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Trachtengeschäft Wallach

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Ecke Residenzstraße und Hofgraben

Das Trachtengeschäft Wallach („Julius Wallach, Haus für bäuerliche Kunst“ bzw. ab 1926 „Haus für Volkskunst und Tracht Wallach“) war ein früher in München sehr bedeutsames Trachtengeschäft der Brüder Julius und Moritz Wallach in der Residenzstraße 3.

Geschichte

Das ehemalige Volkstrachtengeschäft wurde im Jahr 1900 durch Julius Wallach (1874–1965) in der Lindwurmstraße 11 in München gegründet, der als begeisterter Bergsteiger und Trachtler nach München gezogen war. Er stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Bielefeld. Seine Brüder Moritz (1879–1964) und Max (1875–1944) zogen auch bald nach München und unterstützten das Unternehmen. Zum 100-jährigen Jubiläum des Oktoberfestes im Jahr 1911 kostümierten die Wallachs unentgeltlich den historischen Landestrachtenzug. Geehrt wurde Julius Wallach dafür mit dem Titel „Königlicher bayerischer Hoflieferant“. Und das Dirndlkleid, kurz vor 1900 als ursprünglich rein städtisches Modephänomen entstanden, wurde zum Massenphänomen nicht nur bei der Sommerfrische städtischer Eliten.[1][2]

1919 erwarben Moritz und Julius das ehemalige Palais in der Ludwigstraße 7 und ließen es zum „Volkskunst-Haus“ umbauen. Sie wollten die umfangreiche auf Reisen erworbene Volkskunstsammlung mit Keramik-, Glas-, Metall- und Holzarbeiten, Sandsteinplastiken, Möbeln und Textilien präsentieren sowie ihre neuesten Waren ausstellen. Der Baedeker empfahl den Besuch des musealen Handelshauses als neue Touristenattraktion. Der neue Verkaufszweig der Innenausstattung der Brüder Wallach erwies sich als äußerst lukrativ, jedoch machte sich die wirtschaftliche Rezession der 1920er-Jahre bemerkbar; 1926 wurde das Palais samt dem Großteil der Volkskunstsammlung versteigert. Julius Wallach zog sich mit seiner Familie an den Bodensee zurück und betrieb dort ein kleines Volkskunstgeschäft. Moritz Wallach errichtete im Eckgebäude Residenzstraße 3/Hofgrabenstraße ein neues „Haus für Volkskunst und Landestrachten“.[3] Am weiteren Durchbruch des Dirndls waren die Wallachs ebenfalls wieder beteiligt. Sie schneiderten 1930 die Bühnenkostüme für die Operette „Im weißen Rößl“, die ausgerechnet in Berlin zum Mega-Erfolg wurde und in der Folge das Dirndl europaweit zum modischen Renner machte.[4]

Stolperstein für Max Wallach in Dachau

1938 wurde das bekannte Geschäft zwangsweise „arisiert“, die Nazis zwangen die Familie Wallach dazu, ihren Laden zu einem Spottpreis an den Parteigenossen und Kunsthändler Otto Witte zu verkaufen.[5] Julius und Moritz Wallach gelang die Emigration in die Vereinigten Staaten. Der dritte Bruder Max Wallach war der technische Leiter der in den 1920er Jahren in Dachau gegründeten Wallach-Werke, die Stoffe und bayerische Trachten für das Trachtengeschäft seiner Brüder produzierten. Er und seine Frau Melly konnten nicht mehr ausreisen. Sie wurden enteignet und am 11. November 1938 aus der Stadt vertrieben. Bis etwa 1940 lebten sie bei Verwandten in Paderborn. Sie wurden von den Nationalsozialisten nach Theresienstadt deportiert und 1943 in Auschwitz ermordet.[6]

In der Nachkriegszeit erhielten die überlebenden Brüder Wallach ihr Geschäft im Jahr 1949 wieder zurück. Max Sedlmayer führte das Geschäft für die Wallachs weiter. Das „Haus für Volkskunst und Tracht Wallach“ ging 1996 in der Firma Loden-Frey auf und schloss endgültig 2004.[7] Nach der Schließung ist nun Diesel mit seinem Flagship Store dort, 2020 kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung um eine an die Wallachs erinnernde historische Tür, die trotz Denkmalschutz entfernt worden war.[8] In den letzten Jahren versuchen Nachkommen, die Erinnerung an das Trachtengeschäft Wallach in München wach zu halten.[9]

Weblinks

 Commons: Trachtengeschäft Wallach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Monika Ständecke. Dirndl, Truhen, Edelweiss: die Volkskunst der Brüder Wallach. [zur gleichnamigen Ausstellung des Jüdischen Museums München vom 27. Juni bis 30. Dezember 2007]. Jüdisches Museum, München, 2007, ISBN 978-3-9388-3220-2.

Einzelnachweise

  1. Heidi Hagen-Pekdemir: Bielefelder machten das Dirndl erst schick. In: Neue Westfälische, 30. September 2015.
  2. Gedenken an den 9. November 1938: Familie Wallach. 9. November 2022, abgerufen am 23. Juli 2023 (deutsch).
  3. Moritz und Julius Wallach. In: nordostkultur-muenchen.de. Abgerufen am 23. Juli 2023.
  4. Ingrid Loschek: Reclams Mode- und Kostümlexikon, 6. erweiterte und aktualisierte Auflage, Stuttgart 2011, S. 168.
  5. Mit Davidstern und Lederhose. Ein Märchen über die Wallach Brüder. In: www.mitdavidsternundlederhose.de. Abgerufen am 23. Juli 2023.
  6. Thomas Radlmaier: Beschlagnahmt und verschwunden. Süddeutsche Zeitung, 7. November 2018, abgerufen am 23. Juli 2023.
  7. Unternehmen: Münchener Trachtenspezialist Wallach schließt. In: TextilWirtschaft. 2004-10-06 (https://www.textilwirtschaft.de/business/news/Muenchener-Trachtenspezialist-Wallach-schliesst-26680).
  8. Wegen dieser Tür in München geht’s vor Gericht - Eigentümer wehrt sich gegen Wiederherstellung des historischen Eingangs. In: tz. 22. Juli 2020, abgerufen am 23. Juli 2023.
  9. Julia Wohlgeschaffen: Gedenken an das alte Trachtenhaus Wallach lebt auf – Urenkel spricht in der AZ: ‚Die Geschichte kannte ich nicht‘. In: AZ. 23. Juli 2023, abgerufen am 23. Juli 2023.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Trachtengeschäft Wallach aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.