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Ernst Schulte-Strathaus

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Ernst Schulte-Strathaus, auch Schulte Strathaus (* 9. Juli 1881 in Bövinghausen; † 10. Februar 1968 in München), war ein deutscher Literatur- und Buchwissenschaftler sowie Antiquar. Von 1935 bis 1941 wirkte er als Amtsleiter für Kunst- und Kulturfragen im Stab von Rudolf Heß.

Leben

Schulte-Strathaus wurde als siebtes von neun Kindern des Bauern Schulte Strathaus auf dem Haackenhof zu Bövinghausen bei Lütgendortmund (Landkreis Dortmund) geboren. Eine höhere Schulbildung erwarb er zwar an Gymnasien in Dortmund und Münster, jedoch verhinderten „missliche wirtschaftliche Verhältnisse nach dem frühen Tod des Vaters“ ein reguläres Universitätsstudium. Bis 1901 erlernte er das Antiquariat im Osnabrücker Betrieb des Verlagshauses Ferdinand Schöningh. Im April 1901 ging er nach München, dessen kulturelle Atmosphäre und Bohème ihn stark beeindruckten. Dort wirkte er zunächst im Süddeutschen Antiquariat des Dr. H. Lüneburg, wo er die Bibliothek des Joseph Görres, die von seinen Nachfahren veräußert worden war, antiquarisch bearbeitete. Im April 1904 wechselte er in das Antiquariat von Isaak und David Halle, das auf Inkunabeln, Frühdrucke, Holzschnitt-Bücher sowie mittelalterliche Text- und Bilderhandschriften spezialisiert war. 1907 war Schulte-Strathaus – zusammen mit Karl Wolfskehl, Carl Georg von Maassen, Hans von Weber, Franz Blei und Emil Hirsch – Gründer der Gesellschaft Münchner Bibliophilen,[1] die im Jahr 1913 allerdings wieder auseinanderfiel. In diesem Zirkel verkehrten ferner Alexander von Bernus, Oskar Piloty, Carl Graf von Klinckowström, Curt von Faber du Faur und Victor Manheimer.[2] Hans von Weber beauftragte ihn in jener Zeit, Bücher seiner Reihe Hundertdrucke zu betreuen. Ein Platz in der Goetheforschung erwarb sich Schulte-Strathaus, als er in seiner Schrift Die Bildnisse Goethes die sogenannten Wachsmuth’schen Vignetten als Teil der Familientafel Goethes identifizierte. Von seinen bibliophilen Interessensgebieten musste sich Schulte-Strathaus notgedrungen abwenden, als er zu Beginn des Ersten Weltkriegs eingezogen wurde und Frontdienst als Kanonier in der 1. Königlich Bayerischen Feldartillerie-Brigade leistete.

Nach dem Krieg rief er mit Horst Stobbe die bibliophile Zeitschrift Die Bücherstube ins Leben. Der 1923 gegründeten Gesellschaft der Münchner Bücherfreunde, der der Buchgestalter Fritz Helmuth Ehmcke vorsaß, gehörte er ebenfalls an. In diesem Kreis trafen sich insbesondere Carl Georg von Maassen, der Maler Rolf von Hoerschelmann, Carl Graf von Klinckowström, Hanns Floerke, Heinrich Ehlers, Gunther Hildebrandt und Willy Wiegand.[3] Im Antiquariat von Isaak und David Halle (Antiquariat Julius Halle) lernte er die Germanistin und Bibliothekswissenschaftlerin Ilse Pröhl kennen, die dort von 1921 bis 1924 arbeitete. Pröhl war schon 1921 der NSDAP beigetreten. 1933 heiratete Schulte-Strathaus Heilwig Seidel, die Tochter der Schriftstellerin Ina Seidel, die es in der Zeit des Nationalsozialismus durch ihr Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler und durch nationalsozialistisch durchwirkte Texte 1944 zu einem Eintrag in die Gottbegnadeten-Liste brachte. Seit 1932 war sie – wohl auch durch Schulte-Strathaus – für den Nationalsozialismus begeistert worden.[4]

Im April/Mai 1934 verschaffte Rudolf Heß, Hitlers Stellvertreter und „Reichsminister ohne Geschäftsbereich“, Schulte-Strathaus eine Stelle als „Sachbearbeiter für Schrifttum und Wissenschaft“ in seinem Stab im Braunen Haus in München.[5][6] Schulte-Strathaus hatte Heß schon vor Jahren durch Ilse Pröhl, die 1927 Heß’ Ehefrau geworden war, kennengelernt. Da das Antiquariat Halle 1933/1934 hatte schließen müssen, kam Schulte-Strathaus dieses Angebot, das ihm Heß durch ein Telefonat bereits Ende 1933 gemacht hatte, sehr recht. Um die Stelle bekleiden zu können, musste er Mitglied der NSDAP werden. Heß sorgte dabei dafür, dass von einer geltenden Aufnahmesperre eine Ausnahme gemacht und er rückwirkend zum 1. Januar 1934 in das Mitgliederverzeichnis der NSDAP eingetragen wurde. Obwohl Schulte-Strathaus in Heß’ Stab als frischgebackener Parteigenosse ein Exot war und dem Reichs- und Stabsleiter Martin Bormann als „katholisch gebunden“ erschien, stieg er 1935 mit dem Titel „Reichsleiter für Kunst- und Kulturfragen“ zum Amtsleiter auf. Zu seinen Funktionen, die sich allerdings teilweise mit den Aufgaben anderer Dienststellen des NS-Staats überschnitten, besonders mit den Tätigkeitsbereichen von Philipp Bouhler, Karl Heinz Hederich und Alfred Rosenberg, gehörte etwa die Ausübung des Vorkaufsrechts für beschlagnahmten jüdischen Kunstbesitz.[7] In diesem Zusammenhang war es sein Anliegen, Werke des von Hitler besonders geschätzten Malers Rudolf von Alt zu beschaffen.[8] Außerdem wirkte er für Heß an verschiedenen Fragen der Schul- und Kulturpolitik mit, etwa indem er im März 1935 den Erziehungsminister Bernhard Rust um eine Ausnahme der Waldorfschulen vom Schüleraufnahme-Verbot für Privatschulen ersuchte.[9] Eine Rolle spielte er auch bei der Einrichtung eines Instituts zur Erforschung der Judenfrage. 1935 vermittelte Schulte-Strathaus über den ihm bekannten Gartenarchitekten Alwin Seifert den Architekten Roderich Fick für den Bau der Reichssiedlung Rudolf Heß in Pullach. Nach deren Fertigstellung bewohnten Ernst und Heilwig Schulte-Strathaus samt ihrer vier Kinder dort am Sonnenweg 16 – in der Nachbarschaft von Bormann und anderen NS-Größen – ab 1937 ein Haus als Dienstwohnung.[10]

Mitten im Zweiten Weltkrieg, am 10. Mai 1941, startete Rudolf Heß mit einem Jagdflugzeug zu einem die Reichsführung überraschenden Flug in den schottischen Landesteil des Kriegsgegners Großbritannien. Dies wertete Hitler, der ihm hierzu keinen Auftrag erteilt hatte, als Verrat bzw. als die Tat eines Geisteskranken. Er ordnete an, dass alle Mitwisser verhaftet werden sollten. In Verdacht der Mitwisserschaft geriet schnell auch Schulte-Strathaus, der Heß durch ein Horoskop vom Januar 1941 den 10. Mai „als einen erfolgsversprechenden Tag für eine Reise im Interesse des Friedens“ benannt hatte. Im März hatte sich Schulte-Strathaus dies noch einmal durch eine Münchener Astrologin bestätigen lassen. Am Morgen des 14. Mai wurde Schulte-Strathaus verhaftet und zum Verhör in die im Wittelsbacher Palais residierende Dienststelle der Gestapo abgeführt. Seine Wohnung und sein Büro wurden nach Beweisgegenständen durchsucht. Im Zuge der Ermittlungen wurde auch die Parapsychologin Gerda Walther verhaftet und zu ihrer Korrespondenz mit Schulte-Strathaus verhört, die bei den Durchsuchungen gefunden worden war. Sie klärte bei dem Verhör, dass sie in ihrer Zeit als Sekretärin des Münchener Arztes und Parapscholgen Albert von Schrenck-Notzing (1927–1929) Schulte-Strathaus als einen „begeisterten Anhänger Schrencks“ erlebt habe.[11] Nach zwei Wochen wurde Schulte-Strathaus mit anderen Verdächtigten in das Gestapo-Gefängnis an der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin überführt und elf Monate in Einzelhaft gehalten. Ina Seidel bemühte sich vergeblich um seine Freilassung, auch ein Besuch wurde der Schwiegermutter nicht gewährt.[12] Danach wurde er in das KZ Sachsenhausen überstellt.[13] Kurz nach seiner Verhaftung waren ihm bereits Amt, Dienstwohnung und Parteimitgliedschaft entzogen worden; wohl mit Rücksicht auf die bei Hitler hoch angesehene Schriftstellerin Ina Seidel durften ihre Tochter und ihre Enkelkinder aber bis Herbst 1942 in dem Haus Sonnenweg 16 der Reichssiedlung in Pullach noch wohnen bleiben.[14] Nach der KZ-Haft, die am 3. März 1943 endete, durfte sich Schulte-Strathaus nicht aus München entfernen. Von April 1943 bis zum Herbst 1945 erhielt er eine Stelle als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ bei der Bayerischen Staatsbibliothek. Im Verlauf des Jahres 1944 büßte die Staatsbibliothek durch Bombenangriffe einen Großteil ihres Bestandes ein. Am 7. Januar 1945 traf auch Schulte-Strathaus’ neue Wohnung in der Münchener Schönfeldstraße ein Luftangriff, wobei rund 1500 Bände seiner privaten Bibliothek untergingen.

Die „Hunger- und Kältejahre“ nach dem Krieg verbrachte er nach eigenen Angaben als „Gemüsegärtner, Holzhacker, Torfstecher, Heizer, Installateur, Sachtauscher“. Dann kamen „lichtere Jahre“, in denen er sich wieder den „Arbeiten angewandter und beratender Buchkunde“ zuwenden konnte. Am 4. Februar 1968 erlitt Schulte-Strathaus bei einem Verkehrsunfall in München schwere Verletzungen, denen er am 10. Februar erlag.[15]

Schriften (Auswahl)

  • Die trunkene mette durch vier deutsche jahrhunderte. 1909 (zusammen mit Karl Wolfskehl)[16]
  • Die Bildnisse Goethes. In: Erstes Supplement zur Propyläen-Ausgabe von Goethes sämtlichen Werken. Georg Müller, München 1910, S. 35 ff.
  • Die Bücher der Hundert. Druck für die Hundert. Hyperion-Verlag, München 1911
  • Blumm und Außbund Allerhandt Außerlesener Weltlicher, Züchtiger Lieder und Reymen. München 1911/1912 (zusammen mit Paul van der Aelst)[17]
  • Bibliographie der Originalausgaben deutscher Dichtungen im Zeitalter Goethes. Georg Müller, München/Leipzig 1913
  • Katalog J. Halle, Antiquariat München. München 1928
  • Die Wittenberger Heiligtumsbücher vom Jahre 1509 mit Holzschnitten von Lucas Cranach. In: Gutenberg-Jahrbuch 1930, S. 175–186
  • Goethes Faust-Fragment 1790. Eine buchkundliche Untersuchung. Schriften der Corona XXVI, München: Verlag R. Oldenburg, Zürich: Verlag der Corona, 1940, zuerst 1932 als Privatdruck unter dem Titel Die echten Ausgaben von Goethes Faust erschienen
  • Kippiana: Freundliche Begegnungen mit Anton Kippenberg in München 1908–1949. Gesellschaft der Bibliophilen (u.a.), München-Solln 1969

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eberhard Köstler: Bücher Bücher Bücher Bücher. Aus der Blütezeit der Münchner Bibliophilie. S. 264, 272. Datei im Portal autographs.de (Online-PDF), abgerufen am 28. Dezember 2014
  2. Friedrich Voit: Karl Wolfskehl. Leben und Werk im Exil. Wallstein Verlag, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-857-4, S. 51 (online bei Google Books)
  3. Eberhard Köstler, S. 282
  4. Im Schrifttum wird der Standpunkt vertreten, dass Seidels nationalsozialistisches Engagement dem Einfluss ihres Schwiegersohns zuzuschreiben sei, der Hitler wiederholt „als einen inspirierten Staatsmann des Friedens“ dargestellt habe. – Vgl.: Christian Ferber: Die Seidels. Geschichte einer bürgerlichen Familie 1811–1977. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1979, S. 251. Zitiert nach: Esther Dür: Ein Denkmal des besten weltweiten Preußentums – Zum 30. Todestag der deutschen Schriftstellerin Ina Seidel am 2. Oktober 2004. In: Der literarische Zaunkönig, Nr. 3/2004 (Online-PDF), abgerufen am 27. Dezember 2014 im Portal erika-mitterer.org (Erika Mitterer)
  5. Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im NS-Staat. Von der „Gleichschaltung“ zum Ruin. S. Fischer Verlag (Fischer e-books), Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-10400-813-4, Kap. 3.3 (online bei Google Books)
  6. Rainer Sieb: Der Zugriff der NSDAP auf die Musik. Zum Aufbau von Organisationsstrukturen für die Musikarbeit in den Gliederungen der Partei. Dissertation Universität Osnabrück, Osnabrück 2007, S. 14 f. (online im Portal d-nb.info), abgerufen am 28. Dezember 2014
  7. Birgit Schwarz: Geniewahn: Hitler und die Kunst. Böhlau Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-205-78307-7, S. 227 (online bei Google Books)
  8. Ilse von zur Mühlen: Von der Gegenwart eingeholt, doch nicht vergebens. In: AKMB-news, 19. Jahrgang, 2/2013, S. 58
  9. Peter Staudenmaier: Der deutsche Geist am Scheideweg: Anthroposophen in Auseinandersetzung mit völkischer Bewegung und Nationalsozialismus. In: Uwe Puschner, Clemens Vollnhals (Hrsg.): Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungs- und Konfliktgeschichte. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, ISBN 978-3-525-36996-8, S. 482 (online bei Google Books)
  10. Susanne Meinl, Bodo Hechelhammer: Geheimobjekt Pullach. Christoph Links Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86153-792-2, S. 28 ff. (online bei Google Books)
  11. Gerda Walther: Zum anderen Ufer. Vom Marxismus und Atheismus zum Christentum. Reichl Verlag, St. Goar 1960, ISBN 978-3-87667-606-7, S. 473 f., 591 (online bei Google Books)
  12. Jan-Pieter Barbian: „Lange halte es ich ja nicht aus ohne Deutschland“. Die Korrespondenz zwischen Annemarie und Ina Seidel in den Jahren 1933 bis 1947. In: Monika Estermann, Ernst Fischer, Ute Schneider (Hrsg.): Buch-Kulturen. Festschrift für Reinhard Wittmann. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-477-05260-0, S. 368 (online bei Google Books)
  13. Susanne Meinl, Bodo Hechelhammer, S. 55 ff.
  14. Susanne Meinl, Bodo Hechelhammer, S. 57
  15. Nachruf in Das Antiquariat, Verlag W. Krieg, Band 18/1968, S. 64
  16. Karl Wolfskehl: „Jüdisch, römisch, deutsch zugleich …“. Briefwechsel aus Italien 1933–1938. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg 1993, ISBN 3-630-80014-9, S. 311 (online bei Google Books)
  17. Suchergebnis Ernst Schulte-Strathaus im Portal digital-collections.de, abgerufen am 28. Dezember 2014
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