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Ernst Federn

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Ernst Federn (geb. 26. August 1914 in Wien; gest. 24. Juni 2007 ebenda) war ein jüdischer Pionier der psychologischen Analyse des Lebens in Konzentrationslagern, der psychoanalytischen Pädagogik sowie der psychoanalytisch orientierten Sozialarbeit in Gefängnissen.

Leben

Ernst Federn, Foto der österreichischen Staatspolizei, 6. November 1936

Ernst Federn war ein Sohn des Psychoanalytikers Paul Federn[1] und Neffe des Wirtschaftsjournalisten Walther Federn sowie der Schriftstellerin Etta Federn-Kohlhaas und des Schriftstellers Karl Federn. Er beabsichtigte zunächst nicht, ebenfalls Psychoanalytiker zu werden, sondern ging in die Politik, was für einen marxistischen Sozialisten damals, in den Dreißigerjahren in Österreich, hieß, in den Untergrund zu gehen.

Während er bereits in der Zeit des Austrofaschismus 1936 als Mitglied der trotzkistischen „Revolutionären Kommunisten Österreichs (RKÖ)“ zweimal von den österreichischen Behörden verhaftet, dann jedoch wieder freigelassen wurde,[2] wurde er schließlich knapp dem „Anschluss Österreichs“ auf Grund seiner bekannt trotzkistischen Gesinnung und seiner jüdischen Herkunft am 14. März 1938 neuerlich verhaftet, diesmal jedoch von der Gestapo.[3] Als KZ-Häftling überlebte er anschließend zunächst vier Monate im Konzentrationslager Dachau[4] (Häftlingsnummer 14168[5]), danach fast sieben Jahre im Konzentrationslager Buchenwald (1. Häftlingsnummer 9122, 2. Häftlingsnummer 2402[6]).[7]

Ernst Federn im Jahr 2006

Als Jude und Trotzkist war Federn im KZ Buchenwald einer doppelten Gefahr ausgeliefert: er musste sich dort nicht nur gegen die SS, sondern auch gegen seine Mitgefangenen in der von Stalinisten dominierten Häftlingsselbstverwaltung durchsetzen.[8] Mit einem Trotzkisten zu reden, war verboten. Es gab allerdings einen berühmten kommunistischen Gefangenen, der im Lager unerhörte Dinge durchgestanden hatte. Mit dem habe ich sehr viel über Psychoanalyse gesprochen. Er ließ es sich nicht verbieten, mit mir zu sprechen. Da er großen Einfluss auf die anderen hatte, bekam ich den Ruf des Psychoanalytikers im Lager. Man konnte nun doch mit mir sprechen, die Leute konnten mit mir über sich und ihre Probleme reden.[9]

Einige Monate war Bruno Bettelheim Federns Mitgefangener, und die beiden diskutierten über die Psychologie des Terrors.

Im Frühjahr 1945 wurde Federn von seinem trotzkistischen Freund und Mithäftling Karl Fischer, der ebenfalls Mitglied der „Revolutionären Kommunisten Österreichs“ gewesen war, knapp vor der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald vor einem Todesmarsch durch Übergabe dessen eigener weißen Lagerschutzbinde gerettet.[10][11][12] Ernst Federn selbst dazu: „Wie Sie ja wohl wissen, Karl rettete mein Leben in einer (sic!) der kritischsten Momente vor der Befreiung. Ich fühle mich für immer an ihn (sic!) verpflichtet.“[13]

„Im April 1945 wurde Ernst Federn durch die United States Army befreit. Eine Rückkehr nach Österreich, das von den Russen besetzt war, erschien dem entschiedenen Gegner Stalins als zu gefährlich - eine realistische Einschätzung: Sein Freund Karl Fischer beispielsweise wurde vom sowjetischen Geheimdienst entführt und nach Sibirien verschleppt. Ernst Federn hat die Haftzeit innerlich ungebrochen überstanden. Noch im Lager, am 20. April 1945, veröffentlichte er mit drei anderen Häftlingen die 'Erklärung der internationalistischen Kommunisten Buchenwalds', in der sie sich gegen den Stalinismus wandten und für eine österreichische Räterepublik eintraten. Federn ging nach Brüssel, wo er sein politisches Engagement fortsetzte.“ (Roland Kaufhold)[14]

Verleihungsurkunde für Ernst Federn

Federn emigrierte 1948 mit seiner Frau Hilde Federn, geb. Paar, in die USA. Er lebte dort bis 1961 in New York City, anschließend bis 1972 in Cleveland, Ohio, und arbeitete als Familienberater, Sozialarbeiter und Psychotherapeut.[15]

An seinem zuerst 1946 veröffentlichten Versuch einer Psychologie des Terrors bestand in der vom Antikommunismus geprägten Nachkriegszeit kein Interesse. Ähnlich erging es Federn mit den Protokollen der sogenannten Mittwochsgesellschaft, des Kreises um Freud, der sich seit 1902 traf. Federn edierte diese für die Geschichte der Psychoanalyse außerordentlich wichtige Quelle gemeinsam mit dem Psychoanalytiker Hermann Nunberg.[16]

1972 kehrte Federn auf Einladung Bruno Kreiskys und Christian Brodas nach Österreich zurück und engagierte sich als Psychotherapeut und Supervisor in der Reform des Strafvollzugs,[17] wobei er u.a. die psychoanalytisch orientierte Sozialarbeit mit Häftlingen etablierte.[18]

Im September 2004 wurde Federn in Würdigung seiner besonderen Leistungen mit Beschluss des Wiener Gemeinderates die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Silber verliehen.

Ernst und Hilde Federns Sohn Thomas (Tom) Federn (* 26. Oktober 1950) lebt und arbeitet in New York City als „Master of Social Work“ (MSW), also im gleichen Berufsfeld wie sein Vater.[19][20]

Schriften (Auswahl)

Als Autor

  • Zur Psychoanalyse der Psychotherapien. Ed. diskord, Tübingen 1997.
  • Ein Leben mit der Psychoanalyse. Von Wien über Buchenwald und die USA zurück nach Wien. Psychosozial-Verlag, Gießen 1999.
  • Versuch einer Psychologie des Terrors. In: R. Kaufhold (Hrsg.): Ernst Federn: Versuche zur Psychologie des Terrors. Psychosozial-Verlag, Gießen 1999, S. 35–75.

Als Herausgeber

  • H. Nunberg, E. Federn (Hrsg.): Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Bd. I – IV. S. Fischer, Frankfurt am Main 1976 -1981. (Neuausgabe: Psychosozial-Verlag, Gießen 2007)
  • Freud im Gespräch mit seinen Mitarbeitern: aus den Protokollen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Hrsg., eingel. und mit Zwischentexten versehen von Ernst Federn, Fischer TB, Frankfurt am Main 1984.
  • E. Federn, G. Wittenberger (Hrsg.): Aus dem Kreis um Sigmund Freud: zu den Protokollen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Fischer-TB, Frankfurt am Main 1992.

Literatur

  • Fragen zur Ethik und Technik psychoanalytischer Sozialarbeit. (im November 1994 in Rottenburg). Hrsg.: Verein für Psychoanalytische Sozialarbeit Rottenburg und Tübingen, Festschrift für Ernst Federn. Ed. diskord, Tübingen 1995.
  • Stephan Becker (Hrsg.): Helfen statt Heilen: Ernst Federn zum 80. Geburtstag. Psychosozial-Verlag, Giessen 1995.
  • Rosita Anna Ernst: Die Familie Federn im Wandel der Zeit. Eine biographische und werksgeschichtliche Analyse einer psychoanalytisch orientierten Familie. Unter besonderer Berücksichtigung des Lebens und Werks von Ernst Federn. München, Grin-Verlag 2009, ISBN 978-3-640-24767-7.
  • R. Kaufhold (Hrsg.): Ernst Federn: Versuche zur Psychologie des Terrors. Material zum Leben und Werk von Ernst Federn. Psychosozial-Verlag, Gießen 1999, S. 145–172.
  • R. Kaufhold: Bettelheim, Ekstein, Federn: Impulse für die psychoanalytisch-pädagogische Bewegung. Mit einem Vorwort von Ernst Federn. Psychosozial-Verlag, Gießen 2001.
  • R. Kaufhold: Erinnerung an Hilde Federn (26.10.1910 - 19.01.2005). In: Kinderanalyse. 13. Jg., Heft 2/2005, S. 234–237.
  • R. Kaufhold: Biographische Kontinuität, Emigration und psychoanalytisch-pädagogisches Engagement. Laudatio auf Ernst Federn zu seinem 90. Geburtstag. In: psychosozial. 28. Jg. Nr. 100 (Heft 2/2005), S. 75–83.
  • R. Kaufhold: Traumatisierung überleben und verarbeiten - Leben und Werk des Pioniers der Psychoanalyse Ernst Federn. In: M. Krisor, K. Wunderlich (Hrsg.): Gerade in schwierigen Zeiten: Gemeindepsychiatrie verankern - Internationale Beiträge. Pabst Science Publishers, Lengerich/ Berlin 2007, S. 182–199.
  • R. Kaufhold: Erinnerung an Ernst Federn, Pionier der psychoanalytischen Pädagogik und Sozialarbeiter (26.8.1914 - 24.6.2007). In: Kinderanalyse. 4/2007.
  • R. Kaufhold: Documents Pertinent to the History of Psychoanalysis and Psychoanalytic Pedagogy: The Correspondence Between Bruno Bettelheim and Ernst Federn. In: The Psychoanalytic Review. (New York), Vol. 95, No. 6/2008, S. 887–928.
  • B. Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstruktur des Konzentrationslagers. Bd. I und II. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003.
  • B. Kuschey (Hrsg.): Die Psychoanalyse kritisch nützen und sozial anwenden. Ernst Federn zum 90. Geburtstag. Verlag Theodor Kramer Gesellschaft, Wien 2006.
  • B. Kuschey: Nachruf für Ernst Federn (1914-2007). In: Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands. 24. Jg. Nr. 1/2; Wien, Oktober 2007, S. 40–41. ISSN 1606-4321
  • Tomas Plänkers, Ernst Federn: Vertreibung und Rückkehr. Interviews zur Geschichte Ernst Federns und der Psychoanalyse. Diskord, Tübingen 1994, ISBN 3-89295-586-7.

Einzelnachweise

  1. Vgl. den Eintrag über Paul Federn auf psyalpha.net.
  2. Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 222ff bzw.235ff.
  3. Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 267ff.
  4. Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 325ff.
  5. Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 1028.
  6. Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 1032.
  7. Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 397ff.
  8. Wir heilen eigentlich durch Liebe. In: Profil. Das unabhängige Nachrichtenmagazin Österreichs, Nr. 15, 37. Jg., 10, April 2006, S. 106f.
  9. Tomas Plänkers, Ernst Federn: Vertreibung und Rückkehr. Interviews zur Geschichte Ernst Federns und der Psychoanalyse. Diskord, Tübingen 1994, ISBN 3-89295-586-7, S. 158f.
  10. Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 754, 833 und 841f;
  11. Brief Ernst Federns an Maria Johanna Fischer, Cleveland, Ohio, 30. März 1963. Brief in Privatbesitz.
  12. Brigitte Bailer-Galanda, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Jüdische Schicksale. (=Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 3) ÖBV, Wien 1992, ISBN 3-216-06377-1, S. 591.
  13. Brief Ernst Federns an Maria Johanna Fischer, Cleveland, Ohio, 30. März 1963. Brief in Privatbesitz.
  14. Nachruf von Roland Kaufhold.
  15. Gernot Nieder: Federn, Ernst. In: Gerhard Stumm, Alfred Pritz, Paul Gumhalter, Nora Nemeskeri, Martin Voracek (Hrsg.): Personenlexikon der Psychotherapie. Springer, Frankfurt 2005, ISBN 3-211-29396-5, S. 133f.
  16. Eintrag Ernst Federn im Personenindex der PADD, Psychoanalytic Document Database.
  17. Nachruf von Roland Kaufhold.
  18. Wir heilen eigentlich durch Liebe. In: Profil. Das unabhängige Nachrichtenmagazin Österreichs, Nr. 15, 37. Jg., 10, April 2006, S. 106f.
  19. Rosita Anna Ernst: Die Familie Federn im Wandel der Zeit. Eine biographische und werksgeschichtliche Analyse einer psychoanalytisch orientierten Familie. Unter besonderer Berücksichtigung des Lebens und Werks von Ernst Federn. Grin-Verlag, München 2009, ISBN 978-3-640-24767-7, S. 81f.
  20. Master of Social Work. in der engl. Wikipedia

Weblinks

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