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Brief des Paulus an die Kolosser

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Der Brief des Paulus an die Kolosser (lat. Pauli epistula ad Colossenses) ist ein Buch des Neuen Testaments der christlichen Bibel. Er wird seit dem Mittelalter in vier Kapitel unterteilt.

Verfasser, Sprachstil, Datierung

In Kol 1,1 EU stellt sich Paulus gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Timotheus als Verfasser vor. Unterstrichen wird der Anspruch durch den eigenhändigen Gruß (Kol 4,18 ELB): „Der Gruß mit meiner, des Paulus, Hand. Gedenkt meiner Fesseln! Die Gnade sei mit euch!“ Eduard Schweizer sah Timotheus als Sekretär des gefangenen Apostels an („Sekretärshypothese“), womit er die stilistischen Eigenheiten erklärte.

Der Brief zeigt sowohl Übereinstimmungen als auch Besonderheiten gegenüber den eindeutig Paulus zugeschriebenen Briefen. Bestreiter seiner Verfasserschaft weisen besonders auf 37 sogenannte Hapaxlegomena hin, also Begriffe, die nur einmal im Neuen Testament auftauchen (wenn auch zum Teil in dem dem Verfasser vorgegebenem Textmaterial). Dieses Argument wird von manchen als nicht zwingend zurückgewiesen, weil es genauso auf den allgemein anerkannten Römerbrief zutrifft.[1] Es fehlen für Paulus sonst typische Formulierungen, während sich für ihn untypische Genitivverbindungen häufen; zudem wurde auf assoziative Gedankenführung aufmerksam gemacht. Dies liesse sich durch die Mitwirkung des Timotheus bzw. die Abfassung durch ihn erklären. Denn in der Struktur und der Theologie bestehen weitläufige Übereinstimmungen, die zumindest auf gute Kenntnis der paulinischen Theologie bzw. einen engen Paulusschüler schließen lassen. Die Vertreter der paulinischen Verfasserschaft beziehen die Besonderheiten auf eine Fronststellung gegenüber einer Häresie in der Gemeinde in Kolossä; diese Konstellation habe eine andere Formulierung seiner Theologie erfordert (Werner Georg Kümmel). "Der wohl überzeugendste Beweis für die Echtheit ist die enge Verbindung zum Philemonbrief, dessen Echtheit niemand anzweifelt" (William MacDonald).[2]

Dennoch wurde in der neueren kontinentaleuropäischen Forschung der Kolosserbrief vielfach als pseudepigraphische Schrift angesehen mit Timotheus oder einem anderen Paulusschüler als Verfasser. Der Brief wird dann zu den deuteropaulinischen Briefen gezählt, aber mit großer Nähe zu Paulus, geschrieben etwa um 70 n. Chr.[3] Viele halten an der Verfasserschaft des Paulus fest und datieren auf 53-56 n.Chr.[4] oder auf etwa 58-60 n.Chr.[5][6][7]

Empfänger

Empfänger ist die Gemeinde in Kolossai, die Paulus aber persönlich nicht kennt (2,1 EU). Kolossai war eine Kleinstadt 170 km östlich von Ephesus mit einer bedeutenden jüdischen Minderheit.
Kolossai wurde 60/61 n. Chr. von einem Erdbeben zerstört. Tacitus nennt nur das benachbarte Laodikeia:

„In demselben Jahre wurde eine bedeutende Stadt Kleinasiens, Laodicea, durch ein Erdbeben zerstört. Doch half sie sich ohne irgenwelche Beihilfe unsererseits nur durch eigene Kraft wieder auf.“[8]

Daraus ergibt sich eine Schwierigkeit für diejenigen, welche die paulinische Verfasserschaft bezweifeln und den Brief nach 60 n. Chr. datieren. Erweiterte diese „Ortlosigkeit“ (angesichts der nicht mehr existierenden Empfänger-Stadt) den Wirkungsbereich des Kolosserbriefes auf das kleinasiatische Missionsgebiet des Paulus? Der Verfasser verweist seine Empfänger an die Gemeinde in Laodicea und ordnet einen wechselseitigen Austausch der Briefe an (Kol 4,16 EU). Der Brief an Laodicea ist jedoch nicht überliefert. Aber vielleicht bedeutete das Erdbeben nicht das gänzliche Ende dieser Stadt - so Ulrich Luz:

„Die Stadt hat aber damit nicht aufgehört zu existieren, auch wenn sie in späterer Zeit nicht mehr literarisch bezeugt ist und auch wenn aus der Zeit nach 61 nur noch verhältnismäßig wenige Münzen und Inschriften gefunden worden sind.“[9]

Zweck

Wahrscheinlich wurden die frühchristlichen Gemeinden Kleinasiens durch esoterische Irrlehren bedroht, vor denen nun Paulus die Christen in Kolossä warnt (2,4-9 EU). Diese Irrlehrer verkündeten wohl die Verehrung von Engelsmächten (2,18 EU) und minderten durch ihre Lehre die Bedeutung von Jesus als Heilsbringer (2,19 EU). Den asketischen Reinheitsforderungen der Häretiker hält der Autor die volle Anteilhabe an der „Fülle der Gottheit“ in Jesus Christus durch die Taufe entgegen.

Bedeutende theologische Positionen

Christologie

Die Christologie des Kolosserbriefes hebt sich durch ihre kosmologische Interpretation von den übrigen Briefen ab. Das Heilswerk Christi hat hier Bedeutung für den gesamten Kosmos. In Kol 1,15-20 EU zitiert der Verfasser einen Christushymnus, der die Grundlage seines Christusverständnisses bildet und in zwei Strophen gegliedert ist. Die erste Strophe (Verse 15-16) hat die Schöpfung zum Thema. Dann folgt ein Zwischenstück (Verse 17-18a), das die Hauptaussage des Hymnus trägt, nämlich dass Christus „vor allem“ ist, und „alles durch ihn besteht“. Darauf folgt die dritte Strophe (Verse 18b-20), die die Erlösung zum Thema hat.

„15 Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. 16 Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. 17 Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand. 18 Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. 19 Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. 20 Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.“

Entsprechend bestimmt der Brief das Verhältnis nicht nur zwischen Christus und der Kirche, sondern dem ganzen Kosmos wie das eines Hauptes zum Leib (Vielhauer).[10] Er ist als der Schöpfungsmittler das Haupt aller Mächte (Kol 2,10 EU), triumphiert über die kosmischen Gewalten (Kol 2,15 EU), weist den Mächten ihre Bedeutung zu und gibt der Gemeinde an dieser seiner Herrschaft Anteil, in dem er sie mit Gott versöhnt (Kol 1,22 EU), ihren Schuldbrief tilgt (Kol 2,14 EU) und der Heidenwelt seine Herrschaft verkündigen lässt (Kol 1,27 EU). Christus als Schöpfungsmittler und als Welterlöser ist in den Paulusbriefen durchaus ein Nebenmotiv, taucht hier aber als ausgeführte christologische Basis auf.

Eschatologie und Taufverständnis

Der Kolosserbrief bietet eine kosmologisch orientierte Gegenwartseschatologie. Die Christen sind durch die Taufe bereits mit Christus gestorben und auferstanden; andere Mächte können nicht mehr über sie herrschen (Kol 2,12-13 EU). Die Christen sind darum aufgerufen, sich nicht an den durch die Mächte negativ qualifizierten Bereich („nach unten“), sondern „nach oben hin“ zu Christus auszurichten. Der für Paulus sonst typische „eschatologische Vorbehalt“ eines „schon jetzt - noch nicht“ (Röm 6,3f. EU) ist hier zugunsten einer vollen Anteilnahme der Glaubenden am Tod und an der Auferstehung Christi aufgelöst.

Ekklesiologie

Gemeinsam mit 1 Kor 12 EU und Röm 12 EU ist die Kirche im Kolosserbrief der Leib Christi (griechisch σῶμα Χριστοῦ); allerdings ist Christus selbst nicht der Leib, sondern das Haupt des Leibes, so wie er auch das Haupt des Kosmos ist. Die Kirche ist der „von Jesus Christus ermöglichte und durchwaltete universale Heilsraum“ (Schnelle mit Kol 1,18.24; 2.17.19; 3,5)[11], dessen Glieder auf mystische Weise in die Auferstehung, aber - so sagt es der Verfasser von sich selbst - auch in das noch unvollendete Leiden Christi mit hineingenommen sind (Kol 1,24 EU). Dieser der paulinischen Kreuzestheologie widersprechende Gedanke wird oftmals als Indiz gegen eine paulinische Verfasserschaft gewertet.

Inhalt

  • Briefanfang
    • Präskript (Kol 1,1-2 EU)
    • Danksagung und Fürbitte (Kol 1,3-14 EU)
  • Briefkorpus
    • Der Christushymnus (Kol 1,15-20 EU)
    • Anwendung auf die Gemeinde (Kol 1,21-23 EU)
    • Das Amt des Apostels (Kol 1,24-2,5 EU)
    • Auseinandersetzung mit Irrlehrern (Kol 2,6-23 EU)
    • Das rechte Leben der Christen: Ermahnungen zur Gestaltung der Beziehungen von Männern und Frauen, Eltern und Kindern, Sklaven und Herren (3,18-23 EU)
    • Allgemeine Mahnungen (4,2-6 EU)
  • Briefschluss
    • Apostolische Parusie (Kol 4,7-9 EU)
    • Grüße (Kol 4,10-17 EU)
    • Eigenhändiger Briefschluss (Kol 4,18 EU)

Siehe auch

Literatur

  • Ernst Lohmeyer: Die Briefe an die Kolosser und an Philemon (Kritisch-exegetischer Kommentar über das neue Testament, 9. Abteilung/2). Göttingen 121961, S. 1-170.
  • Philipp Vielhauer: Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Värer. Verlag Walter de Gruyter, Berlin / New York 21978, S. 191-203.
  • Udo Schnelle: Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 21996, S. 328-348.
  • Lukas Bormann: Der Brief des Paulus an die Kolosser (Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 10/I), Leipzig 2012.

Einzelnachweise

  1. So etwa L. Berkhof, Introduction, S. 115: "the argument derived from the ἅπαξ λεγόμενα is irrelevant and would apply with equal force in the case of the Epistle to the Romans."
  2. Kommentar zum Neuen Testament, S. 983.
  3. Schnelle: Einleitung in das NT, S. 336: "Von den Deuteropaulinen steht der Kol dem Apostel am nächsten".
  4. Josef Ernst bei der Darstellung der konservativen Position (die mehrheitlich an Ephesus als Abfassungsort denkt), in: Theologische Realenzyklopädie 19, 1990, S. 370-376, dort 373.
  5. Klaus Berger: Kommentar zum Neuen Testament. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011, S. 736f.
  6. William MacDonald: Kommentar zum Neuen Testament. Bielefeld 1997 (2. Aufl.), S. 983-984
  7. Louis Berkhof: Introduction to the New Testament, Grand Rapids 2004, S. 114-115.
  8. eodem anno ex inlustribus Asiae urbibus Laodicea tremore terrae prolapsa nullo a nobis remedio propriis operibus revaluit (Annales XIV 27; Übersetzung von August Horneffer, KTA 238, Stuttgart 1964, S. 465).
  9. Ulrich Luz: Der Brief an die Kolosser, NTD 8/1, Göttingen 1998, S. 184.
  10. Philipp Vielhauer: Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, Berlin / New York (Walter de Gruyter)21978, S. 198
  11. Udo Schnelle: Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 21996, S. 333

Weblinks

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