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Alger Hiss

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Alger Hiss

Alger Hiss (geb. 11. November 1904 in Baltimore, Maryland; gest. 15. November 1996 in New York City) war ein amerikanischer Rechtsanwalt und Regierungsbeamter, den man nach dem Zweiten Weltkrieg der Spionage bezichtigte. Wegen der Verjährung konnte man ihn nur wegen Meineids anklagen und eine Jury sprach ihn schuldig. Ein Bundesgericht verurteilte ihn zu fünf Jahren Gefängnis, von denen er drei absaß. Zwei Jahrzehnte später gelang es ihm, seine Anwaltslizenz zurückzuerhalten, doch seine lebenslangen Versuche, eine Rücknahme der Verurteilung und damit eine Wiederherstellung seines guten Rufs zu erreichen, blieben erfolglos.

Jugend und frühe Karriere

Hiss wurde in Baltimore geboren. Er besuchte die vornehme Baltimore City College High School und ging danach an eine Elite-Universität, die Johns Hopkins University. Nach seinem Bachelor-Abschluss studierte er Jura an der Harvard University, wo er Protegé von Felix Frankfurter war, einem späteren Richter am United States Supreme Court. Gleich nach dem Studium arbeitete Hiss ein Jahr als Assistent von Bundesrichter Oliver Wendell Holmes, Jr., einem der angesehensten Juristen in den Vereinigten Staaten. 1933 nahm Hiss eine Stelle als Berater und Rechtsanwalt für den Stab des New-Deal-Reformprogrammes von Präsident Franklin D. Roosevelt an. Er beschäftigte sich zuerst mit der Agrarreform (mit der Agricultural Adjustment Administration, die die Farmer unterstützen sollte) sowie mit dem Nye-Ausschuss. Diese Gruppe ermittelte gegen verschiedene Rüstungshersteller wegen verbotener Preisabsprachen im Ersten Weltkrieg. Am Anfang seines Dienstes war Hiss auch im Justizministerium tätig.

1936 begann Hiss beim State Department zu arbeiten, wo er bald Assistent von Francis Bowes Sayre, einem Schwiegersohn des verstorbenen Präsidenten Woodrow Wilson wurde. Hiss erhielt verschiedene Aufgaben unter Edward Stettinius, dem späteren Außenminister der Vereinigten Staaten.

1944 arbeitete Hiss in einer neuen Abteilung des Außenministeriums, dem „Director of the Office of Special Political Affairs” (Direktor der Abteilung für politische Sonderangelegenheiten). Diese Abteilung war für die internationale Planung und Organisation nach Kriegsende verantwortlich. Später wurde er deren Direktor und war deshalb Mitglied des Stabs der Konferenz in Dumbarton Oaks, wo die ersten Pläne für die künftigen Vereinten Nationen entworfen wurden.

1945 begleitete Hiss Präsident Roosevelt zur Jalta-Konferenz. Er war an der Verhandlung über die Einzelheiten zur Schaffung der UN beteiligt. Zu diesem Zeitpunkt lehnte Hiss Stalins Forderung nach 16 Stimmen (für jede sowjetische Unionsrepublik eine) bei der Generalversammlung ab. Schließlich stimmte die Sowjetunion dem Kompromiss zu, nur zwei zusätzliche Plätze zu erhalten. Anschließend reiste Hiss mit dem neuen Außenminister Edward Stettinius nach Moskau. Bei der ersten Versammlung der UNO-Delegierten in San Francisco am 26. Juni 1945 war er provisorischer UN-Generalsekretär. Danach ernannte man ihn zum Direktor der Abteilung für politische Sonderangelegenheiten.

1946 enthüllte eine Sicherheitsermittlung, dass Hiss bestimmte Geheimberichte erhalten hatte, die ihm nicht zustanden. Die Berichte befassten sich mit Atomtechnik, der amerikanischen Außenpolitik gegenüber China und mit dem militärischen Nachrichtendienst. Kurz danach kündigte Hiss. Er informierte den Außenminister, dass er den öffentlichen Dienst verlassen werde, um Präsident der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden zu werden.

Der Fall Alger Hiss

Die Vorwürfe

Whittaker Chambers, einer der Redakteure des TIME-Magazins und ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei der Vereinigten Staaten (KPUSA), sagte am 3. August 1948 vor dem Komitees für unamerikanische Umtriebe (House Un-American Activities Committee, HUAC) aus, dass Hiss ein Spion für die Sowjetunion gewesen sei. Er selbst sei bis 1937 Kommunist gewesen und habe die Sowjetunion unterstützt, wenngleich nie Spionage betrieben. Hiss habe Dokumente einem Oberst der NKWD ausgehändigt. Er, Chambers, sei mit Hiss und dessen Ehefrau Priscilla gut befreundet. Als Beweis dafür zitierte Chambers mehrere persönliche Einzelheiten über Hiss und Priscilla, z. B. ihre Kosenamen. Hiss besitze angeblich eine Woodstock-Schreibmaschine, auf der er den Inhalt der Geheimdokumente getippt habe. Ähnliche Behauptungen hatte Chambers bereits vorher aufgestellt, doch jetzt fanden sie politisches Interesse: Bei den bevorstehenden Wahlen hatten die Republikaner das erste Mal seit 1933 eine Chance, den Präsidenten zu stellen. In der beginnenden McCarthy-Ära bemühten sie sich daher intensiv, den Demokraten nachsagen zu können, „weich gegenüber dem Kommunismus“ gewesen zu sein und Verräter und Spione in ihren Reihen zu haben.[1] Insbesondere der ehrgeizige Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses Richard Nixon tat sich dabei im HUAC hervor. Dabei wurde er insgeheim auch vom FBI unterstützt, das ihm Informationen zu Hiss konspirativ über den katholischen Priester John Francis Cronin zukommen ließ.

Hiss reagiert

Obwohl seine Freunde ihm davon abrieten, erschien Hiss freiwillig vor dem Ausschuss. Er leugnete, je Kommunist gewesen und Chambers je gekannt zu haben. Letzteres erwies sich als falsch, doch konnte Hiss nachweisen, dass Chambers in den 1930er Jahren Pseudonyme benutzt hatte und Hiss seinen wahren Namen erst 1948 kennen gelernt hatte.[2] Nachdem Chambers im Radio verkündet hatte, dass Hiss Geheimagent der UdSSR sei, klagte Hiss ihn wegen Rufmord und Verleumdung an. Daraufhin veröffentlichte Chambers die so genannten „Baltimore Dokumente”, Kopien staatlicher Dokumente, die Chambers angeblich in den 1930er Jahren von Hiss bekommen hatte. Laut Chambers′ Aussage habe Priscilla Hiss die Dokumente abgetippt, danach habe Hiss selber die Kopien fotografiert und die Negative dem sowjetischen Spionagenetz geliefert. Zwei Wochen später führte Chambers Ermittler des HUAC auf seine Farm in Maryland und übergab ihnen fünf Filmrollen, die er in einem ausgehöhlten Kürbis versteckt hatte. Die abgefilmten Dokumente wurden als die „Pumpkin Papers” (Kürbispapiere) bekannt. Sie würden beweisen, dass Hiss in eine Spionageverschwörung verwickelt gewesen sei. Damit widersprach Chambers den Aussagen, die er früher unter Eid gemacht hatte, selbst von Spionagefällen gewusst zu haben. Nachdem Nixon selbst am 14. Dezember 1948 vor einer Grand Jury ausgesagt hatte, verzichtete man darauf, Chambers wegen Meineids zu belangen.[3]

Der Meineidsprozess

Hiss konnte nicht wegen Spionage angeklagt werden, da die Vorwürfe bereits verjährt waren. da er aber vor dem HUAC unter Eid bestritten hatte, ein Spion gewesen zu sein, klagte man ihn wegen Meineids an. Der erste Prozess, der vom 31. Mai bis zum 7. Juli 1949 dauerte, führte zu keiner Verurteilung, da die Jury nicht zu einem einstimmigen Urteil kam: Acht Geschworene glaubten an seine Schuld, vier waren nicht überzeugt. Hiss hatte etliche Entlastungszeugen aufgeboten: den demokratischen Gouverneur von Illinois Adlai Ewing Stevenson, Richter Felix Frankfurter und den ehemaligen Präsidentenkandidaten und angesehenen Rechtsanwalt John W. Davis. Chambers gestand, dass er zehn Jahre lang regelmäßig und konsequent gelogen hatte, manchmal unter Eid, als er Hiss der Spionage bezichtigt hatte. Der zweite Prozess dauerte vom 17. November 1949 bis zum 21. Januar 1950. Ein Agent des FBI sagte unter Eid aus, dass die Baltimore-Dokumente eindeutig mit Hiss‘Schreibmaschine getippt worden seien: Eine Fälschung sei technisch unmöglich. Die Geschworen brauchten weniger als 24 Stunden Beratung für ihren Schuldspruch.

Die Berufungsinstanz und der Bundesgerichtshof bestätigten den Schuldspruch. Am 25. Januar 1950 verurteilte man Hiss rechtskräftig zu fünf Jahren Gefängnis, von denen er 44 Monate absaß.

Nach der Haft

Im November 1954 wurde Hiss aus der Haft entlassen, seine berufliche Existenz war aber ruiniert. Die Anwaltsbehörde von Massachusetts widerrief Hiss’ Zulassung als Anwalt. Daher verdiente er seinen Lebensunterhalt in der Folge als Vertreter einer Schreibwarenfirma. Solange er lebte, beteuerte Hiss seine Unschuld. Er unterbreitete 1978 ein Coram-Nobis-Bittgesuch. Er behauptete, er habe wissenschaftliche Nachweise dafür, dass die Schreibmaschinenbeweise gefälscht waren. Hiss erhielt 1975 seine Zulassung als Anwalt zurück. Er strebte weiterhin eine vollständige Rehabilitation an, doch das Oberste Gericht lehnte die Annullierung des Schuldspruchs ab. Hiss verbrachte seine letzten Lebensjahre in Greenwich Village, New York. Sein Sohn Tony unterstützte ihn bei seinen fortdauernden Bemühungen, seine Unschuld zu beweisen. 1989 brachte er seine Memoiren heraus, in denen er erneut seine Unschuld beteuerte.[4]

Kontroverse

Unregelmäßigkeiten

Später behauptete John Dean, Richard Nixons Rechtsanwalt und Berater im Weißen Haus, dass Nixon einem anderen Berater, Charles Colson, die „Wahrheit” mitgeteilt habe: „Die Schreibmaschinen sind’s. Beim Hiss-Fall haben wir eine hergestellt”. Colson bestritt, eine solches Gespräch geführt zu haben, und die berühmten ausführlichen Tonbänder von Nixon bewiesen nichts. Deshalb lehnte ein Gericht Hiss’ Antrag auf Wiederaufnahme ab.

1975 verklagte Hiss die US-Regierung nach dem Freedom of Information Act (FOIA) auf Herausgabe bestimmter Informationen. Der Prozess bewies die folgenden Punkte :

  • Fälschungen von Schreibmaschinen waren tatsächlich möglich, der FBI-Agent hatte mit seiner gegenteiligen Aussagen einen Meineid geleistet.
  • Das FBI wusste, dass die als Beweisstück unterbreitete Schreibmaschine nicht Hiss gehört haben konnte; trotzdem hielt man diese Informationen gegenüber Hiss zurück;
  • Das FBI hatte einen Informanten in Hiss‘ Team: Horace W. Schmahl, einen von Hiss angestellten Privatdetektiv. Schmahl hatte die Regierung über Hiss’ Verteidigungsstrategie informiert.
  • Prozessrelevante Informationen, etwa die Tatsache, dass das FBI von Chambers’ Homosexualität gewusst und dass es Hiss intensiv nachrichtendienstlich beobachtet hatte, waren vor Hiss und seinem Verteidiger geheim gehalten worden.[5]

Es stellte sich auch heraus, dass die „Kürbispapiere”, nämlich die fünf Mikrofilme keine nachrichtendienstlich relevanten Informationen enthielten. Nixon hatte sie als Beweis für eine „Reihe der schwerwiegendsten Aktivitäten des Geheimnisverrats … in der Geschichte Amerikas” bezeichnet. Jetzt stellte sich heraus, dass eine Rolle leer war; die anderen enthielten öffentlich verfügbare Informationen über Feuerlöscher und Rettungsflöße, die jedermann problemlos hätte bekommen können. Chambers starb 1961 an einem Herzinfarkt, ohne seine Anschuldigungen zurückgenommen zu haben.

Hinweise aus den sowjetischen Archiven

1992 erklärte der ehemalige sowjetische General und Stalin-Autor Dmitri Wolkogonow, den Hiss um Hilfe gebeten hatte, dass die sowjetischen Archive keinen Beweis gegen Hiss enthielten. Daraufhin fühlte Hiss sich endlich bestätigt. Allerdings räumte Wolkogonow ein, dass er nur zwei Tage mit der Suche verbracht und den KGB-Archivaren vertraut habe. Wenn Hiss ein Spion gewesen wäre, so hätte das aber in dem von ihm eingesehenen Material Spuren hinterlassen müssen.

1995 veröffentlichte die amerikanische Regierung die Papiere des „VENONA-Projektes”, dechiffrierte Botschaften der russischen Nachrichtendienste aus dem 1940er Jahren. Die Dokumente erwähnen einen sowjetischen Spion mit dem Kodexnamen „Alex”, der das US-Außenministerium infiltriert hatte. Die biografischen Einzelheiten passten zu Hiss. 1996 veröffentlichte die NSA Telegramme zwischen der Moskauer Zentrale und ihren Agenten in den Vereinigten Staaten, die sie abgefangen und decodiert hatten. Darin wird ein Agent namens „Ales” erwähnt, von dem die NSA behauptete, er wäre Hiss. Einen Beweis hatte sie nicht.[6] 1996 bestritt der Generalleutnant Witali Pawlow, der in den 1930er und 1940er Jahren die sowjetische Auslandsspionage gegen die USA geleitet hatte, in seinen Memoiren, dass Hiss für die Sowjetunion spionierte.[7] Der Fall Hiss ist bis heute umstritten.

Einzelnachweise

  1. Jeff Kisseloff: Hiss, Alger. In: Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia. ABC Clio, Santa Barbara, Denver und London 2003, Bd. 1, S. 313.
  2. Jeff Kisseloff: Hiss, Alger. In: Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia. ABC Clio, Santa Barbara, Denver und London 2003, Bd. 1, S. 314.
  3. Jeff Kisseloff: Hiss, Alger. In: Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia. ABC Clio, Santa Barbara, Denver und London 2003, Bd. 1, S. 314.
  4. Alger Hiss: Recollections of a Life. Little Brown, London 1989.
  5. Jeff Kisseloff: Hiss, Alger. In: Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia. ABC Clio, Santa Barbara, Denver und London 2003, Bd. 1, S. 316.
  6. Jeff Kisseloff: Hiss, Alger. In: Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia. ABC Clio, Santa Barbara, Denver und London 2003, Bd. 1, S. 316.
  7. Witali Gregorijewitsch Pawlow: Операция «Снег». Moskau 1996.

Literatur

  • The Alger Hiss Research and Publication Project: The Alger Hiss Story: Search for the Truth.
  • James Thomas Gay: The Alger Hiss Spy Case. American History (May-June 1998)
  • Jeff Kisseloff: Hiss, Alger. In: Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia. ABC Clio, Santa Barbara, Denver und London 2003, Bd. 1, S. 313–317.
  • Eduard Mark: Who Was „Venona“s’ „Ales?“ Cryptanalysis and the Hiss Case. Intelligence and National Security 18, no. 3 (Autumn 2003).
  • Allen Weinstein und Alexander Vassiliev: The Haunted Wood: Soviet Espionage in America – the Stalin Era. Random House, New York 1999).
  • Allen Weinstein: Perjury: The Hiss-Chambers Case. Random House, 1997, ISBN 0394495462 (pro Hiss).
  • Alexander Vassiliev: Notes on Anatoly Gorsky’s December 1948 Memo on Compromised American Sources and Networks. (Annotated) www.johnearlhaynes.org.

Weblinks

 Commons: Alger Hiss – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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