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Eduard Suess

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Eduard Sueß, Lithographie von Josef Kriehuber, 1869
Portrait von Eduard Suess

Eduard Suess (geb. 20. August 1831 in London; gest. 26. April 1914 in Wien) war ein österreichischer Geologe und Politiker des 19. Jahrhunderts und wurde bekannt als Experte für den tektonischen Bau der Alpen. Auf ihn sind zwei wesentliche paläo-geographische Entdeckungen zurückzuführen: der ehemalige Superkontinent Gondwana und die Tethys.

Leben

Suess wurde in London als Sohn eines sächsischen jüdischen Kaufmanns geboren. Als er das Alter von drei Jahren erreichte, zog seine Familie zuerst nach Prag, und 11 Jahre später nach Wien um. Bereits in jungen Jahren war er an der Geologie interessiert, und publizierte im Alter von 19 Jahren, als Assistent im "Hofmuseum" in Wien, sein erstes Thesenpapier über die Geologie von Karlsbad.

Im Jahre 1856 wurde er an der Universität Wien zum Professor ernannt, zunächst für Paläontologie, seit 1861 für Geologie. Außer seiner Tätigkeit als Universitätsprofessor war er auch als Politiker im Wiener Gemeinderat und als Abgeordneter der Liberalen im Niederösterreichischen Landtag aktiv. In diesen Funktionen betrieb er vorrangig die Wiener Donauregulierung und den Bau der I. Wiener Hochquellenwasserleitung. Aus diesem Grund erhielt er auch die damals noch vorwiegend den Adligen vorbehaltene Ehrenbürgerschaft von Wien. Eine Büste beim Hochstrahlbrunnen des Wiener Schwarzenbergplatzes erinnert daran. In den Jahren 1898 bis 1911 war er Präsident der Akademie der Wissenschaften in Wien.

Eduard Suess wurde im Jahr seines Todes in Márcfalva (heute Marz) bei Mattersburg bestattet.[1]

Werk

Seit 1857 begann er allmählich seine Thesen über die Entstehung der Alpen zu entwickeln. In Weiterentwicklung der Geosynklinaltheorie des Nordamerikaners James Dwight Dana kam er zu dem Schluss, dass die Alpen im Wesentlichen durch langsame seitliche (laterale) Einengungsbewegungen der Erdkruste, wie Faltung und Überschiebung, in diesem Fall eine asymmetrische Bewegung der Gesteinsschichten in Richtung Norden, geformt wurden. Als treibende Kraft nahm er, wie Dana, die Schrumpfung der Erdkruste durch die Abkühlung des Erdkörpers an. Bisher hatten die europäischen Geologen, in Anlehnung an James Hutton und Leopold von Buch, meist geglaubt, dass sich die Gebirgsketten v.a. durch vertikal wirkende vulkanische Kräfte aus dem Untergrund erhöben. Suess hielt den Vulkanismus aber eher für eine Folge der Gebirgsbildung (Orogenese), und nicht für seine Ursache. Die Asymmetrie der Gebirgsketten erklärte er durch das Abrutschen der Gesteinsschichten auf die eingesunkenen Vorländer.

Suess war auch am Bau des Sueskanals beteiligt und plante mit Karl Junker die 1873 eröffnete I. Wiener Hochquellenwasserleitung, die Wien seither mit Trinkwasser aus dem Rax-Schneeberg versorgt.

Im weiteren Verlauf seiner Karriere seit 1878 versuchte sich Suess an einer groß angelegten Zusammenfassung der geologischen Kenntnisse seiner Zeit, wobei er die gesamte Gestalt der Ozeane und Kontinente mit ihren Gebirgsketten betrachtete. Lyells alte „Fahrstuhl-Tektonik“ (langsames Auf und Ab der Festlandsmassen, mit entsprechend langsamer Erosion und Überflutung) hielt er, seit seiner Beschäftigung mit der komplexen Tektonik der Alpen, für ungeeignet. Statt dessen versuchte er, ähnlich wie Élie de Beaumont einige Jahrzehnte zuvor, sein tektonisches Modell mit der Entwicklungsgeschichte der Erde zu verbinden, wie sie in den Sedimentgesteinen überall auf der Welt überliefert worden war. Allerdings tat er dies auf eine viel differenziertere Weise: Suess nahm an, dass der Einbruch eines Ozeanbeckens ein weltweites Sinken des Meeresspiegels (Regression) bewirken würde. Dieses führe dann zu einer verstärkten Erosion der entblößten Festländer, dies wiederum zu vermehrtem Eintrag von Sedimenten in die Ozeane bis diese gefüllt sind, und dies schließlich zu einem erneuten Anstieg des Meeresspiegels (Transgression). Mit der Einführung des (heute noch gebräuchlichen) Konzepts der eustatischen Meeresspiegelschwankungen lieferte er eine plausible Erklärung, warum verschiedene geologische Einheiten, wie Jura, Kreide usw., überhaupt weltweit in ähnlicher Gestalt ausgebildet sind und sich miteinander korrelieren lassen.

Im Gegensatz zu Dana hielt Suess die Ozeane also für relativ junge und veränderliche Strukturen, und nicht für uralte, primordiale Einsturzbecken, die schon seit der Zeit der ersten Krustenbildung des Erdkörpers bestünden. Suess' Aussage: Der Zusammenbruch des Erdballs ist es, dem wir beiwohnen. wurde zum Kernsatz seines geologischen Weltbildes.

Aufgrund solcher Überlegungen kam Suess zu dem Schluss, dass Afrika und Europa einstmals eng verbunden waren und dass die nördlichen Alpen einst der Grund eines Ozeans gewesen waren, von dem das Mittelmeer nur noch ein Überbleibsel darstellte. Obwohl größere Teile dieser These heute nicht mehr akzeptiert werden (unter anderem weil die Theorie der Plattentektonik zu Suess' Zeiten noch nicht entwickelt worden war), lag er mit dieser These so nahe an den Tatsachen, dass ihm die Entdeckung des Tethys-Ozeans zugeschrieben wird, dem er 1893 diesen Namen verlieh.

Suess führte in seiner Diskussion über den Aufbau des Erdinneren abgeleitet von den Hauptbestandteilen auch die Abkürzungen

ein.[2]

Zu seinen weiteren wichtigen Entdeckungen zählt, dass eine bestimmte Farngattung Glossopteris in Fossilien Südamerikas, Afrikas und Indiens zu finden ist (dass diese Farngattung auch in antarktischen Fossilien vorkommt, konnte Suess zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen). Seine Erklärung für diese Tatsache war, dass diese drei Erdteile einstmals als „Superkontinent“ vereint waren. Diesen nannte er „Gondwana-Land“. Damit widersprach er der bis dahin vorherrschenden Meinung, identische oder nah verwandte Arten seien stets über Landbrücken, ähnlich wie die Landenge von Panama, von einem Kontinent zum anderen gewandert. Nach heutigem Wissensstand ist Suess' Theorie aber ebenfalls nicht vollständig korrekt. Er glaubte, dass die Ozeane die heute diese Erdteile trennen, im Laufe des Tertiär eingesunken seien. Die Tatsache, dass die Landmassen auseinanderdrifteten, war ihm zu seiner Zeit noch nicht bekannt. Jedoch begriff Suess als Erster, dass der ostafrikanische Graben aufgrund von lateralen Ausdehnungsbewegungen entstanden sein musste, die zur Ausdünnung der Erdkruste und zur Bildung eines Grabenbruchs führten.

Die regionale, im zentralen Paratethys-Bereich verwendete chronostratigraphische Stufe des Sarmatium (Miozän, Neogen) wurde von ihm erstmals 1866 publiziert. Nikolaj Barbot de Marny hatte diesen Namen anscheinend in einem Brief an Eduard Suess vorgeschlagen; der Brief selber ist nicht erhalten. In der Arbeit von 1866 vermerkte Eduard Suess deshalb ausdrücklich die Mitautorschaft von Barbot de Marny an dem Namen Sarmat(ium).

Wirkung

Denkmal auf dem Wiener Schwarzenbergplatz

Suess veröffentlichte 1883 eine Zusammenfassung seiner Ideen in dem Werk Das Antlitz der Erde, das viele Jahre lang ein geschätztes Lehrbuch der Geologie war. In dieser Arbeit führte Suess, neben den Begriffen Lithosphäre und Hydrosphäre, auch den Begriff der Biosphäre ein, der später von unorthodoxen Denkern, wie Pierre Teilhard de Chardin oder dem Geochemiker Wladimir Wernadski weiter ausgebaut wurde. Die Beschäftigung mit der allgegenwärtigen Rolle von lebenden Organismen auf die geologische Entwicklung der Erde, und die komplexen Wechselwirkungen zwischen selbstregulierenden Zyklen, wie dem Kreislauf der Gesteine, dem Wasserkreislauf in der Atmosphäre und im Meer, dem Nahrungskreislauf, etc, führten letztendlich zu so umstrittenen Vorstellungen wie der Gaia-Theorie.

In einer späteren Ausgabe seines Werkes von 1904 versuchte Suess übrigens eine möglichst naturalistische Erklärung für den biblischen Sintflut-Bericht zu finden: er hielt die Flut für das tragische Zusammentreffen eines seismischen Ereignisses mit einem tropischen Sturm am Südende des Persischen Golfs. Mit der entstehenden Gezeitenwelle (Tsunami) könnten Überlebende in seetüchtigen Booten bis in die Bergländer im Norden des heutigen Irak gespült worden sein. Das Aufbrechen der Brunnen der Großen Tiefe (1 Gen 7,11) führte er auf das bekannte Phänomen von Quellen in den Schwemmgebieten großer Flüsse zurück, die während eines Erdbebens plötzlich mehr Wasser ausspeien. Diese Art und Weise antike Mythen in rational verständliche Vorgänge umzudeuten, und sie damit ihrer eigentlichen mythologischen und moralischen Anteile zu berauben, erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit, allerdings eher unter pseudowissenschaftlichen Autoren. Auch Suess' Vorstellungen über das Versinken von Erdkruste in neuen Ozeanbecken fand bereits unter zeitgenössischen Okkultisten, wie Ignatius Donnelly und Helena Blavatsky großen Anklang. Sie benutzten Suess' Theorien um z. B. das Versinken von Atlantis und anderer hypothetischer Kontinente zu erklären.

1937 übertrug der südafrikanische Geologe Alexander Du Toit in Suess' Namen Tethys und Gondwana auf die Gegebenheiten in Alfred Wegeners Kontinentaldrift-Theorie. Du Toits Name Laurasia für den ehemaligen Superkontinent nördlich der Tethys geht auf Suess' Bezeichnung "Laurentia" für das Gebiet zurück, das wir heute als Kanadischen Schild kennen. Der Name Laurentia wurde 1977 von einer Autorengruppe um Alfred M. Ziegler auch auf den erdgeschichtlichen Kontinent Laurentia übertragen. Die von Wegener verwandten Bezeichnungen SiMa und SiAl für ozeanische und kontinentale Kruste wurden ebenfalls von Suess zuerst geprägt.

Ehrungen

Für seine Verdienste um die Geologie wurde Eduard Suess 1896 mit der Wollaston-Medaille der Geological Society of London ausgezeichnet. Nach ihm wurde der Suessgletscher in Viktorialand im Süden der Antarktis benannt. Im Jahr 1914 wurde in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk) die Eduard-Sueß-Gasse nach ihm benannt.

Seit 1880 war er korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Schriften

  • Über die Brachiopoden der Kössener Schichten. 1854, Digitalisat
  • Der Boden der Stadt Wien. 1862
  • Die Entstehung der Alpen. 1875
  • Das Antlitz der Erde. 3 Bände, 1883-1909; 1904-1924.
  • Erinnerungen. 1916

Literatur

  • Sueß, Eduard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, S. 358.
  • Carl Diener: Eduard Suess. In: Mitteilungen der Geologischen Gesellschaft Wien. Band 7, 1914
  • Alexander Tollmann und E. Kristan-Tollmann (Hrsg.): Eduard Suess - Forscher und Politiker. 1981
  • Eduard Sueß (1831–1914) und die Entwicklung der Erdwissenschaften zwischen Biedermeier und Sezession. Abstracts des 6. Wissenschaftshistorischen Symposiums „Geschichte der Erdwissenschaften in Österreich“. Geologische Bundesanstalt Wien, Wien 2006 (Volltext)
  • Johannes Seidl (Hgb.): Eduard Suess und die Entwicklungen der Erdwissenschaften zwischen Biedermeier und Sezession, 2009 ISBN 978-3-89971-467-8

Quelle

  1. Endre Dudich: Die Beziehungen zwischen der k.k. Geologischen Reichsanstalt in Wien und der Ungarischen Geologie von 1867 bis 1918. (in: Abh. d. Geol. Bundesanst., Wien (56/1) 1999, S. 68)
  2. M. Fufajew: E. Suess, Vater der modernen Tektonik in Wie Gebirge entstehen

Weblinks