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Skriptorium von Qumran

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Rekonstruktionszeichnung der Siedlung im Museum vor Ort. In zentraler Lage, rot hervorgehoben: das „Skriptorium“ (Locus 30).

Als Skriptorium von Qumran wird Locus 30 der Ausgrabungsstätte Khirbet Qumran am Toten Meer bezeichnet. Den Begriff prägte der Ausgräber Roland de Vaux und erweckte damit möglicherweise irreführende Assoziationen christlicher Klosterarchitektur. Die Bedeutung dieses Raumes wird bis heute kontrovers diskutiert. Mit dem Rest der Siedlung wurde auch das sogenannte Skriptorium 68 n. Chr. von der römischen Legio X Fretensis zerstört.

Das Gebäude

Locus 30: das Erdgeschoss war eine lange, schmale Halle.

Es handelt sich um ein ursprünglich zweigeschossiges Gebäude mit einer Grundfläche von etwa 13 × 4 Metern, von dem nur die Mauern im Erdgeschoss erhalten sind. Seine Lage am zentralen Innenhof, die Größe und die gute Bauausführung weisen darauf hin, dass dieses Gebäude in der Qumran-Siedlung eine wichtige Rolle spielte. Das Obergeschoss konnte über zwei Treppen erreicht werden, von denen eine aus hasmonäischer, die zweite aus herodianischer Zeit stammte.[1] Bei dem Einsturz des oberen Stockwerks hatte sich das Erdgeschoss mit Schutt gefüllt.

Das Ausgräberteam, von links nach rechts: Roland de Vaux, Józef Tadeusz Milik, Gerald Lankester Harding (1952).

Die Gipsmöbel aus dem Obergeschoss

„Verputztes Element“ (KhQ 967) aus dem Obergeschoss (Qumran Park Exhibition). Dabei dürfte es sich um eine Replik handeln, denn die Originale der Gipsmöbel befinden sich in Amman.[2]

Mit dem Begriff „verputzte Elemente“ beschrieb Roland de Vaux in seinen Grabungstagebüchern lange, schmale Objekte aus dem Obergeschoss, die aus mit Gips verputzen Lehmziegel-Fragmenten im Schutt zusammengesetzt werden konnten. Das größte Exemplar (KhQ 967) ist etwa 5 Meter lang und 50 cm hoch, die Vorderseite ist eingewölbt, die Hinterseite gerade, aber nur roh bearbeitet. Die Oberseite ist 40 cm breit, die Basis dieses seltsamen Möbels aber nur 18 cm. Das heißt, auf diesem tischartigen Gipsmöbel konnte niemand sitzen oder liegen, ohne dass es zusammengebrochen wäre.[3] Eine ebenso langes, bankartiges Element (KhQ 968) ist sehr niedrig und schmal. Von zwei weiteren tischartigen Gipsmöbeln und einer bankartigen Struktur fand man Fragmente (KhQ 969–971).

Außerdem gehört zu den Funden aus dem Obergeschoss eine Art umrandetes Gipstablett mit zwei runden Vertiefungen (KhQ 966). Weitere Kleinfunde aus Locus 30 waren: eine Bronzenadel, ein eiserner Schlüssel, ein Siegel aus Kalkstein, einige Münzen und Haushaltgeschirr in geringer Menge.[4]

Die Tintenfässer aus Locus 30

Unter dem Schutt des Obergeschosses fand man ein Tintenfass aus Ton und eines aus Bronze (KhQ 463 und 473), ein drittes Tintenfass, ebenfalls aus Ton, wurde im Nachbarraum (Locus 31) geborgen.

Yizhar Hirschfeld argumentierte: für sich genommen hätte man die Tintenfässer der Halle im Erdgeschoss, nicht dem Obergeschoss zugeordnet;[5] auch seien Tintenfässer im Fundgut heute nicht mehr singulär – anders als es dem Team um de Vaux erscheinen musste. Im etwa zeitgenössischen Haus der Familie Qathros in Jerusalem beispielsweise fand man auch zwei Tintenfässer.[5] Da er die Qumran-Siedlung als Landgut interpretierte, vermutete Hirschfeld, dass im Erdgeschoss von Locus 30 die Verwaltung des Guts ihren Ort hatte, wozu Schreibarbeiten gehörten.

Mit der Mehrheit der Forscher hält Daniel Stökl Ben Ezra den Fund von mehreren Tintenfässern für selten und aussagekräftig: „Die lokale Zubereitung der Tusche der Hymnenrolle (1QHa) belegt ..., dass ein Teil der in Höhle 1 gefundenen Rollen in Qumran geschrieben worden ist. Auch aus den Tintenfässern können wir schließen, dass in Qumran Schreibaktivitäten stattgefunden haben. Ob dies mit den Installationen in L[ocus] 30 geschah, muss offenbleiben.“[6]

Exkurs: Untersuchung der Tinte von 1QHa

Einen bemerkenswerten Ansatz verfolgte ein Team um Ira Rabin und Oliver Hahn (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin). Man machte sich den Umstand zunutze, dass Tinte erst kurz vor dem Gebrauch mit Wasser angerührt wurde. Das Team unterzog die Hymnenrolle einer Röntgenfluoreszenzanalyse und fand in der Tinte Brom-zu-Chlor-Konzentrationen, die für das Wasser des Toten Meeres charakteristisch sind.[7] Damit ist praktisch bewiesen, dass diese Rolle in Qumran geschrieben wurde.

Mit Qumran in Verbindung gebrachte Tintenfässer und Schreibgeräte

Das Jordan Archaeological Museum in Amman präsentierte 1997 in einer Ausstellung die beiden Tintenfässer, die de Vaux seinerzeit in Locus 30 gefunden hatte.[8]

Zwei keramische Tintenfässer „aus dem Skriptorium“ befinden sich heute im Israel Museum in Jerusalem. Sie sehen einander sehr ähnlich, haben eine zylindrische Form, sind 6 cm hoch und haben einen Durchmesser von 4,5 cm.[9] Das gleiche Museum besitzt zwei weitere Tintenfässer aus Qumran, eines davon aus Ton, 6,4 cm hoch und mit einem Durchmesser von 3,1 cm. Es ist also etwas schmaler als die beiden anderen Exemplare und hat einen restaurierten Henkel.[10] Das andere Tintenfass ist aus Holz gedrechselt und 6 cm hoch.[11]

Insgesamt sind bis heute neun Tintenfässer bekannt. Eines davon stammt aus Ain-Feshkha; bei drei Exemplaren ist unklar, ob sie überhaupt auf dem Gelände von Qumran gefunden wurden.[5] Wie viele Qumran-Fragmente gelangten diese drei nämlich über den Bethlehemer Mittelsmann „Kando“ in den Antikenhandel. Ein Exemplar erwarb John Marco Allegro im Jahr 1953, es gelangte über Privatsammler in die Schøyen Collection (MS 1655/2): ein 8 cm hohes Bronzegefäß in Gestalt eines Körbchens mit zwei Henkeln, im Inneren befanden sich Tintenreste.[12] Ira Rabin untersuchte diesen Tintenrest. Es handelte sich um schwarze Tinte auf Karbonbasis mit einem proteinhaltigen Bindemittel. Eine solche Tinte wurde bisher nicht in den Schriftrollen vom Toten Meer nachgewesen. Kandos Angabe, es handele sich um einen Oberflächenfund aus Qumran, ist wohl unzutreffend.[13] Ein weiteres, angeblich aus Qumran stammendes keramisches Tintenfass, das Kando auf den Markt brachte, wurde der University of Southern California geschenkt.

Vom gleichen Händler stammen angeblich zwei Exemplare des Qumran-Stylus (MS 5095/3), die einzigen mit Qumran in Verbindung gebrachten Schreibgeräte. Sie sind 8,6 cm lang, aus der Rippe eines Palmblatts hergestellt und haben Tintenanhaftungen. Sie wurden von einer Schweizer Privatsammlung erworben und befinden sich heute in der Schøyen Collection.[14]

Interpretationen des Obergeschosses

Skriptorium

Statuette eines Schreibers, Ägypten, 332–30 v. Chr. (Metropolitan Museum of Art). Ein Beispiel für die antike Körperhaltung beim Schreiben.

Roland de Vaux interpretierte die Gipsmöbel des Obergeschosses als Einrichtung einer Schreibstube und vermutete, dass die in den nahegelegenen Höhlen gefundenen Schriftrollen vom Toten Meer hier geschrieben worden seien. Diese Deutung hat ein Problem: Antike Schreiber schrieben im Schneidersitz auf den Knien.[15] Auf der niedrigen Bank im Schneidersitz hockend und ein auf dem Tisch liegendes Blatt beschreibend, hätte der antike Schreiber eine für ihn sehr unpraktische Haltung eingenommen. Davon abgesehen, ist das Schreiben an Tischen erst Jahrhunderte später bezeugt und für Qumran anachronistisch.

Die einzelnen Pergamentblätter wurden liniert, beschrieben und erst in einem letzten Schritt zu einer Rolle aneinandergenäht. Die Blattgröße variiert bei den Schriftrollen vom Toten Meer zwischen 21 und 90 cm.[16]

Die von Bruce Metzger vorgeschlagene Alternative, dass die Schreiber auf dem „Tisch“ gesessen hätten und die „Bank“ ihnen als eine Art Fußbank gedient hätte, scheitert an der Instabilität des großen Gipsmöbels.

Kenneth Clark ließ die Schreiber von Qumran auf der niedrigen „Bank“ im Schneidersitz Platz nehmen und identifizierte den „Tisch“ als Ablageplatz für ihr Material.

Nebenraum der Bibliothek

Eine Torarolle wird geöffnet, um darin eine bestimmte Stelle zu finden. Dies geschieht nicht freihändig, sondern auf einem Tisch. So stellte sich Stegemann die Benutzung der langen Tische im sogenannten „Skriptorium“ vor.

Auch für Hartmut Stegemann war Qumran ein Zentrum der Schriftrollenproduktion, allerdings sah er im Obergeschoss von Locus 30 keine Schreibwerkstatt. Er stellte die Hypothese auf, dass die langen Gipstische dazu dienten, die kostbaren Schriftrollen zu öffnen und Textstellen darin zu suchen, ohne die Rollen zu beschädigen. Dann erst seien sie an Kopisten oder Leser ausgegeben worden. Bei der Rückgabe rollte ein Bibliothekar der Siedlung das Pergament auf dem Tisch wieder zusammen, bevor er es im Regal deponierte.

Speiseraum

Die Interpretation als klassisches Triclinium (Pauline Donceel-Voute) scheitert daran, dass die „Bänke“ als Liegesofas viel zu schmal sind, wie Ronny Reich nachgewiesen hat. Doch hätten mehrere Personen auf den „Bänken“ im Schneidersitz Platz nehmen und an den Tischen essen können. Vergleichbare Speiseräume gab es „in unterirdischen kappadozischen Städten. Allerdings sind diese aus viel späterer Zeit und aus einer ganz anderen Region.“[3]

Literatur

  • Roland de Vaux: Archaeology and the Dead Sea Scrolls: The Schweich Lectures of the British Academy 1959. Rev. ed. London, 1973.
  • Bruce M. Metzger: The Furniture in the Scriptorium at Qumran. In: Revue de Qumran 1 (1958/59), S. 509–515.
  • Kenneth W. Clark: The Posture of the Ancient Scribe. In: Biblical Archaeologist 26 (1963), S. 63–72.
  • Ronny Reich: A Note on the Function of Room 30 (the 'Scriptorium') at Khirbet Qumrân. In: Journal of Jewish Studies 46 (1995), S. 157–160.
  • Hartmut Stegemann: Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus. Herder, 10. Auflage, Freiburg im Breisgau 2007
  • Yizhar Hirschfeld: Qumran – die ganze Wahrheit. Die Funde der Archäologie – neu bewertet. (Originaltitel: Qumran in Context. Reassessing the Archaeological Evidence.) Gütersloh 2006, S. 139–143.
  • Emanuel Tov: The Copying of a Biblical Scroll (online mit eigener Seitenzählung). In: Hebrew Bible, Greek Bible, and Qumran. Collected Essays, Mohr Siebeck, Tübingen 2008.
  • Ira Rabin, Oliver Hahn, Timo Wolff, Admir Masic, Gisela Weinberg: On the Origin of the Ink of the Thanksgiving Scroll (1QHodayota). In: Dead Sea Discoveries 16/1 (2009), S. 97–106. (Abstract online)
  • Ira Rabin: Ink Sample from Inkwell MS 1655/2. In: Torleif Elgvin, Michael Langlois, Kipp Davis: Gleanings from the Caves: Dead Sea Scrolls and Artefacts from the Schøyen Collection, Bloomsbury, London 2016, S. 463–464.
  • Kaare Lund Rasmussen, Anna Lluveras Tenorio, Ilaria Bonaduce, Maria Perla Colombini, Leila Birolo, Eugenio Galano, Angela Amoresano, Greg Doudna, Andrew D. Bond, Vincenzo Palleschi, Giulia Lorenzetti, Stefano Legnaioli, Johannes van der Plicht, Jan Gunneweg: The constituents of the ink from a Qumran inkwell: new prospects for provenancing the ink on the Dead Sea Scrolls. In: Journal of Archaeological Science 39 (2012), S. 2956–2968. (online)
  • Daniel Stökl Ben Ezra: Qumran: Die Texte vom Toten Meer und das antike Judentum (UTB 4681). Mohr Siebeck, Tübingen 2016, ISBN 9783825246815 S. 112–114.

Einzelnachweise

  1. Yizhar Hirschfeld: Qumran. S. 139.
  2. Othmar Keel, Max Küchler: Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studien-Reiseführer zum Heiligen Land. 2, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1982, S. 469.
  3. 3,0 3,1 Daniel Stökl Ben Ezra: Qumran. S. 114.
  4. Catherine M. Murphy: Wealth in the Dead Sea Scrolls and in the Qumran Community. Brill, 2001, S. 300.
  5. 5,0 5,1 5,2 Yizhar Hirschfeld: Qumran. S. 142.
  6. Daniel Stökl Ben Ezra: Qumran. S. 141-142.
  7. Daniel Stökl Ben Ezra: Qumran. S. 60.
  8. Emanuel Tov: The Copying of a Biblical Scroll. S. 13.
  9. Inkwells from the scriptorium. Abgerufen am 11. Februar 2018.
  10. Explore the Collection: Inkwell. Abgerufen am 11. Februar 2018.
  11. Explore the Collection: Inkwell. Abgerufen am 11. Februar 2018.
  12. Qumran Inkwell. Abgerufen am 11. Februar 2018.
  13. Ira Rabin: Ink Sample from Inkwell MS 1655/2. S. 464.
  14. The Only Surviving Qumran Stylus. Abgerufen am 11. Februar 2018.
  15. Emanuel Tov: The Copying of a Biblical Scroll. S. 14.
  16. Emanuel Tov: The Copying of a Biblical Scroll. S. 5.

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