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Histrionische Persönlichkeitsstörung

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Klassifikation nach ICD-10
F60.4 Histrionische Persönlichkeitsstörung
ICD-10 online (WHO-Version 2013)

Die histrionische Persönlichkeitsstörung (HPS) ist gekennzeichnet durch egozentrisches und theatralisches Verhalten. Sie wird zu den Cluster B- Persönlichkeitsstörungen gezählt.

Begriffsgeschichte

Das Adjektiv histrionisch ist eine deutsche Wortbildung aus dem Substantiv lateinisch histrio, das eine aus der etruskischen Sprache entlehnte Bezeichnung für einen Schauspieler im antiken Rom war.[1] Das auch aus englisch histrionic abgeleitete Wort bedeutet in diesem Zusammenhang schauspielerisch, theatralisch und affektiert.

Als Bezeichnung für eine Persönlichkeitsstörung ist die HPS aus dem nur noch von der psychoanalytischen Schule verwendeten Begriff Hysterie herausgelöst und von der Konversionsstörung abgetrennt worden. Diese neue Begrifflichkeit hat sich wegen der sehr abwertenden volkstümlichen Konnotation des Begriffes Hysterie in Verbindung mit einer Bedeutungsverschiebung im Vergleich zur fachlichen Bedeutung als notwendig erwiesen.

Beschreibung

Das Störungsbild ist gekennzeichnet durch eine übertriebene Emotionalität und ein übermäßiges Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Bestätigung, Anerkennung und Lob. Fallschilderungen beschreiben die oberflächlich anmutende Präsentation von Gefühlen im Kontakt, verbunden mit unerwarteten und spontanen Wechseln, die für Gesprächspartner nur schwer nachvollziehbar sind und zudem mit einer geringen Frustrationstoleranz einhergehen, ausgerichtet auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung. „Bereits geringfügige Anlässe führen zu extrem anmutenden Gefühlsveränderungen, die ihrerseits eine Veränderung des affektiven Erlebens, kognitiven Urteilens und Handelns anderer in der Situation mitbewirken“.[2]

Als Diagnoseinstrument dient das Testverfahren Hypochondrie-Hysterie-Inventar (HHI)[3], mit dessen Hilfe interaktionelle Besonderheiten wie Extrovertiertheit, Ungezwungenheit und Kontaktfreudigkeit, bzw. in Stress-Situationen Schuldabwehr, Selbstmitleid oder aggressives Verhalten, aufgezeigt werden.[2]

Klassifizierung

ICD-10

Nach ICD-10 müssen mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen vorliegen:

  1. Dramatische Selbstdarstellung, theatralisches Auftreten oder übertriebener Ausdruck von Gefühlen;
  2. Suggestibilität, leichte Beeinflussbarkeit durch Andere oder durch Ereignisse (Umstände);
  3. oberflächliche, labile Affekte;
  4. ständige Suche nach aufregenden Erlebnissen und Aktivitäten, in denen die betreffende Person im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht;
  5. unangemessen verführerisches Erscheinen oder Verhalten;
  6. übermäßige Beschäftigung damit, äußerlich attraktiv zu erscheinen.

Egozentrik, Selbstbezogenheit, dauerndes Verlangen nach Anerkennung, fehlende Bezugnahme auf andere, leichte Verletzbarkeit der Gefühle und andauerndes manipulatives Verhalten ergänzen das klinische Bild − diese Verhaltensweisen sind aber für die Diagnose nicht erforderlich.

DSM-5

Nach DSM-5 ist die HPS charakterisiert durch ein tiefgreifendes Muster übermäßiger Emotionalität oder Strebens nach Aufmerksamkeit. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter, und das Muster zeigt sich in verschiedenen Situationen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:[4]

  1. Die Person fühlt sich unwohl in Situationen, in denen sie nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.
  2. Die Interaktion mit anderen Personen ist oft durch ein unangemessen sexuell-verführerisches oder provokantes Verhalten charakterisiert.
  3. Sie zeigt rasch wechselnden und oberflächlichen Gefühlsausdruck.
  4. Setzt durchweg ihre körperliche Erscheinung ein, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
  5. Hat einen übertrieben impressionistischen, wenig detaillierten Sprachstil.
  6. Zeigt Selbstdramatisierung, Theatralik und übertriebenen Gefühlsausdruck.
  7. Ist suggestibel, (d. h. leicht beeinflussbar durch andere Personen oder Umstände.)
  8. Fasst Beziehungen enger auf, als sie tatsächlich sind.

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Differentialdiagnose

Hilfe wird im Allgemeinen nicht wegen HPS aufgesucht, sondern wegen Depressionen oder dissoziativer Störungen (auch als Konversionsstörung bezeichnet). Die Beschwerden können Organbeschwerden ähnlich sein, die bis zu Blindheit oder Lähmungen reichen. Da die Beschwerden subjektiver Natur sind, kann es zu Fehldiagnosen kommen. Dabei ist in der diagnostischen und therapeutischen Interaktion zu berücksichtigen, dass es sich bei dissoziativen Störungen nicht um Simulation oder bewusstes Agieren handelt. Auch psychosomatische Beschwerden, die persönlichkeits- und störungsunabhängig auftreten und Reaktionen auf verschiedene innerpsychische Konflikte sein können, sind hiervon zu trennen. Depressive Beschwerden werden wiederum im Rahmen des histrionischen Erlebens mit dem Ziel eines sekundären Krankheitsgewinns verarbeitet.

Es kann vorkommen, dass bei Histrionikern aufgrund ihres manipulativen bzw. provokanten Verhaltens fälschlicherweise eine ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) diagnostiziert und in der Folge eine bei HPS kontraindizierte Behandlung mit Ritalin eingeleitet wird. Eine solche Fehldiagnose kann auch bei einer möglichen narzisstischen Auslenkung der HPS oder einer narzisstischen Komorbidität geschehen, da in beiden Fällen eine mangelnde Fähigkeit oder Bereitschaft zum Zuhören bestehen kann. Selbiges gilt bei dissoziativen Bewusstseinsstörungen (dissoziatives Vergessen, dissoziative Schwerhörigkeit). Da auch Kinder häufig schon im Schulalter deutliche histrionische Auslenkungen zeigen können, ist bei ihnen eine besondere Gefahr der Fehldiagnose gegeben.

Behandlung

Histrioniker sind schwer zu behandeln: Sie können ihr Verhalten nur langsam und schwer ändern; ihnen fehlt oftmals die nötige Einsicht. Sie können manipulierend auf ihren Therapeuten einwirken und somit die Behandlung in eine falsche Richtung lenken. Dieser sollte dem Patienten die psychische Ursache seiner Beschwerden verdeutlichen und dynamisch und unterstützend auf ihn einwirken. Hierbei ist eine klare Begrenzung des Patienten hinsichtlich seiner manipulativen Verhaltensweisen sinnvoll. Auch kann es helfen, dem Betroffenen sein Verhalten zu spiegeln. Bei appellativen Suizidankündigungen oder parasuizidalen Handlungen kann paradox interveniert werden, was aber dem in Diagnostik und Behandlung suizidaler Störungen erfahrenen Therapeuten vorbehalten bleiben sollte.

Siehe auch

Literatur

  • Aaron T. Beck, Arthur Freeman, Denise D. Davis u. a.: Cognitive Therapy of Personality Disorders. 2. Auflage. The Guilford Press, 2007, ISBN 978-1-59385-476-8.
  • Elisabeth Bronfen: Das verknotete Subjekt. Hysterie in der Moderne. Volk und Welt, Berlin 1998, ISBN 3-353-01125-0.
  • Annegret Eckhardt-Henn, Otto F. Kernberg, Peter Buchheim, Birger Dulz: Die hysterische, histrionische Persönlichkeitsstörung. In: Persönlichkeitsstörungen, Theorie und Therapie. Heft 3, Schattauer, Stuttgart / New York 2000, ISBN 3-7945-1907-8, S. 127–175.
  • Peter Fiedler: Persönlichkeitsstörungen. 6. Auflage. Beltz, Weinheim / Basel 2007, ISBN 978-3-621-27622-1.
  • Sven Olaf Hoffmann, Gerd Hochapfel, Annegret Eckhardt-Henn, Gereon Heuft (Hrsg.): Neurotische Störungen und psychosomatische Medizin. Mit einer Einführung in Psychodiagnostik und Psychotherapie [CompactLehrbuch]. 8. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Schattauer, Stuttgart / New York, NY 2009, ISBN 978-3-7945-2619-2.
  • Karl König: Einführung in die psychoanalytische Krankheitslehre. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen / Zürich 1997, ISBN 3-525-45788-X.
  • Stavros Mentzos: Hysterie. Zur Psychodynamik unbewusster Inszenierungen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen / Zürich 2004, ISBN 3-525-46199-2.
  • Fritz Riemann: Grundformen der Angst. Eine tiefenpsychologische Studie, 39. Auflage, Reinhardt, München / Basel 2009 (Erstausgabe 1961), ISBN 978-3-497-00749-3.
  • Rainer Sachse: Histrionische und Narzisstische Persönlichkeitsstörungen. Hogrefe, Göttingen / Bern / Toronto / Seattle 2002, ISBN 3-8017-1446-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dtv-Lexikon, München 2006, Lemma Histrione.
  2. 2,0 2,1 Peter Fiedler: Persönlichkeitsstörungen. 6 Auflage. Beltz, Weinheim/ Basel 2007, ISBN 978-3-621-27622-1, S. 190–199.
  3. Fritz Süllwold: Das Hypochondrie-Hysterie-Inventar (HHI). Konzept, Theorie, Konstruktion, meßtheoretische Qualitätskriterien, Normen und Anwendungsmöglichkeiten. In: Arbeiten aus dem Psychologischen Institut. Nr. 6, 1994.
  4. American Psychiatric Association: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth, S. 663, Arlington VA: American Psychiatric Publishing 2013, ISBN 978-0-89042-555-8
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