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Gerhard Gundermann

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Gerhard Gundermann, 1994

Gerhard Rüdiger Gundermann (geb. 21. Februar 1955 in Weimar; gest. 21. Juni 1998 in Spreetal) war ein deutscher Liedermacher und Rockmusiker.

Vor der deutschen Wiedervereinigung galt Gundermann speziell als Sprachrohr der Menschen im Lausitzer Braunkohlerevier. Er wurde häufig kontrovers diskutiert, da einige seiner Texte sich sehr direkt mit den kleineren und größeren Problemen der Menschen im Revier auseinandersetzten. Nach der Wiedervereinigung widmete er sich verstärkt dem Umweltschutz und äußerte sich sehr kritisch über die soziale Entwicklung im Osten Deutschlands.

Seine oft von einem melancholischen Unterton geprägten Lieder spiegeln teils eine sehr persönlich wirkende Auseinandersetzung mit den Themen Leben, Tod und Sterben wider. Wenn Gundermann in seinen Texten politische, umweltspezifische und soziale Inhalte thematisiert, werden diese in der Regel untermalt durch die eigene Erfahrungswelt im beruflichen und privaten Alltag. Durch die derart vermittelten Themen gelten Gundermanns Lieder als getragen von einer persönlichen Authentizität.

Leben

1967 zog Gundermann nach Hoyerswerda in den Bezirk Cottbus, wo er 1973 sein Abitur ablegte. Danach studierte er zunächst an der NVA-Offiziershochschule Löbau und sang dort im Armeesingeklub, wo er später ein Loblied auf den General singen sollte. Da er sich weigerte, wurde er 1975 exmatrikuliert und arbeitete seitdem als Hilfsarbeiter im Tagebau Spreetal. Ab 1976 ließ er sich an der Abendschule zum Facharbeiter ausbilden und wurde während dieser Zeit vom Ministerium für Staatssicherheit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) angeworben. Er wählte den Decknamen IM Grigori.[1] 1977 kandidierte er erstmals für die SED, im darauffolgenden Jahr schloss man ihn aus der Partei aus (wegen unerwünschter eigener Meinung). Nach Protesten wurde der Ausschluss in eine „strenge Rüge“ umgewandelt. 1978 fuhr Gundermann mit dem „Singeklub Hoyerswerda“ zum Festival des politischen Liedes nach Berlin. Im gleichen Jahr benannte sich der Singeklub in „Brigade Feuerstein“ um. Das musikalische Märchen „Raskadonien“ wurde erstmals aufgeführt. 1983 heiratete Gundermann. 1984 wurde er erneut aus der SED und im gleichen Jahr auch von der Stasi wegen „prinzipieller Eigenwilligkeit“ ausgeschlossen. Während seiner Zeit als IM hat er für seine Tätigkeit insgesamt 1500 Mark und 1981 die Artur-Becker-Medaille in Bronze, eine Auszeichnung der FDJ, erhalten.[2][3]

Gerhard Gundermann, 1989

Mitte der 1980er-Jahre schrieb Gundermann zusammen mit Alfons Förster das Kindermusical „Malvina“, mit dem er zusammen mit „Brigade Feuerstein“ (Conny als Malvina) erfolgreich durch die Lande tourte. 1986 hatte er erste Soloauftritte als Liedermacher und gewann 1987 den Hauptpreis und den Preis der Schallplatte beim Chansonwettbewerb der DDR. 1988 erschien seine erste LP, die wie seine weiteren offiziellen Studioplatten nicht im Liedermacher-Stil, sondern mit verschiedenen Rock-Bands eingespielt wurden (z.B. Gundermann und Freunde, Die Wilderer, Gundermann & Seilschaft). Zu den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 kandidierte er für das Aktionsbündnis Vereinigte Linke.

In den Neunzigern konnte der „singende Baggerfahrer aus der Lausitz“ mit Titeln wie Engel über dem Revier (musikalische Verarbeitung der für sein Leben einschneidenden Entlassung aus dem Tagebau 1997) oder Hier bin ich geboren (Reflexion der eigenen Heimat und Herkunft) eine wachsende treue Fangemeinde um sich versammeln. Mit seinem breiten Themenspektrum in den Songs über niedergehende Industriereviere, Leben und Sterben, einfache Alltagsgeschichten, Umwelt oder Arbeitslosigkeit avancierte Gundermann im Osten zu einer Kultfigur, während er im Westen Deutschlands nahezu unbekannt blieb. Die kritisch-poetische Analyse der Wiedervereinigung und ihrer Folgen für Ostdeutschland nahm auf seinen späteren Platten einen zentralen Stellenwert ein. Besonders wichtig war ihm die Auseinandersetzung mit Themen wie Ausbeutung, Mensch, Natur, Ökologie sowie Armut und Reichtum (So wird es Tag).

1989 wirkte Gundermann als Texter für das neue Album „Februar“ der in der DDR sehr populären Gruppe Silly mit.[4]

Markant für Gundermann war insbesondere seine für einen Rockmusiker ungewöhnlich asketische Lebensweise. Gundermann rauchte nicht und trank auch keinen Alkohol.

1995 kam Gundermanns Tätigkeit für die Stasi ans Licht. Der Musiker brachte seine Scham darüber zum Ausdruck, nicht schon eher über die eigene Rolle als Spitzel gesprochen zu haben. Er kommentierte seine Funktion als IM mit den Worten: „Ich sehe mich nicht als Opfer und auch nicht als Täter. Ich habe mich mit der DDR eingelassen – mit wem sonst? – und ich habe ausgeteilt und eingesteckt. Und ich habe gelernt. Deswegen bin ich auf der Welt.“ Sein Song „Sieglinde“ kann als musikalische Aufarbeitung dieser Vergangenheit gedeutet werden.

Gundermanns Grab auf dem Waldfriedhof in Hoyerswerda

Neben seinen Band-Auftritten mit der Band „Seilschaft“ tourte Gundermann – genannt „Gundi“ – häufig als Liedermacher mit seinen Soloprogrammen durch die Lande und wirkte an verschiedenen Projekten mit, beispielsweise am Programm „Doppelkopp“ mit dem Liedermacher Manfred Maurenbrecher. 1994 spielte er im Vorprogramm von Bob Dylan und Joan Baez. Auch als ihm allein seine Musik längst ein existenzsicherndes Einkommen garantierte, arbeitete er zusätzlich weiter als Baggerfahrer im Braunkohlebergbau. Nach der Schließung des Tagebaus 1997 begann er eine Umschulung zum Tischler. Seine Maxime, nicht von der Kunst, sondern von „echter Arbeit“ zu leben, um eine kommerzielle Vermarktung seiner Lieder zu verhindern, führte zu einem übermäßig anstrengenden Lebenswandel mit extrem wenig Schlaf. Oftmals fuhr er von einem seiner dreistündigen Konzerte direkt zur Schicht oder umgekehrt, ohne sich eine Pause zu gönnen. Diese Umstände trugen wahrscheinlich maßgeblich zu seinem frühen, plötzlichen Tod bei. Gerhard Gundermann starb in der Nacht zum 21. Juni 1998 völlig überraschend mit nur 43 Jahren in seinem Wohnort Spreetal (Sachsen) an einem Hirnschlag. Er hinterließ seine Frau Conny und vier Kinder. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof in Hoyerswerda.

Nachwirkung

Am 12. September 1998 fand an der Freilichtbühne in Berlin-Weißensee ein großes Gedenkkonzert für Gundermann statt, an dem zahlreiche Künstler und Weggefährten teilnahmen, unter anderem der Liedermacher Gerhard Schöne, die Chansonsängerin Barbara Thalheim und die Brigade Feuerstein.

Seit 1999 hat sich der aus Fans und Freunden bestehende Verein „Gundermanns Seilschaft e.V.“ der Pflege seines Nachlasses verschrieben. Dabei sollen vor allem seine Lieder und die dahinterstehenden Gedanken lebendig gehalten werden.

Auch in anderen Teilen Deutschlands, wo Gundermann zeit seines Lebens nur wenig bekannt war, nimmt man sich mittlerweile dessen Erbe an: Im Jahr 2000 gründeten einige Mitglieder des Landestheaters Tübingen um den Musiker, Schauspieler und Regisseur Heiner Kondschak die Randgruppencombo.[5] Die Band spielt Gundermann-Songs und hat mittlerweile drei Alben veröffentlicht. Seit ihrer Gründung gab sie mehr als 100 erfolgreiche Konzerte im gesamten Bundesgebiet.

Der niederländische Liedermacher Johan Meijer hat 2008 Lieder von Gundermann ins Niederländische übersetzt und die CD „Hondsdraf“ aufgenommen.

Anlässlich seines 10. Todestages fand am 21. Juni 2008 in der Berliner Columbiahalle ein Gedenkkonzert statt. Auf diesem Konzert traten unter anderem die Seilschaft, die Randgruppencombo, Polkaholix, Christian Haase sowie Silly auf. Das Konzert wurde aufgezeichnet, große Teile der Aufzeichnung wurden 2009 auf der DVD "Alle oder Keiner – Tribut an Gerhard Gundermann" veröffentlicht.

Preise

  • 1987: mit der Brigade Feuerstein bei den DDR-Chansontagen in Frankfurt/Oder den Hauptpreis des VEB Deutsche Schallplatten für das Programm Männer, Frauen und Maschinen. (Dies ermöglichte die Produktion der gleichnamigen LP.)
  • 1994: mit der Seilschaft den Jahrespreis der Liederbestenliste für den Song Sehnsucht nach dem Rattenfänger.

Diskografie

  • 1988 LP Männer, Frauen und Maschinen
  • 1989 Mitarbeit an der Platte Februar von Silly
  • 1992 CD Einsame Spitze, Mitarbeit an der Platte Hurensöhne von Silly
  • 1993 CD Der 7te Samurai
  • 1995 CD Frühstück für immer
  • 1997 CD Engel über dem Revier
  • 1998 CD Krams – Das letzte Konzert (Liveaufnahme des letzten Konzerts eine Woche vor seinem Tod)
  • 1999 CD Unplugged (Silly + Gundermann & Seilschaft)
  • 2000 CD Live-Stücke I
  • 2004 CD Werkstücke II. Die Wilderer
  • 2005 CD Torero… Werkstücke III (Solo/Live)
  • 2006 CD Oma Else. Eine Hörgeschichte in Liedern, gelesen von Petra Kelling und Gerhard Gundermann
  • 2008 CD Auswahl I - Alle oder Keiner (CD und DVD)

Video/DVD

  • 1999 Silly + Gundermann & Seilschaft Unplugged
  • 1998 Gundermann & Seilschaft, Konzert in Berlin

Filmmusik

  • Jonny kommt, DEFA für das Fernsehen der DDR, Jugendfilm, DDR 1988, 105 Min. (mit Alfons Förster und der Brigade Feuerstein), Erstaufführungen: 25. Dezember 1988 Fernsehen der DDR 1; 1. November 1990 ZDF; 1995 Video

Film

  • Gundi Gundermann, Dokumentation von Richard Engel, VHS (1983)
  • Ende der Eisenzeit, Dokumentation von Richard Engel, 95 min (1999)
  • Mitwirkung im Dokumentarfilm Die Schmerzen der Lausitz, Regie: Peter Rocha (1989/1990)

Literatur

Weblinks

 Commons: Gerhard Gundermann – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. nach Grigori Kossonossow, aus Die Kuh im Propeller von Michail Sostschenko
  2. Hier bin ich geborn - hier hat mich mein Gott verlorn.(pdf). Deutschlandfunk. 24. Juni 2008. Abgerufen am 9. Dezember 2011.
  3. IM Grigori tritt ab. DIE ZEIT 22/1995. Abgerufen am 9. Dezember 2011.
  4. http://www.buschfunk.com/kuenstler/rezensionen/36_Silly/16
  5. Auftritt der Randgruppencombo mit Gundermann-Liedern am 29. Dezember 2009 im Landestheater Tübingen; Konzertausschnitt mit 2 Titeln (flash-Video, ca. 7½ Minuten) auf youtube.com (Kondschak als Leadsänger an der Gitarre)
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