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Insiderhandel

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Dieser Artikel behandelt den Insiderhandel bei Börsengeschäften, insbesondere im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes; zum Insiderhandel im Energiehandel siehe REMIT.

Insiderhandel bedeutet die Verwendung von Insiderinformationen für Börsengeschäfte und ist ein Begriff des Finanzmarkts, speziell des Aktienmarkts. Insiderhandel ist in Deutschland und den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Straftat.

Rechtliche Regelung

Verbot des Insiderhandels in Deutschland

Insiderhandel betreibt, wer eine Wertpapierorder erteilt oder auslöst und dabei Insiderinformationen ausnutzt. Nach § 14 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ist es verboten:

  • unter Verwendung einer Insiderinformation Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern,
  • einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen,
  • einem anderen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen oder einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten.

Diese Handlungen sind gemäß § 38 Abs. 1 WpHG jeweils mit Freiheitsstrafen bis zu 5 Jahren oder Geldstrafen bedroht.

Insider

Insider ist jemand, der über eine kurserhebliche Information über ein Insiderpapier oder dessen Emittenten verfügt, bevor diese Information öffentlich bekannt geworden ist.

Insider im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes sind Personen, die

Zu diesen so genannten Primärinsidern, die bestimmungsgemäß kurserhebliche, nicht öffentlich bekannte Informationen erhalten, kommt noch die Kategorie der Sekundärinsider. Dies sind alle anderen Personen, die über eine Insiderinformation verfügen.

Insiderinformationen

Insiderinformationen sind gemäß § 13 WpHG konkrete Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.

Beispiele für derartige Ereignisse sind Übernahmeangebote, ein Forschungserfolg des Unternehmens, unerwartete Gewinnsteigerungen oder Großaufträge (diese führen in der Regel zu Kurssteigerungen), ein unerwarteter Gewinneinbruch, Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (hierbei wird der Kurs regelmäßig fallen) sowie Unternehmensfusionen, Personalveränderungen und dergleichen mehr.

In der 2004 neu gefassten Bestimmung wird klargestellt, dass das Durchführen von Eigenaufträgen unter Ausnutzen der Kenntnis bereits erteilter Kundenaufträge (sogenanntes Front Running) das Verwerten einer Insiderinformation ist und folglich zu den strafbewehrten Insidergeschäften rechnet.

Wie auch der bislang im deutschen Recht verwendete Begriff der "Insidertatsache" umfasst die Insiderinformation keine bloßen Meinungen und Werturteile. Unter den Begriff der Insiderinformation fallen auch präzise Informationen, die sich auf existierende oder mit einiger Gewissheit künftig eintretende Tatsachen beziehen.

Das so genannte „Scalping“ erfüllt nicht immer den Tatbestand des strafbaren Insiderhandels. Werden Handelsaufträge in Kenntnis einer späteren öffentlichen Empfehlung abgegeben, liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes eine verbotene Kursmanipulation nach § 20a WpHG vor (BGH NStZ 2004, 286). Ein solcher Verstoß ist in der Regel ordnungswidrig, kann bei tatsächlicher Einwirkung auf den Marktpreis aber auch strafbar sein (§ 38 Abs. 2 WpHG). Der BGH begründet sein Ergebnis damit, dass "selbstgeschaffene Tatsachen" keine Insiderinformationen seien, da diese einen "Drittbezug" voraussetzten. Der BGH kann sich auch darauf stützen, dass seine Auffassung im Ergebnis den Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie entspricht, die das "Scalping" in der vorgenannten Art auch als Kursmanipulation einstuft. In der Literatur wird dagegen teilweise eine grundsätzliche Tauglichkeit innerer Umstände als Insiderinformation angenommen.

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 27. Januar 2010 (Az: 5 StR 224/09) über Kriterien geäußert, die eine Insiderinformation als kurserheblich betreffen.[1] Danach ließen sich feste Schwellenwerte nicht festlegen. Entscheidend sei eine individuelle Bewertung der Information aus damaliger Sicht (ex ante). An die Feststellung solcher kursrelevanten Umstände dürften angesichts der Vielzahl der neben der Tathandlung regelmäßig an der Preisbildung mitwirkenden Faktoren keine überspannten Anforderungen für einen Nachweis gestellt werden. Es sei nicht notwendig, Marktteilnehmer zu befragen. Tenor: Es reicht grundsätzlich aus, den Kursverlauf und den Umsatz in den Blick zu nehmen.[2]

Insiderpapier

Insiderpapiere sind Wertpapiere, bei denen Insiderhandel verboten ist.

Nach § 12 WpHG handelt es sich bei Insiderpapieren um Finanzinstrumente,

  1. die an Börsen oder einem organisierten Markt im Inland oder
  2. einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zum Handel zugelassen sind oder
  3. deren Preis unmittelbar oder mittelbar von börsengehandelten Finanzinstrumenten abhängt.

In den Begriff integriert sind auch

  • Rechte auf Zeichnung, Erwerb oder Veräußerung von Wertpapieren (Optionsgeschäft),
  • Rechte auf Zahlung eines Differenzbetrages, der sich an der Wertentwicklung von Wertpapieren bemisst (Differenzgeschäfte),
  • Terminkontrakte und Rechte auf Terminkontrakte auf Aktien- oder Rentenindizes oder Zinsterminkontrakte sowie sonstige Terminkontrakte, die zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren verpflichten (Termingeschäfte).

Nach der durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz im Jahr 2004 erweiterten Definition sind Insiderpapiere nunmehr auch solche Finanzinstrumente, deren Preis von börsengehandelten Finanzinstrumenten abhängt. Damit sind auch nicht an einer Börse gehandelte Werte, wenn deren Preis von börsengehandelten Finanzinstrumenten bestimmt wird, als Insiderpapiere erfasst.

Überwachung des Insiderhandels

Die Aufgabe der Insiderüberwachung ist es, Insiderhandel zu unterbinden. Hierzu sind in den westlichen Staaten nationale Börsen- und Wertpapieraufsichtsbehörden tätig. Ihr Ziel ist es auch, die Funktionsfähigkeit fairer Märkte für Wertpapiere und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu sichern. Ein Element ihrer Überwachungsaufgaben ist dabei das Aufspüren und Verfolgen verbotener Insidergeschäfte.

Die Geschäfte in Insiderpapieren werden von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) täglich mit Hilfe von speziellen EDV-Programmen sowohl automatisiert als auch manuell auf auffällige Kursbewegungen oder verdächtige Umsätze hin untersucht. Diese filtern aus den täglichen Umsätzen an den Börsen sowie dem außerbörslichen Handel Auffälligkeiten heraus. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das sind beispielsweise Banken und Sparkassen, müssen Geschäfte, die den Verdacht begründen, dass damit gegen das Insiderhandelsverbot oder das Verbot der Kursmanipulation verstoßen wurde, dieser Behörde anzeigen.

Auch das Börsengeschehen in den USA wird streng überwacht. Dort ist die bereits 1934 gegründete Securities and Exchange Commission (SEC), eine unabhängige Bundesbehörde in Washington (D.C.), neben der Börsenzulassung von Wertpapieren und dem Anlegerschutz auch für das Entdecken widerrechtlichen Insiderhandels zuständig. Auf sanften Druck dieser Behörde sind auch in Europa in den 80er-Jahren die Vorschriften verschärft worden.

Präventive Maßnahmen gegen Insiderhandel

Börsennotierte Unternehmen sind verpflichtet, Insiderinformationen zeitnah zu veröffentlichen (sogenannte Ad-hoc-Publizität), um einer möglichen Weiterverbreitung der Insiderinformationen an Dritte zuvorzukommen und Insiderhandel damit zu unterbinden. Als weitere Maßnahme zur Prävention von Insidergeschäften wurde ab dem 1. Juli 2002 in § 15a WpHG die gesetzliche Pflicht eingeführt, Geschäfte von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und ihren Familienangehörigen in Wertpapieren der eigenen Gesellschaft unverzüglich mitzuteilen und diese Mitteilung (seitens der Gesellschaft) zu veröffentlichen (sog. Directors’ Dealings).

Europäische Union

In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist die Nutzung und Weitergabe von Insiderinformationen - mit geringen Unterschieden - in demselben Umfang verboten wie in Deutschland. Denn die Marktmissbrauchsrichtlinie (Richtlinie 2003/6/EG) verpflichtet die Nationalstaaten zum Erlass entsprechender Verbote und der Sanktionierung von Verstößen.

USA

Die USA gelten als „Mutterland“ des Insiderhandelsverbots. Bereits Anfang der 1930er Jahre wurde im Rahmen der Kapitalmarktgesetzgebung auch der Insiderhandel als Regelungsproblem wahrgenommen und diskutiert. Mit dem Securities Exchange Act von 1934 wurde das Verbot erstmals normiert. Die dem US-amerikanischen Insiderhandelsverbot zugrundeliegenden Regelungsansätze unterscheiden sich jedoch immer noch von dem europäischen Konzept. Nach dem europäischen Konzept dienen die Verbote dem Kapitalmarktschutz. In den USA herrschte bislang die Theorie vor, die Ausnutzung von Insiderwissen stelle einen Treuebruch gegenüber den übrigen Marktteilnehmern dar („fiduciary duty theory“). Neuerdings folgt das amerikanische Insiderrecht der „misappropriation theory“, nach der Insiderhandel eine untreueähnliche Handlung ist: Der Insider "veruntreut" die Insiderinformation gegenüber dem Emittenten. Mit diesem Ansatz ist das amerikanische Insiderverbot gesellschaftsrechtlich ausgerichtet.

Strafurteile für Insidergeschäfte in den USA
Insider Urteil vom Haftstrafe Geldstrafe
Michael Milken November 1990 10 Jahre, nach 22 Monaten entlassen 600 Mio. US-Dollar
John A. Mulheren November 1990 1 Jahr 1,7 Mio. US-Dollar
Martin A. Siegel Juni 1990 2 Monate -
Robert M. Freeman April 1990 4 Monate 1 Mio. US-Dollar
Paul A. Bilzerian September 1989 4 Jahre 1,5 Mio. US-Dollar
Boyd L. Jeffries Juli 1989 - 250.000 US-Dollar
Ivan F. Boesky Dezember 1987 3 Jahre 100 Mio. US-Dollar
Robert M. Wilkis Februar 1987 1 Jahr -
Dennis B. Levine Februar 1987 2 Jahre 362.000 US-Dollar
Ira B. Sokolow November 1986 1 Jahr -
Ilan K. Reich Oktober 1986 1 Jahr -
David S. Brown September 1986 30 Tage -

Quelle: Facts on File. World News Digest 1990.

Insiderhandel in der Praxis

In der Praxis sind auffällige Kursbewegungen vor der offiziellen Bekanntgabe von Insiderinformationen an den Aktienmärkten häufig zu beobachten. Nur selten führen die Ermittlungen der BaFin jedoch zu Verurteilungen vor Gerichten. Zudem sind die Grenzen zwischen kursbeeinflussenden und nicht kursbeeinflussenden Informationen fließend und werden von den Insidern oft falsch eingeschätzt.

Eines der wenigen und gleichzeitig bekanntesten Beispiele für aufgedeckten Insiderhandel war die Ausnutzung eines Informationsvorsprungs durch den damaligen IG Metall-Chef Franz Steinkühler im Jahre 1993. Als Aufsichtsratsmitglied der Daimler-Benz AG war ihm bekannt, dass ein Umtausch von Mercedes-Aktien in Daimler-Aktien bevorstand. Es war für ihn absehbar, dass mit Bekanntwerden dieser Information der Kurs der Mercedes-Aktie deutlich ansteigen werde. Er empfahl deswegen Verwandten den Kauf dieser Aktie. Gerichtliche Folgen hatte diese Aktion nicht, da erst ab 1. August 1994 die Ausnutzung von Informationsvorteilen im Aktienhandel unter Strafe gestellt wurde. Etwa ein Jahr nach Inkrafttreten der Strafbestimmung wurde in Deutschland das erste Verfahren wegen Insidergeschäften vor Gericht publik.[3]

Der größte bis dato bekannte Insiderhandel wurde im Oktober 2009 in den USA aufgedeckt, als das FBI nach dreijährigen Telefonabhöraktionen sechs mutmaßliche Komplizen festnahm, welche durch Insiderhandel etwa 20–25 Millionen US-Dollar erwirtschaftet haben sollen. Die Festgenommenen waren hochrangige Mitarbeiter großer börsennotierter Firmen, unter ihnen Robert Moffat (IBM Global System and Technology Vorstand und Senior Vice President), Rahiv Goel (Intel), die beiden Hedgefonds-Manager Danielle Chiesi und Mark Kurland (Bear Stearns), der Milliardär Raj Rajaratnam (Hedgefonds Galleon (mutmaßlicher Haupttäter)) sowie Anil Kumar (ein Direktor von McKinsey & Company). Es sollen Insiderinformationen über Firmen wie Google, Sun Microsystems, IBM, AMD, Moody's, Hilton Hotels, Peoplesupport und Polycom verwertet worden sein. [4] [5] Rajaratnam wurde deshalb und wegen Verschwörung verurteilt und das Strafmaß im Oktober 2011 auf elf Jahre Freiheitsstrafe festgelegt.[6][7] Zuvor waren bereits bis Mai 2011 34 Komplizen verurteilt worden.[8]

Ein in Deutschland bekannter Fall von Insiderhandel betraf im Jahr 2000 die Firma Infomatec.

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Koch: Due Diligence und Beteiligungserwerb aus Sicht des Insiderrechts, Baden-Baden, 2006, NOMOS Verlagsgesellschaft, ISBN 3-8329-2427-2
  • André-M. Szesny: Finanzmarktaufsicht und Strafprozess - Die Ermittlungskompetenzen der BaFin und der Börsenaufsichtsbehörden nach Kreditwesengesetz, Wertpapierhandelsgesetz und Börsengesetz und ihr Bezug zum Strafprozessrecht. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-3622-7.

Einzelnachweise

  1. Entscheidung des BGH vom 27. Januar 2010 zum Insiderhandel - pdf-Datei
  2. siehe auch: Kriminelle Optionsgeschäfte - Verkauf zum falschen Zeitpunkt ist Insiderhandel in: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 23. Februar 2010
  3. Der Spiegel, Heft 34/1995, Seite 88: Lücke im Gesetz, abgefragt am 26. November 2010
  4. RP-online: Nach Anklage wegen Insider-Handels: IBM und Intel-Manager Moffat und Goel beurlaubt, abgefragt am 28. Oktober 2009
  5. crn.de: Wall Street-Skandal: Insiderhandel mit IT-Aktien, abgefragt am 28. Oktober 2009
  6. Richter straft die Wall Street ab. In: Spiegel Online vom 13. Oktober 2011
  7. Raj Rajaratnam — Galleon Group Founder Convicted in Insider Trading Case. In: The New York Times vom 13. Oktober 2011
  8. US-Milliardär Rajaratnam soll ins Gefängnis in: Spiegel Online vom 11. Mai 2011

Weblinks

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