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Kolloid

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Als Kolloide (von griechisch κόλλα, kólla, „Leim“ und εἶδος, eidos, „Form, Aussehen“) werden Teilchen oder Tröpfchen bezeichnet, die im Dispersionsmedium (Feststoff, Gas oder Flüssigkeit) fein verteilt sind. Die Größe der einzelnen Teilchen liegt typischerweise im Nanometer- oder Mikrometer-Bereich. Sind sie beweglich (etwa in einem flüssigen Dispersionsmedium), so zeigen sie meist Brownsche Bewegung.

Kolloidale Suspensionen haben große Bedeutung in der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie und in der Grundlagenforschung, insbesondere in der statistischen Physik. Die Kolloidchemie ist der Bereich der Chemie, der sich mit ihren stofflichen Eigenschaften befasst.

Definitionen und Formen

Meist wird für Kolloide angenommen, dass es Emulsionen oder Suspensionen von Tröpfchen oder Teilchen in einer Flüssigkeit sind. Grundsätzlich kann sowohl die disperse Phase als auch das Dispersionsmedium ein Feststoff, eine Flüssigkeit oder ein Gas sein. Zielführender als eine starre, ohnehin nur unscharfe Definition ist hier eine Auflistung von Beispielen für Kolloidsysteme.

Kolloidale Lösungen stehen aufgrund der Teilchengröße zwischen echten Lösungen (molekulardispers) und Suspensionen (grob dispers).

  • Pasten haben eine hohe Konzentration der dispersen Phase, so dass keine oder nur eine sehr geringe Fließfähigkeit vorliegt
  • Gele haben statt einzelner Partikel meist langkettige Makromoleküle wie bei Gelee oder Leim.
  • Flüssigkristalle sind Kolloide, die in einer Flüssigkeit geordnete Strukturen bilden.
  • Aerosole sind Kolloiddispersionen in Gasen, wie Rauch und Nebel.

Disperse Systeme mit annähernd gleicher Teilchengröße werden als monodispers oder isodispers, solche mit unterschiedlicher Teilchengröße als polydispers bezeichnet. Sind disperse Phase und Dispersionsmittel sicher zu unterscheiden, handelt es sich um „einfache Kolloide“. Bilden sie ineinander verschlungene Netzwerke ohne eine klare Zuordnung sind es „Netzwerk-Kolloide“.

Die Größenordnung von Kolloiden kann sich nur auf eine Dimension beziehen, so dass man in der Struktur von Kolloiden differenzieren kann. Kaolinit ist ein Beispiel für ein sehr dünnplattiges Tonmineral und bildet auch ein kolloidales System. Dies gilt gleichfalls für faser- oder netzwerkartige Strukturen, die in zwei Raumrichtungen kolloidale Dimensionen aufweisen. Kolloide müssen nicht zwangsläufig aus einzelnen Partikeln bestehen. Markanter ist die Untergrenze von etwa einem Nanometer, da es hier zu einem recht einheitlichen Übergang hin zu den Eigenschaften molekular-disperser Systeme kommt.

Geschichte und Herkunft des Begriffs

Kolloide wurden schon genutzt als noch keinerlei Kenntnis über ihre Systematik bestand. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kolloiden ist erst in jüngerer Zeit zu verzeichnen, als sich die früher begrenzten technischen Möglichkeiten für eine gezielte, reproduzierbare Herstellung wohldefinierter Kolloide verbesserte.

Bereits den Alchimisten waren Formen des kolloidalen Goldes bekannt und Pierre Joseph Macquer vermutete 1744, dass es sich hierbei um eine feine Verteilung des Goldes in einer Dispersion handeln könnte. Erste empirische Untersuchungen führte Selmi 1845 durch, 1856 folgten die Versuche Michael Faradays mit kolloidalem Gold.

Der britische Physiker Thomas Graham führte 1861 den englischen Begriff „colloid“ ein, den er von dem griechischen Wort für Leim ableitete. Er benutzte ihn, um Stoffe aufgrund ihres Diffusionsverhaltens durch poröse Membranen in „kristalloide“ und „kolloidale“ Substanzen zu unterteilen. Grahams Kriterien waren jedoch nicht zielführend. Was er als kolloidal bezeichnete, war nicht eine chemische Eigenschaft, sondern ein Zustand der feinen physikalischen Unterteilung bestimmter Proben. Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wird der Begriff im Sinne der modernen Definition verwendet.[1] Im Jahr 1922 wurde in Leipzig die Kolloid-Gesellschaft zur Pflege und Förderung der Kolloidwissenschaft gegründet, die bis heute noch besteht.

Eine kinetische Theorie für kolloidale Systeme wurde erstmals von Marian Smoluchowski geschaffen. Die Chemie der Kolloide und deren Eigenschaften wurden besonders von Richard Zsigmondy (Nobelpreis 1925) und seinen Mitarbeitern untersucht.

Eigenschaften

Makroskopisch

Aufgrund ihrer im Verhältnis zum Volumen vergleichsweise großen Grenzflächen spielen Effekte der Oberflächenchemie für Kolloide eine besondere Rolle. Kolloide weisen zudem in der Regel den Tyndall-Effekt auf. Durch Lichtstreuung an den Grenzflächen erscheinen selbst Dispersionen aus transparenten Phasen milchig oder trüb, solange die Brechungsindizes nicht genau gleich sind.

Mikroskopisch

Folgende Wechselwirkungen können zwischen Kolloidteilchen auftreten.

Abstoßung harter Kugeln
Dies ist die einfachste Wechselwirkung. Harte Kolloidteilchen können sich beim Zusammenstoß gegenseitig nicht verformen oder durchdringen. Dies erscheint trivial, das „Harte Kugel“-Modell, in dem keine andere Wechselwirkung herrscht, ist jedoch eines der wichtigsten Systeme in der statistischen Physik. Das zugehörige Potential ist unendlich für Abstände kleiner der Partikeldurchmesser und null sonst.
Elektrostatische Wechselwirkung
Elektrisch gleichnamig geladene Kolloidteilchen stoßen sich gegenseitig ab. Das Wechselwirkungspotential hat die Form . Haben die Kolloide unterschiedliche Ladungen, so bilden sie ein ionisches Modellsystem (einige Teilchen ziehen sich gegenseitig an, andere stoßen sich ab). In der Flüssigkeit vorhandene Ionen (wie bei gelösten Salzen) können das elektrostatische Potential mehr oder weniger abschirmen.
Van-der-Waals-Kräfte
kommen unter anderem durch fluktuierende Dipole zustande. Die Hamaker-Konstante beschreibt die Van-der-Waals-Wechselwirkung zweier makroskopischer Körper. Aus der Hamaker-Konstante folgt, dass die Van-der-Waals-Wechselwirkung minimiert wird, wenn der Brechungsindex der Flüssigkeit und der Teilchen ähnlicher gemacht wird.
Entropische Wechselwirkung
Noch kleinere Partikel oder Polymerketten, die sich zusätzlich zu den eigentlichen Kolloiden in der Flüssigkeit befinden, üben einen effektiven osmotischen Druck aus und pressen die Kolloide zusammen. Anschaulich lässt sich dies so verstehen, dass die Gesamtentropie des Systems steigt, wenn die großen Partikel zusammenrücken, da die kleinen Partikel dann mehr Raum zur Verfügung haben.

Bedeutung und Anwendungen

Chemie

Die Kolloidchemie, die die Eigenschaften kolloiddisperser Systeme untersucht, ist ein selbstständiges Gebiet der physikalischen Chemie.

Physik

Kolloidsuspensionen sind wichtige Modellsysteme um Vorhersagen der statistischen Thermodynamik zu überprüfen oder atomare Festkörperprozesse zu simulieren.[2]

  • Die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Kolloidteilchen lassen sich durch Auswahl der Teilchen, Behandlung ihrer Oberfläche und Zusammensetzung der Flüssigkeit einstellen. Man kann Stärke und Reichweite der Wechselwirkung separat einstellen und damit verschiedenartige Potentialverläufe modellieren. Die Teilchen verhalten sich wie Atome eines Metalls oder wie die eines ionischen Systems und bilden entsprechende Kristalle. Bei hinreichender Konzentration tritt die Kristallisation sogar bei nicht wechselwirkenden Partikeln („Harte Kugeln“) ein, was paradoxerweise entropische Ursachen hat.
  • Kolloide sind etwa um den Faktor 1000 bis 10.000 größer als Atome. Daher sind sie wesentlich einfacher und mit deutlich weniger experimentellem Aufwand (dynamischer Lichtstreuung oder Konfokalmikroskopie) zu beobachten.
  • Ihre Bewegung ist deutlich langsamer als die von Atomen. Das erlaubt die Beobachtung von Prozessen wie Kristallisation, die in atomaren Systemen zu schnell ablaufen.

Verfahrenstechnik

Kolloiddisperse Systeme haben durch die feine Verteilung der einen Phase in der anderen im Verhältnis zu ihrem Volumen eine enorm große Grenzfläche. Dies wird überall ausgenutzt, wo Grenzflächeneffekte wichtig sind, wie in der Trocknungstechnik oder bei der Reaktion zweier nichtmischbarer Flüssigkeiten.

Bodenkunde

In der Bodenkunde wird das Größenspektrum der Kolloide bis zwei Mikrometer erweitert. Diese Einteilung schließt die bodenkundlich relevante Tonfraktion ein, da Bodenteilchen mit einem Durchmesser bis etwa 2 μm kolloidale Eigenschaften aufweisen. Dies ist unter anderem Folge des blattförmigen Habitus von Tonteilchen. Dabei treten Eigenschaften, die auf Grund der Masse der Teilchen auftreten, gegenüber den Eigenschaften aus der großen spezifischen Oberfläche, zurück.

Medizin

In der Infusionstherapie werden kolloidale Infusionslösungen eingesetzt, die eine Stabilisierung oder Zunahme des Volumens in den Blutgefäßen bewirken. Sie enthalten kolloidale Makromoleküle wie Kohlenhydrate (Hydroxyethylstärke, Dextrane) oder Proteine (Gelatine oder humanes Albumin).

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. M. Daoud, C. E. Williams (Hrsg.): Soft Matter Physics. Springer, Berlin und Heidelberg 1999, ISBN 3-540-64852-6.
  2. V. Prasad, D. Semwogerere, E. Weeks: Confocal microscopy of colloids. In: Journal of Physics: Condensed Matter. Band 19, 2007, S. 113102, doi:10.1088/0953-8984/19/11/113102 (PDF).
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Kolloid aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.