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Souveränität
Unter dem Begriff Souveränität (frz. souveraineté, aus lat. superanus, „darüber befindlich, überlegen“) versteht man in der Rechtswissenschaft die Fähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person zu ausschließlicher rechtlicher Selbstbestimmung. Diese Selbstbestimmungsfähigkeit wird durch Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Rechtssubjektes gekennzeichnet und grenzt sich so vom Zustand der Fremdbestimmung ab. In der Politikwissenschaft versteht man darunter die Eigenschaft einer Institution, innerhalb eines politischen Ordnungsrahmens einziger Ausgangspunkt der gesamten Staatsgewalt zu sein. Geprägt wurde der Begriff im 16. Jahrhundert durch die Absolutismuslehre des französischen Staatsphilosophen Jean Bodin.
Begriffsgeschichte
In seiner Schrift Sechs Bücher über den Staat definiert Jean Bodin (1529/1530–1596) den Begriff Souveränität als die höchste Letztentscheidungsbefugnis im Staat. Nach Bodins Konzeption der absoluten Herrschaft sollte diese Befugnis stets nur der Person des Königs zukommen, prinzipiell unteilbar sein und es dem Herrscher ermöglichen, Recht auch gegen den Willen der Untertanen verbindlich setzen zu können.
Bodins Forderung nach einer höchsten und letztverantwortlichen Herrschergewalt stand in direktem Zusammenhang mit den konfessionellen Bürgerkriegen in Frankreich, durch die Bodin die Fähigkeit des Staates zu friedlicher Konfliktbewältigung gefährdet sah. Einzig die unbeschränkte Konzentration aller rechtlichen und physischen Staatsgewalt in den Händen des Königs konnte nach Bodin Sicherheit und Frieden im Lande garantieren. Bodin kann somit als Vordenker des staatlichen Gewaltmonopols verstanden werden.
In Bezug auf die Staatsgewalt des frühneuzeitlichen deutschen Reichs sprach man in Gelehrtenkreisen, in Abwandlung Bodins Thesen, zeitweilig von einer doppelten oder dualen Souveränität, wobei dann die irgendgeartete Aufteilbarkeit der höchsten Gewalt angenommen werden musste.
Souveränität im Völkerrecht
Im Völkerrecht wird Souveränität als die grundsätzliche Unabhängigkeit eines Staates von anderen Staaten (Souveränität nach außen) und als dessen Selbstbestimmtheit in Fragen der eigenen staatlichen Gestaltung (Souveränität nach innen) verstanden. Diese äußere Souveränität eines Staates besteht somit in seiner Völkerrechtsunmittelbarkeit, während seine innere Souveränität (→ Volkssouveränität) umgekehrt durch die Fähigkeit zu staatlicher Selbstorganisation bestimmt wird; die äußere Souveränität wird in Analogie dazu zur Staatssouveränität.
In der modernen Staatenwelt ist die ursprünglich von Jean Bodin mit Souveränität gemeinte Idee von der völligen Unabhängigkeit des Staates, über seine inneren und äußeren Belange zu bestimmen, an ihre Grenzen gestoßen. Die äußere Souveränität der Staaten im klassischen Sinn wurde durch den stetig wachsenden Einfluss des internationalen Systems von zwischenstaatlichen und supranationalen Organisationen sowie durch die vergrößerte politische und wirtschaftliche Interdependenz der Staaten immer mehr geschwächt. Im selben Zuge erhielten die Staaten die Möglichkeit, mit gleichrangigen Staaten die internationale Politik zu gestalten. Dabei haben sie Teile ihrer Herrschaftsmacht an supranationale Organisationen wie die Europäische Union (EU) oder EURATOM delegiert. Teilweise haben sie sich auch zu einer Gemeinschaftsmethode verpflichtet, wonach sie auf bestimmten Feldern ihre Politik nur gemeinsam entwickeln. Ihre Souveränität wurde dadurch zwar begrenzt, aber keineswegs aufgehoben. Diese Beschränkung der Souveränität dehnt sich sogar auf Nichtmitglieder der EU aus: Die Schweiz besitzt als Nichtmitglied noch immer die Möglichkeit, ihr Recht unabhängig von der EU zu gestalten. In der Praxis wird der Gesetzgeber jedoch aus wirtschaftlichen und handelspolitischen Gründen oft dazu gezwungen, seine Rechtsetzung derjenigen der Europäischen Union anzugleichen. In diesem Zusammenhang spricht man in der Schweiz vom „autonomen Nachvollzug“.
Insbesondere außerhalb der global vernetzten Zentren des Nordens gerät die absolute Interpretation von Souveränität immer mehr unter Druck. Während die Zwänge des Welthandelssystems und die Konditionalitäten der Bretton-Woods-Institutionen, aber auch der Entwicklungszusammenarbeit noch durch den betroffenen Staat akzeptiert werden müssen, verletzen internationale Interventionen gegen den Willen des Staates dessen Souveränität direkt. Im internationalen Diskurs um Responsibility to Protect wird daher seit einiger Zeit versucht, Souveränität neu zu definieren: nicht mehr als absolutes Abwehrrecht eines Staates, sondern als Verpflichtung, für den Schutz seiner Bürger zu sorgen. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, gehe die Verantwortung auf die internationale Staatengemeinschaft über. Das Konzept der Schutzverantwortung wurde von 150 UN-Mitgliedstaaten im Schlussdokument der UN-Vollversammlung 2005 akzeptiert und gilt als sich entwickelndes internationales Recht.
Einen wichtigen Streitpunkt in der Rechtswissenschaft bildet hier die Unterscheidung in äußere und innere Souveränität des Staates an sich: Während diese von einem Großteil der Rechtswissenschaftler als notwendig erachtet wird, gehen die Vertreter der monistischen Rechtslehre von der prinzipiellen Einheit der Staatssouveränität aus.
Das Gegenstück zur staatlichen Souveränität im völkerrechtlichen Sinne ist die frühneuzeitliche Rechtsfigur der Suzeränität.
Souveränität im Staatsrecht
Der Begriff Souveränität, deutsch auch „Staatshoheit“, wird im innerstaatlichen Recht und in der politischen Theorie verwendet, um die oberste Kompetenz zur Machtausübung im Innern eines Staates zu bezeichnen. Staatshoheit heißt also „Staatsgewalt innehalten“.
In Staaten, in denen diese Kompetenz nur einer einzigen Person zukommt, wird von einem Souverän gesprochen, während in demokratischen Staatsformen von der Volkssouveränität die Rede ist. Diese bezieht sich in aller erster Linie auf die Eigenschaft des Volkes als verfassunggebende Gewalt, vermittels derer das Volk über die Staatsform und über andere Staatsgrundsätze bestimmt. Zudem muss die Staatsgewalt nach dem Prinzip der Volkssouveränität durch das Volk in Wahlen und Abstimmungen legitimiert werden; alle Staatsgewalt muss vom Volk ausgehen (Volkssouveränität zum Beispiel in Deutschland: Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG, in Österreich: Art. 1 B-VG).
Der Begriff der Souveränität ist im staatsrechtlichen Sinne vor allem bei der Definition des Staatsbegriffes unklar: In der „klassischen“ Drei-Elemente-Lehre Georg Jellineks wird die Souveränität lediglich als Eigenschaft der Staatsgewalt verstanden, die in einem Staat nicht zwingend vorliegen muss. Vor allem in der Völkerrechtspraxis, wie etwa in der Konvention von Montevideo aus dem Jahr 1933, kann die Souveränität der Staatsgewalt jedoch zum zwingenden Definitionsmerkmal der Staatlichkeit werden.
Souveränität und Föderalismus
Da auf einem bestimmten Gebiet und über ein bestimmtes Volk immer nur ein Gemeinwesen souverän sein kann, dient der Begriff der Souveränität auch zur Unterscheidung von Bundesstaaten und Staatenbünden: Bei Staatenbünden liegt die staatliche Souveränität immer noch bei den einzelnen Staaten. Bei der Gründung eines föderalen Gesamtstaates hingegen geben die nachmaligen Gliedstaaten – wie etwa in Deutschland und Österreich die Länder/Bundesländer, in der Schweiz die Kantone oder in den USA die Bundesstaaten (states) – ihre Souveränität teilweise an den Bund ab. Dies äußert sich insbesondere dadurch, dass im Bundesstaat der Bund die sogenannte Kompetenz-Kompetenz (oder auch Kompetenzhoheit) besitzt. Diese ermöglicht es ihm, die Kompetenzen zur Wahrnehmung neuer Staatsaufgaben aus seiner eigenen Machtfülle heraus an sich zu binden. Die Gliedstaaten können die Erfüllung von Staatsaufgaben nur in dem Maße selbst leisten, wie ihnen die dafür nötigen Kompetenzen vom Bund zugestanden werden. In Staatenbünden hingegen entscheiden die einzelnen Staaten, ob sie dem Bund Kompetenzen überlassen wollen.
Nichtsdestoweniger ist das Verhältnis der Souveränität zum Föderalismus von begrifflichen Spannungen geprägt: Die Souveränität als Letztentscheidungsbefugnis der Staatsgewalt wurde von Jean Bodin ausschließlich für einen vollkommen zentral organisierten Staat konzipiert und könnte dem Dualismus von Entscheidungszentren, der den Föderalismus kennzeichnet, begrifflich widersprechen.
Der im Grundgesetz verankerte Föderalismus in Deutschland sichert den Bundesländern ein hohes Maß an Eigenstaatlichkeit, zu dessen Kern die Kulturhoheit zählt und weshalb der Aufbau der Landesverwaltung jedem Land selbst überlassen ist. Eine zentrale Norm der Eigenstaatlichkeit bildet der Artikel 30. Außer eigenen staatlichen Kompetenzen garantiert das Grundgesetz in den Artikeln 70 bis 75, 83 bis 87 sowie 23 und 50 den Ländern die Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union.
Siehe auch
Literatur
- Friedrich Balke: Figuren der Souveränität, Wilhelm Fink Verlag, München 2009, ISBN 978-3-7705-4449-3. (Die Untersuchungen spannen einen Bogen, der von den klassischen Texten der antiken politischen Philosophie über die frühneuzeitlichen Souveränitätslehren bis hin zur politischen Ontologie Martin Heideggers reicht.)
- Thomas Fischer: Die Souveränität der Schwachen. Lateinamerika und der Völkerbund, 1920–1936 (= Beiträge zur Europäischen Überseegeschichte, Bd. 98). Steiner Verlag, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-515-10077-9.
- Dieter Grimm: Souveränität. Herkunft und Zukunft eines Schlüsselbegriffs. Berlin University Press, Berlin 2009, ISBN 978-3-940432-60-5.
- Stephan Hobe/Otto Kimminich: Einführung in das Völkerrecht, 8. Aufl., Tübingen/Basel 2004, S. 36 f.
- Quirin Weber: Parlament – Ort der politischen Entscheidung? Legitimationsprobleme des modernen Parlamentarismus – dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland. Basel 2011, ISBN 978-3-7190-3123-7.
Weblinks
- Thomas Maissen, Andreas Kley: Souveränität im Historischen Lexikon der Schweiz
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