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Christlich-islamischer Dialog

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Der christlich-islamische Dialog umfasst das Gespräch, die Begegnung, die Konfrontation und den theologischen Diskurs zwischen Christentum und Islam und ist Teil des interreligiösen Dialogs.

Historisches

Historisch geht er auf die islamische Expansion im 7. Jahrhundert n. Chr. im Nahosten und Ägypten zurück. Deshalb ging es im Dialog zunächst darum, das Zusammenleben von Christen und Muslimen unter islamischer Vorherrschaft zu regeln. (Siehe Siyar und Dhimma). In der Anfangszeit hatte der Dialog einen apologetischen und polemischen Charakter, wie aus den theologischen Diskussionen in Damaskus bei Theodor Abū Qurra und Johannes von Damaskus ersichtlich ist.

Theologisch war der Islam im Verhältnis zum Christentum ähnlich wie das Christentum gegenüber dem Judentum in der Rolle einer nachfolgenden Religion und musste sich deshalb besonders von der Vorgänger-Religion abgrenzen. Alle drei verbindet, dass sie sich – was ihren Stammvater angeht - auf Abraham bzw. Ibrahim beziehen; sie werden deshalb als abrahamitische Religionen bezeichnet. Im Jüdisch-christlich-islamischen Dialog wird deutlich, inwiefern diese drei Religionen bei all ihren Unterschieden gemeinsame Wurzeln haben.[1]

Das Verhältnis von Christentum und Islam ist vor allem dadurch geprägt, dass sie beide – mehr als jede andere Religion – eine universale Zustimmung zu ihrer Verkündigung der endgültigen Offenbarung Gottes beanspruchen und dies in den meisten Fällen im Bewusstsein eigener Überlegenheit tun. Das bedeutet, dass das Christentum und der Islam von Anfang an - und obwohl es aufgrund etlicher gemeinsamer Wurzeln Dialog-Möglichkeiten gegeben hätte – sich inhaltlich fast ausschließlich apologetisch und kontrovers austauschten.[2]

Von Seiten des Islam wird ein Christentum kritisiert, wie es Mohammed im Blick hatte und im Koran darstellte, nämlich das des 7. Jahrhunderts. Den Christen wird vorgeworfen, dass sie die biblischen Glaubenszeugnisse und die christliche Tradition zu wenig bzw. falsch aufnehmen und dass sie bezüglich des Bekenntnisses Jesu zu Gott als dem einen Herrn uneinig seien (vgl. die Suren 19, 21, 23 und 43).[3] Es wird als eine theologische Unfähigkeit bezeichnet, dass - im Gegensatz zur muslimischen Anerkennung Jesu als Propheten - von christlicher Seite Mohammed nicht gewürdigt wird, der im Koran als „das Siegel der Propheten“ (Sure 33,40) bezeichnet wird, insofern er von allen Propheten Israels mit letzter Gültigkeit auftritt. Ein kritischer Punkt im islamisch-christlichen Gespräch war immer die im Koran (Sure 4:157) mit Nachdruck bestrittene Kreuzigung Christi. Zu denjenigen, die die christliche Kreuzestheologie besonders vehement zurückwiesen, gehörte der islamische Reformdenker Raschīd Ridā.[4]

Auf christlicher Seite werden als hauptsächliche Gründe für das über das Mittelalter hinaus bestehende negative Islambild die dogmatische Disqualifikation der Muslime als „Ungläubige“ oder „Häretiker“ genannt und die Behauptung aufgestellt, der Islam sei nur durch die Ausbreitung „mit Feuer und Schwert“ so wirkmächtig geworden. Einer weiteren Ansicht nach ist der Islam mit der Verkündigung des Korans hinter ein bereits erreichtes religionsgeschichtliches Niveau zurückgefallen. Auch habe es den Abstand zwischen beiden Religionen noch vergrößert, dass das westliche Christentum in der Neuzeit gezwungen war, sich den Fragen der Aufklärung und der gesellschaftlichen Emanzipation zu stellen.[5]

Diese Vorurteile bzw. Kritikpunkte hätten zumindest abgemildert werden können, wenn man sich bewusst geworden wäre, dass es für ein Überlegenheits-Bewusstsein keine Gründe gibt. So übten z.B. Übersetzungen und Kommentare der Schriften Aristoteles`, die von muslimischen Philosophen wie Ibn Sina (lat. Avicenna), al-Farabi und Ibn Rushd (lat. Averroes) angefertigt wurden, großen Einfluss auf die scholastische Philosophie des Mittelalters aus. Einen wichtigen Beitrag für einen potentiellen christlich-islamischen Dialog leistete der cluniazensische Abt Petrus Venerabilis, der 1143 eine Koranübersetzung durch die Übersetzerschule von Toledo anfertigen ließ. In al-Andalus, d.h. dem islamisch beherrschten Spanien vor dem Abschluss der Reconquista, fand ein Dialog zwischen Muslimen, Juden und Christen statt, auch wenn Letztere unter dem Status als "Dhimmi" (Schutzbefohlene) zu leiden hatten.

Nikolaus von Kues erörterte angesichts der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II. (1453) in seiner Schrift „Über den Frieden im Glauben“ die Frage einer Toleranz zwischen den Religionen. Mit seiner Schrift „Cribratio Alkorani“ („Sichtung des Korans“) bezog er diese Gedanken auf das Verhältnis zwischen Christen und Muslime. Darin verlässt Nikolaus von Kues zwar einerseits die traditionellen Strategien des religiösen Disputs. Andererseits bleibt er vorherrschenden Ansichten verhaftet, indem er z.B. den Frieden vor allem durch die islamischen Heere bedroht sieht und die Eroberungskriege der christlichen Seite ausblendet.[6] Aus heutiger Sicht hätte man diesbezüglich auch eine historische Rückblende auf die Kreuzzüge des christlichen Abendlandes erwartet, die das Verhältnis zwischen Christentum und Islam über Jahrhunderte vergifteten.

Mit der Erklärung „nostra aetate“ des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) wurde bezüglich des christlich-islamischen Dialogs ein großer Schritt getan. Dort heißt es in Nr. 3:

„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten … Da es jedoch im Laufe der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.“[7]

So sehr dieser Text ermutigt, wirft die Einstellung des Zweiten Vatikanischen Konzils zu den nichtchristlichen Religionen insofern Fragen auf, als damit – ebenso wie im Islam – weiterhin an dem Anspruch auf universale Gültigkeit festgehalten wird. Damit wird zwar kein exklusiver Heilsanspruch mehr erhoben, aber ein inklusiver, insofern alle Menschen in der Heilstat Jesu Christi inbegriffen sind und damit auch alle „Andersgläubigen“ Anteil am christlichen Heilsgeschehen haben. Ob der Verzicht auf einen Exklusivismus bzw. Absolutheitsanspruch zu Gunsten der Betonung der Einzigartigkeit und eines Anspruchs auf universale Gültigkeit sowohl für das Christentum als auch für den Islam eine mögliche Position ist, wird in den pluralistischen Religionstheologien diskutiert.[8]

Gegenwart

In Europa findet der christlich-islamische Dialog gegenwärtig meist zwischen christlichen Einheimischen und muslimischen Einwanderern, die vor allem seit den 1960er Jahren nach Europa gekommen sind, statt. In einigen Ländern existieren auch autochthone muslimische Volksgruppen, z. B. die muslimischen Tataren in Polen oder die bosnischen Muslime, die aufgrund der langen gemeinsamen Geschichte dem Dialog in der Regel sehr aufgeschlossen sind.

Deutschland

In Deutschland regt sich in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der staatlichen Integrationsförderung Widerstand gegen eine Konfessionalisierung der Einwanderer bzw. ihrer Nachkommen.

Der Dialog hat meist die Förderung von Respekt und Verständnis zum Ziel. Zwischen Theologen werden vor allem religiöse Fragen erörtert. Ferner geht es oft um die Auslegung und Interpretation von gesellschaftlichen Regeln und Gesetzen (Religionsunterricht, Kopftuch, Schächten, Religionsfreiheit, Integration usw.).

Geführt wird der christlich-islamische Dialog z. B. von Kirchen und islamischen Institutionen, von Theologen und Gemeinden beider Religionen, in Dialogorganisationen und Dialoggruppen, Kindergärten, Schulen, Universitäten, aber auch in staatlich organisierten Veranstaltungen wie den Deutschen Islamkonferenzen.

Die christlich-islamische Dialogorganisationen in Deutschland haben sich im Koordinierungsrat des christlich-islamischen Dialogs (KCID) zusammengeschlossen. Zu dessen Mitgliedsorganisationen gehören unter anderem die 1982 gegründete Christlich-Islamische Gesellschaft (CIG) sowie das Bendorfer Forum. Der christlich-islamische Dialog äußert sich zudem in entsprechenden Filmen, Büchern, Features, Fotos, Ausstellungen, Interviews u. Ä. In einem Forschungsprojekt wurden Schulbücher analysiert und die häufigsten Vor- und Fehlurteile herausgearbeitet. Die Ergebnisse wurden vom Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung veröffentlicht.

Seit 2002 finanziert die Bundesregierung jährlich Projekte zur Förderung des christlich-islamischen Dialogs in Höhe von 425.000 Euro. Dazu gehören z. B. Dialogseminare für Imame (jährlich 50.000 Euro), die Unterstützung des KCID (seit seiner Gründung jährlich ca. 40.000 Euro, projektbezogen) und der Muslimischen Akademie (60.000 Euro jährlich seit 2004). Zudem werden Organisationen wie die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) finanziert, die sich, wie auch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und andere im interreligiösen Dialog engagieren.

Im Jahre 2007 wurde die „Christlich-Muslimische Friedensinitiative“ (cm-fi) gegründet. Träger der Initiative sind der Deutsche Städtetag, DITIB und der KCID. Vorsitzender ist der Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz (CDU).

Wissenschaftlich wird der Christlich-Islamische Dialog in Deutschland von der „Christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle“, kurz CIBEDO, in Frankfurt am Main untersucht und dokumentiert. Unter anderem sind hier Prof. Christian Troll SJ und Prof. Dr. Felix Körner SJ tätig. CIBEDO war 1979 vom katholischen Missionsorden der Weißen Väter gegründet und von dem Islamwissenschaftler Pater Hans Vöcking über 20 Jahre geleitet worden. Seit 1998 ist CIBEDO Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz für den christlich-islamischen Dialog. Vierteljährlich erscheint die Zeitschrift CIBEDO-Beiträge[9] in denen Christen und Muslime aktuelle Themen diskutieren.

Österreich

In Österreich war der Vortrag "Islam, Christentum und Relativismus" von Gregor Henckel-Donnersmarck auf der Fachtagung Das Unbehagen mit der Religion am 18. Juni 2011 im Islamischen Zentrum Wien (Video) vielbeachtet, auf den Elsayed Elshahed von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich antwortete "Herr Abt, betrachten Sie dieses Haus als Ihr Haus!" [10][11][12] Es war das erste Mal, dass ein hoher katholischer Würdenträger einen Vortrag in der Wiener Moschee hielt. Die Tagung wurde vom Institut für Religiosität in Psychiatrie & Psychotherapie veranstaltet. Der katholische Kardinal Christoph Schönborn übernahm ebenso den Ehrenschutz wie der evangelische Bischof Michael Bünker, der Präsident der IGGiÖ Anas Schakfeh und der Wiener Bürgermeister Michael Häupl.[13] Dieser Dialog wurde am 12. Jänner 2012 zwischen Altabt Henckel-Donnersmarck und dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Fuat Sanac, fortgesetzt.[14][15][16]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Karl-Josef Kuschel: Eins im Zeichen Abrahams? Zur Ökumene zwischen Juden, Christen und Muslimen. In: B. Jaspert (Hrsg.): Hans Küngs „Projekt Weltethos“. Hofgeismar 1993, 90-118
  2. Vgl. Hans Zirker: Islam.Theologische und gesellschaftliche Herausforderungen. Düsseldorf 1993, 30ff
  3. “Und da Jesus mit den deutlichen Zeichen kam, sprach er: `Ich bin mit der Weisheit zu euch gekommen und um euch etwas von dem zu erklären, worüber ihr uneins seid. So fürchtet Allah und gehorchet mir. Siehe, Allah, er ist mein Herr und euer Herr; so dienet ihm, dies ist ein rechter Pfad.` Doch die Sekten waren uneins untereinander, und wehe den Ungerechten ob der Strafe eines schmerzlichen Tages! (43,63-65).“ In: Der Koran, Aus dem Arabischen übersetzt von Max Henning, VMA-Verlag, Wiesbaden o.J., 444f
  4. Vgl. Olaf H. Schumann: Der Christus der Muslime. Christologische Aspekte in der arabisch-islamischen Literatur. Gütersloh 1975. S. 37, 123-128.
  5. Vgl. Hans Zirker: Islam, a.a.O., 38ff
  6. Vgl. Hans Zirker: Islam, a.a.O., 60-75
  7. Rahner/Vorgrimler: Kleines Konzilskompendium. Freiburg i. Br. 1966, 349-359
  8. Vgl. Saskia Wendel: Jenseits von Absolutheit und Beliebigkeit oder: Zur Möglichkeit, im Pluralismus einen christlichen Standpunkt zu beziehen. In: http://www.theophil-online.de/vielf%E4lt/mff%E4ltig1.htm
  9. CIBEDO-Beiträge
  10. Österreich: Interesse an Islam und Christentum steigt im Radio Vatikan vom 19. Juni 2011
  11. Victoria Fender: 'Herr Abt, betrachten Sie dieses Haus als Ihr Haus!' in kath.net vom 20. Juni 2011
  12. Stefan Beig: „Wenn Muslime hier ihren Glauben gut leben, ist das kein Grund zur Angst“ (PDF; 150 kB) in Die Tagespost vom 21. Juni 2011
  13. Ehrenschutz der Fachtagung 'Das Unbehagen mit der Religion', gesehen am 8. August 2011
  14. Muslimisch-christlicher-Dialog
  15. Victoria Fender: 'Herr Präsident, ich kämpfe für Ihre Religionsfreiheit!' in kath.net vom 16. Jänner 2012
  16. Praxis - Religion und Gesellschaft in ORF vom 18. Jänner 2012
  17. Kirchenblatt Nr. 9/2008 (PDF; 3,9 MB)
  18. Diese ist bis 2013 nach verschiedenen Kriterien online vollständig durchsuchbar. Artikel überw. in Engl. und Frz.
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