Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Klarnamenszwang

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Klarnamenszwang (auch: Klarnamenspflicht) bedeutet, dass man als Kommunikationsteilnehmer gezwungen wird, seine wahre Identität preiszugeben.

Sie steht im engen Zusammenhang mit dem Recht auf Pseudonymität im Internet.

In Deutschland existiert mit § 13 Abs. 6 des Telemediengesetzes (TMG) eine Vorschrift, die einen Klarnamenszwang bei Telemedien verbietet, wenn dies technisch möglich und zumutbar ist.

Die Vorschrift lautet:

„Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.“[1]

Die Vorschrift fügt sich harmonisch in das bestehende Datenschutzrecht und das Grundgesetz ein, denn sie versucht durch Befolgung der gesetzlichen Gebote der Datensparsamkeit und Datenvermeidung, welche bis zum 24. Mai 2018 in § 3a BDSG normiert waren, dem Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5Vorlage:Art./Wartung/buzer Abs. 1 GG) zur praktischen Durchsetzung zu verhelfen. Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar, meint auch der Bundesgerichtshof:

„Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde... die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegengewirkt werden.“[2]

„Unklar ist, ob die Datenschutz-Grundverordnung, die dem nationalen Recht vorgeht, § 13 Abs. 6 TMG bestehen lässt.“[3]

Andere Rechtsordnungen

Auch in anderen Rechtsordnungen wird die anonyme bzw. pseudonyme Äußerung geschützt, beispielsweise in den USA. So entschied der Surpreme Court:

„Anonymity is a shield from the tyranny of the majority. … It thus exemplifies the purpose behind the Bill of Rights, and of the First Amendment in particular: to protect unpopular individuals from retaliation--and their ideas from suppression--at the hand of an intolerant society. The right to remain anonymous may be abused when it shields fraudulent conduct. But political speech by its nature will sometimes have unpalatable consequences, and, in general, our society accords greater weight to the value of free speech than to the dangers of its misuse.“[4]

Übersetzt:

„Anonymität ist ein Schutzschild gegen die Tyrannei der Mehrheit. Sie veranschaulicht den Sinn der Bill of Rights, und das erste Amendment im Speziellen: unpopuläre Personen vor Vergeltung zu schützen, ihre Ideen vor Unterdrückung zu schützen und vor den Handlungen einer intoleranten Gesellschaft. Das Recht anonym zu bleiben, darf nur dann verletzt werden, wenn es betrügerisches Verhalten schützt. Aber die politische Rede hat von ihrer Natur her manchmal unangenehme Konsequenzen, und im Allgemeinen räumt unsere Gesellschaft dem Wert der freien Rede größeres Gewicht als der Gefahr ihres Missbrauchs ein.“[4]

China zwingt Internetnutzer seit dem 1. März 2015 zur Registrierung mit Klarnamen bei jedweder Internetnutzung.[5]

Ein Klarnamenzwang für Websites in Südkorea ist verfassungswidrig.[6]

Umsetzung

In mehreren Staaten (China, Nordkorea, Iran etc.) ist für Nutzer von Telemedien die anonyme oder pseudonyme Nutzung unmöglich.

Im Gegensatz zur gesetzlichen Lage ignorieren derzeit viele Foren, darunter auch die großen Verlage, diese gesetzliche Vorschrift und zwingen ihre Nutzer zur Angabe ihrer Klarnamen.

Auch einige soziale Netzwerke wie Facebook[7] (siehe hierzu Kritik an Facebook) zwingen auch ihre deutschen Nutzer zur Verwendung von wahren Identitätsbezeichnungen. Pseudonyme werden nur erlaubt, soweit sie „real“ sind, d. h. eine tatsächliche Identifikation bewirken. Dieser Zwang ist umstritten, unter anderem deswegen, weil der rechtliche Anknüpfungspunkt derzeit unklar ist: Während Facebook behauptet, das irische Datenschutzrecht, das ein Klarnamenszwangsverbot nicht kennt, sei anwendbar, behauptet die für Facebook Deutschland zuständige Datenschutzbehörde[8] und auch die belgische Datenschutzbehörde, dass das EuGH-Urteil zum Recht auf Vergessenwerden den Ort der tatsächlichen Geschäftstätigkeit zum Anknüpfungspunkt definiert habe. Damit wäre dann deutsches bzw. belgisches Datenschutzrecht einschlägig. Des Weiteren sei laut Facebook ein Klarnamenszwang, selbst wenn § 13 Abs. 6 des Telemediengesetzes anwendbar wäre, für Facebook nicht zumutbar.[9]

Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 16. Januar 2018 (Aktenzeichen 16 O 341/15) die in den Nutzungsbedingungen von Facebook enthaltene Forderung, Profile ausschließlich mit Klarnamen und zutreffenden Daten anzulegen, für unwirksam erklärt, weil sie gegen deutsches Datenschutzrecht verstößt.[10] Dieses Urteil wurde durch Urteil vom 20. Dezember 2019 vom Berufungsgericht bestätigt.[11]

Die österreichische Bundesregierung hat sich im November 2018 auf Maßnahmen verständigt, mit der Begründung, so besser gegen Hass im Netz vorgehen zu können. In Zukunft soll es zwar keine Klarnamenspflicht, dafür aber ein „digitales Vermummungsverbot“ geben.[12][13]

Anders als Facebook hatte Konkurrent Google+ den Klarnamenzwang sowie Verifizierungsmodalitäten für Pseudonyme für sein soziales Netzwerk Google+ aufgrund lautstarker Proteste vor Einstellung des Netzwerks bereits abgeschafft.[8]

Einzelnachweise

  1. § 13 Abs. 6 TMG
  2. "Spick-Mich"-Urteil des BGH vom 23. Juni 2009, Aktenzeichen VI ZR 196/08, Rn. 38 online
  3. Wolff, Heinrich Amadeus, Verlag C. H. Beck: Randnummer 305, Das neue Datenschutzrecht Die Datenschutz-Grundverordnung in der Praxis. 1. Auflage Auflage. München 2017, ISBN 978-3-406-69649-7.
  4. 4,0 4,1 Supreme Court: McIntyre v. Ohio Elections Comm'n (93-986), 514 U.S. 334 (1995). Cornell University Law School, 1995, abgerufen am 27. Juli 2016.
  5. China führt Klarnamen-Zwang bei Registrierungen im Internet ein - News - gulli.com. (Nicht mehr online verfügbar.) In: gulli.com Der IT- und Tech-Kanal. Archiviert vom Original am 27. Juli 2016; abgerufen am 11. Oktober 2016.
  6. WELT: Keine Klarnamen in Südkorea. In: DIE WELT. 2012-08-24 (https://www.welt.de/print/welt_kompakt/webwelt/article108767084/Keine-Klarnamen-in-Suedkorea.html).
  7. Stefan Schulz: Datenschutz bei Facebook: Keine Klarnamen!. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2012-12-18 ISSN 0174-4909 (http://www.faz.net/aktuell/datenschutz-bei-facebook-keine-klarnamen-11997841.html).
  8. 8,0 8,1 Friedhelm Greis: Soziales Netzwerk: Neuer Anlauf gegen Klarnamenzwang bei Facebook. dpa-Artikel auf Golem.de, 28. Juli 2015, abgerufen am 26. Juli 2016.
  9. ULD erlässt Verfügungen gegen Facebook wegen Klarnamenpflicht. Abgerufen am 12. August 2020.
  10. Facebook verstößt gegen deutsches Datenschutzrecht | VZBV. Abgerufen am 28. Februar 2018.
  11. heise online: Urteil: Facebook verstößt gegen Daten- und Verbraucherschutz. Abgerufen am 25. Januar 2020.
  12. Hass im Netz. Regierung will „Vermummungsverbot“ In: orf.at, 13. November 2018.
  13. Digitales Vermummungsverbot: Österreich will Klarnamen und Wohnsitz von Forennutzern. In: netzpolitik.org. 10. April 2019, abgerufen am 13. April 2019 (deutsch).
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Klarnamenszwang aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.