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Stringtheorie

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Als Stringtheorie bezeichnet man eine Sammlung eng verwandter hypothetischer physikalischer Modelle, die Strings (englisch für Fäden oder Saiten) als fundamentale Objekte mit eindimensionaler räumlicher Ausdehnung verwenden. Das steht im Gegensatz zum gewohnten Modell des Elementarteilchens in Quantenfeldtheorien, das als nulldimensional wie ein mathematischer Punkt angenommen wird.

Stringtheorien wurden in den 1960er Jahren zur Beschreibung der starken Wechselwirkung (Quantenchromodynamik) verwandt, wobei die Gluonen als räumlich ausgedehnte Saiten zwischen den Quarks aufgefasst wurden. Seit den 1980er Jahren erlebte die Stringtheorie neues Interesse, diesmal als Kandidat einer vereinheitlichten Theorie, die das Standardmodell der Elementarteilchenphysik und die Gravitation miteinander verbinden soll. Ihre hauptsächliche Anwendung findet sie dabei in der supersymmetrischen Version der Stringtheorie (Superstringtheorie), die eine Symmetrie zwischen Bosonen und Fermionen beinhaltet. In den 1990er Jahren stellte sich heraus, dass die bis dahin bekannten Superstringtheorien, sowie die 11-dimensionale Supergravitation miteinander verbunden und Teil einer umfassenderen Theorie (M-Theorie genannt) sind, die auch höherdimensionale Objekte (Brane) umfasst. Eine experimentelle Bestätigung der Theorie fehlt bisher.

Überblick

Strings als Bausteine des Universums – eine Hierarchie.
(Vom makroskopischen Objekt zu Atomen, Kernen, Quarks bzw. Gluonen und „strings“)
Wechselwirkungen im subatomaren Bereich: Weltlinien von Punktteilchen im Standardmodell bzw. die analogen Weltflächen in der Stringtheorie

Im Gegensatz zum Standardmodell der Teilchenphysik sind bei der Stringtheorie die fundamentalen Bausteine, aus denen sich unsere Welt zusammensetzt, keine Teilchen im Sinne von Punkten (also nulldimensionalen Objekten), sondern vibrierende eindimensionale Objekte. Diese eindimensionalen Objekte werden Strings genannt (englisch für Fäden). Elementarteilchen kann man sich als Schwingungsanregung der Strings vorstellen, wobei die Frequenz nach der Quantenmechanik einer Energie entspricht.

In Weiterentwicklungen der Stringtheorie, den sogenannten Brane-Theorien, werden als Basisobjekte nicht nur eindimensionale (bzw. bei Einschluss der Zeit (1+1)-dimensionale) Strings angesehen, sondern auch höherdimensionale Objekte („Brane“[1] genannt) verwendet.

Die Stringtheorie umgeht die in der klassischen Quantenfeldtheorie auftretenden Probleme der Singularitäten und der zu ihrer Zähmung entwickelten Renormierungstheorie. Sie ergeben sich speziell für Punktteilchen aus ihrer Selbstwechselwirkung, die bei ausgedehnten z. B. eindimensionalen Objekten „verschmiert“ und damit abgemildert wird.

Durch Annahme dieser eindimensionalen Struktur der Strings treten automatisch viele erwünschte Eigenschaften einer eher fundamentalen Theorie der Physik hervor. Am meisten sticht hervor, dass jede Stringtheorie, die mit der Quantenmechanik vereinbar ist, eine Quantengravitation beinhalten muss, die ohne Strings bisher nicht konsistent beschrieben worden ist.

Die charakteristische Längenskala der Strings müsste in der Größenordnung der Plancklänge liegen, der Größe, ab der Effekte der Quantengravitation wichtig werden:

Auf viel größeren Längenskalen, wie sie heute in Laboratorien zugänglich sind, wären diese Objekte nicht von nulldimensionalen punktförmigen Partikeln zu unterscheiden. Trotzdem würden die Vibrationszustände und die Struktur dieser winzigen Strings sie als verschiedene Elementarteilchen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik erscheinen lassen. Zum Beispiel würde ein Schwingungszustand des Strings mit einem Photon assoziiert werden, ein anderer Zustand mit einem Quark. Diese vereinigende Wirkung der Stringtheorie ist eine ihrer größten Stärken, doch reproduziert noch keine bekannte Lösung dieser Theorie genau die Vielzahl von Teilchen, die das Standardmodell kennt.

In der Raumzeit überstreicht ein Partikel eine Linie, Weltlinie genannt: das Teilchen hat keine räumliche Ausdehnung, aber es bewegt sich entlang der „Zeit“. Ein String besitzt dagegen eine zweidimensionale Weltfläche („World Sheet“), da er auch räumlich eine eindimensionale Ausdehnung hat. Die Wechselwirkungen der Elementarteilchen, in der üblichen Quantenfeldtheorie der Punktteilchen mit Feynman-Diagrammen in der Raum-Zeit beschrieben, kann man sich durch „Verdickung“ dieser Feynman-Diagramme in einer Raumrichtung vorstellen (siehe das nebenstehende Bild).

Arten von Strings

Geschlossene und offene Strings

Strings können entweder offen oder geschlossen sein. Ein „geschlossener String“ besitzt keine Endpunkte und ist daher in seiner Topologie einem Kreis äquivalent. Ein „offener String“ hat zwei Enden und ist topologisch äquivalent zu einer kurzen Linie. Nicht alle Stringtheorien enthalten offene Strings, aber jede Theorie muss geschlossene Strings enthalten, da Wechselwirkungen offener Strings immer geschlossene erzeugen können.

Die älteste Stringtheorie, die offene Strings enthielt, war die Typ-1-Stringtheorie.

Mit offenen wie geschlossenen Strings sind immer charakteristische Schwingungsarten (Moden) verbunden. Eine bestimmte Vibration eines geschlossenen Strings kann als Graviton identifiziert werden. In gewissen Stringtheorien stellt die Schwingung mit der niedrigsten Energie eines offenen Strings ein Tachyon dar. Andere Schwingungsmoden offener Strings zeigen die Eigenschaften von Photonen oder Gluonen.

Orientierung

Strings können auch eine „Orientierung“ besitzen, die man sich als stringinternen Pfeil denken kann, der sie von Strings mit der entgegengesetzten Orientierung unterscheidet. Im Gegensatz dazu gibt es auch den „nicht-orientierten String“, dem kein solcher Pfeil zugewiesen werden kann.

Historische Entwicklung

Kompaktifizierung (zur Veranschaulichung auf die Schnittpunkte der Achsen reduziert)
Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten ersetzen die im vorherigen Bild dargestellten braunen „Haselnüsse“. Sie sind bereits detailliert in der Mathematik untersucht worden, bevor die Physiker sie in der Stringtheorie zur Beschreibung der Zusatzdimensionen einsetzten.

Ursprünglich war die Entdeckung der Strings (als „duale Modelle“) eine Formel von Gabriele Veneziano 1968 im Rahmen der Streumatrix-Theorie stark wechselwirkender Teilchen. 1970 gaben Yōichirō Nambu, Holger Bech Nielsen und Leonard Susskind eine Interpretation in Form von eindimensionalen Strings. Zunächst nur für Teilchen mit ganzzahligem Spin (Bosonen) formuliert, folgte schon bald 1971 die Beschreibung von Teilchen mit halbzahligen Spin (Fermionen) im Stringmodell durch Andre Neveu, John Schwarz und Pierre Ramond. Daraus ergab sich im Laufe der 1970er Jahre die Einsicht, dass in den Stringmodellen Supersymmetrie zwischen Bosonen und Fermionen bestehen muss. Anfangs bestand die Hoffnung, mit Strings die starke Wechselwirkung zu beschreiben, doch die Entdeckung, dass die Quantentheorie der Strings nur in 26 Dimensionen (Bosonen-String) bzw. zehn Dimensionen (Superstring) möglich ist, versetzte der Theorie um 1974 zunächst einen Dämpfer. Durch die Arbeit von Joel Scherk u. a. wurde jedoch bald darauf klar, dass eine Superstring-Theorie als Kandidat für eine vereinheitlichte Theorie der Naturkräfte inklusive der Gravitation in Frage käme. Die Gravitation ergibt sich bei geschlossenen Strings automatisch als masselose Spin-2-Anregung, die übrigen bekannten Naturkräfte (alles Eichtheorien) entsprechen masselosen Spin-1-Bosonenanregungen. Die zusätzlichen Dimensionen müssten dann auf irgendeine Weise „zusammengerollt“ (kompaktifiziert) werden, wie schon bei den seit den 1930er Jahren bekannten Kaluza-Klein-Theorien (siehe Kaluza-Klein-Kompaktifizierung).

1984 entdeckten Michael Green und John Schwarz, dass sich in Superstringtheorien die Ein-Schleifen-Divergenzen in der Störungstheorie nur bei ganz bestimmten Symmetriegruppen (der Drehgruppe in 32 Dimensionen SO(32) und der speziellen Lie-Gruppe E8) aufheben. Außerdem wurde bei diesen Symmetrien das Auftreten von „Anomalien“ vermieden, das heißt ein Symmetriebruch aufgrund quantenmechanischer Effekte (bestimmten Wechselwirkungsdiagrammen). Dies führte zu einer Neubelebung der Theorie und einer ganzen Reihe weiterer Entdeckungen (sogenannte „Erste Superstring-Revolution“). Sie zeigten nämlich, dass die Theorie für die Eichtheorien, die im Niedrigenergie-Grenzfall der Stringtheorie das Teilchenspektrum beschreiben, erhebliche Einschränkungen ergibt. Außerdem konstruierten Green und Schwarz explizit die ersten Superstringtheorien, deren Existenz vorher nur vermutet worden war.

Um nach der „Kompaktifizierung“ (dem „Einrollen“) der Extra-Dimensionen ein realistisches Modell der Elementarteilchen in den beobachtbaren 4 Dimensionen zu bekommen, folgerten Edward Witten u. a. außerdem eine Reihe von Einschränkungen für die Kompaktifizierungs-Mannigfaltigkeit (bevorzugt wurden sogenannte Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten).

Zunächst bestand die Hoffnung, auch hier stark einschränkende Prinzipien zu finden, doch entdeckte man im Laufe der 1980er Jahre, dass dies nicht der Fall war und die Theorie Raum für eine sehr hohe Zahl möglicher „Vakua“ gab.

Als Kandidaten für die Superstring-Theorien ergaben sich in den 1980er Jahren folgende fünf Theorien:

  • Die Typ-I-Stringtheorie, mit offenen Enden der Strings (aber Ankopplung an geschlossene Strings durch Kontakt der Enden, entsprechend gravitativer Wechselwirkung) und der Symmetrie SO(32) mit Ladung an den Enden.
  • Die Typ-IIA- und die Typ-IIB-Stringtheorie, mit geschlossenen Strings; in Typ II A haben die masselosen Fermionen beide Händigkeiten (links/rechts), in II B nur eine Händigkeit (Chiralität).
  • Zwei Varianten der heterotischen Stringtheorie, geschlossene Strings, die unter Bezug auf ihre Symmetriegruppen E8xE8 bzw. SO(32) gelegentlich als E-heterotische und O-heterotische Stringtheorie bezeichnet werden. Sie wurden vom „Princeton-String-Quartett“ um David Gross gefunden. In ihnen werden rechts- und linkshändige Moden (RH, LH) durch unterschiedliche Theorien beschrieben: RH durch eine 10-dimensionale Superstringtheorie (Beschreibung von Bosonen und Fermionen), LH durch eine 26-dimensionale bosonische Stringtheorie, die aber zu 10 Dimensionen kompaktifiziert, wobei die Eichfeld-Ladungen entstehen, E8×E8 bzw. SO(32).

Edward Witten vermutete 1995, dass die verschiedenen Stringtheorie-Typen verschiedene Approximationen einer umfassenderen Theorie, der M-Theorie, sind. Es ist noch keine vollständige und einheitliche Formulierung dieser Theorie gelungen, sie ist aber Gegenstand intensiver Forschung. Argumente dafür, dass es sich bei diesen Theorien um Aspekte einer einzelnen Theorie handelt, wurden durch Aufzeigen von Dualitäten zwischen den einzelnen Stringtheorien erbracht, das heißt, es wurde gezeigt, dass sie das gleiche System, nur z. B. im Bereich verschieden starker Kopplungskonstanten, beschreiben. Ähnliche Dualitäten wurden auch für verschiedene Lösungen („Vakua“, das heißt Grundzustände) der Stringtheorie gefunden. Dies war die sogenannte „Zweite Superstring-Revolution“, die zu einer Neubelebung der damals wieder etwas stagnierenden Theorie Mitte der 1990er führte.

Ein interessantes Ergebnis dieser Vereinigung der Teiltheorien war, dass die elfdimensionale Supergravitation, die davor etwas in die Isolation geraten war, als weiterer Grenzfall der M-Theorie erkannt wurde. Diese enthält aber keine Strings, sondern ist eine Teilchen-Approximation von 2- und 5-dimensionalen Branen. Das verdeutlicht, dass eine allgemeine Stringtheorie mehr beschreibt als nur eindimensionale Strings, und in der Tat hat sich Ende der 1990er Jahre gezeigt, dass höherdimensionale Branen (D-Branes) eine wichtige Rolle in der Stringtheorie spielen (Joseph Polchinski).

Die Stringtheorie hat sich über die Jahre zu einem sehr aktiven Forschungsgebiet mit einer großen Anzahl von Veröffentlichungen pro Jahr entwickelt, was seinen Niederschlag unter anderem darin findet, dass einige beteiligte Forscher (insbesondere Edward Witten) zu den meistzitierten[2] Wissenschaftlern der gesamten Physik gehören.

Experimentelle Überprüfung

Gemäß der Stringtheorie gibt es ein Vibrationsspektrum von unendlich vielen Schwingungsmodi, welche aber viel zu hohe Massen (Energien) haben, um direkt beobachtet werden zu können.[3] Berücksichtigt man zudem die geringe Ausdehnung der Strings in der Größenordnung der Planck-Länge, so bedeutet das, dass die Vibrationsmodi Massen besitzen, die ein Vielfaches von ca. 1019 GeV betragen. Das liegt um viele Größenordnungen über dem, was man heute beobachten kann; ein direkter Nachweis dieser Vibrationsmodi ist deshalb nicht möglich. Stattdessen versucht man für die Stringtheorie spezifische Eigenschaften für die niedrigenergetischen, im Vergleich zur Planckmasse fast „masselosen“ Anregungen zu finden. Dazu müsste man aber den Kompaktifizierungsmechanismus von 10 oder 11 zu 4 Dimensionen – oder von der Planckmasse von 1019 bis zur W-Bosonenmasse von ca. 80 GeV oder der Protonmasse von ca. 1 GeV – in der Stringtheorie besser verstehen, was bisher nicht der Fall ist. Trotzdem gibt es bereits eine Fülle diskutierter Lösungen für den beobachtbaren Niedrigenergiesektor in 4 Raum-Zeit-Dimensionen.

Allgemein wird aber eine mögliche Entdeckung der Supersymmetrie in den gerade laufenden Experimenten (z. B. mit dem Large Hadron Collider (LHC)) als Unterstützung der Stringtheorie angesehen. Allerdings gibt es auch für den Mechanismus der Supersymmetrie-Brechung bei den Stringtheoretikern bisher keine Übereinstimmung. Als eine weitere Möglichkeit zur Überprüfung der Stringtheorie wurden von Gary Shiu mögliche Hinweise auf die Kompaktifizierung der Extradimensionen in der kosmischen Hintergrundstrahlung diskutiert, wozu die bisher genauesten Daten aus dem Planck-Weltraumteleskop 2012 vorliegen sollen.[4] [5][6]

Rezeption

Die Stringtheorie hat im Laufe ihrer Entwicklung ein erhebliches Echo in verschiedenen Medien, vielfach in Form populärwissenschaftlicher Literatur, hervorgerufen.[7] In der jüngeren Vergangenheit wurden auch Bücher und Zeitungsartikel veröffentlicht, in denen die Stringtheorie negativ bewertet wird.[8] Dabei argumentieren die Autoren, die Stringtheorie mache keine falsifizierbaren Aussagen und sei damit nach der gängigen wissenschaftstheoretischen Auffassung keine wissenschaftliche Theorie. Der Stringtheoretiker Edward Witten vertritt die Ansicht, dass Supersymmetrie eine falsifizierbare Vorhersage der Stringtheorie sei, wodurch die Kritik entkräftet würde.[9] Hierbei sei jedoch noch angemerkt, dass auch viele weitere Theorien supersymmetrisch sind (z.B. MSSM), weshalb dies keine besondere Eigenschaft der Stringtheorie darstellt, die sie von anderen Theorien abhebt.

Literatur

Populärwissenschaftliche Bücher

Lehrbücher

Populärwissenschaftliche Kritik

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Stringtheorie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Nach der englischen Endung von Membran, mit Anklang an das englische Wort „brain“ für Gehirn. Zuerst wurden zweidimensionale Objekte diskutiert, D-Branes, das D steht für Dirichlet-Randbedingung.
  2. z.B. mit dem H-Index gemessen
  3. Siehe z. B. den Artikel von Jan Louis: Die vielen Saiten der Stringtheorie. In: Physik Journal. Band 7, 2008, Nr. 6, S. 29–35
  4. http://www.esa.int/SPECIALS/Planck/SEMF2FRZ5BG_0.html
  5. http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,483305,00.html
  6. Gary Shiu, Bret Underwood: Observing the Geometry of Warped Compactification via Cosmic Inflation. in: Physical Review Letters, Band 98, 2007,051301
  7. Beispiele:
  8. Beispiele:
  9. Interview mit Witten bei PBS
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