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Karl Fischer (Kommunist)

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Karl Fischer im Jahr 1962

Karl Fischer (geb. 23. September 1918 in Wien; gest. 17. März 1963 ebenda) war ein österreichischer trotzkistischer Politiker und Widerstandskämpfer, der fast 13 Jahre in der Haft dreier totalitärer Systeme verbrachte.

Leben

Karl war der Sohn der Seidenwinderin und Widerstandskämpferin Maria Fischer. Sie nannte ihren Sohn „Kegel“, die Bezeichnung für ein uneheliches Kind, ein Name den Fischer später als Decknamen im Untergrund verwendete.[1]

Fischer schloss sich 1934 dem Kommunistischen Jugendverband (KJV) in Wien an. Mitte 1935 spaltete er sich mit Georg Scheuer und anderen mit einer trotzkistischen Jugendorganisation, den Revolutionären Kommunisten Österreichs (RKÖ), ab, die mit stalinistischen Gruppen konkurrierte.[2] Fischer opponierte nicht nur gegen den Austrofaschismus und den Nationalsozialismus, sondern auch gegen den stalinistischen Terror in der Sowjetunion.[3] 1936 verhaftet, wurde Fischer im August 1937 im Wiener „Trotzkistenprozess“ zu fünf Jahren schwerem Kerker verurteilt, mit der Februaramnestie 1938 aber vorzeitig freigelassen. Bei der von Kanzler Kurt Schuschnigg für März 1938 angekündigten Volksabstimmung votierten die Revolutionären Kommunisten um Karl Fischer gegen einen „Anschluss“ an NS-Deutschland und riefen zum Generalstreik auf.[2]

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das das nationalsozialistische Deutsche Reich emigrierte er im Mai 1938 in die Schweiz, später nach Belgien, wo er im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv war.[1] In Paris nahm er an der Gründung der trotzkistischen Vierten Internationale teil.[4]

In Antwerpen wurde Fischer im Mai 1940 als „deutscher Spion“ verhaftet und in ein französisches Lager gebracht, aus dem er aber fliehen konnte.[5] Er hielt sich meist in Lyon auf oder unternahm Kurierfahren für die Résistance.[6] 1943 wurde er in Frankreich verhaftet, 1944 an die Gestapo ausgeliefert und ins KZ Buchenwald deportiert.[7]

In Buchenwald rettete er Anfang April 1945 knapp vor der Befreiung des Konzentrationslagers als Mitglied des Lagerschutzes[8] seinem Freund, dem Psychoanalytiker Ernst Federn, der ebenfalls Mitglied der Revolutionären Kommunisten Österreichs (RKÖ) gewesen war, nach dessen eigenen Angaben das Leben[9], indem er ihn vor einem Todesmarsch durch Übergabe seiner eigenen weißen Lagerschutzbinde bewahrte.[10][11][12] Dadurch begab er nicht nur sich selbst in große Gefahr, dies dürfte auch ein Grund für seine spätere Verschleppung in die UdSSR gewesen sein. Laut Ernst Federn könnten nämlich österreichische stalinistische KZ-Häftlinge Karl Fischer beim NKWD denunziert haben, weil er ihm die weiße Binde verschafft hatte.[13]

Gemeinsam mit zwei anderen Trotzkisten verabschiedeten beide nach der Befreiung des KZs durch die United States Army am 20. April 1945 die „Erklärung der internationalistischen Kommunisten Buchenwalds“ der Vierten Internationale.[14][15][16]

1945 traf er in Linz seine Mutter wieder, die ebenfalls wegen politischer Betätigung von der NS-Justiz eingesperrt worden war. Im Jänner 1947 wurde Fischer auf einer Linzer Donaubrücke an der sowjetisch-amerikanischen Demarkationslinie vom sowjetischen Geheimdienst NKWD entführt und wegen Leitung einer „trotzkistischen Spionageorganisation“ zu fünfzehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Er wurde in die Sowjetunion verschleppt und bis 1955 in mehreren Gulags in Sibirien festgehalten.[1][2] Unter den österreichischen Kommunisten regte sich wegen der Entführung keinerlei Protest.[17] Seine letzten drei Jahre war er inhaftiert im „Politisolator“ Alexandrowsk bei Irkutsk.[18]

Seinem ehemaligen Leidensgefährte Kurt Seipel, mit dem er gemeinsam sowohl den achtundvierzigtägigen Bahntransport in Güterwaggons über Ödenburg (Sopron) nach Lemberg, zur Bucht Wanino (Region Chabarowsk) und nach Magadan, diverse Straflager, den Politisolator Alexandrowsk bei Irkutsk als auch den Rücktransport nach Österreich erlebte, hat er während dieser Zeit nach dessen eigenen Angaben mehrfach das Leben gerettet.[19][20]

Der insgesamt ca. 180 Seiten umfassende Akt über die Inhaftierung Karl Fischers befindet sich im Sonderarchiv Moskau des Russischen Staatlichen Militärarchives (RGWA).[21] Er durfte als Gulag- und Politisolator-Häftling trotz vielfacher Ansuchen bei den sowjetischen Behörden bis April 1955 absolut keinen Briefwechsel, auch nicht mit seiner Mutter, führen. Das erste Schreiben an seine Mutter ist datiert vom 12. April 1955.

Karl Fischer starb, mittlerweile Vater eines kleinen Kindes, schon mit 44 Jahren an einem Hirnschlag und einer Pneumonie infolge der während der Internierungen erlittenen Qualen.[22] Er ist wie seine Mutter Maria und seine Gattin Maria Johanna Fischer in Ilz, Steiermark, begraben.

Rehabilitation

Während das Sowjet-Urteil auf Antrag seines Sohnes Roland Fischer von der Russischen Föderation am 4. Juni 1996 als unrechtmäßig aufgehoben wurde[23], wurde in Österreich erst 2012 die gesetzliche Grundlage für die Aufhebung der Urteile aus der Zeit des Austrofaschismus geschaffen.[24][25][7][26][27] Im Zusammenhang damit wurde Karl Fischer, ebenso auf Antrag seines Sohnes, vom zuständigen österreichischen Gericht, dem Landesgericht für Strafsachen Wien, durch dessen Präsident und Richter Friedrich Forsthuber in einem am 4. Oktober 2013 gefassten Beschluss rehabilitiert, in dem festgestellt wurde, „dass die (im „Trotzkistenprozess“) ergangenen Urteile wegen des Verbrechens des Hochverrates aus dem Jahr 1937 rückwirkend als nicht erfolgt gelten“.[28][29][30][31]

Literatur

  • Fritz Keller: In den Gulag von Ost und West. Karl Fischer. Arbeiter und Revolutionär. ISP-Verlag, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-88332-046-3.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Christine Kanzler: Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin
  2. 2,0 2,1 2,2 Zum 40. Todestag von Karl Fischer (1918-1963)
  3. Profil 27 (1996), S. 27.
  4. Ernst Schwager: Die österreichische Emigration in Frankreich 1938–1945. Böhlau, Wien/Köln/ Graz 1984, ISBN 3-20508-747-X, S. 51f
  5. Georg Scheuer: Nur Narren fürchten nichts. Szenen aus dem dreissigjährigen Krieg, 1915–1945. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1991, ISBN 3-85115-133-X, S. 153.
  6. Fritz Keller: In den Gulag von Ost und West. Karl Fischer. Arbeiter und Revolutionär. ISP-Verlag, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-88332-046-3, S. 68.
  7. 7,0 7,1 Maria Sterkl: Austrofaschismus. „Eine winzige Wiedergutmachung“, 49 Jahre nach dem Tod. Der Standard von 3. Jänner 2012.
  8. Fritz Keller: In den Gulag von Ost und West. Karl Fischer. Arbeiter und Revolutionär. ISP-Verlag, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-88332-046-3, S. 85.
  9. Brief Ernst Federns an Maria Johanna Fischer, die Gattin Karl Fischers, Cleveland, Ohio, 30. März 1963, in Privatbesitz.
  10. Fritz Keller: In den Gulag von Ost und West. Karl Fischer. Arbeiter und Revolutionär. ISP-Verlag, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-88332-046-3, S. 85f.
  11. Bernhard Kuschey: Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S. 754, 833 und 841f.
  12. Brigitte Bailer-Galanda, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Jüdische Schicksale. (=Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 3) ÖBV, Wien 1992, ISBN 3-216-06377-1, S. 591.
  13. Brief Ernst Federns an Roland Fischer, den Sohn Karl Fischers, vom 27. März 1992, in Privatbesitz.
  14. http://www.marxismus-online.eu/archiv/getrobe/buchenwald.html
  15. Fritz Keller: Gegen den Strom. Fraktionskämpfe in der KPÖ. Trotzkisten und andere Gruppen 1919–1945. (=Materialien zur Arbeiterbewegung Band 10) Europaverlag, Wien 1978, ISBN 3-203-50688-2, S. 305f.
  16. Fritz Keller: In den Gulag von Ost und West. Karl Fischer. Arbeiter und Revolutionär. ISP-Verlag, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-88332-046-3, S. 149ff.
  17. Thomas Kroll: Kommunistische Intellektuelle in Westeuropa. Frankreich, Österreich, Italien und Grossbritannien im Vergleich (1945-1956). Böhlau, Wien 2007, ISBN 3-41210-806-5, S. 339f.
  18. Bernhard Kuschey: Ernst und Hilde Federn. Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers. Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-173-6, S.844.
  19. Kurt Seipel, Meine Jugend blieb im Eis Sibiriens. Mit 19 in den GULAG verschleppt, Vorwort: Univ.-Prof. Dr. Gerhard Botz, Hrsg.: Österreichisches Literaturform, Krems an der Donau 1997, S. 91 und 377.
  20. Seite über Kurt Seipel auf regiowiki.at, abgerufen am 26. Dezember 2013.
  21. Kopie des vollständigen Aktes über Karl Fischer aus dem Sonderarchiv Moskau, in Privatbesitz.
  22. Sterbeurkunde des Standesamtes Wien-Favoriten, Nr. 781/1963 vom 19. März 1963, Dokument in Privatbesitz.
  23. Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation - Hauptmilitärstaatsanwaltschaft: Bescheinigung über die Rehabilitierung Karl Fischers, Zahl 5YB-2647-56, 15. Juli 1997, in Privatbesitz.
  24. http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20007687
  25. https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/module?gentics.am=Content&p.contentid=10007.64441
  26. Harald Walser: Ein historischer Schritt. Der Standard vom 16. Jänner 2012.
  27. Nationalrat rehabilitierte Opfer des Austrofaschismus Der Standard vom 18. Jänner 2012.
  28. Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, 4. Oktober 2013, Zahl 184 Ns 2/12b; in Privatbesitz.
  29. Bernd Melichar, „Vater, das wäre geschafft“, Kleine Zeitung vom 26. Oktober 2013, S. 20f.
  30. ORF-Ö1-Feiertagsjournal, 26. Oktober 2013, 12:00 Uhr: Beitrag „Späte Anerkennung“
  31. Erste gerichtliche Rehabilitierungen bei den Opfern des Austrofaschismus, Artikel auf der Homepage von Nationalratsabgeordnetem Albert Steinhauser

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