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Josef Motschmann

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Josef Motschmann (* 26. Januar 1952 in Altenkunstadt, Oberfranken, Bayern; † 26. November 2016 in Bad Staffelstein) war ein deutscher Theologe, Pädagoge, Mundartlyriker, Heimatforscher, Hobbyhistoriker, Hobbyschauspieler, Vortragsredner und Autor.[1][2]

Familie

Motschmann wuchs als ältestes von vier Kindern seiner römisch-katholisch geprägten Eltern auf einem alteingesessenen Bauernhof in Altenkunstadt auf. Im Jahr 1981 heiratete er Elfriede Fischer (* 1955), mit der er in die gemeinsame Wahlheimat Schönbrunn bei Bad Staffelstein zog. Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor, Kilian (* 1983), Benedikt (* 1985) und Valentin (* 1987).[3]

Schule

Zunächst besuchte Motschmann die Volksschule in Altenkunstadt. Aufgrund seines Berufswunsches, Priester werden zu wollen, lebte er von 1963 bis 1970 im erzbischöflichen Knabenseminar Ottonianum, einem konfessionellen Internat in Bamberg. Parallel dazu besuchte er das Franz-Ludwig-Gymnasium in Bamberg, wo er 1972 sein Abitur bestand. 1970 hatte er zum Beginn der Kollegstufe entschieden, das Ottonianum zu verlassen und musste daher bis zur Reifeprüfung als Fahrschüler zwischen Altenkunstadt und seiner Schule in Bamberg pendeln, hin und zurück schultäglich immerhin rund 100 Kilometer.[3]

Als älterer Schüler engagierte er sich in der Jugendarbeit und wurde als Hobbyschauspieler aktiv, wobei er gern Karl Valentin darstellte. Durch diese stark mundartlich geprägte Figur erwachte wohl auch sein Interesse an Mundartdichtung.[4] Josef Motschmann litt zeitlebens unter einer Sehbehinderung.

Studium

Nach bestandenem Abitur im Jahr 1972 studierte er an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg, an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und an der Eberhard Karls Universität in Tübingen Theologie und Pädagogik, wobei ihn insbesondere seine Studienzeit in Tübingen geprägt haben soll.[5] Dort gehörte er 1980 zum letzten Jahrgang, der durch den Theologen Hans Küng geprüft wurde, bevor diesem die kirchliche Lehrbefugnis durch das Dikasterium für die Glaubenslehre entzogen wurde.[4] Motschmann schloss sein Studium in Bamberg als diplomierter Pädagoge (Dipl.-Päd.) und in Tübingen als diplomierter Theologe (Dipl.-Theol.) ab.[3]

Wirken

Zunächst wirkte er als Pastoralassistent in der Pfarrei St. Martin in Bamberg. Dies umfasste eine erste Tätigkeit als Religionslehrer in der Martinschule, einer zur Pfarrei gehörenden Hauptschule. Nach absolvierter Ausbildung zum Pastoralreferenten arbeitete er hauptamtlich in der Telefonseelsorge und als Religionslehrer am Maria-Ward-Gymnasium in Bamberg, wo er in der Oberstufe langjährig den Leistungskurs Religion leitete.[6] Darüber hinaus leitete er die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Bamberg.[7][8]

Als Mundartdichter trat er auf Bühnen, im bayerischen Hörfunk und Fernsehen auf, publizierte Lyrikbände.[5] Seine mundartlichen Gedichte sind aphoristisch und zeitkritisch, widmen sich Heiterem ebenso wie Ernstem.[7]

In der Nachkriegszeit aufgewachsen, wurde er durch wiederholt geäußerte Erinnerungen seiner Großmutter darauf aufmerksam, dass in seiner Geburtsstadt und genau in der Straße, in der er selbst geboren wurde, einst ein großer Anteil jüdischer Bewohner lebte.[9][7] Seine weitergehenden Fragen zu deren Verbleib allerdings wurden während der 1950er und 1960er Jahre sowohl in der Schule als auch vor Ort entweder unbefriedigend knapp oder mit Schweigen beantwortet.[9][10][4] Daher widmete er sich bereits während seines Theologiestudiums in Tübingen der heimatkundlichen Forschung zur jüdischen Geschichte seiner Geburtsstadt sowie der oberfränkischen Region und veröffentlichte dazu ab 1983 zahlreiche Beiträge.[11][8][2] Dadurch sah er sich jedoch regelmäßig Anfeindungen und direkter persönlicher Bedrohung per Briefpost und Telefon sowie durch in den Lack seines Kraftfahrzeugs eingeritzte Hakenkreuze ausgesetzt,[3][11] insbesondere als er zur Identität der lokalen bzw. regionalen antisemitischen Täter während der Zeit des Nationalsozialismus forschte.[5][9] Die Täternamen veröffentlichte er während eines Vortrags, nachdem alle ihm namentlich bekannten Täter bereits verstorben waren, während er sich mit deren Nachfahren, die für die Taten ihrer Elterngeneration nicht verantwortlich seien, duzte. Die Wahrheit über deren Väter hielt er für zumutbar, zumal die Opfer ein Anrecht darauf hätten.[11]

Mindestens ab den frühen 1970er Jahren engagierte sich Motschmann für die SPD; es gelang ihm sogar, seinen Vater zugunsten einer Abstimmung für Willy Brandt bei der Bundestagswahl 1972 zu überzeugen, der sich deshalb jedoch im Nachhinein zu einer Beichte genötigt sah.[12] Für den Bund Naturschutz in Bayern rezitierte Motschmann sein Gedicht Eigerohmda Maawiesn (= Eingerahmte Main-Wiesen) im Rahmen einer Protestaktion gegen die durch Oberfranken geführte Bundesautobahn 73.[13]

1988 gründete er in seiner Geburtsstadt die Interessengemeinschaft Synagoge Altenkunstadt und blieb bis zu seinem Tod deren Vorsitzender. Das Synagogengebäude wurde auf seine Initiative hin renoviert und ab 1993 zu einem Ort der Begegnung, des kulturellen Austauschs und des friedlichen Diskurses.[7][14][2]

Motschmann war über Jahrzehnte im 1924 gegründeten Heimat- und Geschichtsverein Colloquium Historicum Wirsbergense (CHW) aktiv und hielt für diesen Vorträge zur Heimatgeschichte. Die CHW-Bezirksgruppe Bad Staffelstein leitete er von 1998 bis zu seinem Tod.[15] Durch seine Aktivitäten wurde er mit dem Bezirksheimatpfleger Günter Dippold (Uni Bamberg) und dem Stadt- bzw. Kreisrat sowie Bodendenkmalpfleger Bernhard Christoph (Grüne) bekannt und freundete sich mit beiden an. Zu seinen Förderern zählten der Bürgermeister von Altenkunstadt, Alfred „Fred“ Hermannsdörfer (SPD), und Otto Schuhmann (SPD, MdL),[3] letzterer ebenfalls ein sehr guter Freund Motschmanns.[16]

Motschmann warb für das wechselseitige Verständnis der jüdischen und der christlichen Religion sowie für deren gemeinsame Traditionen und Werte. Er organisierte Studienreisen nach Israel und Stadtführungen für ehemalige jüdische Bewohner von Altenkunstadt bzw. deren Nachfahren,[5] hielt Vorträge und leitete Exkursionen mit Schulklassen und anderen Gruppen.[7][17]

Josef Motschmann wurde 1998 in Washington D. C. für seine historische Forschung mit dem George Washington Award des B’nai B’rith Klutznick National Jewish Museum ausgezeichnet. Im Jahr 2002 wurde er in Berlin mit dem Obermayer German Jewish History Award geehrt. 2003 wurde ihm die Verdienstmedaille des Bezirks Oberfranken überreicht. Im Jahr 2004 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. 2005 wurde ihm als einem Menschen typisch fränkischen Charakters der Frankenwürfel der drei Regierungspräsidenten Mittel-, Ober- und Unterfrankens für sein mundartliches dichterisches Werk zuerkannt, im Jahr 2012 erhielt der „Gewürfelte“ die Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Altenkunstadt.[18]

Er verstarb im Alter von 64 Jahren und wurde auf dem Friedhof in Bad Staffelstein beigesetzt.[8]

„A Groushalm aufm Maa dä sich dreimleßd
und doch schbüed, daße gedroung wädd.“

– Josef Motschmann[19]

Übertragung aus der Fränkischen Mundart ins Hochdeutsche:
„Ein Grashalm auf dem Main, der sich treiben lässt
und doch spürt, dass er getragen wird.“

Funktionen

Ehrungen

In seinem Geburtsort Altenkunstadt wurde in einem Neubaugebiet die Josef-Motschmann-Straße nach ihm benannt.[22]

Veröffentlichungen (Auszug)

  • Der Leidensweg der Juden am Obermain – Vom Ende der jüdischen Gemeinden in Lichtenfels, Burgkunstadt und Altenkunstadt in den Jahren 1933–1942, SPD-Kreisverband Lichtenfels (Hrsg.), Lichtenfels 1983, ohne ISBN, OCLC 832331134.
  • Eigerohmda Maawiesn – Mundartgedichte aus dem „Gottesgarten am Obermain“, Verlag Obermain-Tagblatt, Lichtenfels 1986, ohne ISBN, OCLC 165731183.
  • Weidn loun sich biing – Mundartgedichte aus dem „Gottesgarten am Obermain“, Verlag Obermain-Tagblatt, Lichtenfels 1986, ohne ISBN, OCLC 159892898.
  • Es geht Schabbes ei – Vom Leben der Juden in einem fränkischen Dorf, SPD-Kreisverband Lichtenfels (Hrsg.), Lichtenfels 1988, ohne ISBN, OCLC 75069560.
  • Als aus Juden Nachbarn und aus Nachbarn Juden wurden – Jüdische Gemeinden im 19. und 20. Jahrhundert, 1990, ohne ISBN, OCLC 1110728519.
  • mit Detlev Dormeyer: Aus der Auferstehungshoffnung leben. In: Diakonia, 21 (1990), 1, S. 69–70.
  • mit Manfred Treml und Haus der Bayerischen Geschichte: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken – Raumbeispiel: Altenkunstadt / Burgkunstadt, Haus der Bayerischen Geschichte (Hrsg.), München 1991, ohne ISBN, OCLC 1242234833.
  • mit Wolfgang Döll, Ottmar Fuchs, Hans Lyer, Bernhard Paal: Lebenszeichen, Sakramente, Leben feiern – Fastenpredigten 1996 in Herz Jesu, Erlangen. Verlagsgemeinschaft Anarche, Erlangen 1996, ISBN 3-9303-2134-3, OCLC 164795154.
  • Schönbrunn am Obermain – Bauern, Fischer, Edelleut’ (= Bad Staffelsteiner Schriften, Bd. 4), Stadt Staffelstein (Hrsg.), Bad Staffelstein 1997, ISBN 978-3-9802943-4-8, OCLC 75907508.
  • mit Siegfried Rudolph und Günter Dippold: „Guter Ort“ über dem Maintal – Der jüdische Friedhof bei Burgkunstadt (= CHW-Monographien, Band 1), Colloquium Historicum Wirsbergense, Kommissionsverlag H. O. Schulze, Lichtenfels 1999, ISBN 3-87735-146-8, OCLC 970949273.
  • Morkschdaa – Mundartgedichte aus dem „Gottesgarten am Obermain“, Verlag Obermain-Tagblatt, Lichtenfels 2000, ISBN 978-3-00-007139-3, OCLC 76202339.
  • A Groushalm aufm Maa (CD-ROM), ClassicConcept, Lichtenfels 2001, ohne ISBN, OCLC 164590083.
  • Jerusalem an Main und Regnitz – Juden in Oberfranken (1007-2005) (= Oberfränkischer Schulanzeiger, Nr. 323, Heimatbeilage), Regierung von Oberfranken (Hrsg.), Bayreuth 2005, ohne ISBN, OCLC 181500610.
  • Altenkunstadt – Heimat zwischen Kordigast und Main, Gemeinde Altenkunstadt (Hrsg.), Altenkunstadt 2006, ohne ISBN, OCLC 162289229.
  • Von der Judischheit zu Cronach 1200–1883. In: Katja B. Zaich, Willi Zaich, Josef Motschmann und Aktionskreis Kronacher Synagoge: Gern gesehen und wohl gelitten zur Geschichte der Kronacher Juden und ihrer Synagoge, Aktionskreis Kronacher Synagoge (Hrsg.), Kronach 2009, ISBN 978-3-0002-8313-0, OCLC 502421276, S. 9–24.
  • Maachich, Meelich und Monschdaa – Eichig, Erlach und Arnstein im Dialekt. In: Heimatgeschichtliche Zeitschrift für den Landkreis Lichtenfels, Band 19/20 (2010/2011), S. 103–104.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Motschmann, Josef. In: Deutsche Nationalbibliothek, auf: d-nb.info
  2. 2,0 2,1 2,2 Zwischen Lichtenfels und Burgkunstadt . Jüdische Kultur auf dem Lande – Fernsehbeitrag vom 31. Juli 2014. In: Bayerischer Rundfunk, auf: br.de
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Schriftliche Auskunft durch Valentin Motschmann, 12. Februar 2023.
  4. 4,0 4,1 4,2 Hermann H. Hacker: Josef Motschmann – Heimatdichter und Historiker, Versuch einer Annäherung (PDF-Datei; 1,7 MB). In: Kunst und Kultur in Bad Staffelstein (= Bad Staffelsteiner Schriften, Bd. 15), September 2012, Kultur-Initiative Staffelstein e. V. (Hrsg.), ISBN 978-3-935302-03-6, S. 167–180.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 5,8 Andreas Motschmann: Erinnerungen an Dichter und Heimatforscher Josef Motschmann. In: Obermain-Tagblatt, 25. Januar 2022, auf: obermain.de
  6. gep: Unterrichtshilfen für das Bistumsjubiläum 2007 in Vorbereitung, 17. Dezember 2004. In: Erzbistum Bamberg, auf: eo-bamberg.de
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 7,6 Josef Motschmann, auf: frankenwuerfel.de
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 8,5 8,6 Altenkunstadts Ehrenbürger Josef Motschmann ist tot. In: Fränkischer Tag, 28. November 2016, auf: infranken.de
  9. 9,0 9,1 9,2 Josef Motschmann: Es geht Schabbes ei – Vom Leben der Juden in einem fränkischen Dorf, Lichtenfels 1988, S. 13–15 (Vorwort des Verfassers).
  10. 10,0 10,1 Josef Motschmann, auf: widenthecircle.org
  11. 11,0 11,1 11,2 Christane Hoss: Reise-Tagebuch zur Studien-Reise des aktiven Museums nach Nordbayern vom 21.–24. Mai 2009 (PDF-Datei; 536 kB). In: Aktives Museum – Mitgliederrundbrief Nr. 61, Juli 2009, S. 6–7, auf: aktives-museum.de
  12. Dieter Radziej: Soziales Gewissen und Ideengeber (PDF-Datei; 201 kB). In: Obermain-Tagblatt, Nr. 268, 19. November 2015, S. 21, auf: spd-altenkunstadt.de
  13. Anton Reinhardt – Widerstand gegen die Autobahn, auf: bund-naturschutz.de
  14. 14,0 14,1 Synagoge Altenkunstadt, auf: museen.de
  15. 15,0 15,1 Schriftl. Auskunft durch Prof. Dr. Günter Dippold, 12. Februar 2023.
  16. Stephan Stöckel: Streitbarer Geist ist jetzt Ehrenbürger Altenkunstadts. In: Fränkischer Tag, 13. Dezember 2016, auf: infranken.de
  17. Bernd Kleinert: Poetisches Schaffen fast vergessen. In: Obermain-Tagblatt, 17. April 2015, auf: obermain.de
  18. Heidi Bauer: Pressemitteilung 238-2022: „Nicht nachlassen in der Erinnerungsarbeit“. In: Landkreis Lichtenfels, 24. Juni 2022, auf: lkr-lif.de
  19. Traueranzeige Josef Motschmann. In: Fränkischer Tag, 7. Dezember 2016, auf: infranken.de
  20. Obermayer Foundation (Hrsg.): A tribute – The Obermayer German Jewish History Awards – Presented to Günter Boll, Olaf Ditzel, Monica Kingreen, Josef Motschmann, Heinrich Schreiner, Newton, Massachusetts, USA, 2002, OCLC 828261261.
  21. Jutta Löbling: Museumsnacht Altenkunstadt: Richtige Antworten süß belohnt. In: Obermain-Tagblatt, 2. Oktober 2018, auf: obermain.de
  22. Ortsplan Altenkunstadt. auf: altenkunstadt.de
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