Leonhard Post Graduate Studies am St Antony’s College der University of Oxford. 1963 bis 1964 übte er eine Forschungstätigkeit als Senior Research Fellow am Institut für Russlandforschung der Columbia University, New York, aus. In den Jahren 1966 bis 1987 lehrte er jeweils im Sommersemester an der Historischen Fakultät der Yale University mit den Schwerpunktthemen „Geschichte der UdSSR“ und „Geschichte der kommunistischen Weltbewegung“.

Seit Juli 1987 besuchte er regelmäßig die Sowjetunion, dann Russland und einige andere GUS-Staaten. Seit 1993 war er sieben Mal als OSZE-Wahlbeobachter bei den Wahlen in Russland, Weißrussland und zuletzt in der Ukraine. Er war Gastprofessor an den Universitäten von Michigan, Mainz, Trier, Kiel, Chemnitz und Erfurt. Zuletzt war er als Ostexperte, Publizist und Vortragsredner tätig.

Privates

Wolfgang Leonhard lebte seit den Sechziger Jahren in Manderscheid (Eifel). Er war seit 1974 in zweiter Ehe mit der Psychologin, Publizistin und späteren SPD-Bundestagsabgeordneten Elke Leonhard verheiratet. Sein Sohn stammte aus seiner ersten Ehe mit der Italienerin Yvonne Sgarella di Fini. Leonhard starb nach schwerer Krankheit in einem Krankenhaus in Daun.

Ehrungen

Werke (Auswahl)

  • Die Revolution entläßt ihre Kinder. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1955, ISBN 3-462-01463-3.[4]
  • Sowjetideologie heute. Gemeinsam mit Gustav A. Wetter. Fischer, Frankfurt am Main 1962, ISBN 3-596-26046-9.
  • Kreml ohne Stalin. Verlag für Politik und Wirtschaft, Köln 1959 (3. [veränderte] Auflage, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1963).
  • Nikita Sergejewitsch Chruschtschow. Aufstieg und Fall eines Sowjetführers. Bucher, Luzern, Frankfurt am Main 1965.
  • Die Dreispaltung des Marxismus. Ursprung und Entwicklung des Sowjetmarxismus, Maoismus und Reformkommunismus. Econ, Düsseldorf 1975, ISBN 3-430-15880-X.
  • Am Vorabend einer neuen Revolution. Die Zukunft des Sowjetkommunismus. Mosaik, München 1975, ISBN 3-570-02611-6.
  • Eurokommunismus. Herausforderung für Ost und West. Goldmann, München 1980, ISBN 3-442-11256-7.
  • Das kurze Leben der DDR. Berichte und Kommentare aus vier Jahrzehnten. DVA, Stuttgart 1990, ISBN 3-421-06586-1.
  • Die Reform entläßt ihre Väter. Der steinige Weg zum modernen Rußland. DVA, Stuttgart, ISBN 3-421-06674-4.
  • Spiel mit dem Feuer. Russlands schmerzhafter Weg zur Demokratie. Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1998, ISBN 3-404-60457-1.
  • Spurensuche. 40 Jahre nach „Die Revolution entläßt ihre Kinder“. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000, ISBN 3-462-02390-X.
  • November 1945: Das Schulungsheft über Friedrich Engels. In: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge, Sonderband 5. Die Marx-Engels-Werkausgaben in der UdSSR und DDR (1945–1968). Hrsg. von Carl-Erich Vollgraf, Richard Sperl und Rolf Hecker. Argument Verlag, Hamburg 2006, S. 83–94, ISBN 3-88619-691-7.
  • Die Revolution entlässt ihre Kinder. Infosat-Verlag, Daun 2006, ISBN 3-933350-07-7 (22 Audio CDs; Hörbuch).
  • Die Vereinigung von KPD und SPD zur SED. Nora-Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86557-073-9.
  • Meine Geschichte der DDR. Rowohlt, Berlin 2007, ISBN 978-3-87134-572-2.
  • Anmerkungen zu Stalin. Rowohlt, Berlin 2009, ISBN 978-3-87134-635-4.
  • Die linke Versuchung. Wohin steuert die SPD? be.bra, Berlin 2009, ISBN 978-3-86124-633-6 (mit Elke Leonhard).

Literatur

Weblinks

 Commons: Wolfgang Leonhard – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Russlandexperte Wolfgang Leonhard ist tot (ZEIT Online, 17. August 2014)
  2. Wolfgang Leonhard: Die Revolution entlässt ihre Kinder. 16. Aufl., Kiepenheuer & Witsch, Köln 1996, S. 280. (ISBN 3-462-01463-3)
  3. HERMANN WEBER: Die SED und der Titoismus. Wolfgang Leonhard zum 90. Geburtstag, in: Deutschland Archiv 4/2011, online unter http://www.bpb.de/themen/PQ3CU9,3,0,Die_SED_und_der_Titoismus.html.
  4. Tarnausgabe für die DDR: Stalin, Josef Wissarionowitsch. Kurze Lebensbeschreibung. Berlin, Dietz Verlag
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