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Mathias Rust

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Mathias Rust in der Sendung Markus Lanz, 2012

Mathias Rust (* 1. Juni 1968 in Wedel) wurde als deutscher Privatpilot bekannt, als er am 28. Mai 1987 im Alter von 18 Jahren mit einem Flugzeug vom Typ Cessna 172 P auf der Großen Moskwa-Brücke unweit des Roten Platzes in Moskau landete.

Ausbildung

Rust besuchte die Ernst-Barlach-Realschule in Wedel. Seinen Flugschein erwarb er beim Aero Club Hamburg, nachdem er von September 1985 bis August 1986 die vorgeschriebenen 40 Flugstunden absolviert hatte. Die Prüfung bestand er fehlerlos.[1]

Flugverlauf und Landung

Ungefähre Flugroute

Rust charterte die Cessna 172 P eines Hamburger Luftsportvereins[2] für einen „Rundflug über die Nordsee“[3] und startete in Hamburg-Fuhlsbüttel. Bei einer Zwischenlandung auf dem Flugplatz Uetersen bei Hamburg baute er die Rücksitzbank der viersitzigen Maschine aus und flog am 13. Mai 1987 auf die Färöer. Rust flog in den folgenden Tagen nach Keflavík (Island), nahe Reykjavík, dem Ort des letzten amerikanisch-sowjetischen Gipfeltreffens, bei dem sich Ronald Reagan und Michail Gorbatschow im Oktober 1986 begegnet waren. Anschließend flog er über Bergen (Norwegen) nach Finnland, wo er auf dem Flughafen Malmi in Helsinki am 25. Mai 1987 landete.[4] Von dort aus flog er am 28. Mai über die finnisch-sowjetische Grenze Richtung Leningrad und folgte von dort der Eisenbahnlinie nach Moskau.[3] Er wurde dabei frühzeitig von der sowjetischen Luftverteidigung erfasst. Eine unmittelbare Abwehrreaktion blieb aus. Im Fernsehen ausgestrahlte Beiträge zeigten parallel fliegende MiG-23-Kampfflugzeuge. Entscheidungen wurden nicht getroffen und Rust erreichte schließlich nach etwa fünfeinhalbstündigem Flug Moskau, wo er gegen 18:15 Uhr mehrere Runden über dem Roten Platz und dem Kreml drehte. Da auf dem Platz zu viele Menschen waren, landete er gegen 18:40 Uhr auf der nahen Großen Moskwa-Brücke (55° 44′ 52″ N, 37° 37′ 29″ O55.74789078388937.624623141667). Auf dem Parkplatz für Reisebusse am Wassili-Abhang (Wassilewski spusk) neben der Basilius-Kathedrale direkt am Roten Platz brachte er das Flugzeug zum Stehen.[3]

Nach seinem Flug sagte Rust, dass er ihn für den „Weltfrieden“ und die „Verständigung zwischen unseren Völkern“ unternommen habe,[5] obwohl er andererseits äußerte, den Flug „zum Spaß“ unternommen zu haben.[6]

Seine am russischen Tag des Grenzsoldaten erfolgte Landung in der sowjetischen Hauptstadt löste internationale Aufmerksamkeit aus und führte zu innenpolitischen Konsequenzen in der Sowjetunion. Verteidigungsminister Sergei Sokolow und der Chef der sowjetischen Luftverteidigung, Alexander Koldunow, wurden von Michail Gorbatschow verantwortlich gemacht und „auf eigenen Wunsch in den wohlverdienten, frühzeitigen Ruhestand“ entlassen. Zudem nutzte Gorbatschow das Ereignis, sich von über 300 weiteren perestroika- und glasnostfeindlich eingestellten Generälen zu trennen.[7][8]

Festnahme und Gefängnisaufenthalt

Nach der Landung wurde Rust von Mitarbeitern des sowjetischen Geheimdienstes KGB festgenommen. Am 2. September 1987 begann sein Prozess vor dem Obersten Gerichtshof. Er wurde am 4. September zu vier Jahren Arbeitslager wegen illegaler Einreise, Verletzung internationaler Flugverkehrsvorschriften und schweren Rowdytums verurteilt.[6] Durch die Landung auf der Brücke hätten, so der Richter, Menschen verletzt werden können. Nach der Verbüßung einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten im Lefortowo-Gefängnis in Moskau wurde er am 3. August 1988 infolge einer Begnadigung durch den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, Andrei Gromyko, vorzeitig aus der Haft entlassen, musste auf Anordnung unverzüglich die Sowjetunion verlassen und nach Deutschland zurückkehren.[9]

Spätere Schlagzeilen

1989 geriet Rust erneut in die Schlagzeilen. Während seines Zivildienstes stach er im DRK-Krankenhaus Rissen am 23. November 1989 mit einem Messer auf eine Schwesternschülerin ein, weil sie ihn nicht küssen wollte. Er verletzte sie schwer.[10][11] Am 19. April 1991 wurde Rust dafür zu einer 30-monatigen Freiheitsstrafe wegen Totschlagversuchs in einem minderschweren Fall verurteilt. Nach 15 Monaten Haft wurde er im Oktober 1993 vorzeitig entlassen. 1994 arbeitete er als Kellner in Moskau.[12]

2001 kam er wegen Diebstahls eines Kaschmirpullovers in einem Hamburger Kaufhaus erneut vor Gericht und wurde erst zu einer Strafe von 10.000 DM verurteilt, die später in der Berufung auf 600 DM reduziert wurde. 2003 verfolgte Rust das Internetprojekt „Orion and Isis“, in dem er sich als „Quelle des Friedens“ darstellte. Weil er einem Hamburger Spediteur ungedeckte Schecks ausstellte, wurde gegen ihn wegen fortgesetzten Betruges im November 2005 eine Geldstrafe von 1500 Euro verhängt. Ferner wurde er durch gerichtlichen Beschluss zur Herausgabe nicht bezahlter Möbelstücke gezwungen.[3][11][13]

2007 – 20 Jahre nach dem Flug – rekonstruierten eine ARD-Fernsehdokumentation von Gabriele Denecke und das parallel erarbeitete Buch von Ed Stuhler die historischen Folgen des Fluges. Dafür befragten sie Mathias Rust, die damaligen Außenminister Eduard Schewardnadse und Hans-Dietrich Genscher, den BND-Chef Hans-Georg Wieck und sowjetische Militärs.[14]

Rust lebte um 2007 in Berlin[2] und bestritt seinen Lebensunterhalt nach eigenen Angaben durch professionelles Pokerspielen.[15][2] 2009 gab er im Gespräch mit der Rheinischen Post an, dass er finanziell ausgesorgt habe und keiner geregelten Tätigkeit mehr nachgehen müsse. Nach eigenen Angaben arbeitet er als Veranstalter von Boots- und Autorennen in Estland und ist weiterhin als professioneller Pokerspieler aktiv. Im Mai 2012 lebte er nach eigenen Angaben als Finanzanalyst in der Schweiz und plante die Eröffnung einer Yoga-Schule.

Weitere Nutzung des Flugzeugs

Rusts Cessna 172 Skyhawk II „D-ECJB“ im Deutschen Technikmuseum Berlin

Die Cessna 172 P (Kennzeichen D-ECJB), genauer eine F 172 P Skyhawk II, da ein Lizenzbau von Reims Aviation, wurde nach Rusts Flug, noch während sie sich in der UdSSR befand, von einer Münchner Kosmetikfirma zum doppelten Schätzwert gekauft und am 19. Oktober 1987 nach Deutschland zurückgeholt.[16] Später wurde sie an einen japanischen Club verkauft und in einem Freizeitpark in Utsunomiya bei Tokio unter freiem Himmel ausgestellt.[2]

Im Oktober 2008 wurde die Cessna nach Berlin zurückgeholt und restauriert. Seit dem 28. Mai 2009 ist sie im Deutschen Technikmuseum Berlin als ständiges Exponat zu sehen. Die Cessna 172 sollte später Teil einer langfristig geplanten Sonderausstellung mit dem Titel „Fliegen über den Eisernen Vorhang“ werden.[16]

Künstlerische Aufbereitung

Nach der Landung am Roten Platz veröffentlichte die Gruppe Modern Trouble 1987 den Song Fly to Moscow, der den Platz 57 der deutschen Charts erreichte.[17]

In der NDR-Comedy-Serie Stenkelfeld wurde der fiktive Mathias-Rust-Flughafen nach ihm benannt. Zeitweise gab es auch einen Mathias-Rust-Fan-Club im Internet. Im Film Der Mann, der Yngve liebte ist der Protagonist Sänger einer fiktiven Punkband namens Mathias Rust Band.

Am 21. Oktober 2010 wurde im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg ein vom Hamburger Kollektiv Studio Braun kreiertes Stück mit dem Titel Rust – Ein deutscher Messias uraufgeführt.[13][18][19][20]

Weblinks

 Commons: Mathias Rust – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Er macht alles nur nach Plan. In: Der Spiegel. Nr. 23, 1987, S. 126 (1. Juni 1987, Interview mit Rusts Flugausbilder Siegfried Heise, online).
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Ralf E. Krüger, Anne Grages: Moskau-Flug: Der Kremlflieger pokert hoch. In: Westdeutsche Zeitung, 25. Mai 2007.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Thomas Urban: Die Wahrheit liegt neben dem Platz. In: Süddeutsche Zeitung, 28. Mai 2007.
  4. dr.dk „Rust in Red Square – 20 years later“ 28. Mai 2007.
  5. Claus Menzel: Flug ins Herz der Sowjetunion. In: Deutschlandfunk, 28. Mai 2007.
  6. 6,0 6,1 Rust: Ein Hieb für die russische Seele. In: Der Spiegel. Nr. 37, 1987, S. 146–148 (7. September 1987, online).
  7. Stefan Locke: Der lange Irrflug der Friedenstaube. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Mai 2012.
  8. Frank Umbach, Das rote Bündnis. Entwicklung und Zerfall des Warschauer Paktes 1955–1991 , Ch. Links Verlag, April 2005, S. 339 f.
  9. Der Fall Mathias Rust – Eine Chronologie auf NDR.de vom 14. Mai 2012
  10. Detlef Kuhlbrodt: Flieger, grüß mir den Kreml. In: die tageszeitung, 28. Mai 2009.
  11. 11,0 11,1 Christoph Gunkel: Der Absturz. In: einestages, 21. Mai 2012.
  12. Der Kremlflieger Mathias Rust kehrt zurück auf NDR.de vom 26. Juni 2009
  13. 13,0 13,1 Michael Laages: "Rust - ein deutscher Messias" In: Deutschlandfunk, 22. Oktober 2010.
  14. Ed Stuhler: Der Kreml-Flieger: Mathias Rust und die Folgen eines Abenteuers. Ch. Links Verlag, 2012. Dokumentation von Gabriele Denecke: Der Kremlflieger – Mathias Rust und die Landung auf dem Roten Platz.
  15. "750.000 Euro beim Pokern gewonnen" In: Spiegel Online, 6. Juni 2009.
  16. 16,0 16,1 Himmelfahrt zum Roten Platz, Medien-Info Deutsches Technikmuseum Berlin vom Mai 2009
  17. germancharts.com – Modern Trouble – Fly To Moscow
  18. Rust – ein deutscher Messias bei Deutsches Schauspielhaus in Hamburg
  19. Ulrike Cordes: Mathias Rust, deutsche Spießer und der Traum vom Weltfrieden. In: Stern, 22. Oktober 2010.
  20. Christoph Twickel: "Wenn einer gehen soll, dann der Kultursenator!" In: Spiegel Online, 21. Oktober 2010 (Interview mit Rocko Schamoni und Jacques Palminger).
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