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Oskar Meyer (Mediziner)

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Oskar Meyer, Porträtfoto von Robert Mohrmann 1928

Oskar Salomon Meyer, auch Oscar (geboren 12. September 1880 in Lübeck; gestorben 9. November 1959 in Sisseton), war ein deutscher Orthopäde.

Leben

Familie

Oskar Meyer war der jüngste Sohn des aus Frechen stammenden jüdischen Kaufmanns Hermann Meyer (1842–1917) und dessen Frau Johanna, geb. Jüdel (1847–1924). Sein Vater betrieb seit 1868 unter der Firma H. Meyer & CO. eine bedeutende Rohprodukten-Großhandlung (Im- und Export) mit 100 Angestellten, 150 Arbeitern in Lübeck, die Leimleder und Fischmehl verarbeiteten, und Niederlassungen in Hamburg, Köln und New York.[1][2] Beide Elternteile waren in der Lübecker Jüdischen Gemeinde aktiv, der Vater als Gemeindevorsteher von 1874 bis zu seinem Tod; die Mutter gründete 1877 den Israelitischen Frauenverein zu Lübeck. Oskar Meyer hatte drei Geschwister. Der spätere Rechtsanwalt und Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Lübeck Martin Meyer (1878 Lübeck – 1966 Haifa) war sein älterer Bruder.[3] Der älteste Bruder Iwan (geb. 1872) übernahm das Familienunternehmen, wurde 1920 Vorsitzender des Fachausschusses des deutschen Rohproduktenhandels und war einer der Stifter des Behnhauses. Nach dem Ende des Unternehmens in Lübeck 1929 war er zuletzt Kaufmann in Hamburg; er starb im Oktober 1938 in Hamburg.[4] Der Bruder Otto (geb. 1874), ebenfalls Kaufmann, kam im Holocaust um. Er war in die Niederlande geflüchtet und wurde von dort in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er am 31. Juli 1943 starb.[5] Das Schicksal der Schwester Jenny (geb. 1876), die nach Minden geheiratet hatte, ist unklar.[6]

Werdegang

Nach dem Besuch des Katharineums bis zum Abitur Ostern 1899[7] studierte Oskar Meyer Humanmedizin an den Universitäten Heidelberg, Kiel (Sommersemester 1901) und Berlin.[8] Von Oktober 1901 bis April 1902 leiste er seinen Militärdienst im 3. Garde-Regiment zu Fuß. Anschließend ging er als Schiffsarzt für fünf Monate auf große Fahrt. Ab dem Wintersemester 1902/1903 war er wieder in Kiel. Im Juli 1904 bestand er in Kiel das Staatsexamen, im Oktober wurde er mit einer Dissertation über Becken-Osteomyelitis zum Dr. med. promoviert. Danach folgte eine Ausbildung zum Facharzt für chirurgische Orthopädie in der Klinik von Oscar Vulpius in Heidelberg.

Orthopädisches Institut

Fassade des Hauses Königstraße 17 (2015)

1910 eröffnete Oskar Meyer seine eigene Praxis in Lübeck. Er wurde Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie[9] und der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit. Sein Orthopädisches Institut richtete er in dem von ihm erworbenen Haus Königstraße 17 ein. Im Volksmund hieß der erfolgreiche Orthopäde bald Knochen-Meyer.[10] Meyer war der erste Vertreter in der Region der damals neuen, modernen, gerätegestützten Medico-mechanischen Therapie nach Gustav Zander (Zandern). Dafür wurde im hinteren Teil des Grundstücks ein Saalbau (Zandersaal) mit angeschlossener orthopädischer Werkstatt errichtet. Er engagierte sich in der Krüppelfürsorge und der orthopädischen Versorgung Kriegsversehrter aus dem Ersten Weltkrieg. Ab 1915 leitete er das Lübecker Lazarett für Kriegsverletzte.[11]

Ausgrenzung und Emigration

Ab 1933 war Oskar Meyer aufgrund der nationalsozialistischen Judenverfolgung zunehmender Isolierung ausgesetzt, auch wenn er nach eigenen Angaben zunächst noch Unterstützung in der Bevölkerung, bei den Krankenkassen und im Ärztlichen Verein zu Lübeck fand.[12] Sein Name findet sich in den 1935 in den Lübecker Zeitungen und als Flugblatt von der NSDAP veröffentlichten Boykottaufrufen mit der Namensliste Erwerbstätige Juden in Lübeck.[13] Er verlor seine Kassenzulassung und musste Haus und Praxis im Februar 1936 weit unter Wert an den arischen Arzt Walter Küchel (1899–1973) verkaufen. Der Auktionator Alwin Pump hielt am 15. Mai 1936 im Haus eine „große Versteigerung wegen Fortzugs“ des Wohnungsinventars.[14]

Die Familie zog nach Hamburg, wo Oskar Meyer noch Mitglied im Kuratorium des Kulturbunds Deutscher Juden wurde[15], bevor ihm 1937 mit seiner Familie die Emigration nach London gelang.[16] Hier fand er eine Anstellung als Assistenzarzt in einer Klinik für Rheumakranke.

Mit der 114. Ausbürgerungsliste vom 30. Mai 1939 wurde Oskar Meyer zusammen mit seiner Frau Lilli, geb Cohn (geb. 6. Januar 1885 in Lübeck) und den zwei Kindern des Paares: Kurt Ludwig (geb. 1913) und Ilse Ruth (geb. 1918) ausgebürgert.[17] Kurz danach erfolgte die Aberkennung der Promotion. Kurt Meyer nahm in Großbritannien den Namen Kenneth L. Miles an. Ilse heiratete im April 1940 den ebenfalls aus Deutschland geflüchteten Arzt Harry Brauer (geb. 1911 in Gleiwitz, gest. 2008)[18] und ging mit ihm im Oktober 1940 auf der RMS Cameronia in die USA.[19] Ihre Nachkommen leben bis heute in den USA.

Oskar Meyer starb 1959 während eines Besuchs bei Tochter und Schwiegersohn in Sisseton, South Dakota, und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Fargo beigesetzt.

Erinnnerung

Stolpersteine in Leipzig (2023)

Seit 2017 erinnert ein Stolperstein in Leipzig an Oskar Meyer. Mit der Verlegung von einem Paar Stolperschwellen und zunächst 36 Stolpersteinen vor dem Chirurgischen Gebäude der Universität Leipzig am 30. November 2017 ehrte die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. sichtbar und dauerhaft frühere jüdische Mitglieder.[20]

Werke

  • Beitrag zur Casuistik der acuten Becken‐osteomyelitis. Kiel 1904 (Dissertation) urn
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Literatur

  • Dr. med. Oskar Meyer, in Albrecht Schreiber: Hirschfeld, Asch und Blumenthal…: jüdische Firmen und jüdisches Wirtschaftsleben in Lübeck 1920–1938; Blüte, Enteignung, „Wiedergutmachung“. Schmidt-Römhild, Lübeck 2015, ISBN 978-3-7950-0494-1, S. 261–266.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. H. Meyer & Co., in Friedrich Wilhelm Virck (Bearb.): Lübeck, Travemünde. (= Deutschlands Städtebau) Deutscher Architektur- und Industrie-Verlag (DARI), Berlin-Halensee 1921. archive.org, S. 146
  2. Albrecht Schreiber: Hirschfeld, Asch und Blumenthal…: jüdische Firmen und jüdisches Wirtschaftsleben in Lübeck 1920–1938; Blüte, Enteignung, „Wiedergutmachung“. Schmidt-Römhild, Lübeck 2015, ISBN 978-3-7950-0494-1, S. 199–205.
  3. Zu ihm siehe Peter Guttkuhn: Dr. jur. Martin Meyer (1878–1966): Dramatisches Leben eines Lübecker Juristen und Zionisten, in: Schleswig-Holsteinische Anzeigen 2008, S. 347 f. (Digitalisat)
  4. Todesursache: Encephalitis nach Grippe, Atemlähmung; Sterberegister, abgerufen über ancestry.com
  5. Meyer, Otto. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden. Bundesarchiv; abgerufen am 26. Januar 2024.
  6. Jenny Meyer bei juedisches-leben.kommunalarchiv-minden.de, abgerufen am 25. Januar 2024
  7. Hermann Genzken: Die Abiturienten des Katharineums zu Lübeck (Gymnasium und Realgymnasium) von Ostern 1807 bis 1907. Borchers, Lübeck 1907. (urn
    nbn:de:hbz:061:1-305545:{{{2}}}, Nr. 1094)
  8. Studienverlauf nach dem Lebenslauf in der Diss.
  9. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie 1910, S. 118
  10. Charlotte Landau-Mühsam: Meine Erinnerungen. (Schriften der Erich-Mühsam-Gesellschaft 34) 2010, S. 39, Anm. 79
  11. Dr. med. Oskar Meyer, in Albrecht Schreiber: Hirschfeld, Asch und Blumenthal…: jüdische Firmen und jüdisches Wirtschaftsleben in Lübeck 1920–1938; Blüte, Enteignung, „Wiedergutmachung“. Schmidt-Römhild, Lübeck 2015, ISBN 978-3-7950-0494-1, S. 263
  12. Eyewitness account by Dr. Oskar Meyer describing the situation of the Jewish population in Lübeck from 1933-38 (1955), Wiener Library
  13. Lübeck (Schleswig-Holstein), abgerufen am 24. Januar 2024
  14. Karin Lubowski: Ehrlich erworben? Abgepresst? Erbeutet? Geraubt? Die Wege der Exponate in die Museen ist vielfach ungeklärt. In: Lübeckische Blätter 184 (2019), S. 196
  15. Barbara Müller-Wesemann: Theater als geistiger Widerstand. Der Jüdische Kulturbund in Hamburg 1934–1941. M und P – Verlag für Wissenschaft und Forschung, Stuttgart 1996, ISBN 3-476-45167-4 (Zugl.: Universität Hamburg, Dissertation 1995), S. 133 Anm. 180
  16. Mit 36 Stolpersteinen und 2 Stolperschwellen erinnert die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. vor dem Portal der Universitätsklinik Leipzig sichtbar und dauerhaft an ihre früheren jüdischen Mitglieder, abgerufen am 23. Januar 2024
  17. Michael Hepp: Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger 1933-45 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen. Band 1: Listen in chronologischer Reihenfolge, Berlin, New York: K. G. Saur, 1985. https://doi-org.wikipedialibrary.idm.oclc.org/10.1515/9783110950625, S. 114 Nr. 86–89
  18. Find a grave-Eintrag
  19. Sie starb 2011. Siehe ihren Nachruf, abgerufen am 25. Januar 2024
  20. Mit 36 Stolpersteinen und 2 Stolperschwellen erinnert die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. vor dem Portal der Universitätsklinik Leipzig sichtbar und dauerhaft an ihre früheren jüdischen Mitglieder, abgerufen am 23. Januar 2024
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