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Verfall (Recht)

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Der Verfall ist eine repressive Maßnahme des deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts. Er ist zu unterscheiden von der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung und der präventiven Gewinnabschöpfung durch Polizei und Ordnungsbehörden.

Strafrecht

Voraussetzungen und Umfang

Gemäß § 73 StGB wird der Verfall eines Vermögensvorteils angeordnet, wenn der Täter diesen aus einer rechtswidrigen Tat erlangt hat. Sinn dieser Vorschrift ist es, unrechtmäßig erlangten Vermögenszuwachs abzuschöpfen, also eine rechtswidrige Bereicherung zu beseitigen.[1] Der Verfall ist jedoch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keine Strafe, auch keine strafähnliche Maßnahme, sondern eine "Maßnahme eigener Art".[2]

Die Höhe des Verfalls richtet sich nach dem Bruttoprinzip. Das bedeutet, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat, für verfallen zu erklären ist (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB).[3] Ausnahmen ergeben sich aus der Härteklausel in § 73c StGB.

Der Verfall kann auch gegen denjenigen angeordnet werden, der nicht Täter, sondern Teilnehmer der rechtswidrigen Tat ist. Es muss außerdem kein schuldhaftes Handeln vorliegen, [4] da der Verfall keine Strafe darstellt. Der Rechtssatz "nulla poena sine culpa" (lat., keine Strafe ohne Schuld) ist daher nicht anwendbar.

Die Anordnung ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht möglich, wenn dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung den aus der Tat erlangten Vorteil beseitigen oder mindern würde. Möglich ist hier dann aber die Beschlagnahme des Gegenstandes als Rückgewinnungshilfe im Sinne des § 111b Abs. 5 StPO.

Ist ein bestimmter Gegenstand nicht mehr beschaffbar oder der Verfall aus einem anderen Grunde nicht möglich, so ist nach § 73a StGB sog. Wertersatz durch den Täter zu leisten. Damit soll verhindert werden, dass erlangte Vermögensvorteile veräußert oder verbraucht werden, um so dem Verfall zu entgehen. Den Umfang und den Wert kann das Gericht schätzen (§ 73b StGB). Über den Verfall hinaus ist der erweiterte Verfall (§ 73d StGB) zulässig. Dieser weist im Vergleich zum herkömmlichen Verfall zwei Unterschiede auf: 1. müssen die Verfallsobjekte nicht aus einer konkret abgeurteilten Tat stammen, sondern es genügen beliebige andere rechtswidrige Taten, soweit die Vorschrift nur auf den § 73d StGB verweist. 2. kann der erweiterte Verfall schon dann angeordnet werden, wenn nur die Umstände die Annahme rechtfertigen (es genügt eine konkrete Wahrscheinlichkeit)[5], dass der Täter oder Teilnehmer die betreffenden Gegenstände aus einer oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat.

Rechtsfolgen

Der Verfall bewirkt, dass das Eigentum an der Sache oder das verfallene Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat übergeht. Vor der Rechtskraft wirkt die Anordnung als Veräußerungsverbot im Sinne des § 136 des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 73e StGB).

Ordnungswidrigkeitenrecht

Durch § 29a OWiG wird die Verwaltungsbehörde bzw. das zuständige Gericht ermächtigt, gegen den Beteiligten, der eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, oder gegen einen Dritten, der aus der Ordnungswidrigkeit einen Vermögensvorteil hatte den Verfall anzuordnen. Der Verfall kann im Ordnungswidrigkeitenrecht nur ein Geldbetrag sein. Der Verfall von Sachen und Rechten ist aus Vereinfachungsgründen nicht vorgesehen.[6]
Praktische Anwendung findet der Verfall nahezu nur im Wirtschaftsrecht, es sind aber auch Fälle aus dem Gewässer- bzw. Umweltschutzrecht oder Arbeitsrecht denkbar. Im gewerblichen Straßenverkehr wird der Verfall ebenfalls angewandt. Vor allem das Handeln des Täters für einen Dritten als Nutznießer ist von praktischer Bedeutung. Andere Fälle sind extrem selten.[7] Der § 29a OWiG ist eine Kann-Bestimmung, die zuständige Behörde muss also innerhalb ihres Ermessensspielraumes unter Beachtung des Opportunitätsprinzipes über die Anordnung des Verfalls entscheiden.

Zweck der Vorschrift

Der Grund für den § 29a OWiG liegt in dem Willen des Gesetzgebers, den Nutzen aus einer ordnungswidrigen Tat abzuschöpfen, um vor allem im Wirtschaftsrecht eine eventuelle Chancenungleichheit mit gesetzestreuen Mitbewerbern auszuschließen. Hierbei sollen auch solche Fälle erfasst werden, in denen zur Abschöpfung des Vermögensvorteils kein Bußgeld verhängt werden konnte (z. B. wegen mangelnder Vorwerfbarkeit, oder weil der Nutznießer der Tat nicht Täter war). § 29a OWiG beugt also einer für den Gesetzgeber unbefriedigenden Gesetzeslücke vor.[8]

Voraussetzungen für die Anordnung

Der Verfall, als Nebenfolge, kann von der zuständigen Behörde nur unter Beachtung des Opportunitätsprinzips und in den Grenzen des § 29a OWiG angeordnet werden.[9] Dieses Ermessen erspart dem Gesetzgeber die Einführung einer Härtefallklausel analog zum § 73c StGB.[10]
Die bedeutet für die Anordnung des Verfalls im Einzelnen:

  • es wurde eine mit Geldbuße bedrohte Handlung (§ 1 OWiG)[11] begangen durch die ein Vermögensvorteil erzielt wurde und dieser kann nicht durch eine Geldbuße abgeschöpft werden (es wurde also wegen dieser Tat kein Bußgeld verhängt)
  • nur bei wirtschaftlich erheblichen (z. B. wenn das Wettbewerbsgefüge gestört wurde) Vorteilen
  • die Gefahr einer Wiederholung durch andere ist gegeben (Nachahmungstaten)
  • es besteht ein Bedürfnis für die Befriedung der Rechtsordnung
  • die Auswirkungen des Verfalls bedeuten für den Betroffenen keine unbillige Härte
  • der Aufwand für die Sachverhaltsermittlung und die Anordnung des Verfalls geht nicht über das erzielte Ergebnis hinaus[12]
  • es ist keine Abschöpfung des Nutznießers über ein Bußgeld wegen § 30 in Verbindung mit § 130 OWiG (Aufsichtspflichtverletzung) möglich (ein Angestellter hat zum Nutzen des Unternehmens eine OWi begangen).[13]

Höhe der Abschöpfung

Die Höhe der Abschöpfung richtet sich nach dem erlangten Vermögensvorteil und darf diesen nicht überschreiten, kann ihn aber im Ermessen der Behörde unterschreiten.[14] Für die Bemessung der Verfallshöhe ist der Vermögensvorteil, der unmittelbar aus dem Erfolg der Tat hervorgegangen ist, maßgeblich (z. B. ein Zinsgewinn aus der Anlage des Betrages oder ein Lottogewinn, wenn das Los mit dem Erlös der Tat gekauft wurde, sind nicht (!) zu berücksichtigen). [15] Wurde durch die Tat ein Gegenstand erlangt, so ist seine Wertsteigerung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung, aber nicht ein eventueller Wertverfall zu berücksichtigen.[16]

Hierbei gilt das Bruttoprinzip. Es können also keine Kosten, die für die Erlangung des unrechtmäßigen Vermögensvorteiles aufgewendet wurden, oder bei rechtmäßigem Verhalten hypothetisch entstandene Gewinne in Abzug gebracht werden. Dies ergibt sich aus der Formulierung „Etwas“, statt der alten Formulierung „Vermögensvorteil“, die mit dem AWStGB-ÄndG vom 28. Februar 1992[17] eingeführt worden ist. Der Bundesgerichtshof hatte allerdings schon vor der Gesetzesänderung die Anwendung des Nettoprinzips bei der Höhe von Verfallsanordnungen im OWi-Recht kritisiert.[18]

Bei der Bemessung des Verfallsbetrages ist zu berücksichtigen, ob der Vermögensvorteil noch vorhanden ist und ob auf den Betrag Ansprüche Dritter bestehen. Insbesondere ist zu beachten, dass es durch die Abschöpfung zu keinen Vermögensnachteilen Dritter (die z. B. Forderungen in den Geldbetrag haben) kommt.

Kann die genaue Höhe des Vermögensvorteiles nicht ermittelt werden, wird er von der zuständigen Behörde auf Grund der ihr vorliegenden Tatsachen geschätzt. Diese Schätzung ist für das eventuell später folgende Rechtsmittelverfahren zu belegen.[19]

Verfahren

Der Verfall wird in der Regel mit der Einstellungsverfügung des Bußgeldverfahrens angeordnet. In Fällen, in denen auf die Einleitung eines Verfahren verzichtet wurde, z. B. auf Grund des § 47 OWiG oder des § 170 StPO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 OWiG, kann er auch in einem selbständigen Verfahren angeordnet werden.[20]

Verjährung

Die Verjährung der OWi nach § 31 OWiG schließt auch die Anordnung des Verfalls aus. Zur Verjährungsunterbrechung gelten die § 32, § 33 OWiG analog.[21]

Einzelnachweise

  1. BGHSt 31, 145.
  2. BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02 S. 10 ff. mit abweichender Literaturmeinung
  3. BGH NStZ 1995, 491
  4. Joecks in Münchener Kommentar zum StGB, 1. Aufl. 2005, § 73 Rn. 12; Tröndle/Fischer, StGB, § 73 Rn. 12
  5. Rieß NJW 92, 493
  6. vgl. Göhler Rn. 4a zu § 29a OWiG
  7. vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, Rn. 3, Göhler Rn. 2.
  8. vgl. Göhler Rn. 1 zu § 29a.
  9. Göhler Rn. 2 f.
  10. vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, Rn. 14, Göhler Rn. 8.
  11. vgl. Göhler Rn. 8 zu § 1
  12. vgl. Göhler Rn. 8.
  13. vgl. Göhler Rn. 2, 15.
  14. vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, RNr. 5, Göhler RNr. 10.
  15. vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, Rn. 10, Göhler RNr. 5.
  16. vgl. KK-OwiG-Mitsch Rn. 42 f.
  17. BGBl. I S. 372.
  18. vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, Rn. 6, Göhler Rn. 4a.
  19. vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, Rn. 17, Göhler Rn. 11.
  20. vgl. Göhler, RNr 12, 13.
  21. vgl. Göhler, RNr. 14.

Literatur

  • Kommentare und Lehrbücher zum StGB und zum Allgemeinen Strafrecht
  • Hans Theile: Grundprobleme der strafrechtlichen Verfallsvorschriften nach den §§ 73 ff. StGB, ZJS 2011, 333, online (PDF; 130 kB).
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