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Narziß und Goldmund

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Hermann Hesse (1925)

Narziß und Goldmund ist eine Erzählung von Hermann Hesse, entstanden zwischen April 1927 und März 1929, erschienen 1930 im S. Fischer Verlag.

Fischer Verlag Berlin Erstausgabe 1930

Inhalt

Die Geschichte, die im Mittelalter spielt, handelt von der Freundschaft der zwei Hauptfiguren, Narziß, dem frommen Lehrgehilfen einer Klosterschule, und Goldmund, einem Schüler. Der Novize Narziß ist wegen seiner besonderen Gaben bereits Lehrgehilfe in der Klosterschule Mariabronn, als der hübsche und kluge Jüngling Goldmund, der ohne Mutter und Geschwister aufgewachsen ist, von seinem Vater zum Studium in das Kloster gebracht wird. Im Kloster schließt Goldmund schon bald eine enge Freundschaft zu dem Lehrgehilfen Narziß, dessen durchblickenden Scharfsinn er besonders bewundert.

Auch Narziß erkennt in Goldmund, der als frommer Schüler ausschließlich danach strebt, in das Noviziat aufgenommen zu werden, seinen „Gegenpol“ und seine „Ergänzung“. In einem intensiven Gespräch deckt Narziß einen wichtigen Teil Goldmunds auf, den dieser in der Vergangenheit vergessen und verdrängt hat. Erschüttert stellt Goldmund fest, dass etwas in seinem Inneren aufgebrochen ist und erkennt schließlich das Bild seiner Mutter, die vor langer Zeit von zu Hause weggegangen ist, nachdem sie sich nach langer Zahmheit wieder ihrer früheren Künste und Übungen als Tänzerin und Männerverführerin erinnert. Goldmunds Vater versuchte, bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich, die Erinnerung an seine Mutter negativ zu beeinflussen. Das Bild dieser Mutter treibt ihn an, andere Lebensformen zu entdecken.

Goldmund beschließt nach seinem ersten Liebeserlebnis, die weite Welt zu erobern. Narziß hat diesen Augenblick schon lange erwartet und unterbricht seine asketischen Übungen, um sich von seinem Freund zu verabschieden. Goldmund, der während seiner Zeit als Landstreicher viele Liebschaften hat, tötet einen anderen Landstreicher in Notwehr, als dieser ihn zu bestehlen und im anschließenden Kampf zu erwürgen versucht. Daraufhin geht Goldmund seit langer Zeit einmal wieder in die Kirche, um dort zu beichten. In dieser Kirche ist Goldmund von einer Marienstatue, die ihn an seine Mutter erinnert und so vollkommen ist, so fasziniert, dass er den Meister dieser Figur aufsucht, um bei diesem das Kunsthandwerk zu erlernen.

Von den Erfahrungen seines Lebens geprägt und vom Charakter des Narziß inspiriert, fertigt der junge Künstler selbst ein fast vollkommenes Meisterstück an, nämlich eine Johannesfigur, die nach dem Bilde seines Jugendfreundes Narziß geschaffen ist und dessen Charakterzüge plastisch übermittelt. Als er seine eigene Situation, die eines sesshaften Künstlers, reflektiert, sieht er wieder das Bild seiner Mutter in sich aufblitzen. Dieses Bild der Mutter treibt ihn an, die Stadt zu verlassen, um neue Lebenserfahrungen zu sammeln. So verlässt er die Bischofsstadt und seinen Meister und lehnt das Angebot, als Meister zu arbeiten und des Meisters Tochter zu heiraten, ab. Er geht wieder auf Wanderschaft und zieht mit einer Geliebten, die später an der Pest stirbt, und einem weiteren Gefährten durch das Land.

Als er eine Liebschaft mit der jungen, bezaubernd schönen Geliebten des Statthalters der Bischofsstadt eingeht, kommt er in eine verhängnisvolle Situation. Er wird vom Statthalter in den Gemächern seiner Geliebten entdeckt und deswegen zum Tode verurteilt. Goldmund, der in einem Kerker gefangen einen Fluchtplan ausklügelt, stellt mit Überraschung fest, dass es sich bei dem Abt, bei dem er seine letzte Beichte ablegen darf, um seinen alten Freund Narziß handelt.

Nachdem Goldmund durch den Statthalter auf die Fürsprache des Narziß begnadigt wird, aber die Stadt verlassen muss, kehren beide in das Kloster Mariabronn zurück. Goldmund, der während seiner Wanderschaft den Glauben an Gott vernachlässigt hat, bekommt im Kloster eine Anstellung als Künstler und versucht sich nach und nach wieder dem Glauben zu widmen, den er einst im Kloster gelebt hatte. Nach seiner langen Wanderschaft ist Goldmund erneut erfüllt von Bildern und fügt einer Kanzel religiöse Figuren hinzu, welche Personen verkörpern, denen er auf seiner langen Suche nach dem Vollkommenen begegnet ist. Zwischendurch nimmt er sich die Freiheit, für einige Tage, manchmal auch Wochen auf Wanderschaft zu gehen.

Eines Tages kehrt Goldmund krank, gealtert und erschöpft ins Kloster zurück, nachdem er von seiner letzten Geliebten verschmäht vom Pferd gefallen war und sich die Rippen gebrochen hatte. Narziß sieht, dass Goldmund sterben wird, und gesteht ihm seine Liebe und Bewunderung.

Goldmund nimmt glücklich, mit einem Lächeln von seinem Freund Narziß Abschied, denn er weiß, es ist seine Mutter, die ihn durch den Tod zu sich nimmt. In Narziß’ Herz brennen die letzten Worte Goldmunds wie Feuer: „Ohne Mutter kann man nicht sterben“. Und wie soll Narziß einmal ohne Mutter sterben können?

Interpretationen

Unschwer zu erkennen ist als prägender Hintergrund für die Erzählung Hesses Beschäftigung mit Friedrich Nietzsche, hier vor allem dessen Geburt der Tragödie und dem Zarathustra. Zusätzlich ist auch für dieses Werk die Bekanntschaft Hesses mit der Archetypenlehre des Psychologen Carl Gustav Jung, mit dem Hesse korrespondierte, relevant. Sowohl Nietzsches Idee der Rückentwicklung des Geistes zum Kind als auch Jungs Archetypen der Anima und Großen Mutter drücken sich explizit in Goldmunds Hin- und Rückwendung zur „Mutter“ aus.

Die Annäherung an die Vollkommenheit von Narziß und Goldmund

Bereits der Titel des Buches lässt annehmen, dass es sich bei den Hauptpersonen in Narziß und Goldmund um zwei gegensätzliche Charaktere handelt. Beide sind, jeder auf seine Art, besondere Menschen auf der Suche nach Vollkommenheit. Während Narziß sich in geistiger und religiöser Annäherung an die Idee des vollkommenen Lebens und Gott nähert, sucht Goldmund die Erfüllung in der Kunst als Wanderer und freier Künstler. Angetrieben von Visionen der „Mutter“, deren Geheimnis es ist, die größten Gegensätze, wie Geburt und Tod, Güte und Grausamkeit, sowie Leben und Vernichtung zu vereinen, verliert er sich in der Kunst und wendet sich von Gott ab, indem er sich den Gelübden der Gehorsamkeit und Enthaltsamkeit entzieht, nicht mehr beichten und beten geht und sogar zum Totschläger wird. Er braucht immer neue Erfahrung und wird von seinen Visionen vorangetrieben, um sein Leben, welches aus den Gegensätzen des sesshaften Künstlers und seiner anderen Leidenschaft, dem Wandern, besteht, zu verbinden. Immer wieder erkennt er in den Phasen der Reflexion seines Lebens das Muttergesicht, welches sein Leben bestimmt.

Der Preis, den Narziß für seine Lebenshaltung zahlen muss, ist die fehlende Verwirklichung des mütterlichen Lebensprinzips. Doch Narziß entscheidet sich für das geistliche Leben in der vollkommenen Askese, während Goldmund sich im mütterlichen Lebensprinzip verliert und mit der ewigen Ruhelosigkeit und Vergänglichkeit des Lebens in der Kunst und von dieser Stagnation, die ihn vom sesshaften Künstlerdasein wieder ins Leben zurückfließen lässt, zu kämpfen hat. Am Ende des Romans wird der anfangs von Narziß geführte Goldmund selbst zum Führer, als dieser im Sterben liegt und seinen Freund fragt, wie dieser einmal sterben könne, denn: „Ohne Mutter kann man nicht lieben und ohne Mutter kann man nicht sterben.“ Diese letzten Worte brennen in Narziß wie Feuer und lassen ihn über sein eigenes Leben nachdenken, denn es ist eine harte Kritik gegen das strenge Leben mit Gott. Goldmund, der seine Gefühle ausgelebt hat, durchschaut das Leben des Narziß und weiß, dass dieser mit seinem Leben nicht zufrieden sein kann, denn er muss auf alle schönen Dinge wie die Liebe, die das mütterliche Lebensprinzip vorschreibt, verzichten. Goldmund glaubt, den Frieden mit Gott nicht gefunden zu haben, ist aber glücklich, da die „Sinnlichkeit“ durch die Kunst ihn beseelen konnte. Er stirbt im festen Glauben an die Rückkehr zu seiner „Mutter“, während Goldmund von Narziß glaubt, dass dieser nie in solcher Glückseligkeit sterben könne, da er nicht wie Goldmund eine „Mutter“ hat, die ihn durch sein Leben leitete.

Trotz ihrer Verschiedenheit sind beide voneinander abhängig und ergänzen sich. Narziß hat als Denker oder Geistesmensch Goldmund gelehrt, aber auch selber von dessen Lebensart als Sinnenmensch profitiert.

„Narziß ist ebenso wenig der reine Geistesmensch, wie Goldmund der reine Sinnenmensch – sonst bräuchte einer den anderen nicht, sonst schwängen sie nicht beide um eine Mitte und ergänzten sich. Narziß kann das brutale Wort vom Heiligen und Wüstling sagen, und kann am Ende doch das Ganze von Goldmunds Leben liebend bejahen.“
(aus einem Brief Hesses an Christoph Schrempf 1931)

Bezug zum Kloster Maulbronn

Mutmaßliche Vorlage für Mariabronn: Das Kloster Maulbronn

Hermann Hesse wurde 1891/92 im Evangelischen Seminar Maulbronn nachhaltig traumatisiert. Literarisch hat Hesse dieses Trauma in seiner Erzählung Unterm Rad (1906) und in seinem Gedicht Im Maulbronner Kreuzgang (1914) verarbeitet.

Die Handlung der Erzählung Narziß und Goldmund beginnt im Kloster Mariabronn. Aus der Beschreibung der Klosteranlage lässt sich unschwer schließen, dass die Vorlage für dieses fiktive Kloster das reale Kloster Maulbronn ist, das Hesse intensiv kennengelernt hat. Der Name ist kaum abgeändert, der Erzähler stellt sich lediglich vor, wie das protestantische Seminar vor der Reformation als katholisches Kloster ausgesehen und wie das Klosterleben sich abgespielt haben muss.

Gleich der Anfang der Erzählung strömt eine fröhliche Stimmung aus. Das zeigt, dass Hesse im Jahr 1930 unbefangen und positiv über einen Ort schreiben konnte, an dem ihm 1892 Suizidgedanken gekommen waren und der noch 1914 gemischte Gefühle bei ihm hinterlassen hatte.

Buchausgaben

Der S. Fischer Verlag publizierte die Erzählung als Vorabdruck zwischen Oktober 1929 und April 1930 in der Neuen Rundschau, mit dem Untertitel „Geschichte einer Freundschaft“ versehen. Die Erstausgabe erschien ebenda 1930 im Rahmen der Gesammelten Werke Hesses. Der Manesse Verlag veröffentlichte die Erzählung 1945 als 8. Band in der Reihe Manesse Bibliothek der Weltliteratur. In der Bibliothek Suhrkamp erschien sie erstmals 1971, als Taschenbuch 1975.

  • Narziß und Goldmund. Fischer, Berlin 1930.
  • Narziß und Goldmund. Erzählung. Manesse, Zürich 1945.
  • Narziß und Goldmund. Erzählung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, ISBN 3-518-01065-4 (= BS 65).
  • Narziß und Goldmund. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-518-36774-9 (= st 274).
  • Narziß und Goldmund. Erzählung. Mit einem Kommentar von Heribert Kuhn. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-518-18840-2 (= Suhrkamp BasisBibliothek 40).

Literatur

  • Maria-Felicitas Herforth: Hermann Hesse: Narziß und Goldmund. Bange, Hollfeld 2011, ISBN 978-3-8044-1927-8 (= Königs Erläuterungen 86).
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