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Verlorener Sohn

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„Die Rückkehr des verlorenen Sohnes.“ (Rembrandt)

Das heute sprichwörtlich gewordene Bild des verlorenen Sohnes hat seinen Ursprung in einem biblischen Gleichnis, das im Evangelium des Lukas (15,11–32 EU) erzählt wird. In neueren Übersetzungen wird es auch als „Gleichnis von den beiden Söhnen“ bzw. „Von der Liebe des Vaters“ bezeichnet.

Inhalt des Gleichnisses

Der jüngere Sohn verlangt von seinem reichen Vater sein Erbteil. Sobald er sein Geld erhält, geht er ins Ausland und verprasst es. Zum Bettler herabgesunken, verdingt er sich als Schweinehirte und hungert dabei so, dass er reumütig zum Vater zurückkehrt, um sich zu seiner Sünde zu bekennen und ihn um eine Stelle als Tagelöhner zu bitten. Der Vater ist jedoch so froh über die Rückkehr des Sohnes, dass er ihn festlich einkleidet und für ihn ein großes Fest veranstaltet. Als sich der ältere Sohn über das Verhalten des Vaters beklagt, entgegnet dieser:

„Du bist immer bei mir gewesen, was mein ist, ist dein. Freue dich über die Rückkehr deines Bruders, der tot war und wieder lebendig geworden ist.“

Lk 15,31 EU

Kontext und Bedeutung

Das Gleichnis gehört zum lukanischen Sondergut. Es bildet den Abschluss und Höhepunkt einer Reihe von drei Gleichnissen „vom Verlorenen“, die der Evangelist zusammengestellt hat.[1] Die beiden anderen Gleichnisse sind Das verlorene Schaf (Lk 15,3–7 EU) und Die verlorene Drachme (Lk 15,8–10 EU). Die Reihe soll den Vorwurf der Pharisäer und Schriftgelehrten gegen Jesus entkräften, er verkehre unerlaubterweise mit „Sündern und Zöllnern (Lk 15,1–3 EU). Diese werden hier durch den verlorenen Sohn repräsentiert, während die jüdischen Kritiker Jesu als der beim Vater verbliebene „ältere Sohn“ erscheinen.[2] Die besondere Hinwendung Gottes wie Jesu zu den „Verlorenen“ ist das Ziel der Darstellung. Die Einheit mit Gott als dem Vater wird als das eigentliche Lebensziel der Söhne dargestellt. Die drei Gleichnisse nehmen mit den Themen „Verlorengehen“ und „Wiedergefundenwerden“ darüber hinaus ein wesentliches Motiv des Lukasevangeliums auf.

Sozialgeschichtliche Auslegung

Für die damaligen jüdischen Zuhörer enthielt das Gleichnis einige Informationen, die dem heutigen Leser in der Regel entgehen. Das Gleichnis schildert rechtliche Verhältnisse der damaligen Zeit. Bei zwei Söhnen bekam der ältere zwei Drittel des Vermögens, in der Regel den Hof, der jüngere ein Drittel. Jüngere Söhne hatten die Möglichkeit, sich ihr Erbteil auszahlen zu lassen, um damit im Ausland eine Existenz zu gründen. Manche Exegeten, beispielsweise Blomberg, sind der Ansicht, dass ein jüngerer Sohn es damals nicht gewagt hätte, den Vater zu Lebzeiten um sein Erbteil zu bitten. Schmid-Grether sieht nichts Ungewöhnliches in einem solchen Verlangen eines jüngeren Sohns, sofern es der Existenzgründung diente. Dass er sein Erbteil mit einem wilden Leben durchbringt, wird ihm später im Gleichnis vom älteren Bruder angekreidet, was sicher der Sichtweise der Zuhörer entsprach. Schmid-Grether erwähnt dann jedoch noch zwei Aspekte, die besonders jüdischen Zuhörern auffallen mussten: alle jüdischen Gemeinden hatten damals ein Armenfürsorgesystem, aber als der Sohn in der Fremde in Not geriet, wandte er sich nicht an seine Glaubensgenossen, sondern an einen Bürger jenes Landes – damit wird für jüdische Zuhörer ausgesagt, dass er sich vom jüdischen Glaubensleben entfernt hatte. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das Schweinehüten, was ein religiöses Leben als Jude unmöglich machte, da der Schweinehirt durch seinen ständigen Kontakt mit Schweinen kultisch unrein war. Damit war für den zuhörenden Juden klar, inwiefern der Sohn nicht nur gegen den Vater sondern „gegen den Himmel“ gesündigt hat. Auch die Johannisbrotschoten hatten für damalige jüdische Zuhörer eine konkrete Bedeutung: sie waren das Brot der Armen. So stand im Midrasch: „Rabbi Acha hat gesagt: ‚Wenn die Israeliten Johannisbrot nötig haben, dann tun sie Buße‘“ (Levitikus Rabba 35). Auch bei der Rückkehr gibt es Einzelheiten, die für jüdische Zuhörer konkrete Bedeutung hatten: Kuss und Umarmung gab es nur unter Gleichgestellten, das Obergewand versetzt ihn sichtbar in den Stand eines vornehmen Juden. Mit dem Ring ist ein Siegelring gemeint, wodurch er als Sohn des Hauses im Namen der Familie Verträge abschließen kann, und die Schuhe an den Füßen waren das Zeichen des freien Mannes – Sklaven gingen barfuß. Auch das Kalb ist nicht irgendein Kalb, sondern es wird betont, dass es sich um das gemästete Kalb handelt, das also für eine besonders festliche Gelegenheit im Stall bereitstand.[3]

Wirkungsgeschichte

Religiöse Exegese

Kirchenväter

Schon früh war das Gleichnis ein beliebter Predigttext. Die älteste erhaltene Predigt, welche das Gleichnis enthält, stammt von Clemens von Alexandria aus dem 2. Jahrhundert.[4] Weiter sind Predigten von Athanasius, Augustinus von Hippo und Johannes Chrysostomos erhalten.

In der allegorischen Auslegung wurde beispielsweise das Kleid zur Gerechtigkeit Christi (nach Jesaja 61,10 EU: „Er hat mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet“), der Ring das Siegel des Heiligen Geists, die Schuhe die Fähigkeit, auf den Wegen Gottes zu wandeln.

Nach Cyril von Jerusalem sagten manche, der ältere Sohn sei Israel nach dem Fleisch, aber der jüngere die Menge der Heiden.[5]

Augustinus von Hippo sah sich selbst in der Rolle des verlorenen Sohns, der erst ein ausschweifendes Leben führt und dann zu Gott heimkehrt.[6] Er interpretiert den „Bürger jenes Landes“ als einen gewissen Fürsten der Lüfte, der zu den Heerscharen des Teufels gehört, und die Schweine als unreine Geister unter ihm.[7]

Orthodoxe Tradition

Die Orthodoxen Kirchen kennen einen Sonntag des Verlorenen Sohns unmittelbar vor der vierzigtägigen vorösterlichen Fastenzeit. [8]

Moderne

Johannes Paul II. legt das Gleichnis in seiner Enzyklika Dives in Misericordia (Über das göttliche Erbarmen) aus. [9]

Kunst, Literatur und Musik

Verschiedene Darstellungen in der Kunst
Darstellungen in Literatur und Musik

Zu den frühen Bearbeitungen des Motivs gehört das lateinische Schauspiel des Gnaphaeus Guilhelmus[10] (1534). Deutsche Komödien Vom verlorenen Sohn dichteten Burkard Waldis (1527), Johann Ackermann (1537), Johannes Salat (1537), Jörg Wickram (1540), Hans Sachs (1557), Nikolaus Loccius (1619). Unter den Komödien der „englischen Komödianten“ scheint die Vom verlornen Sohn (1620) besonders beliebt gewesen zu sein. Das Werk Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, das Rembrandt in seinem Todesjahr malte, zeigt die Ankunft des Sohnes nach seiner Reise wieder beim Vater. Ein Beispiel für die Umsetzung in Glas ist die auf vier Bleiglasfenster aufgeteilte Erzählung in der Frankfurter Lukaskirche (1953/56).

Das Gleichnis wurde von den älteren deutschen Dichtern in kleineren Erzählungen vielfach moralisierend angewendet und ausgeschmückt. Als Nebenmotiv findet es sich beispielsweise bei Johanna Spyri am Ende des ersten Heidi-Bands.

Im 20. Jahrhundert war es der französische Literatur-Nobelpreisträger André Gide, der das Thema in Die Heimkehr des verlorenen Sohnes (Le Retour de l'enfant prodigue) individualistisch-emanzipatorisch abwandelte und 1907 veröffentlichte.

1934 drehte Luis Trenker seinen Film Der verlorene Sohn (Südtirol – New York – Südtirol).

Der Song Prodigal Son vom Album „Killers“ der britischen Heavy-Metal-Band Iron Maiden behandelt das Gleichnis vom verlorenen Sohn.

1998 veröffentlichte Hans-Ulrich Treichel seinen Nachkriegsroman Der Verlorene.

Das Gleichnis ist auch Thema des Kindermusicals Der verlorene Sohn von Dagmar Heizmann-Leuke und Klaus Heizmann, erschienen im Musikverlag Klaus Gerth (1999).

Der Britische Komponist Benjamin Britten schuf die 1968 uraufgeführte Kirchenoper “The Prodigal Son”. Das Libretto dazu stammt von William Plomer.

Literatur

Exegetische Fachliteratur:

→ siehe auch die Abschnitte in den einschlägigen Kommentaren (Bovon, Bock, Eckey u.a.) und der allgemeinen Literatur zu den Gleichnissen Jesu.
  • Robert Baldwin: A Bibliography of the Prodigal Son Theme in Art and Literature. In: Bulletin of Bibliography, 44,3 (1987), S. 167–171 (Online-Version [1]).
  • Derrett J. Duncan: Law in the New Testament: The Parable of the Prodigal Son. In: New Testament Studies 14 (1967), S. 56–74.
  • Derrett J. Duncan: The Parable of the Prodigal Son: Patristic Allegories and Jewish Midrashim. In: Studia Patristica 10 (1970), S. 219–224.
  • Albert Raffelt: „profectus sum abs te in regionem longinquam“ (conf. 4,30; PDF; 719 kB). Das Gleichnis vom „verlorenen Sohn” in den Confessiones des Aurelius Augustinus. In: Theologie und Glaube 93 (2003), S. 208–222.
  • Luise Schottroff: Die Gleichnisse Jesu. Gütersloh 2005, S. 177–197, ISBN 3-579-05200-4.

Sonstige Literatur:

  • Kenneth E. Bailey: Der ganz andere Vater – Die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn aus nahöstlicher Perspektive in Szene gesetzt. Neufeld Verlag, Schwarzenfeld 2006. ISBN 978-3-937896-23-6.
  • Benedikt XVI. [Joseph Ratzinger]: Jesus von Nazareth, Teil 1: Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Freiburg 2007, ISBN 978-3-451-29861-5.
  • Wolfgang Fenske: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn in Schule und Gemeinde. Göttingen 2003, ISBN 3-525-61552-3.
  • Henri J. M. Nouwen: Nimm sein Bild in dein Herz: geistliche Deutung eines Gemäldes von Rembrandt. Freiburg im Breisgau 1995, ISBN 3-451-22404-6.
  • Manfred Siebald: Der verlorene Sohn in der amerikanischen Literatur. Heidelberg 2003 (= American studies, 100), ISBN 3-8253-1302-6.
  • Franz Spengler: Der verlorene Sohn im Drama des 16. Jahrhunderts. Innsbruck 1888.
  • Susanne Schmid-Grether: Jesus der Jude oder warum Nikodemus bei Nacht kam: Neutestamentliche Texte auf dem jüdischen Hintergrund neu gelesen und verstanden. Wetzikon (CH) 2. Aufl. 1997 ISBN 3-9521622-3-X.

Weblinks

 Commons: Der verlorene Sohn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Annette Merz: Last und Freude des Kehrens (Von der verlorenen Drachme) Lk 15,8–10; in: Ruben Zimmermann (Hrsg.): Kompendium der Gleichnisse Jesu; Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007; S. 610–617, hier S. 610.
  2. Karl-Heinrich Ostmeyer: Dabei sein ist alles (Der verlorene Sohn) Lk 15,11–32; in: Ruben Zimmermann (Hrsg.): Kompendium der Gleichnisse Jesu; Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007; S. 618–633, hier S. 631.
  3. So bei Schmid-Grether und bei Fritz Rienecker, Wuppertaler Studienbibel, Evangelium des Lukas
  4. Philip Schaff: Anti-Nicene Fathers: Fathers of the Second Century
  5. Catena aurea
  6. Albert Raffelt: Das Gleichnis vom „verlorenen Sohn” in den Confessiones des Aurelius Augustinus (PDF; 719 kB)
  7. Catena aurea
  8. www.orthodoxfrat.de
  9. http://www.vatican.va/edocs/DEU0072/__P5.HTM
  10. Art. zu Willem de Volder alias Gnaphaeus Guilhlmus
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