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Reichsstelle für Sippenforschung

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Die Reichsstelle für Sippenforschung, Ende 1940 in Reichssippenamt umbenannt, war in der Zeit des Nationalsozialismus eine Dienststelle des Reichsinnenministeriums, die in Zweifelsfällen darüber entschied, ob im sogenannten Ariernachweis die „arische Rassenzugehörigkeit“ bescheinigt wurde.

Sachverständiger für Rasseforschung

Die Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 11. April 1933 bestimmte, dass der Nachweis einer arischen Abstammung zu erbringen sei.[1] Dazu mussten ein Fragebogen ausgefüllt und die Geburtsurkunde, die Geburts- oder Taufurkunden der Eltern und Großeltern sowie die Heirats- oder Trauurkunden der Eltern und Großeltern beigebracht werden. Nur beglaubigte Auszüge aus Standesregistern oder Kirchenbüchern wurden anerkannt.[2] Die Beamten mussten die erforderlichen Unterlagen binnen vierzehn Tagen beim Behördenleiter einreichen. Konnten sie die erforderlichen Urkunden nicht beibringen, dann mussten sie zum Beweis ihrer ernsthaften Bemühungen den Briefwechsel der von ihnen angeschriebenen Pfarr- und Standesämter vorlegen.[3] Für Zweifelsfälle sollte dann die Dienststelle des „Sachverständigen für Rasseforschung“ beim Reichsinnenministerium in Berlin zu Rate gezogen werden, die auch Hinweise für weitere Nachforschungen geben konnte.

Bei Adoptionen, unehelichen Geburten und in allen Zweifelsfällen hatte der Behördenleiter die Entscheidung des Fachministers oder der Aufsichtsbehörde einzuholen, die ihrerseits ein Gutachten des „Sachverständigen für Rasseforschung“ im Reichsministerium des Inneren anforderten. Diese Dienststelle mit rund 60 Mitarbeitern leitete Achim Gercke, bis dieser im März 1935 unter dem Vorwurf entlassen wurde, er habe Kontakte zu homosexuellen Kreisen.

Reichsstelle für Sippenforschung

Seit Mitte März 1935 wurde die Dienststelle unter der neuen Bezeichnung „Reichsstelle für Sippenforschung“ von Kurt Mayer geleitet, der zugleich „Reichsamtsleiter des Amtes für Sippenforschung der NSDAP“ wurde.

Da mit den Nürnberger Gesetzen der Nachweis „einer deutschen oder artverwandten Abstammung“ bei Eheschließungen nach dem Reichsbürgergesetz auch für den Erwerb des Reichsbürgerrechts und die Berufsausübung wichtig wurde, stieg die Anzahl der Anträge beträchtlich. Die notwendigen Unterlagen wurden in der Regel von Parteidienststellen und Bürgermeistern geprüft. In Zweifelsfällen war die Reichsstelle einzuschalten, die Angaben überprüfte oder Wege aufzeigte, wie fehlende Dokumente aufzuspüren waren.

Der so genannte „große Abstammungsnachweis“, der für eine Mitgliedschaft in der NSDAP, für einen Hochschulabschluss oder für Schriftleiter sowie Erbhofbauern Grundvoraussetzung war, wurde durch eine urkundlich beglaubigte Ahnentafel beigebracht, die bis zum Jahre 1800 zurückreichen musste. Für den „kleinen Abstammungsnachweis“ wurde nur die Rassezugehörigkeit der Großeltern erforscht. Bei ungeklärten Familienverhältnissen, außerehelichen Geburten und in allen Zweifelfällen entschied die Reichsstelle, die dazu im Laufe der Zeit mehrere tausend „erb- und rassebiologische Gutachten“ von Universitätsinstituten anforderte. [4]

Seit November 1933 befand sich auch die Ahnenstammkartei des deutschen Volkes in der Reichsstelle. Die Sammlung der Ahnenlisten und die Ahnenstammkartei gewannen ihre Bedeutung aber erst durch die Daten, die vor 1800 liegen. Sie fielen aus dem Rahmen der Reichsstelle heraus. Schon im Frühjahr 1935 bezweifelte deshalb eine Kommission des Reichsrechnungshofs die Notwendigkeit, dass die Ahnenstammkartei bei der Reichsstelle angesiedelt sei und von ihr mitfinanziert würde. Da sich auch nach einer Besichtigung der Ahnenstammkartei durch den Reichsführer SS Heinrich Himmler am 11. Februar 1938 die finanzielle Situation nicht verbesserte, erfolgte am 5. April 1939 der Umzug der Karteiabteilung zurück nach Dresden, in die Kanzlei des Vereins "Deutsche Ahnengemeinschaft".[5]

Zu den Aufgaben der „Reichsstelle“ gehörten auch die Sicherung von alten Kirchenbüchern, die Förderung der Sippenforschung sowie die Auswertung jüdischer Personenstandsregister. Dabei kam es zur erzwungenen Zusammenarbeit mit der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, deren Personal das Archiv fallweise nach verfänglichen Unterlagen durchsuchen musste.[6]

Die Reichsstelle wurde am 12. November 1940 in „Reichssippenamt“ umbenannt. (Die Gründung eines Amtes mit dieser Bezeichnung hatte 1920 Bernhard Koerner im Vorwort des 32. Bandes des Deutschen Geschlechterbuches erstmals gefordert.) Bis dahin hatte die Reichsstelle, die bis zu 125 Mitarbeiter beschäftigte, schon über 112.000 Abstammungsbescheide ausgestellt.[7]

Literatur

  • Andreas Rett, Horst Seidler: Das Reichssippenamt entscheidet. Rassenbiologie im Nationalsozialismus, Jugend und Volk Wien 1982, ISBN 3-224-16508-1.
  • Diana Schulle: Das Reichssippenamt. Eine Institution nationalsozialistischer Rassenpolitik. Diss. 1999, Berlin 2001, ISBN 3-89722-672-3
  • Alexandra Przyrembel: Rassenschande. Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus. Göttingen 2003, ISBN 3-525-35188-7
  • Eric Ehrenreich. The Nazi Ancestral Proof: Genealogy, Racial Science, and the Final Solution. Bloomington, IN: Indiana University Press, 2007. ISBN 978-0-253-34945-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. siehe VO zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums - §3(2)
  2. Diana Schulle: Das Reichssippenamt. Eine Institution nationalsozialistischer Rassenpolitik. Berlin 2001, ISBN 3-89722-672-3, S. 65.
  3. Diana Schulle: Das Reichssippenamt... ISBN 3-89722-672-3, Seite 86.
  4. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, ISBN 3-423-33007-4, S. 346.
  5. Der Verein "Deutsche Ahnengemeinschaft" 1921 bis 1967, Teil I: 1921 bis 1945. Genealogie 55. Jg. (2006) 1-14
  6. Alexandra Przyrembel: "Rassenschande"... ISBN 3-525-35188-7, S. 108f.
  7. 170 Mitarbeiter nach Enzyklopädie des Nationalsozialismus, ISBN 3-423-33007-4, S. 694 / Schulle, S. 168, zieht die zum Wehrdienst eingezogenen ab.
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