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Internierungslager im Vereinigten Königreich im Zweiten Weltkrieg

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Die Internierungslager im Vereinigten Königreich im Zweiten Weltkrieg dienten dazu, Zivilpersonen aus den Ländern der Achsenmächte festzuhalten, um eine befürchtete Betätigung der Insassen als fünfte Kolonne zu verhindern.

Geschichte

Kategorisierung der „Enemy Aliens“

Unmittelbar nach Kriegsbeginn beschloss die britische Regierung, alle im Lande lebenden Deutschen und Österreicher ab dem Alter von 16 Jahren als Enemy Aliens („feindliche Ausländer“) zu klassifizieren. Sie durften sich nur in einer Zone von drei Meilen um ihren Wohnort bewegen. Der Besitz von Rundfunkgeräten, Kameras und Landkarten war ihnen verboten. Sie wurden drei Kategorien zugeordnet:[1]

  • Kategorie A: umgehend zu internieren
  • Kategorie B: bis auf weiteres von der Internierung ausgenommen, jedoch unter Beobachtung und mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Anfangs war es Personen dieser Kategorie nicht mehr erlaubt, Autos oder Fahrzeuge zu besitzen,[2] im zweiten Schritt konnte Hausarrest verhängt werden.[3]
  • Kategorie C: ohne Internierung und ohne Beschränkungen

Die Einstufung in die Kategorien erfolgte durch rund 120 örtliche Tribunale, die bis zum Februar 1940 rund 74.000 Fälle prüften.[1]

Allgemeine Internierung im Mai 1940

Unter dem Eindruck des deutschen Angriffs auf die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich erfolgte am 12. Mai 1940 die umfassende Ausweitung der Internierung („general roundup“) auf die – bisher verschont gebliebenen – männlichen deutschen und österreichischen Staatsbürger aus den Kategorien B und C.[4] Durch „die Internierung sowohl von Männern wie von Frauen, ungeachtet ihres Alters und ihrer Nationalität, die dem Feind dienstbar sind oder dienstbar sein könnten“ wollte die Regierung „die Tätigkeit der fünften Kolonne in diesem Lande unterdrücken“, so Thomas Inskip als britischer Minister für die Dominions (Secretary of State for Dominion Affairs) zur Begründung der Maßnahmen in der Debatte des House of Lords am 12. Juni 1940.[5]

Dies betraf auch die Emigranten: die deutschen und österreichischen Juden, die nach Großbritannien geflüchtet waren,[6] wie etwa Gerhard Leibholz, Thomas Gold und Hermann Bondi, sowie andere Nazi-Gegner. Ausgenommen von der Internierung blieben diejenigen mit kriegswichtigen Aufgaben, wie etwa George Weidenfeld als Sprecher beim deutschsprachigen Programm der BBC,[1] sowie Personen, die dank der Intervention britischer Bürgen davon befreit wurden oder wegen guter Verbindungen zu höheren britischen Beamten.

Am 28. Mai 1940 wurden auch in Großbritannien lebende deutsche und österreichische Frauen im Alter von 16 bis 60 Jahren interniert,[7] wie etwa Dora Diamant.

Die Internierung der Italiener folgte unmittelbar auf die italienische Kriegserklärung am 10. Juni 1940.[8]

Internierungslager in Großbritannien

Edward Driscoll, Kommandeur des Hutchinson Internment Camp, gemalt vom Internierungshäftling Kurt Schwitters, 1941

Internierungslager für Zivilisten bestanden unter anderem in Huyton,[9] in Bury bei Manchester (Warth Mills Internment Camp),[3] wo viele Künstler interniert waren, darunter Kurt Schwitters, Hellmuth Weissenborn, Paul Hamann und der Dirigent, Komponist und Pianist Peter Gellhorn (1912–2004),[10] in Prees Heath in Shropshire,[11] in und um Glasgow, in Sutton Coldfield, in Lingfield, in Seaton und in Paignton. Die meisten Lager, sechs insgesamt, gab es auf der Isle of Man, darunter das Hutchinson Internment Camp.

Die Frauen wurden im Rushen Camp auf der Isle of Man interniert, das nach dem nahegelegenen Dorf auch als Port Erin Women’s Detention Camp bezeichnet wurde. Es wurde am 30. Mai 1940 eröffnet und unterstand nicht der Armee, sondern dem Innenministerium.[12]

Die Lage der Juden in den Internierungslagern in Großbritannien besserte sich, nachdem der Schwiegersohn des britischen Oberrabbiners Joseph Hertz die Lager besuchen konnte.[13]

Zwischen dem Herbst 1940 und dem Jahresende 1942 wurden die meisten Internierten freigelassen.[8]

Transporte nach Übersee

Da die Lager in Großbritannien überfüllt waren, boten die Regierungen von Kanada, Neufundland, Australien und Neuseeland an, Internierte in die Lager in ihren Ländern zu übernehmen.[14] Im Juni und Juli 1940 wurden mehr als 7.500 Internierte an Bord der HMS Ettrick, der Sobieski, der Duchess of York, der Dunera und der Arandora Star verschifft.[1] Die Arandora Star wurde auf dem Weg nach Kanada am 2. Juli 1940 westlich von Irland durch U-47 torpediert und versank. An Bord waren 1150 Internierte (712 Italiener und 438 Deutsche) sowie 374 britische Seeleute und Soldaten. Etwa 700 Internierte und 100 Mann der Besatzung starben.

Internierungslager in den Dominions und in Indien

Im British Empire gab es im Zweiten Weltkrieg Internierungslager in den Dominions Australien, Südafrika (in Kempton Park) und Kanada, dort unter anderem in Red Rock (Ontario)[15] und in Fredericton (New Brunswick)[16] Aufgrund des Registration of Foreigners Act 1940 wurden mehrere Internierungslager in Indien eingerichtet, so etwa in Ahmednagar und in Dehra Dun, wo unter anderem der österreichische Tibetreisende Heinrich Harrer festgehalten wurde.

Bekannte Internierte

Literatur

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Maximilian Koessler: Enemy Alien Internment. With Special Reference to Great Britain and France. In: Political Science Quarterly. Jg. 57, (1942), Nr. 1, S. 98–127.
  • Peter und Leni Gillman: Collar the lot! How Britain interned and expelled its wartime refugees. Quartet Books, London 1980, ISBN 0-7043-2244-7.
  • Ronald Stent: A bespattered page? The internment of His Majesty’s „most loyal enemy aliens“. Deutsch, London 1980, London, ISBN 0-233-97246-3.
  • Connery Chappell: Island of barbed wire. Internment on the Isle of Man in World War Two. Hale, London 1985, ISBN 0-7090-1746-4.
  • Fred Uhlman: Erinnerungen eines Stuttgarter Juden. Übersetzung Manfred Schmid. Klett-Cotta, Stuttgart 1992, ISBN 3-608-91370-X, S. 160–175 (Hutchinson Internment Camp).
  • David Cesarani, Tony Kushner (Hrsg.): The internment of aliens in twentieth century Britain. Cass, London 1993, ISBN 0-7146-3466-2.
  • Richard Dove (Hrsg.): Totally un-English? Britain’s internment of „enemy aliens“ in two world wars. Rodopi, Amsterdam und New York 2005.
  • Walter Igersheimer: Blatant Injustice. The Story of a Jewish Refugee from Nazi Germany Imprisoned in Britain and Canada during World War II. McGill-Queen’s University Press, Montreal 2005, ISBN 0-7735-2841-5.
  • Suzanne Snizek: German and Austrian Émigré Musical Culture in the British Internment Camps of World War II: Composer Hans Gál, „Huyton Suite“ and the Camp Revue „What a Life!“ Diss. University of British Columbia, Vancouver 2011 (digitale Ausgabe).
  • Ernest Robert Zimmermann: The Little Third Reich on Lake Superior. A history of Canadian Internment Camp R. University of Alberta Press, Edmonton 2015, ISBN 978-0-88864-673-6.
  • Rachel Pistol: A comparative study of Second World War internment experiences in Great Britain and the United States of America. Diss. Royal Holloway, University of London, London 2016 (digitale Ausgabe).

Weblinks

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Roger Kershaw: Collar the lot! Britain’s policy of internment during the Second World War, abgerufen am 27. Februar 2021.
  2. Manfred Gans: Life gave me a chance. Lulu Press, Raleigh 2010, ISBN 978-0-557-20305-5, S. 57.
  3. 3,0 3,1 Manfred Gans: Life gave me a chance. Lulu Press, Raleigh 2010, S. 58.
  4. Margaret Phillips: Small social groups in England. Methuen, London 1965, S. 30.
  5. Viscount Caldecote: to suppress Fifth Columnist activities in this country by the internment of both males and females, irrespective of age, of any nationality, who are or might be of service to the enemy. Hansard, Bd. 116, 12 June 1940, Lords Sitting, Sp. 531 (online).
  6. Peter und Leni Gillman: Collar the lot! How Britain interned and expelled its wartime refugees. Quartet Books, London 1980.
  7. Miriam Kochan: Women’s experience of internment. In: David Cesarani, Tony Kushner (Hrsg.): The internment of aliens in twentieth century Britain. Cass, London 1993, S. 147–166.
  8. 8,0 8,1 The National Archives: Bestand Home Office: Aliens Department: Internees Index, abgerufen am 27. Februar 2021.
  9. Paul Coslett: Wartime camps in Huyton, abgerufen am 27. Februar 2021.
  10. The Warth Mills Project: Internees, abgerufen am 26. Februar 2021.
  11. Manfred Gans: Life gave me a chance. Lulu Press, Raleigh 2010, ISBN 978-0-557-20305-5, S. 59.
  12. Rushen Camp: Second World War Internment on the Isle of Man, abgerufen am 27. Februar 2021.
  13. Manfred Gans: Life gave me a chance. Lulu Press, Raleigh 2010, S. 59–60.
  14. Gerhard P. Bassler: Newfoundland’s „Dangerous“ Internees Who Never Were: The History of Victoria Camp, 1940–43. In: Newfoundland Studies, Bd. 5 (1989), Nr. 1, S. 39–51, hier S. 41.
  15. Ernest Robert Zimmermann: The Little Third Reich on Lake Superior. A history of Canadian Internment Camp R. University of Alberta Press, Edmonton 2015.
  16. Ted Jones: Both sides of the wire, 2 Bände. New Irland Press, Fredericton, New Brunswick 1989, ISBN 0920483216 und ISBN 0920483259.
  17. Klaus E. Hinrichsen: Visual Art Behind the Wire. In: The Internment of Aliens in Twentieth Century Britain. Routledge, London 1993, ISBN 978-0-7146-4095-2, S. 188–209.
  18. 18,0 18,1 18,2 18,3 18,4 18,5 18,6 18,7 18,8 Fred Uhlman: Erinnerungen eines Stuttgarter Juden, 1992, Register
  19. Figurations. Newsletter of the Norbert Elias Foundation, Nr. 37 (July 2012), S. 7 (PDF)
  20. Adrian Glew: Klaus Hinrichsen – Wartime internee who championed émigré artists in Britain. In: The Guardian, 28. Juli 2004.
  21. Ronald Stent: A bespattered page? The internment of His Majesty’s „most loyal enemy aliens“. Deutsch, London 1980, London, S. 30–32.
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