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Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew

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Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew

Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew (russisch Николай Александрович Бердяев, wiss. Transliteration Nikolaj Aleksandrovič Berdjaev; geb. 6. Märzjul./ 18. März 1874greg. in Obuchowo, Gouvernement Kiew, Russisches Kaiserreich; gest. 23. März 1948 in Clamart im Département Hauts-de-Seine bei Paris) war ein russischer Philosoph.

Leben

Berdjajew entstammte einer russischen Adelsfamilie und wurde in einer Kadettenanstalt erzogen, bevor er an der Universität Kiew studierte.

Schon früh wandte sich Berdjajew gegen die Werte der Adelsgesellschaft und wurde Marxist. 1898 führten seine revolutionären Aktivitäten zu einer dreijährigen Verbannung in das Gouvernement Wologda. Nach seiner Rückkehr war er als freier Publizist tätig und arbeitete bei einer marxistischen Zeitschrift mit; allmählich vollzog sich nun jedoch Berdjajews Abwendung vom Marxismus und seine Hinwendung zum Neukantianismus. Inspiriert vor allem von dem Religionsphilosophen Wladimir Solowjow, strebte er eine Vereinigung von Marxismus und russisch-orthodoxem Christentum an. 1919 gründete er die „Moskauer Freie Akademie für Geisteskultur“. Seine kritische Haltung gegenüber der sowjetischen Ideologie führte 1922 zu seiner Ausweisung; Berdjajew ging ins Exil nach Berlin, wo er eine „Religionsphilosophische Akademie“ gründete. Dort traf er Max Scheler, Oswald Spengler und Paul Tillich. Mit ihnen entwickelte sich eine lebenslange Verbindung, die unter anderem durch Briefwechsel aufrechterhalten wurde. Insbesondere mit Tillich verband ihn eine ähnliche Einstellung bezüglich „der Kritik des Positivismus, Technizismus, Rationalismus, der Bürgerlichkeit sowie der Zivilisation insgesamt“. Zwei Jahre später zog er weiter nach Paris, gründete dort wiederum eine Akademie, gab die religionsphilosophische Zeitschrift Der Weg heraus und stand in Verbindung mit der renouveau catholique[1], u.a. mit Peter Wust[2].

„Das neue Mittelalter“ (1927)

Nach seinem Weggang aus Deutschland setzte eine lebhafte Auseinandersetzung mit seinen Werken ein, sowohl unter protestantischen als auch katholischen Theologen und Publizisten (z.B. Ernst Michel). Veröffentlichungen Berdjajews finden sich u.a. in der Zeitschrift Hochland Carl Muths. Werke wie Das neue Mittelalter oder Der Sinn der Geschichte stießen bei Hans Scholl und anderen Mitgliedern der Weißen Rose auf Resonanz.[3]

Von 1929 bis 1934 war Berdjajew Mitherausgeber der Zeitschrift „Orient und Occident“.

Im Dritten Reich wurden Berdjajews Werke aufgrund seiner „probolschewistischen“ Einstellung verboten.

Philosophie

Die Grundkonstellation in Berdjajews Philosophie ist die Gegenüberstellung von Geist und Natur und die Orientierung des Menschen innerhalb dieses Rahmens: Der Mensch habe die Wahl zwischen der „Objektivation“, das heißt, zwischen der Verfallenheit an die materielle Welt und der Geistigkeit und „Gottmenschlichkeit“. Mit dem Reich des Geistes wesentlich verknüpft sei die Freiheit – Berdjajew stellt sie mit Jakob Böhme über das Sein, als „ungeschaffene Freiheit“, die im Nichts gründet. Hier wird die Nähe zur existenzialistischen Philosophie offenkundig; zu Recht hat man Berdjajew als einen christlichen Existenzialisten bezeichnet. Die von ihm angestrebte geistige Wiedergeburt des Menschen sollte nicht nur den Einzelnen betreffen, sondern auch zu einer sozialen Umgestaltung der Gesellschaft führen. In Frankreich hatte er Kontakt zu Emmanuel Mounier und dem Kreis der Personalisten.

Rezeption

Die Rezeption Berdjajews unterschied sich maßgeblich nach der jeweiligen religiösen Ausrichtung der Rezipierenden. Aufgrund der antikommunistischen Bestrebungen der katholischen Kirche in den 1920er und 1930er Jahren versuchte man, hier Gemeinsamkeiten mit emigrierten orthodoxen Theologen zu finden. So wurden unter anderem die gemeinsamen altkirchlichen Wurzeln gewürdigt. Berdjajews Kirchenauffassung wurde allerdings von katholischer Seite kritisiert, weil Berdjajew eine autokephale Kirchenorganisation, das heißt, eine Organisation von verschiedenen Kirchen mit eigenen Oberhäuptern, bevorzugte, wie sie für die orthodoxen Kirchen kennzeichnend ist. Die Rezeption durch protestantische Theologen war geprägt von dem Widerspruch zwischen Gemeinsamkeiten und Unterschieden. So wurde Berdjajews Vorhersage einer neuen, von stärkerer Religiosität geprägten Epoche von Protestanten positiv aufgenommen, seine sakramentalphilosophische Haltung lehnten andere allerdings ab.

In einem erst nach seinem Tod in einem kirchlichen Periodikum veröffentlichten Artikel wurde deutlich, wie sehr Berdjajew sich der Orthodoxie verbunden sah. Die Redaktion würdigte ihn als „treuen Sohn der orthodoxen Kirche“ und „Freigeist in seinen philosophischen Werken“.[4]

Werke

  • Die Philosophie der Freiheit, 1911
  • Der Sinn des Schaffens. Versuch einer Rechtfertigung des Menschen, 1916 (dt. 1927)
  • Die Philosophie der Ungleichheiten, 1918
  • Der Sinn der Geschichte. Versuch einer Philosophie des Menschengeschickes, 1923 (dt. 1925)
  • Das neue Mittelalter. Betrachtungen über das Schicksal Russlands und Europas, 1924 (dt. 1927)
  • Die Weltanschauung Dostojewskijs, dt. 1925
  • Die Philosophie des freien Geistes. Problematik und Apologie des Christentums, 1927 (dt. 1930)
  • Das Schicksal des Menschen in unserer Zeit, 1931 (dt. 1935)
  • Wahrheit und Lüge des Kommunismus, dt. 1934
  • Die Gefährdung des Christentums durch Rassenwahn und Judenverfolgung, dt. 1935
  • Christentum und Klassenkampf, dt. 1936
  • Die russische religiöse Idee, Darmstadt 1936 (herausgegeben von Paul Tillich)
  • Von der Würde des Christentums und der Unwürde der Christen', dt. 1936
  • Die menschliche Persönlichkeit und die überpersönlichen Werte, dt. 1937
  • Der Mensch und die Technik, dt. 1943
  • Geist und Wirklichkeit, dt. 1949
  • Selbsterkenntnis. Versuch einer philosophischen Autobiographie, 1949 (dt. 1953)
  • Das Ich und die Welt der Objekte. Versuch einer Philosophie der Einsamkeit und der Gemeinschaft, dt. 1951
  • Existentielle Dialektik des Göttlichen und Menschlichen, 1951 (russ. 1952)
  • Das Reich des Geistes und das Reich des Caesar, dt. 1952
  • Von des Menschen Knechtschaft und Freiheit. Versuch einer personalistischen Philosophie, dt. 1954.

Literatur

  • Wolfgang Nastali: Geschichte, Christentum und Freiheit bei Berdjajew. In: Wiener Jahrbuch für Philosophie 1993.
  • Stefan G. Reichelt: Nikolaj A. Berdjaev in Deutschland 1920–1950. Eine rezeptionshistorische Studie. Universitätsverlag, Leipzig 1999. (273 S.), ISBN 978-3-933240-88-0.
  • Köpcke-Duttler, Arnold : Nikolai Berdiajew : seine Philosophie und sein Beitrag zu einer personalistischen Pädagogik. Haag & Herchen, Frankfurt/Main 1981 (260 S.), ISBN 3-88129-389-2.
  • Devčić, Ivan : Der Personalismus bei Nikolaj A. Berdjajew : Versuch einer Philosophie des Konkreten. Pontificia Universita Gregoriana, Rom 1981 (108 S.).
  • Klein, Paul : Die „kreative Freiheit“ nach Nikolaj Berdjajew : Zeichen der Hoffnung in einer gefallenen Welt. Pustet, Regensburg 1976 (269 S.), ISBN 3-7917-0444-3 (Studien zur Geschichte der katholischen Moraltheologie; Band 21).
  • Rössler, Roman : Das Weltbild Nikolai Berdjajews : Existenz und Objektivation. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1956 (179 S.) (Forschungen zur systematischen Theologie und Religionswissenschaft; Band 2).

Einführungen

Weblinks

 Commons: Nikolai Berdyaev – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Regula M. Zwahlen: Das revolutionäre Ebenbild Gottes. Anthropologien der Menschenwürde bei Nikolaj A. Berdjaev und Sergej N. Bulgakov, Bd. 5, 2010, ISBN 978-3-643-80067-1, S. 87.
  2. Klaus Bambauer: N. Berdjajew and the German Philosopher Peter Wust
  3. Sönke Zankel: Mit Flugblättern gegen Hitler: Der Widerstandskreis um Hans Scholl und Alexander Schmorell, Köln 2007, S. 236-240.
  4. Nikolai A. Berdjajew: Die Wahrheit der Orthodoxie, Vestnik des Exarchats der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa, 1952. (englisch, russisch)
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