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Kurt Hahn

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Dieser Artikel befasst sich mit dem Pädagogen Kurt Hahn. Zum Offizier und Widerstandskämpfer siehe Kurt Hahn (Offizier), zum deutschen Verwaltungsbeamten siehe Kurt Hahn (Landrat).

Kurt Martin Hahn (geb. 5. Juni 1886 in Berlin; gest. 14. Dezember 1974 in Hermannsberg bei Salem) war ein deutscher Politiker und Pädagoge und gilt als einer der Begründer der Erlebnispädagogik. Er war jüngerer und enger Freund des letzten Reichskanzlers des deutschen Kaiserreichs, Max von Baden.

Kind, Schüler, Student

Geboren wurde Kurt Martin Hahn als Sohn des jüdischen Großindustriellen Oskar Hahn (* 1. Mai 1860 in Berlin, † 28. Oktober 1907 ebenda) und der aus wohlhabender jüdischer Familie stammenden Charlotte Hahn, geb. Landau (1865–1934). Familie Hahn wohnte in einer Villa am linken Wannseeufer bei Berlin, Produktionsstätten der 1938 von Mannesmann übernommenen Hahnschen Werke AG befanden sich in Düsseldorf-Oberbilk, Duisburg-Großenbaum, Moskau[1], Sankt Petersburg, im österreichisch-schlesischen Oderberg (heute Bohumín in Tschechien) und in Jekaterinoslaw (Ukraine).

Die Familie hatte vier Söhne, der älteste Sohn verstarb früh. Kurt als Zweitgeborener hatte noch zwei wesentlich jüngere Brüder. Nach einem Abitur am Französischen Gymnasium in Berlin studiert Hahn zuerst am Christ Church College in Oxford ein geisteswissenschaftliches Studium. Nach dem Tod des Vaters im Oktober 1907 mit nur 43 Jahren wurde Kurts Erbteil von einem Sechstel - das Erbe wurde hälftig der Mutter und zu gleichen Teilen den Söhnen vererbt - in Treuhand gestellt, wordurch Hahn von Kapitalerträgen leben konnte. Unternehmenschef bis zur Übernahme 1938 wurde der Bruder des Verstorbenen, Georg Hahn (1864–1953). Hahn lernte in Oxford Weltoffenheit, eine Vorliebe für Freiluft- und Sporterziehung und die dort geförderte Debattenkultur schätzen. Er gehörte während seines Studiums in Oxford zum Mitgliederkreis des Hanover Clubs, eines von 1911 bis 1913 bestehenden deutsch-britischen Debattierclubs, der das gegenseitige Verständnis fördern sollte.[2][3]

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs beendete für den knapp Dreißigjährigen den Aufenthalt in England; er kehrte in das elterliche Wohnhaus seiner Mutter am Wannsee zurück, das fester Teil der Berliner Salonkultur bis in den Weltkrieg war, so der Historiker Machtan[4]:S.310. Charlotte Hahn unterhielt ein 'großes Haus', zu dessen Besuchern der junge Arthur Rubinstein, Walther Rathenau, Lina und Raoul Richter zählten. Hahn beschreibt in seiner frühen Publikation Frau Elses Verheißung unter anderem Situationen im Salon seiner Mutter. Das Buch ist seiner Mutter gewidmet.

Berufstätigkeit

Hahn arbeitete von 1914 bis 1919 im Auswärtigen Amt in Berlin, anfangs als Lektor unter dem freien Publizisten Paul Rohrbach.

Reichskanzler Max von Baden

Hahn war enger Freund und Vertrauter des letzten Reichskanzlers Max von Baden. Der Autor Lothar Machtan bezeichnete in seiner Biographie des Badener Thronfolgers den umtriebigen Hahn als Kanzlermacher.[4]:S.486ff.

Nachkriegszeit

Im Jahre 1919 gründete er zusammen mit Max von Baden das Internat Schloss Salem anfänglich als Landschulheim. Er galt als Reformlehrer, der versuchte Bildung und Erziehung zu vereinen. 1932 folgte die Gründung des Birklehof in Hinterzarten im Schwarzwald, einer Schwesterschule von Salem.

Drittes Reich

Nach der Ermordung eines jungen Kommunisten durch fünf SA-Männer protestierte Kurt Hahn in einem Brief an Ehemalige der Schule Schloss Salem, woraufhin er von den Nationalsozialisten verhaftet und vom 11. bis 16. März in „Schutzhaft“ eingesperrt wurde.[5] Die Freilassung erfolgte durch die direkte Intervention des britischen Premierminister Ramsay MacDonald und von Berthold Markgraf von Baden. Hahn emigrierte nach seiner Entlassung aus dem Schuldienst im Juli 1933 und ließ sich in Schottland nieder, wo er 1934 in Gordonstoun die British Salem School gründete.[6] Kurt Hahn brachte hier sein erlebnispädagogisches "Outward Bound"-Konzept mit ein, und mehrwöchige Kurse in dieser Art waren Modell für viele spätere Erlebnispädagogen.

Nachkriegszeit

In der Nachkriegszeit half er 1949 bei der Gründung der Stiftung Louisenlund.

Als Hahn 1956 eingeladen wurde, am NATO Defence College zu sprechen, erlebte er dort die Kooperation und Freundschaft von Menschen aus Ländern, die noch vor kurzem im Zweiten Weltkrieg verfeindet gewesen waren. Hahn hatte die Idee, junge Menschen auf ähnliche Art und Weise zusammenzubringen, um so die Feindseligkeiten des Kalten Krieges zu überwinden. Daraus entstand das Konzept des United World Colleges (UWC), einer Gruppe von internationalen Schulen, in denen junge Menschen im Alter von 16 bis 18 Jahren aus praktisch allen Ländern der Erde gemeinsam leben, lernen und an sozialen Aktivitäten teilnehmen. Die erste Schule dieser Art, das Atlantic College in Aberdyfi (engl. Aberdovey) Wales, wurde 1962 eröffnet und von der Zeitung The Times damals als das „aufregendste Experiment auf dem Gebiet der Bildung seit dem Zweiten Weltkrieg“ bezeichnet. An dieser Schule ist beispielsweise die Ausbildung in Seenotrettung fester Bestandteil schulischen Lebens – wie auch an der Schule Schloss Salem, die später ein DLRG-Rettungsboot nach ihm benannte.

Zusammen mit Prinz Philip, Duke of Edinburgh, gründete er den „Duke of Edinburgh’s Award“, dessen Schwesterprogramme (unter anderen das Internationale Jugendprogramm in Deutschland) heute in über 80 Ländern der Welt Chancen für Jugendliche eröffnen.

Pädagogische Prinzipien

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Hahn war sich sicher, dass Erziehung versagt habe, wenn nicht jeder Jugendliche seine persönliche Passion (im Sinne von Leidenschaft) fände. Dabei wollte er den jungen Menschen durch das Angebot sozialer Dienste und sonstiger "innerer" Talentsuche helfen. Die Erlebnispädagogik kam wegen ihrer Aktivitäten (Übernachten im Freien, Zeltlager usw.) schnell in die Nähe der Methoden nationalsozialistischer Erziehung, und trotz aller Bemühungen der Gegendarstellung wird ihr dies bisweilen noch heute zum Vorwurf gemacht. Die Ursache hierfür ist, dass Hahns Sportlehrer in Gordonstoun Bernhard Zimmermann war, der als Direktor des Instituts für Leibesübungen der Universität Göttingen bis zu seiner Emigration 1938 reichsweit Kurse in nationalsozialistischer Wehrerziehung geleitet hatte und diese Technik nach Großbritannien mitbrachte. Hahn jedoch wollte lediglich Chancen aufzeigen, damit jeder Jugendliche eventuell bislang unentdeckte Fähigkeiten bei sich selbst fördern konnte.

In seinen Sieben Salemer Gesetzen formulierte Kurt Hahn sein ganzheitliches Bildungskonzept, das den Schülern der von ihm gegründeten Institutionen weit mehr als nur akademisches Wissen vermitteln soll. Noch heute bilden diese Gebote die Grundlage der Erziehung in den Internaten Schule Schloss Salem und Gordonstoun sowie in den United World Colleges (UWC):

  1. Gebt den Kindern Gelegenheit, sich selbst zu entdecken.
  2. Lasst die Kinder Triumph und Niederlage erleben.
  3. Gebt den Kindern Gelegenheit zur Selbsthingabe an die gemeinsame Sache.
  4. Sorgt für Zeiten der Stille.
  5. Übt die Phantasie.
  6. Lasst Wettkämpfe eine wichtige, aber keine vorherrschende Rolle spielen.
  7. Erlöst die Söhne und Töchter reicher und mächtiger Eltern von dem "entnervenden" (=verweichlichenden) Gefühl der Privilegiertheit.

Kritik

Hahns erlebnispädagogischer Ansatz wird zuweilen kritisiert, da man die Gründung der ersten Kurt-Hahn-Schule auf eine politisch konservative Motivation zurückführen kann: Die Schule sollte eine neue nationale Führungselite hervorbringen, die sich durch Verantwortungsbewusstsein, Handlungsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit auszeichnet.[7]

Schriften

  • Erziehung zur Verantwortung. Reden und Aufsätze. Stuttgart o.J. [1958].
  • Erziehung und die Krise der Demokratie. Reden, Aufsätze, Briefe eines politischen Pädagogen. Herausgegeben von Michael Knoll. Stuttgart 1986.
  • Reform mit Augenmaß. Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Herausgegeben von Michael Knoll. Stuttgart 1998.

Literatur

  • Lothar Machtan: Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers, Suhrkamp Verlag, Berlin, 2013, ISBN 978-3-518-42407-0. Das Buch enthält ein zwölfseitiges biographisches Kapitel über Kurt Hahn unter der Überschrift: Spin Doctor Kurt Hahn
  • Hellmut Becker: Kurt Hahn, der Erzieher. In: Neue Sammlung. Jg. 1975, S. 109-113; wieder abgedruckt in: Hellmut Becker: Auf dem Weg zur lernenden Gesellschaft. Personen, Analysen, Vorschläge für die Zukunft. Stuttgart 1980, S. 89-94.
  • Peter Friese: Kurt Hahn. Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Dorum 2000.
  • Wilhelm Henze (Hrsg.): Bernhard Zimmermann - Hermann Nohl - Kurt Hahn. Ein Beitrag zur Reformpädagogik. 1991. ISBN 978-3-932423-95-6 (= Schriftenreihe Niedersächsisches Institut für Sportgeschichte Bd. 9).
  • Michael Knoll (Hrsg.): Kurt Hahn: Reform mit Augenmaß. Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Mit einem Vorwort von Hartmut von Hentig. Stuttgart: Klett-Cotta 1998.
  • Michael Knoll: Schulreform durch Erlebnispädagogik. Kurt Hahn - ein wirkungsmächtiger Pädagoge. In: Pädagogisches Handeln. Wissenschaft und Praxis im Dialog 5 (2001), 2, pp. 65-76.
  • Michael Lausberg: Kinder sollen sich selbst entdecken. Die Erlebnispädagogik Kurt Hahns. Marburg 2007.
  • Elly von Reventlow (Hrsg.): Albrecht Bernstorff zum Gedächtnis. Eigenverlag, Düsseldorf 1952.
  • Hermann Röhrs (Hrsg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg 1966.
  • Sandra Roscher: Erziehung durch Erlebnisse. Der Reformpädagoge Kurt Hahn im Licht von Zeitzeugen. Augsburg 2005.
  • Hildegard Thiesen: Kurt Hahn. Pädagogische Umwelten zwischen Konstruktion und Anknüpfung. Jena 2006.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kurzbiographie des Großvaters Albert Hahn in der Neuen Deutschen Biographie
  2. Reventlow (Hrsg.), Beitrag von Harald Mandt, S.26
  3. Karsten Plöger: The Hanover Club, Oxford (1911–1913): Student Paradiplomacy and the Coming of the Great War, in: German History Volume 27, No. 2, S. 196-214.
  4. 4,0 4,1 Lothar Machtan: Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers, Suhrkamp Verlag, Berlin, 2013 , ISBN 978-3-518-42407-0
  5. Siehe Webseite Outward-Bound.
  6. Vgl. Setzen, Sechs! - Schulgeschichten aus Deutschland (1/3). Verlorene Kindheit. Dokumentarfilm von Dora Heinze im Auftrag des SWR. Deutsche Erstausstrahlung am 8. Dezember 2005
  7. Vgl. Torsten Fischer/Jörg W. Ziegenspeck: Erlebnispädagogik. Grundlagen des Erfahrungslernens. Erfahrungslernen in der Kontinuität der historischen Erziehungsbewegung. Bad Heilbrunn 2008. S. 227ff.
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