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KZ-Außenlager Witten-Annen

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Das KZ-Außenlager Witten-Annen war eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald in Witten und bestand vom 16. September 1944 bis zum 29. März 1945. Die insgesamt 755 Häftlinge mussten Zwangsarbeit im Rüstungskonzern Annener Gußstahlwerk leisten.

Vorgeschichte

Seit 1941 beschäftigte das Annener Gussstahlwerk, das u. a. für die Flugzeugindustrie Stahlgussteile produzierte, russische Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter, aber auch Fremdarbeiter aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Polen, seit Oktober 1943 auch italienische Militärinternierte. Diese waren in verschiedenen Lagern in der Nähe des Werks untergebracht.

Vor der Einrichtung des KZ-Außenlagers waren in verschiedenen Betrieben in Witten schon über 10.000 ausländische Arbeitskräfte, Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter beschäftigt. Im Annener Gussstahlwerk arbeiteten Ende August 1944 2.218 ausländische Frauen und Männer (überwiegend Zwangsarbeiter), 47,3 % der Gesamtbelegschaft.

Das spätere KZ-Außenlager wurde als „Gefangenenlager für 1000 Mann“ seit dem Jahreswechsel 1942/43 geplant, aber erst am 9. September 1944 bauordnungsrechtlich genehmigt. Nach SS-Anforderungen wurden zusätzliche Wachtürme errichtet und das Lager doppelt mit Stacheldraht umzäunt.

KZ-Außenlager

Am 16. September 1944 wurden 700 Männer in geschlossenen Güterwaggons aus dem KZ Buchenwald nach Witten-Annen transportiert. Überwiegend handelte es sich um Sowjetbürger (248) und Franzosen (226), aber auch Polen, Tschechoslowaken, Italiener, Deutsche, Belgier u.a. Das Alter der Gefangenen lag zwischen 16 und 63 Jahren. Im Durchschnitt waren sie unter 30 Jahre alt, ein Fünftel war jünger als 20.

Überwiegend handelte es sich um als politisch eingestufte Gefangene. Daneben gab es Häftlinge der Kategorien Arbeitsscheue Reich (ASR), Arbeitserziehungshäftlinge (AEH), jüdische Mischlinge ersten Grades und Berufsverbrecher (BV).

Die Wachmannschaft bestand aus ca. 30 SS-Männern, die die Gefangenen auch während der Arbeit im Werk bewachten und deren Baracken getrennt vom Häftlingsbereich auf der heutigen Restfläche standen. Lagerkommandant war bis November 1944 Ernst Zorbach, danach Hermann Schleef.

Der Häftlingsbereich bestand aus vier Unterkunftsbaracken, in denen jeweils über 150 Männer untergebracht waren, einem Appellplatz, einem Krankenrevier, den üblichen Funktionsbauten und einer eigenen Unterkunft für den Lagerältesten. Insgesamt bestand das Lager aus 14 Gebäuden und war zumindest teilweise von der Bahnstrecke aus einsehbar.

Die Gefangenen mussten sechs Tage die Woche zwölfstündige Tag- und Nachtschichten in der Halle A7, der Bearbeitungswerkstätte II, des Annener Gussstahlwerks (heute von Intechlo genutzt) leisten. Die quantitativ und qualitativ ungenügende Nahrungsversorgung, die hauptsächlich aus Brot und dünner Kohlsuppe bestand, führte zu zahlreichen Mangelerscheinungen. Seit Jahreswechsel 1944/45 wurde im Betrieb und in den Baracken kaum noch geheizt. Trotzdem war es den Gefangenen unter Strafe verboten ihre dünne Häftlingskleidung auch nur behelfsmäßig (mit Pappe, Stroh oder Zeitungen) auszustopfen. Die medizinische Versorgung war unzureichend und bestand im wesentlichen aus Verordnung von Bettruhe im Krankenrevier und gelegentlicher Gabe von ASS. Neun Häftlinge wurden wegen Lungentuberkulose zurück nach Buchenwald transportiert, zwei davon überlebten den Transport nicht. Die Gefangenen waren zudem der Gewalt und Willkür der SS-Leute und des Lagerältesten Alfred Spillner, einem Berufsverbrecher, ausgesetzt.

Ende März 1945 rückten die Alliierten näher. Die SS trieb in der Nacht vom 28. auf 29. März 1945 die verbliebenen 613 Häftlinge Richtung Nordosten. Anfang April 1945 wurden sie bei Lippstadt durch amerikanische Truppen befreit.

Mit der Besetzung durch amerikanische Truppen endete der Zweite Weltkrieg in Witten am 11. April 1945.

Zeit der Verdrängung

Schon ab dem Sommer 1945 nutzte die katholische St.-Josef-Gemeinde die SS-Baracken des KZ-Außenlagers als Kindergarten. Das übrige Lagergelände wurde bis auf die Fundamente geräumt und ab 1950 für die Bebauung freigegeben. 1958 zog der katholische Kindergarten um und auch die ehemaligen SS-Baracken wurden abgerissen. Das Gelände diente als wilde Müllkippe und Parkplatz bis dort 1977 Reihenhäuser entstanden.

Wiederentdeckung

Gedenkstein KZ-Außenlager Witten-Annen, dahinter Restfläche des Lagers. Auch die Häuser stehen auf ehemaligem Lagergelände.

1984 besuchte die damalige Klasse 10a des Albert-Martmöller-Gymnasiums mit ihrem Lehrer Helmut Schorlemmer die KZ-Gedenkstätte Dachau und entdeckte das Außenlager Witten-Annen auf einer Übersichtskarte. Im Rahmen eines Geschichtswettbewerbs recherchierten die Schüler und lösten mit ihrem 1985 als Broschüre veröffentlichtem Aufsatz eine öffentliche Diskussion über das kommunale Vergessen aus. Auf Initiative der Schüler stellte die Stadt Witten am 11. April 1985 eine Gedenktafel am Rand der Restfläche auf.

1990 erfolgte die Untersuchung der Lager-Restfläche durch zwei Archäologen, ein Historiker suchte nach weiteren Quellen. 1992 rief die Stadt einen internationalen künstlerischen Wettbewerb mit insgesamt DM 29.000 Preisgeldern aus, an dem 161 Künstler aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland teilnahmen. Der Kostenrahmen für die Realisierung der Gedenkstätte sollte ca. DM 250.000 betragen.

Der erste Preis sah vor, die Restfläche mit 114 Beton-Quadern mit 2,20 m Kantenlänge im Abstand von 1,10 m zu bedecken. Aus Finanzmangel wurde aber keiner der Entwürfe aus dem Wettbewerb verwirklicht. Stattdessen besteht die heutige Gedenkstätte aus einer Rasenfläche und der schon 1985 aufgestellten Gedenktafel. Seit 1992 ist die Restfläche als Bodendenkmal in der städtischen Denkmalliste eingetragen.

Siehe auch

Literatur

  • Manfred Grieger, Klaus Völkel; Stadt Witten, Der Stadtdirektor, Stadtarchiv (Hrsg.): Das Außenlager „Annener Gußstahlwerk“ (AGW) des Konzentrationslagers Buchenwald. September 1944–April 1945. 1. Auflage. Klartext Verlag, Witten 1997, ISBN 3-88474-647-2.
  • Klasse 10a des Albert-Martmöller-Gymnasiums im Schuljahr 1984/85 (Hrsg.): Das Konzentrationslager Witten-Annen. Ein Außenkommando des KZ Buchenwald. 1. Auflage. Selbstverlag, Witten 1985.
  • Manfred Grieger: Das Außenlager „AGW“. KZ-Häftlinge im „Annener Gussstahlwerk“ in Witten. In: Jan Erik Schulte (Hrsg.): Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933–1945. Zentrale Steuerung und regionale Initiative. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2005, ISBN 3-506-71743-X, S. 205–212 (Google-Books).
  • Planungsamt Stadt Witten: Künstlerischer Ideenwettbewerb zu einer Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers Buchenwald in Witten-Annen. Dokumentation. 1. Auflage. Planungsamt Stadt Witten, Witten 1993.
  • Klaus Völkel: „Hier ruhen 22 Genossen, zu Tode gequält…“. Gedenkschrift für die Opfer der Zwangsarbeit in Witten, 1941–1945. 1. Auflage. Winkler, Bochum 1992, ISBN 3-924517-64-9.

Weblinks

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