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Jüdisches Gemeindezentrum mit Synagoge Regensburg

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Das neue Gemeindezentrum kurz vor der Fertigstellung, November 2018

Das Jüdische Gemeindezentrum mit Synagoge Regensburg ist das neue Gemeindezentrum der „Jüdischen Gemeinde Regensburg“. Es wurde am 27. Februar 2019 eingeweiht, 80 Jahre nach der Zerstörung der Neuen Synagoge und genau 500 Jahre nach der Vertreibung der Juden aus der Reichsstadt Regensburg. Es wurde auf dem Grundstück „Am Brixener Hof 2“ errichtet, auf dem bis zum Pogrom vom November 1938 die Neue Synagoge stand und auf dem es nach dem Zweiten Weltkrieg nur einen provisorischen Gemeindesaal gab.

Vorgeschichte

Bau der Neuen Synagoge

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts und nach dem Erlass des Bayerischen Judenediktes von 1813 war die jüdische Bevölkerung in Regensburg stark angewachsen. Als Synagoge diente das ehemalige Patrizierhaus Steyerer im sogenannten Wollerhaus in der Unteren Bachgasse 5, das aber stark baufällig wurde. Daher erwarb die jüdische Gemeinde im Jahr 1904 ein Grundstück in der Schäffnerstraße (später umbenannt zu „Am Brixener Hof“) zur Errichtung einer neuen Synagoge. Nach dem Teileinsturz der Decke im Betraum der bisher genutzten Synagoge wurden die Planungen beschleunigt.[1]

Zeichnung der Synagoge mit Gemeindehaus

Nach einigen vergeblichen Planungsanläufen legte Joseph Koch 1910 einen neuen Entwurf für eine Synagoge vor, dem zugestimmt wurde. Als die Vorentwürfe erweitert und fertiggestellt waren, wurde Anfang 1911 der Bau begonnen.[2] Bereits am 29. August 1912 konnte die Synagoge eingeweiht werden, auch die nichtjüdische Bevölkerung nahm teil. Der amtierende Bürgermeister Otto Geßler bekundete bei seiner Ansprache den allzeitigen Schutz der Synagoge durch die Stadt Regensburg.

Westlich neben der Synagoge wurde nach Plänen desselben Architekten zeitgleich ein Gemeindehaus errichtet. Es diente als Dienstwohnung für den Kantor, den Kultusdiener und den Hausmeister.

Zerstörung der Synagoge in der Reichspogromnacht

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge durch eine Abteilung von NSKK-Männern in Brand gesteckt und brannte völlig aus. Löscharbeiten durften auf Befehl des damaligen Bürgermeisters Otto Schottenheim, der vor Ort persönlich anwesend war, nur zum Schutz der anliegenden Gebäude ausgeführt werden. So blieb das Gemeindehaus bis heute erhalten. Die Ruine der Synagoge wurde in den folgenden Monaten komplett abgetragen. Die Bebauung wies daher eine Baulücke auf. Das Gemeindehaus und das anschließende leere Grundstück wurde zur Deportation von Juden missbraucht, die sich dort versammeln mussten.

Provisorium nach dem Krieg

Eingangsbereich des Gemeindesaals von 1971

Das Gemeindehaus war bis zum Kriegsende 1945 erhalten geblieben und wurde von der neu entstehenden jüdischen Gemeine wieder genutzt. Im Haus verteilt befanden sich bis 2019 unterschiedlich große Sitzungsräume für die jüdische Gemeinde und ein kleiner Betraum als Synagogenersatz mit einem Thoraschrein. Im Keller des Hauses befindet sich auch das jüdische Ritualbad.

1968 bis 1971 wurde ein Bet- und Gemeindesaal als Flachbau im modernen Stil auf dem leer gebliebenen Synagogengelände errichtet. Diese Interimslösung wurde vor dem Neubau des jetzigen Gemeindezentrums abgerissen.

Neubau des Gemeindezentrums

Gründung des Fördervereins

Am 15. November 2013 erfolgte die Gründung eines Vereins mit dem Namen „Förderverein Neue Regensburger Synagoge“. Gründe für diesen gemeinnützigen Verein waren das starke Anwachsen der jüdischen Gemeinde auf über 1000 Mitglieder, der Wunsch zur baulichen Erneuerung des Jüdischen Zentrums – Synagoge, Kulturräume und Verwaltungsbüros – und Schaffung eines markanten, deutlich sichtbaren Orts neben Dom und Neupfarrkirche, um die Rolle des Judentums als eine der drei historisch bedeutsamen Religionsgemeinschaften in der Regensburger Geschichte zu betonen.[3]

Der Förderverein brachte bis zur Einweihung fast eine Million Euro an Fördergeldern für den Neubau des Gemeindezentrums auf.

Finanzierung

Die Gesamtkosten des Vorhabens beliefen sich ursprünglich auf rund 7,5 Millionen Euro, davon entfielen auf den Neubau an die fünf und auf die Altbausanierung gut zwei Millionen Euro. Durch zusätzlich verlangte Gutachten und andere Unwägbarkeiten verteuerte sich das Vorhaben um etwa eineinhalb Millionen. Im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms (ZIP) förderte das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung mit einem Zuschuss in Höhe von 3,3 Millionen Euro das Bauvorhaben und die Stadt Regensburg leistete einen Finanzierungsbeitrag in Höhe von zwei Millionen Euro. Den Rest der Bausumme musste die Jüdische Gemeinde Regensburg aus Eigenmitteln aufbringen.[4]

Bauten

  • Gemeindesaal

Im neuen Bau mit heller Klinkerstein-Fassade befindet sich ebenerdig der Gemeindesaal für bis zu 200 Besucher. Es ist ein Versammlungsraum, der für Feiern und Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte und Vorträge genutzt werden soll. Mit großen Schiebeelementen kann der Raum im Sommer zum Hof hin geöffnet werden.

  • Zweigeschossiger Synagogenraum

Im ersten Stock wird gebetet. Aufgrund der Grundstücksbeschaffenheit war das nicht anders planbar. Der Gebetsbereich für die Männer mit Toraschrein in der Ostwand und Bima, dem Gebetspult, fasst gut 100 Personen. Wie in allen orthodoxen Synagogen gibt es eine Frauenempore, sie bietet Platz für 60 Personen. Der zweigeschossige Synagogenraum ist mit seiner kuppelartigen Bekrönung von einer filigranen Metallhülle umgeben, die mit Lichtschlitzen durchbrochen ist. Diese sorgen zusammen mit einer Holzlamellen-Verkleidung im Inneren für gedämpftes Tageslicht und eine kontemplative Stimmung. Eine Besonderheit stellt die freitragende und gewölbte Holzdecke dar.

  • Zugängliche Bibliothek

Der Zugang erfolgt vom Brixener Hof her, wie dies bereits beim zerstörten Vorgängerbau möglich war. Über ein Atrium erreicht man die Sicherheitsschleuse – ein Erfordernis, das für jüdische Einrichtungen nötig ist –, über die man ins Vestibül und in die Bibliothek gelangt, die für die Allgemeinheit zugänglich ist.

  • Barrierefreiheit

Die überaus großflächigen Fenster mussten in schusssicherem Glas ausgeführt werden. Der gesamte Neubaukomplex, der an das historische Gemeindehaus andockt, ist barrierefrei. Ein Sabbat-Lift erlaubt die Umgehung des für orthodoxe Juden verpflichtenden Gebots, am Sabbat keine elektrische Geräte zu benutzen.

  • Kunst am Bau

Den einladend offenen Patio vor dem Haupteingang bekrönt eine dreistufige vergoldete Bronzespirale des Künstlers Tom Kristen, die umlaufend aus den Zeilen von Rose Ausländers Gedicht Gemeinsam besteht.

  • Weitere Räume des Gemeindezentrums

Es gibt einen Lese- und Studienraum für Jugendliche und Studierende, Besprechungszimmer, ein Spielzimmer für Kinder, einen Unterrichtsraum für Hebräischkurse und das Thorastudium, Küchen für die strikt koschere Zubereitung und Aufbewahrung von Speisen.[5]

Einweihung

Gabriele Ingenthron berichtete im Sonntagsblatt über den wesentlichen Teil der Einweihung, die Übertragung der Thorarollen in den neuen Thoraschrein der Synagoge:

„In Festtagsfreude und mit großem Stolz ist am Mittwoch die neue Synagoge in Regensburg eingeweiht worden. Drei Rabbiner trugen die Thorarollen aus dem alten Betsaal in den Thoraschrank der neuen Synagoge: Mit diesem symbolischen Akt sowie fröhlichen Gesängen vollzogen sie die Weihe des neuen Gotteshauses. ‚Mit großer Freude und Erregung geben wir bekannt, dass wir das wunderbare Ereignis miterleben dürfen, dass die vor 80 Jahren zerstörte Synagoge wieder aus der Asche auferstanden ist‘, sagte der Regensburger Rabbiner Josef Chaim Bloch. Während der Rabbiner seine Segenssprüche singend vortrug, küssten Männer mit Kippa die Thorarollen zu Klezmer-Musik.“[6]

Siehe auch

Hauptartikel: Judentum in Regensburg

Literatur

  • Karl Bauer: Regensburg. Aus Kunst-, Kultur- und Sittengeschichte. 4. Auflage. Mittelbayerische Druck- und Verlagsgesellschaft, Regensburg 1988, ISBN 3-921114-00-4 (formal falsche ISBN), insb. S. 126–129.
  • Barbara Beuys: Heimat und Hölle – Jüdisches Leben in Europa durch zwei Jahrtausende. Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-498-00590-1.
  • Herbert E. Brekle: Das Regensburger Ghetto. Foto-Impressionen von den Ausgrabungen. Mittelbayerische Druck- und Verlagsgesellschaft, Regensburg 1997, ISBN 3-931904-17-2.
  • Christoph Daxelmüller: Die wiederentdeckte Welt der Regensburger Juden des Mittelalters. In: Regensburger Almanach 1996. MZ Buchverlag, Regensburg 1996, ISSN 0942-6914, S. 146–155.
  • Arno Herzig: Jüdische Geschichte in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Beck’sche Reihe. Band 1196). Beck, München 1997, ISBN 3-406-47637-6; 2., durchges. und aktualisierte Auflage. Ebenda 2002, ISBN 978-3-406-47637-2.
  • Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.): Regensburg. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hrsg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern. Band I: Oberfranken – Oberpfalz – Niederbayern – Oberbayern – Schwaben. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu 2007, ISBN 978-3-89870-411-3, S. 261–285.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gerhard Reindl: Stadt und Mutter in Israel. In: Jüdische Geschichte und Kultur in Regensburg. Stadt Regensburg, Regensburg 1989, ISBN 3-925753-11-7, S. 88–91.
  2. Andreas Angerstorfer, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christoph Berger: Verlorene Tempel. Synagogen in Regensburg von 1788 bis 1938. In: Denkmalpflege in Regensburg. Band 10. Regensburg 2006, ISBN 3-930480-95-6, S. 112–141.
  3. Verein. In: synagoge-regensburg.de, abgerufen am 2. März 2019 (Förderverein Neue Regensburger Synagoge).
  4. Das Haus des neuen Anfangs. In: jg-regensburg.de, abgerufen am 2. März 2019 (Abschnitt Der Kostenfaktor).
  5. Räume des Gemeindezentrums. In: synagoge-regensburg.de, abgerufen am 2. März 2019
  6. Gabriele Ingenthron: Einweihung der neuen Synagoge. In: sonntagsblatt.de, 28. Februar 2019, abgerufen am 2. März 2019.
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