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Tewje, der Milchmann

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Tewje, der Milchmann (original: Tewje der milchiker) ist ein Roman des jiddischsprachigen Schriftstellers Scholem Alejchem. Das Buch erschien in acht Teilen zwischen 1895 und 1914 und zählt zu den Klassikern der jiddischen Literatur. Es diente als Vorlage für das Musical Anatevka und dessen gleichnamige Verfilmung.

Aufbau

Das Werk wird zwar als Roman klassifiziert, ist jedoch mit seinen acht Geschichten aus dem Leben Tewjes eher eine Sammlung von Erzählungen.[1] Alejchem wählte einen erzählenden Stil: Der Held Tewje erzählt die Geschichten scheinbar einem guten Freund Namens Scholem Alejchem.

Handlung

Angesiedelt ist der Roman in 1905 und spielt in und um die kleinen Dörfern Masepowka, Jehupez, Bojberik und Anatevka. Der Protagonist lebt zusammen mit seiner Frau Golde und seinen Töchtern in Bojberik und verdient als Milchmann den Lebensunterhalt für sich und seine Familie. Er ist, obwohl er nur ein einfacher Jude ohne höhere Bildung ist, in der Kenntnis der Tora, des Talmuds und des Midraschs sehr gebildet, so dass er für verschiedenste Lebenssituationen passende Verse aus diesen Texten findet und rezitiert. Den Mittelpunkt dieses Mikrokosmos bildet Bojberik, das Heimatdorf der Familie.

Prolog – Ich bin zu gering

Das Buch wird mit einem Brief an den Verfasser eröffnet, in dem sich Tewje darüber mehr als verwundert zeigt, dass sein aus seiner Sicht einfaches und banales Leben so interessant sei, das es gedruckt wurde. Der Humor, der das ganze Buch durchzieht, tritt hier zum ersten mal deutlich hervor, da Tewje seinen verwunderten Brief damit schließt, dass er dem Verfasser eine Adresse mitteilt, an die jener die Tantieme aus dem Verkauf senden soll.

Kapitel 1 – Das große Los (verfasst 1895)

Die Episode erzählt, wie Tewjes Familie am Hungertuch nagte und er zum Milchhändler wird. Er ist mit seinem Wagen auf dem Nachhauseweg und sagt, seiner jüdischen Pflicht nachkommend, die 18. Segenssprüche auf, als er auf zwei reiche Damen aus Jehupez trifft, die die Sommerfrische in Bojberik verbringen. Tewje bringt die Verirrten zu ihrem Ziel. Er kennt das Haus, da er es schon einige Male mit Brennholz beliefert hat. Es zählt zu einem der reichsten des Ortes. Die Damen werden freudig begrüßt und Tewje zunächst links liegen gelassen. Dann soll er zum Dank dafür, dass er die Irrfahrt der Damen beendet hat, zum üppigen Essen eingeladen werden. Tewje lehnt dankend ab, da er sich schlecht an eine Tafel setzten könne, wenn zuhause seine Familie darbe. Daraufhin laden die Diener der Gesellschaft ihm Tee, Zucker, Schmalz, Brot und andere Lebensmittel in den Wagen. Darüber hinaus bekommt er auch noch eine Kuh und 38 Rubel geschenkt. Mit seiner Frau beschließt er, von dem Geld eine weitere Kuh zu kaufen, und kann so fortan als Milchmann für das Auskommen der Familie sorgen.

Kapitel 2 – Wie gewonnen… (verfasst 1899)

Sein entfernter Verwandter Menachem-Mendel überredet den nun von einer leichten Geldgier gepackten Tewje, 100 Rubel in Aktien zu investieren, auch wenn dieser eigentlich gar nicht weiß, was das ist. Als er einiger Zeit noch keine Nachrichten über seine Investition erhalten hat, besucht Tewje schließlich seinen Verwandten und trifft auf einen heruntergekommenen, verlumpten Mann. Er hat sein Geld verloren. Tewje erkennt, dass er besser nicht in ihm unbekannte Geschäfte investieren sollte.

Kapitel 3 – Kinder von heute (verfasst 1899)

Für Tewjes ältester Tochter Zeitel ist es an der Zeit zu heiraten. Der verwitwete und recht vermögende Fleischer des Dorfes, Lejser-Wolf, hält um Zeitels Hand an und die Eltern sind damit einverstanden. Zeitel jedoch möchte ihn auf keinen Fall ehelichen, denn sie liebt den armen Schneidergesellen Motel Kamisol, der ebenfalls bei Tewje um Zeitels Hand anhält. Motel schafft es, Tewje zu überzeugen, das der Liebesheirat der Vorzug zu geben sei. Nun muss Tewje seine Frau Golde mit einer List überzeugen, dass auch sie der Heirat zustimmt und die "gute Partie" des Fleischers ausschlägt, was ihm auch gelingt. Motel und Zeitel heiraten und sind trotz ihrer Armut glücklich.

Kapitel 4 – Hodel (verfasst 1904)

Als sich Tewje auf dem Nachhauseweg befindet, begegnet ihm der junge aber mittellose Gymnasiasten Pertschik, der nach dieser ersten Begegnung und Einladung zu Tewje immer häufiger zu Besuch kommt. Tewje hegt bald schon fast väterliche Gefühle für den jungen Mann, den die Familie den Kosenamen Pfefferl verpasst hat. Als Gegenleistung für die Gastfreundschaft gibt er den Töchtern Unterricht. Pertschik verlässt ab und an für mehrere Tage das Dorf, kommt aber immer wieder zurück. Irgend wann tifft Tewje seine zweitälteste und sehr gebildete Tochter Hodel zusammen mit Pertschik bei einem Waldspaziergang. Er ahnt, dass sie sich verliebt haben, ist aber sehr erschrocken als er erfährt, dass beide schon heimlich geheiratet haben. Tewje sieht ein, dass er nichts mehr dagegen tun kann und überlegt sich wieder eine List, wie er erneut auch seine Frau Golde überzeugen kann, dass alles gut so ist. Pertschik muss bald das Dorf abermals verlassen und Tewje bringt ihn gemeinsam mit Hoddel zum Bahnhof. Er ahnt, dass dieser Abschied ein längerer sein wird und erklärt dies Golde erneut mit einer List. Nach einer Weile bekommt Hoddel einen Brief von ihrem Mann und reist zu ihm. Pertschik ist ein Revolutionär der in die Verbannung geschickt wurde, wohin Hoddel ihm folgt. Dies erfährt der Leser aber nur indirekt. Tewje fällt dieser Abschied sehr schwer.

Kapitel 5 – Chava (verfasst 1906)

Anfangs dreht sich das Kapitel noch um Hodel, deren Mann und ihr Leben in Sibirien. Hauptmotiv wird jedoch schnell die drittälteste Tochter Chawe. Tewje begegnet auf dem Heimweg von der Arbeit dem Dorfschreiber Chwedjko Galagan, als dieser Chawe besucht. Chawe schwärmt von ihm als sei er ein neuer Gorki. In der Stadt läuft dem Milchmann später der Pope, auf den Tewje wegen diverser Streitereien um die wahre Religion nicht gut zu sprechen ist, über den Weg. Der Pope erzählt, dass er ein geeigneten Ehemann für Chawe wüsste, dieser aber kein Jude sei, was Tewje zu der Annahme führt es handle sich um Chwedjko. Als er zurück kommt ist Chawe nicht zu Hause. Seine Frau Golde war schon länger eingeweiht und diesmal versucht sie Tewje zu verdeutlichen, dass Chwedjko trotz des religiösen Mankos kein schlechter Mensch ist. Tewje vermisst seine Chawe sehr, hat aber keine Ahnung wo sie sich nun aufhält. Irgendwann trifft er sie auf der Straße, wo sie ihn bittet mit dem Wagen doch anzuhalten, damit sie ihm sie Situation erklären könne. Tewje hält jedoch nur kurz an und lässt seine Tochter kaum zu Wort kommen. Nach einem jüdischen Brauch erklärt er dann Chawe für tot und verbietet seiner Familie sie jemals wieder zu erwähnen.

Kapitel 6 – Sprinze (verfasst 1907)

Nach den ersten Pogromen kommt es zur Flucht vieler Juden. Tewjes Familie bleiben jedoch verschont, im Ort finden sich aber sehr viele Flüchtlinge - auch solche aus der Oberschicht - ein, die von ihm beliefert werden. Er freundet sich mit einer reichen Witwe an. Sie hält ihren Sohn, den alle nur Arontschik nennen, für faul, da er sich in ihren Augen nur auf dem Vermögen der Familie ausruhe. Tewje nimmt sich seiner an. Bald schon entsteht eine Freundschaft und Arontschik verliebt sich in die vierte Tochter Sprinze. Die Heirat findet große Zustimmung bei Tewje und Golde, da es sich ja um eine gute Partie handelt. Kurz vor der Trauung wird Tewje zu Witwe gerufen. Dort wartet bereits der Onkel von Arontschik. Dieser macht klipp und klar deutlich, dass die Hochzeit auf Grund der Standesunterschiede nie und nimmer vollzogen werden wird. Die Familie eines einfachen Michmannes werde auf keinen Fall sich mit der seinigen Familienbande aufnehmen, da dies einen schlechten Ruf mit sich bringen würde. Der Onkel unterstellt Sprintze eh nur ein Interesse am Vermögen des Arontschik. Die Hochzeit wird abgesagt, Sprinze begeht in tiefer Trauer Suizid.

Kapitel 7 – Tewje fährt ins Land Israel (verfasst 1909)

Tewjes Frau Golde verstirb recht überraschend. Konfrontiert mit der Endgültigkeit des Todes, kommen neben der Trauer auch erstmals Zweifel an seinen Glauben in ihm hoch. Dennoch vertraut er weiterhin auf Gott. Außerdem wird es auch Zeit für die jüngste Tochter Bejlke zu heiraten. Im Dorf ist Efroim hin und wieder als Heiratsvermittler tätig. Für Tewjes Jüngste hat er als gute Partie den wohlhabend Juden Pedozur im Auge. Auch wenn sie ihn nicht liebt, geht Bejlke die Ehe mit ihm ein. Um seinem Ruf gerecht zu werden, bietet dieser Tewje an dessen großen Traum - eine Reise ins gelobte Land, dem Land seiner Väter, zu ermöglichen. Nach dem Tod seiner Frau und da alle seine Töchter nun versorgt sind, hält ihn nichts mehr im Dorf. Er Verkauf seine Habseligkeiten, nimmt das Angebot an und tritt nach dem er sich von Scholem verabschiedet hat, die Reise an. Ob sich beide wiedersehen, bleibt an dieser Stelle für den Leser noch offen.

Kapitel 8 – Geh aus Deinem Vaterland (verfasst 1914)

Tewje und Scholem kommen nach vielen Jahren 1914 wieder zusammen. Es ist zu einem Bruch zwischen beiden gekommen, was der Leser am Stil der Rede bemerkt. Erschien Tewjes Beziehung zu Scholem bisher sehr eng, spricht er ihn jetzt formell mit "Herr Scholem Alejchem" an und siezt ihn. Tewje berichtet, dass er nicht in Israel war, denn Zeitels Mann Motel verstarb. Er musste für seine Tochter und die Enkel Sorge tragen. Von Bejlke weiß er zu berichten, dass sie mit Pedozur auf Grund ihrer hohen Verschuldung nach Amerika ausgewandert sind. Mit der Zeit habe sich das ganze Dorf gegen den jüdischen Milchmann gewendet: Es findet sich ein Mob vor dem Haus ein. Tewje, in seiner guten Art, will die Dörfler die er ja allesamt kennt, begrüßen. Diese drohen ihm, den Juden, jedoch nur Gewalt an. Iwan Poperile, der Bürgermeister des Ortes, erklärt dem Milchmann, dass überall in der Gegend die Juden geprügelt und vertrieben würden. Und warum solle das Dorf bei ihm da eine Ausnahme machen? Nur sei sich die Dorfgemeinschaft sich alt noch nicht einig, was sie genau ihm anzutun bereit wären und der Mob zieht unverrichteter Dinge ab. Einige Zeit später sitzt Tewje vor seinem Haus und philosophiert über seinen Gott. Ihn quälen Fragen wie warum Gott zu allem Leid schweige, sich nicht zeige und auch nicht den versprochenen Messias sende. In diesem Moment erscheint ein Reiter auf einem weißen Pferd. Tewje hält ihn für einen Milizionär. Der Reiter teilt Tewje mit, das es an der Zeit sei zu gehen. Seiner Tochter Zeitel berichtet er, dass sie als Juden des Dorfes wohl bald verwiesen werden. Es sei besser vorher selber zu gehen. Während sie ihre Habseligkeiten packen, kehrt Chawe zurück. Sie tritt vor Tewje und sagt lediglich leise " Vater". Sie wird wieder in die Familie aufgenommen. Tewje verabschiedet sich nun von Scholem Alejchem. Er bittet ihn auch um Verzeihung das er ihm mit seinem Erzählen soviele Geschichten in den Kopf gesetzt habe. Aber so habe Scholem wenigstens etwas zum aufschreiben. Und wenn Gott es wolle, würden sich beide einst wieder begegnen.

Entstehung

Der Roman entstand über eine sehr lange Periode von 21 Jahren in der Zeit von 1895 bis 1916.[2] Eine erste einzelne Erzählung wurde 1895 in Jiddisch veröffentlicht. Eine deutschsprachige Übersetzung erschien 1921. Seitdem wird das Werk ständig aufgelegt. Es gab immer wieder Neuübersetzungen.

Rezeption

Jakob Hessing kommt 2003 in einer Rezension in der FAZ über die Neuübersetzung von Armin Eidherr zum dem Schluss, das der Roman ein tragischer und zugleich humorvoller Lebensbericht eines Mannes sei, der mit dem Niedergang seiner Familie auch das Ende einer ganzen Kultur/Epoche beschreibe. Das Buch bilde gelungen historischer Vorgänge die durch den kollektive Charakter der beschriebenen Schicksale deutlich werde. Darüber hinaus habe der Roman eine ganz eigene eigene jüdische Färbung.[3] Der Text wirft zunächst einen Blick auf die heute verschwundenen jüdischen Gemeinden in Osteuropa mit der ihnen ganz eigenen Kultur. Es werden die hart arbeitenden nicht sehr wohlhabenden Menschen aber auf Gott vertrauenden Menschen in ihrem Alltag gezeigt. Doch gerade Tewje ist kein idealisierte Bewohner des Schtetl. Obwohl traditioneller Jude ist er auch ein aufgeklärter Mensch, hinterfragt in seiner Zwiesprache mit Gott viele Dinge und durchlebt den gesellschaftlichen Wandel der Normen sowie der politischen Verhältnisse haut nah, was ihm trotz aller Komik im Text zu einem tragischen Helden macht. [4]

Adaption

Chaim Topol spielte den Tewje in dem oscarprämierten Film Anatevka

Das Buch diente Jerry Bock als Vorlage für das Musical Anatevka (Originaltitel: The Fiddler On The Roof). Das Libretto orientierte sich am Text des Werkes. In Anatevka werden jedoch Tewjes Leben und die Schicksalsschläge romantisch verklärt dargestellt. Die humoristischen Pointe stehen im Vordergrund. Der politische sozialkritische Aspekt wird zu Gunsten von Folklore und der Klischees über das Schtetl ausgeblendet. 1971 verfilmte Norman Jewison das Musical, was die Person des Tewjes einem Millionenpublikum bekannt machte, auch wenn sie nicht mehr viel mit der Buchvorlage gemein hat.[5]

Der österreichische Autor Joseph Roth stand so sehr unter dem Eindruck des Werkes, dass es ihn zum schreiben seines Romans Hiob, der sehr viele Anleihen bei Tewje hat, inspirierte.[6]

Quellen

Einzelnachweise

  1. Vortrag "Tewje der Milchmann oder Anatevka" (online Abrufbar). In: Jüdisches Lehrhaus Göttingen. Abgerufen am 5. Juli 2017.
  2. Tewje der Milchmann. In: Perlentaucher. Abgerufen am 4. Juli 2017.
  3. Frankfurter Allgemein Zeitung vom 29. Januar 2003
  4. Diner, Dan (Hrsg.): "Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur" - Band 6, J.B. Metzler 2015, S. 77 ISBN 978-3-476-02506-7
  5. Scholem Alejchem - Literat des Jiddischen. In: Deutschlandfunk. 13. Mai 2016, abgerufen am 4. Juli 2017.
  6. Mark Twain der Juden. In: Jüdische Allgemeine. 12. März 2009, abgerufen am 4. Juli 2017.
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