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Solidaritätsprinzip

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Dieser Artikel behandelt das sozialversicherungsrechtliche Solidaritätsprinzip. Für die sozialethische, soziologische und (sozial)politische Bedeutung siehe auch Solidarität.
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Das Solidaritätsprinzip beschreibt die Solidarität als grundlegendes Prinzip der Sozialversicherung. Dies bedeutet, dass ein Bürger nicht allein für sich verantwortlich ist, sondern sich die Mitglieder einer definierten Solidargemeinschaft gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren. Das Solidaritätsprinzip, auch Solidarprinzip, ist die strukturelle Basis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Es stellt dabei das wichtigste und zentrale Prinzip der sozialen Sicherung im Krankheitsfall dar, in dem die zu versichernden Erkrankungsrisiken von allen Versicherten gemeinsam getragen werden.

Das Solidaritätsprinzip in der GKV

Die Beitragsbemessung für den Krankenversicherungsschutz orientiert sich an der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit (Leistungsfähigkeitsprinzip) der Versicherten. Die Beitragshöhe ist somit ein nach persönlichem Einkommen abhängiger Beitragssatz und richtet sich nicht nach dem persönlichen Krankheitsrisiko, wie zum Beispiel Alter, Geschlecht oder Gesundheitsstatus. Der Leistungsanspruch wiederum richtet sich nach dem Maß der individuellen Bedürftigkeit und bedeutet einen prinzipiell gleichen Kriterien unterworfenen Leistungsanspruch (Bedarfsprinzip). Somit ist der Anspruch auf Gesundheitsleistungen unabhängig von der Beitragshöhe und alle Versicherten sind in gleichem Umfang abgesichert. Auch die Dauer der Zugehörigkeit bzw. die fehlende Inanspruchnahme von Leistungen über längere Zeit führen nicht zu einer Leistungsberechtigung im Sinne eines Ansparens von Leistungen.

Solidarausgleichsformen

In der Orientierung der Beitragsbemessung an der individuellen Leistungskraft und der Leistungsgewährung am individuellen Bedarf, findet ein solidarischer Ausgleich statt, der erhebliche Umverteilungen zwischen den Versichertengruppen induziert. Dabei erfolgt die Verwirklichung des Solidarprinzips innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung nicht durch direkte und unmittelbare Hilfeleistungen zwischen einzelnen Personen, sondern als interpersonale Umverteilung der Ausgaben für Krankenversorgung und unterstützende Geldleistungen. In der GKV kommt es dabei zu verschiedenen Formen der Umverteilung und des Solidarausgleichs:

Schadensausgleich
Unter Schadensausgleich wird der Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken verstanden, der sowohl grundlegend und rein versicherungstechnisch vorauszusetzen ist. Er bedarf eine ausreichend große Zahl von Nettozahler, um die Behandlung relativ weniger Kranker, durch die Einzahlung relativ vieler Gesunder mit relativ wenigen in Anspruch genommenen Leistungen, zu finanzieren.
Sozialer Ausgleich
Der soziale Ausgleich bezieht sich auf die Umverteilung zwischen höherem und niedrigerem Einkommen. Mit dieser lohnproportionalen Beitragsfinanzierung nimmt die GKV eine Sonderstellung unter den Sozialversicherungen ein.
Risikoausgleich
Beim Risikoausgleich stehen die Mitglieder mit einem niedrigen Erkrankungsrisiko solidarisch für die Versicherten mit höherem Erkrankungsrisiko ein. Dies ergibt sich aus der Beitragsbemessung am Erwerbseinkommen unter Absehung von den statistischen Risiken der Versicherten.

Über diese drei zentralen Solidarausgleichsformen hinaus wird auch über einen Familienlastausgleich, durch die beitragsfreie Familienversicherung, und einen Generationsausgleich gesprochen. Jedoch sind diese beiden Ausgleichsformen im Grunde eine Ausprägung oder Erscheinungsform der anderen genannten Solidarausgleiche und treten nicht als eigenständige Solidarausgleiche neben diese. Zum einen sich aus der Kopplung der Beitragspflicht an die Erwerbstätigkeit, dass für Ehepartner ohne eigenes Arbeitseinkommen und Kinder auch kein Beitrag zu erheben ist. Zum anderen gibt es kein leistungsauslösendes Merkmal „Alter“ in der GKV, die unterschiedlichen Gesundheitsrisiken werden durch den Risikoausgleich kompensiert und es gibt auch alte Nettozahler die für junge Kranke zahlen, weswegen ein Generationsausgleich nicht als eigenständig angesehen werden kann.

Umfang des Solidaritätsprinzips

Die bedarfsgerechte Versorgung aller Versicherten ist gesetzlich verankert in §1 SGB V, welcher besagt, dass es die Aufgabe der GKV ist, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Der Umfang des Rechtsanspruchs auf medizinische Leistungen wird im SGB V festgelegt.

Das Solidaritätsprinzip wird zum einen durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und Bedarfsdeckungsprinzip in §12 SGB V und §70 SGB V begrenzt, welche unmittelbar aufeinander bezogen sind. Darin heißt es, dass die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen, das Maß des Notwendigen jedoch nicht überschreiten dürfen. Die Leistungserbringer und Krankenkassen haben dabei eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Zum anderen, sollte soziale Solidarität und Unterstützung nicht die Eigenverantwortung und Selbsthilfe vollständig ersetzen, aus welchem Grund dem Solidaritätsprinzip das Subsidiaritätsprinzip zur Seite gestellt ist. Dieses besagt, dass Krankheitskosten bis zu einem bestimmten Maß individuell getragen werden können und die größere Solidargemeinschaft erst eintritt, wenn das Individuum oder die kleinere Gemeinschaft überfordert ist. Das Subsidiaritätsprinzip findet sich unter anderem in Zuzahlungen wie für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, Zahnbehandlung, Zahnersatz oder Krankenhausbehandlung, wieder. Im Unterschied zur Privatversicherung besteht Versicherungs- und Beitragspflicht kraft Gesetzes (also öffentliches Recht); dies ist nicht zu verwechseln mit dem Kontrahierungszwang aus dem Privatrecht, denn es kommt in der gesetzlichen Sozialversicherung nicht zu einem Vertragsverhältnis. Daher rührt auch der unterschiedliche Rechtsweg: Zuständig ist nicht die Zivilgerichtsbarkeit, sondern die Sozialgerichtsbarkeit.Grundsätzlich sind nach §5 SGB V Arbeiter, Angestellte und zur Berufsausbildung Beschäftigte zur Teilnahme an der Solidargemeinschaft verpflichtet. Von den Auswirkungen des Solidarprinzips können sich die Beschäftigten mit einem Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze, Selbstständige sowie Beamte und damit knapp 10% der Bevölkerung ausnehmen. Ihnen steht die gemeinwirtschaftlich organisierte Privatversicherung offen.

Solidaritätsprinzip vs. Äquivalenzprinzip

Dem Solidarprinzip der GKV steht aufseiten der privaten Krankenversicherung (PKV) das Äquivalenzprinzip gegenüber. Äquivalent heißt es, weil die Höhe des Beitrags vom individuellen Risiko und dem gewünschten Leistungsspektrum abhängt. Unterschiedliche Wahlleistungen gibt es zum Beispiel beim Krankenhausaufenthalt, beim Zahnersatz, bei der Erstattung von Heilpraktikerkosten, beim Krankentagegeld und beim Krankenhaustagegeld. Darüber hinaus bestimmt eine Risikoprüfung die Höhe der Beiträge, dazu gehören Faktoren wie das Eintrittsalter, der Gesundheitszustand bei Eintritt (Vorerkrankungen), das Geschlecht des Versicherten und die Höhe des vereinbarten Selbstbehaltes. Es gibt hierbei den rein versicherungstechnischen Ausgleich zwischen Kranken und Gesunden. Der Risikoausgleich wird größtenteils über die Risikoprüfung abgefangen und einen sozialen Ausgleich zwischen verschiedenen Einkommensgruppen gibt es nicht. Während beim Solidarsystem jeder solidarisch einen Beitrag zahlt, versichert sich innerhalb der PKV jeder gegen sein eigenes Risiko.

Solidaritätsprinzip in weiteren Bereichen der Sozialversicherung

Das Solidarprinzip ist auch in den anderen Sozialversicherungen in Deutschland zu finden, in welcher die Versicherten eine Solidargemeinschaft bilden. Allgemein helfen mit ihren Beiträgen zur Krankenversicherung die Gesunden den Kranken, in der Pflegeversicherung den Pflegebedürftigen, in der Rentenversicherung unterstützen die Jungen die Alten (siehe Generationenvertrag) und in der Arbeitslosenversicherung zahlen die Arbeitnehmer für die Arbeitslosen. Jedoch ist das Solidarprinzip nicht so umfassend wie in der GKV, mit der einkommensunabhängigen Solidarität, da z.B. sowohl die Renten- als auch die Arbeitslosenversicherung an die zuvor eingezahlten Beträge gekoppelt sind.

In der Rentenversicherung - mit Ausnahme der Alterssicherung der Landwirte - ist die Höhe der Leistungen abhängig von der Höhe der Beiträge und der Anzahl der Beiträge. In der Alterssicherung der Landwirte wird ein Einheitsbeitrag, der ggf. durch Zuschüsse gesenkt werden kann, entrichtet.

In der Unfallversicherung wird, im Gegensatz zur GKV, der Risikoausgleich in die Berechnung des Beitrages eingeschlossen. Auch bildet die gesetzliche Unfallversicherung eine Ausnahme dadurch, dass kraft Gesetzes die dem Grunde nach vorliegende Haftungspflicht der Unternehmer (Arbeitgeber) gegenüber ihren Arbeitnehmern bei Arbeitsunfällen von der Unfallversicherung abgelöst wird. Dafür haben die Unternehmer (nicht die Arbeitnehmer) entsprechende Beiträge an ihre Solidargemeinschaft - nämlich die der Unternehmer der verschiedenen Branchen - zu zahlen. Daher stammt auch die häufige Bezeichnung der Unfallversicherungsträger als "Berufsgenossenschaften".

Eine grundsätzliche Ausnahme von dem Solidarprinzip, dass jedem Versicherten die gleichen Leistungen zustehen, sind die Leistungen, die eine Lohnersatzfunktion haben, wie Krankengeld, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld u.a.. Diese Entgeltersatzleistungen bemessen sich anhand der Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts.

Probleme und Grenzen des Solidaritätsprinzips

So weisen Beitragsrückerstattungen, für nicht in Anspruch genommene Leistungen, die Tendenz auf, unterschiedliche Beiträge je nach dem individuellen Risiko und somit auf eine risikoäquivalente Differenzierung ähnlich der PKV zu führen. Durch Leistungsausgrenzungen und Zuzahlungen werden Kranke, insbesondere chronisch Kranke, überproportional mit Kosten belastet und dem Solidarprinzip innewohnenden Umverteilungsmechanismen geschwächt. Ein Anwachsen von „Individuellen Gesundheitsleistungen“ die der Patient bei Inanspruchnahme direkt an den Arzt bezahlt, eine Spaltung des Leistungskatalogs in Grund- und Wahlleistungen oder eine Einführung von Sondertarifen, würden drohen, das Solidarprinzip weiter auszuhöhlen.

Die Beitragsbemessungsgrenze stellt eine weitere Verletzung des Solidarprinzips dar. Sie bewirkt ein Einfrieren der Beiträge ab einer bestimmten Beitragshöhe, sodass die Besserverdiener oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze einen prozentual geringeren Anteil ihres Einkommens an die Krankenversicherung abführen als weniger gut Verdienende. Sie zahlen somit zwar nominell überdurchschnittlich hohe Beiträge, in Relation zu ihrer Leistungsfähigkeit aber einen eher geringeren Beitrag, was einen Bruch mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip der GKV bedeutet.

Jedoch steht vor allem der dem Solidarprinzip inhärente Risikoausgleich im politischen Diskurs unter Beschuss. Es wird argumentiert, dass Annahme einer prinzipiellen Bedrohung die Grundlage für eine nicht risikoäquivalente Beitragsgestaltung bildet. Diese ist angesichts des medizinischen Fortschritts und Wissens um Risikofaktoren so empirisch nicht mehr haltbar.

Literatur

  • Carsten G. Ullrich: Solidarität im Sozialversicherungsstaat. Campus Verlag, Frankfurt/Main 2000, ISBN 3-593-36596-0.
  • Stephan Ruckdäschel: Wettbewerb und Solidarität im Gesundheitswesen. Verlag P.C.O., Bayreuth 2000, ISBN 3-931319-75-X.
  • Michael Simon: Das Gesundheitssystem in Deutschland. Verlag Hans Huber, Bern 2010. ISBN 978-3-456-84575-3.
  • Hans-Ulrich Deppe, Wolfram Burkhardt (Hrsg.): Solidarische Gesundheitspolitik. VSA Verlag, Hamburg 2002, ISBN 3-87975-847-6.
  • Eckhard Nagel (Hrsg.): Das Gesundheitswesen in Deutschland. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2007, ISBN 978-3-7691-3220-5.

Weblinks

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