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Der Untertan

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Dieser Artikel beschreibt den Roman von Heinrich Mann. Zum Film siehe Der Untertan (Film).
Umschlagdeckel von 1918

Der Untertan ist ein Roman von Heinrich Mann aus dem Jahr 1914. Die erste Buchausgabe erschien 1918. Heinrich Mann erzählt mit ironischer Distanz die Lebensgeschichte des fiktiven Opportunisten Diederich Heßling von dessen Kindheit bis hin zur Sicherung seiner Stellung in der wilhelminischen Gesellschaft des deutschen Kaiserreichs um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert.

Inhalt

Der Roman erzählt von Diederich Heßling als Beispiel für einen bestimmten Typ Mensch in der Gesellschaft des deutschen Kaiserreichs. Heßling ist obrigkeitshörig, feige und ohne Zivilcourage. Er ist ein Mitläufer und Konformist. Heinrich Mann erzählt mit ironischer Distanz Heßlings Lebensgeschichte von dessen Kindheit bis hin zur Sicherung seiner Stellung in der wilhelminischen Gesellschaft. Er wird dargestellt als unsicherer junger Mann, Student, Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung, Stammtischagitator, Fabrikbesitzer, Kontrahent des Proletariats, Beherrscher der Familie, lokalpolitischer Intrigant und Verehrer des deutschen Kaisers Wilhelm II. An einer Kette solcher Episoden, denen Zitate aus Kaiserreden als Leitfaden dienen, wird Heßlings Aufstieg zu Einfluss und Macht dargestellt, wobei sich seine Persönlichkeit einerseits als Tyrann gegen Schwächere auslebt, andererseits als Untertan, der sich freudig höheren politischen Gewalten unterordnet.

Heßling identifiziert sich mit den Weltmachtambitionen der radikalen Nationalisten, die den kommenden Weltkrieg herbeiwünschen. Während einer Rede zur Einweihung eines kaiserlichen Denkmals, in der sich Heßling selbst als Bürger der Zeit beschreibt, wird die Ordnung durch ein apokalyptisch anmutendes Gewitter aufgelöst. Als kritischen Gegensatz zu Heßling lässt Heinrich Mann als Darstellung des verkümmernden Liberalismus den Vater eines Freundes, den 1848er-Revolutionär Buck, im Angesicht Heßlings sterben.

Intention

Der Untertan persifliert die wilhelminische Epoche und analysiert die Situation der damaligen Zeit. Heinrich Mann diagnostizierte die nationalistische Politik sowie die Machtverhältnisse seiner Epoche unter der Regierung Wilhelms II. In diesem Zusammenhang lässt Mann den alten Buck sagen:

„Wenn die Katastrophe, der sie auszuweichen denken, vorüber sein wird, sei gewiss, die Menschheit wird das, worauf die erste Revolution folgte, nicht scham- und vernunftloser nennen, als die Zustände, die die unseren waren.“[1]

Damit nahm Mann den bald folgenden Weltkrieg vorweg und verglich die wilhelminische Ära mit jener des Vormärz.

Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte

Das Manuskript wurde einen Monat vor Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 abgeschlossen. Bereits Ende 1911 wurde im Simplicissimus ein Auszug unter dem Titel Lebensfrühling abgedruckt, es folgte im Frühjahr 1912 ein weiterer unter dem Titel Neuteutonen.[2] Der Roman erschien von Januar 1914 bis kurz nach Kriegsbeginn als Vorabdruck in Fortsetzungen in der Zeitschrift Zeit im Bild und als Buchausgabe erst 1918 bei Kurt Wolff (Einbandgestaltung: Emil Preetorius) in Leipzig; nach seiner Veröffentlichung kam es zu heftigen Kontroversen.

Das Vorwort

„Dieses Buch wurde im Juli 1914 vollendet.“

Heinrich Mann beschrieb sehr deutlich, aus welchen Einstellungen heraus Deutschland in den Nationalismus und letztendlich in den verhängnisvollen Ersten Weltkrieg getrieben wurde.

Kritik

Während Thomas Mann seinem Bruder „ruchlosen Ästhetizismus“ vorwarf, lobte Kurt Tucholsky das Buch als „Herbarium des deutschen Mannes“. Die Debatte um die Repräsentativität des Untertans als Sinnbild des Wilhelminischen Reiches erhielt Auftrieb in den 1980er Jahren, als Hans-Ulrich Wehler (unterstützt von Ossip K. Flechtheim) die These formulierte, dass „kein Historiker [die Rolle des meinungsbildenden akademischen Bürgertums bei der Verbreitung eines so radikalen, antidemokratischen Nationalismus im Deutschen Kaiserreich] so eindringlich beschreiben konnte“ wie Heinrich Mann, während Eberhard Straub ihn als eine Karikatur beschrieb, „der den Staatsbürger und den Rechts-, Kultur- und Sozialstaat seiner Gegenwart nicht begriff“.[3] Die Idee, der Reichstagsabgeordnete Diederich Hahn könnte Pate gestanden haben zu Diederich Heßling, erwies sich als nicht belegt.[4] Auch die im Berliner Heinrich-Mann-Archiv lagernden Notizbücher des Dichters zu dessen Untertan-Manuskripten enthalten dazu nichts. Die Literaturwissenschaftlerin Ariane Martin, Universität Mainz, geht davon aus, der Autor dürfte bei seiner Romanfigur etymologisch „Theoderich“ gemeint haben, den starken typisch deutschen Mann, den „hässlichen“ Deutschen.[5]

Rezeption

Der Untertan wurde in die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher und auch in die ZEIT-Schülerbibliothek aufgenommen.

Adaptionen

Bildende Kunst

Der Maler Karl Hubbuch schuf 1923 eine gleichnamige Lithographie.

Film

1951 verfilmte Wolfgang Staudte den Roman mit Werner Peters in der Hauptrolle erfolgreich. Regisseur und Hauptdarsteller erhielten dafür den Nationalpreis der DDR. Staudtes Film fiel in der Bundesrepublik Deutschland zunächst der Zensur zum Opfer: Er wurde als Angriff auf die Bundesrepublik gewertet und daher verboten, durfte nur in geschlossenen Veranstaltungen gezeigt werden und wurde erst 1957 in einer stark gekürzten Fassung freigegeben. Erst zwanzig Jahre später zeigte das westdeutsche Fernsehen den Film ungekürzt.[6][7]

Hörspiel

Der Westdeutsche Rundfunk produzierte den Roman 1971 als Hörspiel (Länge: 349 Minuten) in der Bearbeitung von Walter Andreas Schwarz und unter der Regie von Ludwig Cremer. Die Hauptrollen übernahmen Heinz Drache als Diederich Heßling und Heiner Schmidt und Walter Andreas Schwarz als Erzähler. Weitere Hauptfiguren sprachen: Heinz von Cleve: Herr Heßling, Irmgard Först: Frau Heßling, Walter Jokisch: Herr Göppel und Veronika Bayer: Agnes Göppel.

Siehe auch

Literatur

Ausgaben

Sekundärliteratur

  • Manuel Clemens: Gehorsame Subjekte. Theatralität in den Untertan-Romanen von Heinrich Mann (1918) und Joachim Zelter (2012). In: New Authorities in Politics and Literature. Themenheft der Colloquia Germanica, Vol. 50. 3–4 (2017), S. 269–285.
  • Wolfgang Emmerich: Heinrich Mann: „Der Untertan“. Fink, München 1980, 4. Aufl. 1993 (UTB 974) ISBN 3-7705-1888-8.
  • Reinhard Alter: Heinrich Manns „Untertan“. Ein Prüfstein für die „Kaiserreich-Debatte“? In: Geschichte und Gesellschaft, 17, 1991, S. 370–389.
  • Monika Hummelt-Wittke: Heinrich Mann: Der Untertan. München 1987. 3., überarb. und korr. Aufl. 1998. (Oldenbourg Interpreationen.)
  • Helmut Scheuer: Heinrich Mann: Der Untertan. In: Interpretationen. Romane des 20. Jahrhunderts. Bd. 1. Stuttgart 1993. (Reclam, Universal-Bibliothek. 8808.) S. 7-52.
  • Frederick Betz: Heinrich Mann. Der Untertan. Erläuterungen und Dokumente. Reclam, Stuttgart 1993. Ergänzte Ausgabe 2003.
  • Hans Wißkirchen: Heinrich Mann Der Untertan. Epochenroman oder Satire? In: Heinrich Mann-Jahrbuch (11) 1993. S. 53–72.
  • Hans Wißkirchen: Heinrich Mann: Der Untertan. Historischer Kontext – Entstehung – Interpretation. In: Materialien zur Lehrerfortbildung II. Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum im Buddenbrookhaus. Lübeck 1999. S. 5–18.
  • Burkhard von Grafenstein: Die Darstellung des Corpsstudententums in Heinrich Manns „Der Untertan“. In: Einst und Jetzt, Bd. 59, 2014, S. 91–101.
  • Werner Bellmann: Tagebücher und private Aufzeichnungen einer kaiserlichen Hofdame. Eine neuentdeckte Quelle für Heinrich Mann "Der Untertan" und Martin Walsers "Angstblüte". In: Wirkendes Wort 69 (2019) Heft 2. S. 183–196.

Weblinks

 Commons: Der Untertan (Heinrich Mann) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 4. Auflage, 1918, S. 490
  2. Heinrich Mann: Der Untertan, awb.uni-kiel.de
  3. welt.de
  4. J. D. Hahn-Godeffroy: Diederich Hahn als Diederich Heßling? Eine Richtigstellung. (Memento vom 2. Dezember 2013 im Internet Archive) In: Andrea Bartl, Ariane Martin, Hans Wißkirchen (Hrsg.): Heinrich Mann-Jahrbuch, 28/2010, im Auftrag der Heinrich Mann-Gesellschaft. Lübeck 2011, S. 285
  5. Ariane Martin: Mentalität und Medialität, Identität und Inszenierung. Ein Paar als drittes Geschlecht in Heinrich Manns Roman Der Untertan und Wolfgang Staudtes Verfilmung. In: Dagmar von Hoff, Anett Holzheid (Hrsg.): Identität und Gender. Aspekte medialer Verwandlungen. Martin Meidenbauer, München / New York 2010, S. 29–58
  6. Andreas Kötzing: Zensur von DEFA-Filmen in der Bundesrepublik.Aus Politik und Zeitgeschichte, 1-2, 2009, S. 33ff.
  7. Dirk Hentschel: Der Untertan - revisited in Düsseldorf. Der Freitag, 2008
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Der Untertan aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.