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Joseph Lehmann (Rabbiner)

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Joseph Lehmann (geb. 17. September 1872 in Warburg; gest. 8. Juni 1933 in Berlin), Dr. phil., war ein deutscher Rabbiner.

Jugend und Ausbildung

Joseph Lehmann kam in der westfälischen Kleinstadt Warburg als Sohn der Amalie Lehmann (1842–1913), geb. May, und des Kaufmanns Jakob Lehmann (1837–1921) zur Welt. Er war ein Enkel des Straßburger Armee-Ausrüsters Lipmann (Léonard) Lehmann und Neffe des Rabbiners David Lehmann (1804–1878). Auch sein Urgroßvater war Rabbiner.

Joseph hatte acht Geschwister.[1] Julie (1869–1942) wurde deportiert und in Theresienstadt ermordet; Bertha (1870–1940) verstarb in Warburg; die jüngere Schwester Johanna Lehmann (1875–1944) leitete seit 1910 das jüdische Waisenhaus für Mädchen „Charlotte Merores-Itzeles“ in Wien-Döbling;[2] sie kehrte 1938 nach Warburg zurück, wurde nach Theresienstadt deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet. Thekla (1876–1951) heiratete nach ihrer Ausbildung zur Pädagogin 1909 den Rabbiner Benzion Kellermann (1869–1923) und zog nach Berlin-Charlottenburg. Es gelang der Witwe Kellermann, sich vor der NS-Verfolgung nach Großbritannien zu retten, wo sie in Manchester verstarb. Ein jüngerer Bruder Julius (1879–1944) war im Versicherungswesen tätig und nach Frankreich emigriert, wo er mit seiner Frau verhaftet, deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Die Schwester Emma (1881–1938) heiratete einen Nürnberger Fabrikanten und starb in Berlin. Der jüngste, Eduard Lehmann (1882–1964), wurde Rechtsanwalt in Saarbrücken, emigrierte ebenfalls nach Frankreich und überlebte; 1962 wurde er Vorsitzender der jüdischen Gemeinde im Saarland.

Nach dem Besuch der Volksschule in Warburg war Joseph Lehmann 1891 bis 1893 Schüler des orthodoxen Rabbiners Marcus Horovitz (1844–1910) in Frankfurt am Main.

1893 ging Joseph Lehmann an das Rabbiner-Seminar in Berlin, wo er der Lieblingsschüler von Esriel Hildesheimer (1820–1899) gewesen sein soll. Unter dem Einfluss der Arbeiten des Göttinger Theologen und Orientalisten Julius Wellhausen verließ er die Einrichtung allerdings bald, weil er dort eine exakte wissenschaftlich-kritische Quellenforschung vermisste. Zum Wintersemester 1897/1888 schrieb er sich an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums ein.

Seit 1894 studierte Lehmann parallel am Historischen Seminar an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte. 1904 promovierte er in Greifswald mit einer Arbeit über den englischen König Johann Ohneland.

Rabbiner in Berlin

Danach unterrichtete Lehmann an der Religionsschule der Gemeinde Adass Jisroel und predigte in verschiedenen liberalen Synagogen im Großraum Berlin. Dabei erregte er gelegentlich Anstoß durch Kritik an den Zeremonialgesetzen.[3] So wandte er sich gegen die Beschneidung und trat für die Sonntagsfeier ein. 1910 wurde er Rabbiner an der 1845 gegründeten Jüdischen Reformgemeinde.

Lehmann engagierte sich im 1893 gegründeten Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (CV) und gehörte dem Hauptvorstand an.[4] Seit 1910 war er Mitglied der Spinoza-Loge. Auch im Freien jüdischen Volkshochschulverband amtierte er als Vorsitzender.[5] 1928 nahm er als Redner am Berliner Kongress der „World Union for Progressive Judaism“ teil, zu dessen Vorstand er ebenfalls gehörte.

Lehmann betrachtete sich als Deutscher jüdischen Glaubens und trat für den Gedanken einer „deutsch-jüdischen Symbiose“ ein. Im Ersten Weltkrieg diente er als kaisertreuer Soldat. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten schrieb er in einem Artikel: „Der deutschen Volksgemeinschaft gehören wir an und wollen wir angehören auf Gedeih und Verderben.“[6] Auch in einem Leserbrief an das Berliner Tageblatt vom 30. März 1933 trat er für diese Haltung ein.

Am 8. Juni 1933 verstarb Joseph Lehmann infolge eines Herzinfarkts. In Nachrufen wurde er als „Führer des deutschen Reformjudentums“[7] bezeichnet. Er wurde am 11. Juni 1933 in der Ehrenreihe des Jüdischen Friedhofs in Berlin-Weissensee beigesetzt.

Nachleben

  • Die Jüdische Reformgemeinde Berlin errichtete im Frühjahr 1934 eine „Dr. Joseph Lehmann-Stiftung“.[8]
  • Im August 1935 wurde die Joseph-Lehmann-Schule in der Joachimsthaler Str. 13 in Berlin eröffnet,[9] deren erster Direktor Fritz Wachsner (1886–1942) wurde.[10]

Werke

  • Johann ohne Land. Beiträge zu seiner Charakteristik. Diss. Greifswald 1904 (Historische Studien, Bd. 45), Nachdruck: Kraus, Vaduz 1965
  • Kriegslieder in der Bibel. Berlin 1915 (Aus dem Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde Berlin Bd. 5, Nr. 1, 8. Januar 1915)
  • Sammlung von Predigten und Reden im Leo Baeck Institut, Center for Jewish History, New York, USA (Katalogeintrag)

Mitarbeit an Periodika

  • CV-Zeitung
  • Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Amtliches Organ des Gemeindevorstandes
  • Jüdisch-liberale Zeitung. Organ der Vereinigung für das liberale Judentum
  • Mitteilungen der Jüdischen Reformgemeinde zu Berlin

Briefe

Literatur

  • Biographisches Handbuch der Rabbiner. Hrsg. von Michael Brocke und Julius Carlebach. Teil 2: Die Rabbiner im Deutschen Reich 1871–1945. Bearbeitet von Katrin Nele Jansen unter Mitwirkung von Jörg H. Fehrs und Valentina Wiedner, K. G. Saur, München 2009, Nr. 2343, S. 371 f. (Web-Ressource) (Web-Ressource)
  • Hans Sachs: Liberales Judentum und Reformjudentum. Rabb. Dr. Joseph Lehmann zum 60. Geburtstage. In: Jüdisch-liberale Zeitung. Organ der Vereinigung für das liberale Judentum, Jg. 12, Nr. 12, 15. September 1932, Beilage (Web-Ressource)
  • George Goetz: Rabbiner Dr. Joseph Lehmann. In: Jüdisch-liberale Zeitung. Organ der Vereinigung für das liberale Judentum, Jg. 13, Nr. 6, 15. Juni 1933, Beilage (Web-Ressource), (Fotoporträt)
  • Karl Rosenthal: Joseph Lehmann zum Gedächtnis. In: C.V.-Zeitung. Blätter für Deutschtum und Judentum, Organ des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, Jg. 12, Nr. 24, 15. Juni 1933, S. 226 (Web-Ressource)
  • Alfred Hadra: Joseph Lehmann zum Gedächtnis: Sei du – als Deutscher! Sei du – als Jude! In: Jüdisch-liberale Zeitung. Für deutsches Judentum und und religiösen Aufbau, Jg. 14, Nr. 46, 8. Juni 1934 (Web-Ressource)
  • Torsten Lattki: Benzion Kellermann. Prophetisches Judentum und Vernunftreligion, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-525-57040-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jüdisches Leben am Altstadtmarkt. Emil Herz lässt das Warburg seiner Kinder- und Jugendzeit wieder lebendig werden. In: Westfalen-Blatt, 19. September 2020 (Web-Ressource, zuletzt abgerufen am 17. Oktober 2020).
  2. Einweihung eines neuen Schulhauses. In: Die Zeit (Morgenblatt) Nr. 2738, 10. Mai 1910, S. 6 (Web-Ressource).
  3. Leserbrief vom 6. Juni 1907 in: Der Israelit. Ein Centralorgan für das orthodoxe Judentum, Jg. 48, Nr. 24, 13. Juni 1907, S. 7 (Web-Ressource); vgl. den Artikel ebenda, Nr. 22, 30. Mai 1907, S. 7 (Web-Ressource).
  4. Der neue Hauptvorstand. In: C.V.-Zeitung, Jg. 3, Nr. 18, 1. Mai 1924, S. 250 (Web-Ressource).
  5. Anzeige zur Eröffnungsfeier, C.V.-Zeitung, Jg. 5, Nr. 60, 1. Oktober 1926, S. 529 (Web-Ressource).
  6. „Deutsche jüdischen Glaubens“. In: Mitteilungen der Jüdischen Reformgemeinde zu Berlin. 1. März 1933, S. 1.
  7. George Goetz: Rabbiner Dr. Joseph Lehmann. In: Jüdisch-liberale Zeitung Jg. 13, Nr. 6, 15. Juni 1933, Beilage (Web-Ressource).
  8. Errichtung einer Dr. Joseph Lehmann–Stiftung. In: Jüdisch-liberale Zeitung, Jg. 14, Nr. 22, 16. März 1934, Beilage (Web-Ressource).
  9. Vgl. Ein Jahr Joseph Lehmann-Schule In: C.V.-Zeitung, Jg. 15, Nr. 25, 18. Juni 1936, 4. Beiblatt (Web-Ressource)
  10. Vgl. Museum erhält einen besonderen Nachlaß. Hörfunkbeitrag der Deutschen Welle, 8. Dezember 2014 (Web-Ressource).
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