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Zander & Labisch

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1913: Berliner Straßenszene Unter den Linden / Friedrichstraße, fotografiert von Zander & Labisch

Zander & Labisch war das erste deutsche Fotoatelier, das sich als Fotoagentur ausschließlich mit der Anfertigung professioneller Pressefotos und deren Direktvertrieb befasste.[1]

Gründung

Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Foto- und Drucktechnik und deren Auswirkungen auf die Printmedien der Gründerzeit erkannten der aus Colmar bei Posen stammende Ingenieur und Fotograf Albert Zander (1864–1897) sowie der aus Samter in derselben Region kommende Rabbiner und Fotograf Siegmund Labisch (1863–1942) die Möglichkeiten und Chancen, die sich durch die gestiegenen Ansprüche der Verlage, Redaktionen und Leser im Hinblick auf aktuelle Pressefotos guter Qualität ergaben.[2]

Der Ullstein Verlag beispielsweise gliederte seiner Druckerei 1896 eine eigene Bildätzerei zur schnelleren Anfertigung von Autotypien an, die auch kürzere Redaktionszeiten zur Folge hatte. Zuvor war es schlicht zu aufwendig, die feinen Linien der Xylographie-Bildstöcke in die Rundung der Rotationszylinder zu bringen; Fotos in Tageszeitungen blieben daher eine Ausnahme.[3]

Zander war bis dahin als Ingenieur bei der seit 1844 bestehenden Berliner Maschinenfabrik Carl Flohr in der Chausseestraße 35, Oranienburger Vorstadt (heute Teil des Bezirks Berlin-Mitte), tätig,[4] aus der später das auf Personen- und Frachtaufzüge spezialisierte Unternehmen Flohr-OTIS hervorging.[5] Ein dort am 26. Mai 1895 ausgebrochener Brand wurde von Zander fotografiert. Zwei seiner Aufnahmen wurden daraufhin von der Berliner Illustrirten Zeitung veröffentlicht.[6]

Am 19. Juni 1895 gründeten beide in Berlin ihr Fotoatelier unter dem Firmennamen Zander & Labisch-Illustrations-Photographen,[7] später firmierten sie als Zander & Labisch Neue Photographische Gesellschaft A. G.,[8] zuletzt als Zander & Labisch oHG.[9]

Kaiserreich

1896: Zander & Labisch verschoben den Schreibtisch von Theodor Fontane, um ihn angemessen ins Bild und ins rechte Licht zu setzen[10]

Das Fotoatelier spezialisierte sich auf die Belieferung der Presse, auf Tageszeitungen, Magazine und Illustrierte.[11] Es war somit an der Entstehung einer Boulevardpresse in Deutschland mit beteiligt.[12] Die Agentur war zunächst in der Leipziger Straße 105 ansässig,[13] in unmittelbarer Nähe bedeutender Zeitungsverlage wie dem August Scherl Verlag oder dem Ullstein Verlag.[14] Als Zander am 12. August 1897 überraschend früh verstarb, führte Labisch das Fotoatelier alleine weiter, behielt aber dessen Firmierung Zander & Labisch bei.[15]

Das Portfolio des Fotoateliers umfasste tagesaktuelle Veranstaltungen und Ereignisse sowie Porträtfotos zeitgenössischer Persönlichkeiten, die für die Presse von Interesse waren. Schon zwei Jahre später war rund ein Zehntel aller Fotos, die in der Berliner Illustrirten Zeitung veröffentlicht wurden, von Zander & Labisch.[16] 1897 musste das Fotoatelier größere Räumlichkeiten suchen und zog in die Mohrenstraße 19, wo zuvor zwei ihrer Angestellten, Olga Badenberg und Waldemar Titzenthaler, tätig waren.

Um die Jahrhundertwende nahm die Fotoagentur neue Tätigkeitsfelder ins Visier, so die Architektur-, Industrie- und Theaterfotografie. Dadurch erschloss sich die Agentur zusätzlich zur Presse neue Kunden: AEG, Borsig, Osram und Siemens zählten zu ihren renommierten international agierenden Auftraggebern. Die Großunternehmen nutzten Zander & Labisch beispielsweise, um Fotodokumentationen ihrer Produkte für ihre Firmenarchive anfertigen zu lassen, aber auch für werbliche Zwecke.[17] Die Fotoagentur wurde auch außerhalb Berlins tätig. So fotografierte sie 1905 beispielsweise für die Zeitschrift Ost und West – illustrierte Monatsschrift für das gesamte Judentum jüdische Einrichtungen in Hamburg.[18]

Per 1. Oktober 1917 nahm Labisch seinen im elsässischen Straßburg geborenen Neffen Paul Wittkowsky (1892–1949) als Mitinhaber in das Unternehmen auf. Im Jahr 1918 zog die Agentur von der Mohrenstraße 19 in die Leipziger Straße 115/116 um. Dort wurden Räumlichkeiten für die Porträtfotografie geschaffen, auf die sich künftig eine eigene Abteilung spezialisierte. Die Fotoagentur hatte zu dieser Zeit neun Angestellte,[19] mit denen sie die zahlreichen Aufträge der 1920er Jahre abarbeiten konnte.[20]

Weimarer Republik

1927: Doris von Schönthan, ein Paradebeispiel der Porträtfotografie von Zander & Labisch

1929 veröffentlichte das Gesellschaftsmagazin Die Dame, „das beste Journal seiner Art auf dem Weltmarkt“,[21] fünf ganze Seiten mit Fotos aus Alfred Flechtheims Berliner Wohnung, die „ein Prominenten-Treff des seinerzeitigen Berlins“ war, für „Künstler, Bankiers, Literaten, Leinwand- und Bühnen-Stars, Journalisten, Gelehrte und Sportler“.[22] Die Aufnahmen wurden alle von Zander & Labisch angefertigt. Auf der Basis von Künstlerporträts, die die Agentur angefertigt hatte, entstanden unter deren Label auch stark kolorierte Sammelbilder der Serie Bühnenstars und ihre Autogramme, auf denen die Künstler in Kostümen ihrer bekanntesten Rollen posierten.

NS-Zeit

Die Machtabtretung an die Nationalsozialisten und deren Antisemitismus wirkten sich erheblich auf Zander & Labisch aus; es kam in der Folge zu massiven Umsatzeinbußen.[23] Aufträge seitens der Zeitungsverlage entfielen zunehmend, weil diese gehalten waren, jüdische Mitarbeiter und Zulieferer nicht mehr zu beschäftigen; es kam zu ersten Entlassungen. Am 14. März 1936 wurde die Agentur aus dem Reichsverband der deutschen Korrespondenz- und Nachrichtenbüros e. V. und somit aus der übergeordneten Reichspressekammer (RPK) ausgeschlossen.[24] In der Architektur- und Industriefotografie konnte Zander & Labisch hingegen noch für einige Zeit tätig bleiben.[25]

1938 jedoch musste die Fotoagentur ihre Räumlichkeiten in der Leipziger Straße aufgeben. Der Restbetrieb wurde ganz in die Privatwohnungen der beiden Inhaber Labisch und Wittkowsky verlegt, wo diese in geringem Umfang Aufträge aus der Privatwirtschaft erledigten.[26]

Als die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben in Kraft trat,[27] musste Zander & Labisch die Geschäftstätigkeit per 31. Dezember 1938 endgültig einstellen. 1939 wurde das Unternehmen aus dem Berliner Handelsregister gelöscht. Wittkowsky emigrierte am 11. Mai 1939 nach Australien,[28] Labisch kam 1942 im Ghetto Theresienstadt um.[29]

Bekannte Mitarbeiter

Prominente als Fotomotive (Auswahl)

Literatur

  • Anna Rosemann: Zander & Labisch – Auf den Spuren einer bekannten Fotoagentur. Masterarbeit zur Geschichte der Fotoagentur Zander & Labisch, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Lehrstuhl für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration, Februar 2017

Weblinks

 Commons: Zander & Labisch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zander und Labisch. In: Deutsche Fotothek. Auf: deutschefotothek.de, abgerufen am 29. Juli 2017.
  2. Peter de Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin: Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse. Ullstein-Verlag, Berlin 1959, S. 112.
  3. David Oels, Ute Schneider: „Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere“: Ullstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Walter de Gruyter, Berlin 2015. ISBN 978-3-11-038937-1, S. ?.
  4. Christine Walther: Siegertypen: zur fotografischen Vermittlung eines gesellschaftlichen Selbstbildes um 1900. Königshausen & Neumann, Würzburg 2007. ISBN 978-3-8260-3510-4, S. 45.
  5. Maschinenfabrik Flohr. Auf: luise-berlin.de, abgerufen am 29. Juli 2017.
  6. Berliner Illustrirte Zeitung, Heft 21 (1895), S. 4.
  7. Berliner Handelsregister 91 HRA 13725 +40
  8. Zander & Labisch. In: Dumbarton Oaks Research Library and Collection. Auf: doaks.org, abgerufen am 29. Juli 2017.
  9. Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Abt. I. – Entschädigungsakte Nr. 41 205 Fa. Zander & Labisch oHG, fol. D 11.
  10. Hans-Werner Klünner: Theodor Fontane im Bildnis. In: Festschrift der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg zu ihrem hundertjährigen Bestehen 1884–1984. Eckart Henning und Werner Vogel (Hrsg.), Berlin 1984, S. 288.
  11. Landesarchiv Berlin, A Rep. 342-02 Nr. 91 HR 13725 + 1940, Blattsammlung des Amtsgerichts, S. 2.
  12. Anfänge des Boulevardjournalismus in Deutschland. (Foto: Zander & Labisch: Anton von Werner im Gespräch mit Adolph von Menzel, Berlin, 1900) In: Süddeutsche Zeitung. Auf: sueddeutsche.de, abgerufen am 29. Juli 2017.
  13. Berliner Fotografenateliers des 19. Jahrhunderts. Auf: berliner-fotografenateliers.de, abgerufen am 29. Juli 2017
  14. David Oels, Ute Schneider: „Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere“: Ullstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Walter de Gruyter, Berlin 2015. ISBN 978-3-11-038937-1, S. ?.
  15. Landesarchiv Berlin, A Rep. 342-02 Nr. 91 HR 13725 + 1940, Blattsammlung des Amtsgerichts, S. 2, 32.
  16. Bernd Weise: Fotografie in deutschen Zeitschriften, Teil: 1883–1923. (= Ausstellungsserie Fotografie in Deutschland von 1850 bis heute) Institut für Auslandsbeziehungen (Hrsg.), Stuttgart 1991, S. 26.
  17. Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Entschädigungsakte Nr. 311 451 Siegmund Labisch, fol. D 49.
  18. Ost und West – illustrierte Monatsschrift für das gesamte Judentum. Jg. 1905, Nr. 4, S. 265–268; Jg. 1905, Nr. 7-8, S. 457–478, 487–492.
  19. Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Abt. I. – Entschädigungsakte Nr. 41 205 Fa. Zander & Labisch oHG, fol. D 9–10.
  20. Anna Rosemann: Zander & Labisch (1895–1939) – Auf den Spuren einer bekannten Fotoagentur. In: Fotogeschichte, Heft 144 (2017). Auf: fotogeschichte.info, abgerufen am 29. Juli 2017.
  21. Christian Ferber: Die Dame – Ein deutsches Journal für den verwähnten Geschmack von 1912 bis 1943. Ullstein-Verlag, Frankfurt am Main u. Berlin 1980. ISBN 978-3-550-06585-9, S. 8.
  22. Andrea Bambi, Axel Drecoll: Alfred Flechtheim: Raubkunst und Restitution. Walter de Gruyter, Berlin 2015. ISBN 978-3-11-040484-5, S. 60–61.
  23. Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Abt. I. – Entschädigungsakte Nr. 41 205 Fa. Zander & Labisch OHG, fol. D 10–11.
  24. Rolf Sachsse: „Dieses Atelier ist sofort zu vermieten“. Von der „Entjudung“ eines Berufsstandes. In: Fritz Bauer Institut, Irmtrud Wojak, Peter Hayes (Hrsg.): Arisierung“ im Nationalsozialismus. Volksgemeinschaft, Raub und Gedächtnis. Campus Verlag, Frankfurt, New York 2000. ISBN 978-3-593-36494-0, S. 273, 284.
  25. Albert Zander & Siegmund Labisch. Auf: artnet.de, abgerufen am 29. Juli 2017.
  26. Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Abt. I. – Entschädigungsakte Nr. 41 205 Fa. Zander & Labisch oHG, fol. D 1–2, D 34.
  27. RGBl. I 1938, S. 1580.
  28. Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Abt. I. – Entschädigungsakte Nr. 41 205 Fa. Zander & Labisch oHG, fol. D 11.
  29. Labisch, Siegmund. In: Bundesarchiv. Auf: bundesarchiv.de, abgerufen am 29. Juli 2017.
  30. Hannah Ripperger: Porträts von Tilla Durieux: Bildnerische Inszenierung eines Theaterstars. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016. ISBN 978-3-8470-0634-3, S. 224.
  31. Theodor Fontane. Auf: uni-potsdam.de, abgerufen am 29. Juli 2017.
  32. Alexander Werner: Carlos Kleiber – Eine Biografie. Schott Music, 2013. ISBN 978-3-7957-0598-5, S. ?.
  33. Anfänge des Boulevardjournalismus in Deutschland. (Foto: Zander & Labisch: Anton von Werner im Gespräch mit Adolph von Menzel, Berlin, 1900) In: Süddeutsche Zeitung. Auf: sueddeutsche.de, abgerufen am 29. Juli 2017.
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