Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Radio Free Europe

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Das Zielgebiet von RFE/RL

Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL; deutsch Radio Freies Europa) ist ein vom US-amerikanischen Staat gegründeter und finanzierter Rundfunkveranstalter, der Hörfunkprogramme in 28 osteuropäischen, vorderasiatischen und zentralasiatischen Sprachen produziert; diese Programme werden hauptsächlich auf Kurzwelle ausgestrahlt.

Die vom Kongress der Vereinigten Staaten finanzierte Anstalt untersteht der United States Agency for Global Media (USAGM, bis August 2018 Broadcasting Board of Governors, BBG)[1] und hat ihren rechtlichen Sitz in Wilmington (Delaware) mit Hauptgeschäftsstelle in Prag.[2] Betreiber der Sendeanlagen ist das International Broadcasting Bureau (IBB), das für die Ausstrahlung aller staatlichen Auslandssendungen der USA verantwortlich ist. RFE/RL hat nach eigenen Angaben das Ziel, Hörern in den ehemals kommunistisch regierten Ländern demokratische Werte zu vermitteln, und das Menschenrecht auf freien Nachrichtenzugang zu ermöglichen.[3]

Bis 1995 war RFE/RL in München angesiedelt und wurde dann nach Prag verlegt.[4] Es war ein wichtiges Instrument, um Rundfunkhörer im Herrschaftsbereich der Sowjetunion mit Informationen aus dem Westen zu versorgen. Der Öffentlichkeit wurde zunächst suggeriert, RFE/RL sei privat finanziert. Tatsächlich stammte bis Anfang der 1970er-Jahre ein Großteil des Budgets vom US-Auslandsgeheimdienst CIA.[5] Die Sowjetunion und ihre Verbündeten sahen RFE als feindliches Propagandainstrument, weshalb eine Reihe von Geheimdienstaktionen gegen Mitarbeiter und Einrichtungen durchgeführt wurden. Kritiker sehen RFE/RL noch heute als Propaganda-Organisation an;[6] 2018 geriet RFE/RL beispielsweise in Kritik, da es womöglich gegen das Smith-Mundt-Gesetz verstieß, welches der US-amerikanischen Regierung verbietet, Auslandspropaganda an die eigene Bevölkerung zu richten.[7]

Geschichte

Ehemaliges Gebäude des Föderalparlaments am Wenzelsplatz in Prag, Sitz des Radios bis 2008

Radio Free Europe wurde vom Nationalkomitee für ein freies Europa unter John Jay McCloy, Allen Welsh Dulles und Charles Douglas Jackson gegründet. Auf der Gründerliste standen außerdem der Großindustrielle Henry Ford II und Nelson Rockefeller. Die Station nahm ihren Sendebetrieb 1950 von ihrer Hauptgeschäftsstelle in München aus auf. Am 1. Mai 1951 begannen die regelmäßigen Sendungen für die Tschechoslowakei (KW Biblis, MW Holzkirchen).[8] Radio Free Europe wandte sich an Hörer in mittel- und osteuropäischen Ländern außerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Das Amerikanische Komitee für die Befreiung der Völker Russlands folgte dem Vorbild von Radio Free Europe und gründete im Jahr 1953 die Schwesterstation Radio Liberation, die zunächst Sendungen in russischer Sprache vom KW-Senderstandort Lampertheim ausstrahlte. Eine fernmelderechtliche Genehmigung für den Betrieb der Sender wurde von westdeutscher Seite bei Ende des Besatzungsstatuts 1955 erteilt und 1978 erneuert.[9] 1953 wurde im Auftrag der USA im Osten des Schleißheimer Flugplatzes ein Teil abgetrennt und für RFE/RL für die Errichtung eines Bungalows als Monitorstation zur Verfügung gestellt.[10]

In den 1950er-Jahren zerschlugen sich die Erwartungen einer baldigen „Befreiung“ der Völker Russlands. 1964 benannte sich Radio Liberation in Radio Liberty um (russisch: Radio Swoboda, zu Deutsch: „Radio Freiheit“). Gelegentlich tauchten Berichte über geheimdienstliche Verbindungen der Sender auf, die für beide Stationen existenzbedrohend wurden und die sich später bestätigten.[5] Die Programme wurden Anfang der 1970er-Jahre der Aufsicht der CIA entzogen. 1973 zog Radio Liberty zu Radio Free Europe am Englischen Garten in München. Im Oktober 1976 fusionierten Free Europe, Inc. und Radio Liberty Committee, Inc. zu RFE/RL, Inc.[11] Am 21. Februar 1981 wurde auf das gemeinsam genutzte Gebäude ein Bombenattentat verübt, bei dem acht Menschen verletzt wurden.[12]

In den Zeiten des Kalten Krieges wurden viele Fremdsprachensendungen von Störsendern in der Sowjetunion gestört (Jamming). Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurde das Budget der Sender reduziert. RFE/RL verlegte im Jahr 1995 seine Hauptgeschäftsstelle von München nach Prag an den Wenzelsplatz.

Newsroom von Radio Free Europe in München, 1994

Das ehemalige Studiogebäude in München in der Oettingenstraße beherbergt neben einigen Fachabteilungen der Universitätsbibliothek und Instituten der Ludwig-Maximilians-Universität auch das Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft. Die Videoüberwachung als Teil der ehemaligen Sicherheitsanlagen ist bis heute erhalten. In einigen der alten RFE/RL-Studios war bis 2002 das Aus- und Fortbildungsradio AFK M94,5 untergebracht. In vielen anderen Räumen erkennt man Spuren der Vergangenheit des Gebäudes: Doppeltüren und Doppelverglasung.

Die Kurzwellensendeanlage von IBB bei Biblis

Heute sendet RFE/RL in 26 Sprachen für Hörer in 22 Ländern und produziert rund 1100 Wochenstunden Radioprogramme.[13] In Deutschland werden Kurzwellen-Sendeanlagen an den Standorten Biblis und Lampertheim in Hessen benutzt. Der Sender Holzkirchen in Bayern wurde inzwischen stillgelegt. Weitere Sendeeinrichtungen des IBB stehen in Afghanistan, Armenien, Bulgarien, Großbritannien, Kuwait, Litauen, Sri Lanka, Ungarn, Marokko, Tadschikistan, Thailand und den Philippinen, die auch Sendungen der Voice of America (VoA) und Radio Free Asia ausstrahlen.

Ein Teil der Sendungen werden in den Zielgebieten auch über Mittelwelle, UKW, das Internet und im Rebroadcasting-Verfahren ausgestrahlt. Letzteres ist die Übernahme von Radiosendungen in das Programm lokaler Radiosender. Aus politischen Gründen ist dies zurzeit in Weißrussland, dem Iran, Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan nicht möglich.

Weitere Sendungen werden unter dem Namen Radio Free Afghanistan in den Sprachen Paschtu und Dari, Radio Free Iraq auf Arabisch, sowie Radio Farda – in Kooperation mit der Voice of America – auf Persisch betrieben.

Management

Vorsitzender des RFE Corporate Board ist seit Oktober 2010 Dennis Mulhaupt, der zugleich Mitglied des Broadcasting Board of Governors ist. Außerdem ist er Direktor der philanthropischen Organisation Commonwealth Partners, Inc.[14]

Bekämpfung durch Ostblock-Geheimdienste

Die Sender wurden seit ihrer Gründung in den frühen 1950er Jahren von der Sowjetunion als Bedrohung angesehen, da sie westliches Gedankengut in den Ostblock transportierten. Starke sowjetische Störsender sollten die Empfangsqualität verschlechtern, dies wurde durch eine Steigerung der Sendeleistung von RFE kompensiert.

Der sowjetische Auslandsnachrichtendienst begann augenblicklich mit der Durchführung von Morden an Mitarbeitern der Station in München.[15] Im September 1954 wurde der weißrussische Schriftsteller Leonid Karas tot in der Isar bei München aufgefunden. Im November desselben Jahres wurde Abdulrachmann Fatalibey, der Leiter der aserbaidschanischen Abteilung von Radio Liberty, ermordet.[16]

Durch die Geschichte der Sender zieht sich eine Kette von Ereignissen im Zusammenhang mit nachrichtendienstlichen Aktivitäten. Besonders in den 1980er Jahren gab es zahlreiche Versuche, Angestellte des Senders zu entführen. Bei einem Bombenattentat auf die Sendergebäude in München, das der Terrorist Johannes Weinrich im Auftrag des rumänischen Geheimdienstes Securitate am Abend des 21. Februars 1981 ausführte, wurde trotz der Verwendung von 15 Kilogramm Nitropenta-Sprengstoff niemand getötet, aber sechs Menschen verletzt.[17] In den 1990er-Jahren räumte KGB-General Oleg Kalugin ein, bei der Organisation der Operation beteiligt gewesen zu sein.[18]

Kritik

Das Deutschlandradio Kultur veröffentlichte 2011 einen Beitrag mit dem Titel „Propaganda im Auftrag der CIA“ und bezeichnete darin Radio Free Europe und Radio Liberty als „mehr als reine Nachrichtensender“.[19] Auch der WDR bemerkte in einem Beitrag, dass Radio Free Europe/Radio Liberty immer im Verdacht gestanden habe, ein „CIA-gesteuerte[s] Propaganda-Organ“ zu sein.[20] Robert T. Holt schrieb in einer Publikation von 1958, dass Radio Free Europe schon bei der Gründung ein Propagandaorgan gewesen sein soll. Anders als die Voice of America habe sich Radio Free Europe damals aber nicht als Stimme eines anderen Landes, sondern als die Stimme „freier Exilanten“ kommunistischer Länder verstanden.[21] George Urban, ehemaliger Chef von RFE/RL in den 1980er-Jahren gab in einem 1997 erschienenen Buch an, die amerikanische Öffentlichkeit habe sich bei der Benutzung des Worts „Propaganda“ unwohl gefühlt, weshalb man bei Diskussionen über RFE/RL diese Nutzung dieses Begriffs konsequent vermieden habe.[22] Stacey Cone bezeichnete die beiden Radiosender 1997 im Journal „Journalism History“ der Ohio University als amerikanische „Propagandasender des Kalten Krieges“.[23]

Literatur

  • Johanna Granville: “Caught With Jam on Our Fingers”: Radio Free Europe and the Hungarian Revolution in 1956. (dt. Radio Free Europe und die ungarische Revolution von 1956) In: Diplomatic History. 29, Nr. 5, 2005, S. 811–839 (online auf Scribd.com).
  • József Molnár: A Szabad Európa Rádió a forradalom napjaiban (dt. Radio Freies Europa in den Tagen der Revolution – Autobiografie). ISBN 963-9592-10-2.
  • Stefan Meining: Eine Moschee in Deutschland. Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen. C.H. Beck, München 2011, ISBN 3-406-61411-6. Zuerst: Zwischen Halbmond und Hakenkreuz, ARD 2006. (Insbes. zum organisatorischen und inhaltlichen Unterschied von RFE und „Radio Liberation“)
  • Anna Bischof u. a. (Hgg.): Voices of Freedom - Western interference? 60 Years of Radio Free Europe, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015.

Dokumentationen

  • Liebesgrüße nach Moskau – Der große Radiokrieg (Deutschland 2008) auf YouTube – Regie: Christian Bauer – 90 Minuten[24]
  • Diana Ivanova: LISTN 2014 (76 Min.)[25]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 22 USC § 6207
  2. RFE/RL, Inc.
  3. siehe auch 22 USC § 6211
  4. https://www.radio.cz/de/rubrik/tagesecho/sender-radio-freies-europa-feiert-jubilaeum-seiner-prager-aera
  5. 5,0 5,1 S. Cone: Radio Free Europe, Radio Liberty, the CIA and the News Media. In: Journalism History, Winter 1998/1999. Abgerufen am 18. Januar 2015.
  6. Daniel C. Walsh: An Air War with Cuba: The United States Radio Campaign Against Castro. McFarland, Jefferson, NC 2011, ISBN 978-0-7864-8719-6, S. 2 (OCLC=767502700).
  7. Kevin Roose: U.S.-Funded Broadcaster Directed Ads to Americans. New York Times, 19. Juni 2018, abgerufen am 13. Februar 2021 (en-us).
  8. Till Janzer: Im Auftrag der USA: Die tschechoslowakischen Sendungen von RFE. In: Radio Prague International, 14. Mai 2011.
  9. Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 39. Sitzung. In: dipbt.bundestag.de, Seite 2100, 27. Mai 1981 (PDF).
  10. Hermann Rumschöttel: Oberschleißheim - Eine Zeitreise. Oberschleißheim 2010, ISBN 9783000327315.
  11. RFE, RL, RFE-RL: a year of merger
  12. Augsburger Allgemeine vom 21. Februar 2011, Rubrik Das Datum.
  13. Fast Facts, Webseite von RFE/RL, abgerufen am 3. März 2019 (englisch)
  14. Mulhaupt to chair RFE Board, 7. Oktober 2010.
  15. Stimmen der Freiheit – Radio Free Europe im Kalten Krieg auf ustrcr.cz
  16. Cissie Dore Hill: Voices of Hope: The Story of Radio Free Europe and Radio Liberty. In: Hoover Institution. Abgerufen am 22. Dezember 2016.
  17. Kaminski, Lukasz; Persak, Krzysztof Gieseke, Jens (Hrsg.): Handbuch der kommunistischen Geheimdienste in Osteuropa 1944–1991, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-35100-0, S. 367.
  18. «Что значит вещать в вату?»: ветеран «Радио Свобода» — о временах, когда глушилки были большими (deutsch: „Was bedeutet es, in Watte zu senden?“: Ein Veteran von „Radio Liberty“ über die Zeiten, in denen die Störsender gross waren). In: The Insider. 21. November 2017, abgerufen am 24. Dezember 2017 (русский).
  19. Otto Langels: Propaganda im Auftrag der CIA. In: Deutschlandfunk Kultur, 21. Februar 2011.
  20. 4. Juli 1950 - Radio Free Europe geht in München auf Sendung. In: WDR, 4. Juli 2015.
  21. Robert T. Holt: Radio Free Europe, 1958, University of Minnesota Press, Seite 3
  22. George Urban: Radio Free Europe and the Pursuit of Democracy: My War Within the Cold War, 1997, Yale University Press, Seite 60–61
  23. Stacey Cone: Presuming a Right to Deceive: Radio Free Europe, Radio Liberty, the CIA, and the News Media, in Journalism History, 1997, Ohio University
  24. Liebesgrüße nach Moskau – Der große Radiokrieg
  25. Trailer auf Vimeo, abgerufen am 7. Januar 2016 (HTML).
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Radio Free Europe aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.