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Nordisches Modell (Prostitution)

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Das Nordische Modell für Prostitution (auch bekannt als Sex Buyer Law, das Schwedische Modell oder Neo-Abolitionismus (Prostitution)) ist ein Modell, das Prostituierte entkriminalisiert und ihnen Hilfe dabei bietet aus der Prostitution auszusteigen, während ihre Klienten kriminalisiert und bestraft werden. Das Hauptziel des Modells ist es, die Nachfrage nach Prostitution abzuschwächen, um diese weitestgehend einzudämmen.[1] Im Jahr 2014 verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution zugunsten des Nordischen Modells für Prostitution und hielt die Mitgliedsstaaten dazu an, den Kauf von Prostituierten zu kriminalisieren und gleichzeitig Opfern von Menschenhandel Unterstützung anzubieten.[2] In Deutschland ist die SPD-Politikerin Leni Breymaier aus Baden-Württemberg eine der prominentesten Verfechterinnen des Nordischen Modells.

Amnesty International spricht sich gegen diese Art von Gesetzgebung aus.[3]

Internationale Übernahme des Nordischen Modells

Länder, die das Nordische Modell implementiert haben (2019)

Das Modell wurde zuerst im Jahr 1999 in Schweden entwickelt und implementiert im Zuge von Gesetzgebung gegen Gewalt an Frauen (Kvinnofrid-Gesetz). Das zweite Land, das das Modell implementierte, war Norwegen 2009 (Sexkjøpsloven – Sex-Käufer-Gesetz).[4] Island verabschiedete das Modell ebenfalls 2009. Dabei sprachen sich dort 70 % der Bevölkerung für die Kriminalisierung des Kaufes von Prostituierten aus.[5] Kanada implementierte das Modell 2014 als Teil des The Protection of Communities and Exploited Persons Act (Beschluss zum Schutz von Gemeinden und ausgebeuteten Personen).[6] Nordirland adoptierte das Modell 2015.[7] Frankreich folgte 2016.[8] In Irland wurde der Kauf von Prostituierten 2017 als Teil des sexual offenses act (Gesetz zu Sexualstraftaten) kriminalisiert.[9] Israel übernahm das Modell 2018.[10]

Effizienz des Modells

Schweden

2008 beschloss die schwedische Regierung ein Committee zu berufen, um die Wirkung des Modells zu evaluieren. Dieses wurde von der früher Richterin des obersten Gerichtshofes Anna Skarhed geleitet. Es sollte der Effekt, den das Gesetz und seine Umsetzung von 1999 bis 2008 hatte, untersucht werden. Der anschließende Bericht sagte aus, dass die Straßenprostitution um die Hälfte reduziert werden konnte. In Oslo, Kopenhagen und Stockholm waren die Ausmaße der Straßenprostitution 1999 ungefähr gleich. Doch 2008 gab es in Oslo und Kopenhagen dreimal so viel Straßenprostitution wie in Stockholm.[11] Die Polizei hatte einen Fokus auf die Bekämpfung der Straßenprostitution gesetzt, da diese öffentlich sichtbar war. Das Committee kam auch zu dem Schluss, dass sich die Meinung in der Bevölkerung geändert hatte und dass 70 % für die Kriminalisierung des Kaufes von Prostituierten war, während zuvor die Meinung ähnlich wie in Norwegen oder Dänemark gewesen war.[12]

Das Komitee für Frauenrechte und Gleichstellung der Europäischen Union verlautbarte 2013: "Die Anzahl von Prostituierten in Schweden beträgt nur ein Zehntel der Anzahl von Prostituierten in Dänemark, wo die Prostitution legalisiert wurde und die Gesamtbevölkerung geringer ist. Das neue Gesetz hat auch die Meinung in der schwedischen Gesellschaft geändert. 1996 waren 45 % der Frauen und 20 % der Männer dafür den Kauf von Prostituierten zu kriminalisieren. 2008 waren 79 % der Frauen und 60 % der Männer dafür. Außerdem bestätigen die schwedischen Polizeibehörden, dass das Nordische Modell eine abschreckende Wirkung auf den Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung gehabt hat."[13]

Außerdem wurde erhoben, dass für der Implementierung des Gesetzen 12,5 % der Männer Prostituierte kauften während es 2014 nur 7,7 % waren.[2]

Norwegen

Ein Bericht, der fünf Jahre nach der Implementierung des Modells veröffentlicht wurde, sagte aus, dass es einen dämpfenden Effekt auf Prostitution hatte und Norwegen weniger attraktiv für Menschenhändler machte. Außerdem sagte der Bericht, dass die Gewalt gegen Prostituierte nicht zugenommen hätte. Es wurde geschätzt, dass Straßenprostitution um 45–60 % reduziert wurde im Vergleich zum Zustand vor der Einführung des Gesetzes.[14] Umfragen unter Prostituierten ergaben, dass die Kundenzusammensetzung sich geändert hatte. Weniger junge Männer waren unter ihnen, weniger Männer aus gehobenen sozialen Klassen und mehr Ausländer. Wie auch in Schweden änderte sich die Meinung in der Allgemeinbevölkerung zur Prostitution. Im Speziellen waren vor Allem junge Männer negativ zur Prostitution eingestellt.[15] Der Bericht der Regierung sagte auch, dass Prostituierte Angst hätten, gewalttätige Kunden anzuzeigen, da sie Gefahr liefen ihre Wohnungen dann zu verlieren.[16] Das Gesetz verbietet Menschen von der Arbeit von Prostituierten zu profitieren. Deswegen müssen Vermieter Prostituierte aus den Wohnungen werfen, sobald sie davon erfahren, dass die Wohnungen zur Prostitution genutzt werden, um sich nicht strafbar zu machen.[17]

Island

Island implementierte das Modell 2009. Ein Bericht aus dem Jahr 2017 von der nationalen Leitung der Polizei sagte, dass die Prostitution in den letzten 18 Monaten "explodiert" sei.[18] Die Mehrzahl der Prostituierten kämen aus dem Ausland. Die Polizei glaubt, dass die Prostitution in Island oft im Zuge von organisierter Kriminalität und Menschenhandel vonstatten geht. Das Land ist darüber hinaus ein Ziel von Sextourismus geworden.[19]

Es wird angenommen, dass mehrere Faktoren eine vollständige Implementierung des Gesetzes im Wege stehen. Ein wichtiger Faktor ist, dass Opfer des Menschenhandels nicht mit der Polizei kooperieren und nicht gegen Täter aussagen. Außerdem ist der Tourismus insgesamt stark gestiegen, was auch mehr Nachfrage nach Prostituierten bedeuten kann. Da Island Teil des Schengenraumes ist, ist es einfach für Menschenhändler Opfer aus ärmeren EU-Staaten nach Island zu bringen. Für die ersten drei Monate wird hierfür noch nicht mal ein Visum benötigt und sie müssen sich nicht bei den Behörden registrieren lassen.[20] Außerdem wird davon ausgegangen, dass im Justizsystem noch kein Umdenken stattgefunden hat. So finden Prozesse gegen Käufer von Prostituierten oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, wodurch die abschreckende Wirkung ausbleibt. Die Geldstrafen, die erteilt werden, sind vergleichsweise gering.[21]

Frauen aus Osteuropa, den Baltischen Staaten und Südamerika sind oft unter den Opfern von Menschenhandel in Island. Das Land wurde den US-Behörden, die zuständig für den Kampf gegen Menschenhandel sind, von einem "Tier 1" zu einem "Tier 2" Land im Jahre 2017 heruntergestuft.[22]

Vergleich zur vollständigen Legalisierung von Prostitution

Wissenschaftliche Untersuchungen in Deutschland, der Schweiz und Großbritannien im Jahre 2012 versuchten die Auswirkungen der Legalisierung zu evaluieren. Dabei wurde festgestellt, dass das Volumen im Menschenhandel sich vergrößert hatte und dass der Ersatz von illegaler Prostitution durch legale Prostitution insgesamt nicht den negativen Effekt des gesteigerten Menschenhandels ausgleichen konnte. Insgesamt gab es also mehr illegale Prostitution als zuvor.[23][24] Es wurde angenommen, dass dafür zwei Faktoren verantwortlich waren: Illegale Prostitution wird als legale Prostitution verschleiert und das Stigma, welches mit den Kauf von Prostituierten verbunden ist, verminderte sich, wodurch eine größere Nachfragen nach beiden Formen der Prostitution entstand. Ein Weiteres Beispiel dafür, dass das Volumen insgesamt nach Legalisierung wächst, ist Dänemark wo es zwischen 2002 und 2009 um 40 % gestiegen war.[25] Einige europäische Studien hatten die Aussage, dass Menschenhandel in Ländern, in denen Prostitution legalisiert wurde am höchsten ist und am Niedrigsten in Ländern, in denen der Kauf von Prostituierten illegal ist.

Einzelnachweise

  1. Nordic Model Now!: What is the Nordic Model?. In: Nordic Model Now!. Nordic Model Now!. 27. März 2016. Abgerufen am 1. August 2019.
  2. 2,0 2,1 Meghan Murphy: EU Parliament passes resolution in favour of the Nordic model. In: feministcurrent. 26. Februar 2014. Abgerufen am 1. August 2019.
  3. Amnesty International Policy On State Obligations To Respect, Protect And Fulfil The Human Rights Of Sex Workers. In: www.amnesty.org. Amnesty International. 26. Mai 2016. Abgerufen am 3. August 2019.
  4. Amnesty International 2016: THE HUMAN COST OF 'CRUSHING' THE MARKET. In: amnestyusa. Abgerufen am 1. August 2019.
  5. A new law makes purchase of sex illegal in Iceland. In: www.jafnretti.is. Jafnréttisstofa - The Centre for Gender Equality. Abgerufen am 1. August 2019.
  6. Debra Haak: Canada's laws designed to deter prostitution, not keep sex workers safe. In: theconversation.com. Abgerufen am 1. August 2019.
  7. d'Urso, Joseph: Buying sex a criminal offense under controversial Northern Ireland law. In: Reuters, June 2015. Abgerufen am 1. August 2019. 
  8. Megan Murphy: France adopts the Nordic model. In: feministcurrent.com. 6. April 2016. Abgerufen am 1. August 2019.
  9. Anna Fisher: Lessons from Ireland on Prostitution. In: Nordic Model Now!. Nordic Model Now!. Abgerufen am 1. August 2019.
  10. Lahav Harkov: ISRAEL BECOMES 10TH COUNTRY TO CRIMINALIZE HIRING PROSTITUTES. In: jpost.com. The Jerusalem Post. Abgerufen am 1. August 2019.
  11. ―The Ban against the Purchase of Sexual Services. An evaluation 1999-2008‖. In: ec.europa.eu. Swedish Institute. Abgerufen am 1. August 2019. p.7
  12. ―The Ban against the Purchase of Sexual Services. An evaluation 1999-2008‖. In: ec.europa.eu. Swedish Institute. Abgerufen am 1. August 2019. p.8
  13. Committee on Women’s Rights and Gender Equality: on sexual exploitation and prostitution and its impact on gender equality. In: europarl.europa.eu. European Parliament. Abgerufen am 1. August 2019.
  14. Ingeborg Rasmussen: Evaluering av forbudet mot kjøp av seksuelle tjenester. In: regjeringen.no. Justis- og beredskapsdepartementet. Abgerufen am 2. August 2019. p. 7
  15. Ingeborg Rasmussen: Evaluering av forbudet mot kjøp av seksuelle tjenester. In: regjeringen.no. Justis- og beredskapsdepartementet. Abgerufen am 2. August 2019. p. 9
  16. Ingeborg Rasmussen: Evaluering av forbudet mot kjøp av seksuelle tjenester. In: regjeringen.no. Justis- og beredskapsdepartementet. Abgerufen am 2. August 2019. p. 10
  17. Alek Nielsen: Nordic Model: The Ongoing Criminalization of Sex Workers in Northern Europe. In: medium.com. Medium. 29. Dezember 2018. Abgerufen am 2. August 2019.
  18. Organized Crime and Prostitution on the rise in Iceland. In: Iceland Monitor. 26. Oktober 2017. Abgerufen am 2. Februar 2018.
  19. Vala Hafstað: Sex Tourism a Problem in Iceland (en) In: Iceland Review. 26. August 2015. Abgerufen am 2. Februar 2018.
  20. Alice Demurtas: Prostitution In Iceland Mostly Occurring In AirBnB Apartments. In: grapevine.is. grapevine. Abgerufen am 4. August 2019.
  21. Ingebjörg Sigridur: The effect of the law on prostitution in Iceland – Changing laws, changing attitudes. In: sigriduringibjorg.is. Ingebjörg. Abgerufen am 4. August 2019.
  22. Iceland 2017 Trafficking in Persons Report. In: U.S. Department of State. Archiviert vom Original am 3. Juli 2017. Abgerufen am 1. Februar 2018.
  23. Kimberly MEHLMAN-OROZCO: Legalizing prostitution could end sex-trafficking investigations. In: thehill.com. the hill. 19. März 2019. Abgerufen am 2. August 2019.
  24. Randall Akee: Transnational Trafficking, Law Enforcement and Victim Protection: A Middleman's Perspective∗. In: conference.iza.org. Abgerufen am 2. August 2019.
  25. Simon Hedlin: Why Legalizing Prostitution May Not Work. In: forbes.com. Forbes. Abgerufen am 2. August 2019.
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