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Harry M. Rosenfeld

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Harry Rosenfeld

Harry M. Rosenfeld (19292021), US-amerikanischer Journalist und Verleger

Leben

tachles, 22.7.2021:

Harry Rosenfeld gestorben Der Nazi-Flüchtling war während der Watergate-Affäre Ressortleiter bei der «Washington Post» und wurde 91 Jahre alt.

Am 16. Juli ist der Journalist Harry Rosenfeld in seinem Haus in Slingerlands, NY (nahe der Staats-Hauptstadt Albany) im Alter von 91 Jahren Covid-19 erlegen. Er wurde 1972 landesweit durch seine Rolle bei der Aufdeckung der Watergate-Affäre als Lokalchef der «Washington Post» bekannt, die zwei Jahre später zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon führte. Rosenfeld galt auf der Redaktion als «harter Hund», unermüdlicher Antreiber und Ermutiger seiner Reporter, aber auch als Nervensäge. Er warf sich an Ressortleiter-Sitzungen jeden Tag erneut in den Kampf um Plätze für sein Ressort auf der Frontseite.

Dabei scheute er Konfrontationen mit Chefredakteur Ben Bradlee nicht. Der stammte aus einer elitären Familie in Washington, Rosenfeld war dagegen als Junge mit seiner Familie kurz vor Kriegsausbruch 1939 aus Hitler-Deutschland entkommen. Er hat 2013 in seinen lesenswerten Memoiren «From Kristallnacht to Watergate» geschrieben, Bradlee habe seine Jugend auf dem Tennis-Platz verbracht, er dagegen habe den Nazis entkommen müssen. Berühmt wurde er für eine Auseinandersetzung mit Bradlee um die Watergate-Berichterstattung, die zur Schlüsselszene in dem Kino-Hit «All the President´s Men» wurde: Da blafft er Bradlee an, seine Lokal-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein seien «hungrig – können Sie sich überhaupt noch daran erinnern, als Sie einmal hungrig waren?».

Rosenfeld wurde 1929 in Berlin in eine jüdische Familie geboren. Er traf im Mai 1939 mit den Eltern und der Schwester Rachel in New York ein. Alles Deutsche schnellstmöglich hinter sich zu lassen und Amerikaner zu werden, war danach sein einziges Ziel. Dazu gehörte auch Erfolg, den sich der junge Emigrant nur als Ergebnis von Fleiss und Unternehmungslust vorstellen konnte.

Zum Journalismus kam er über Ferienjobs im Vertrieb der «New York Herald Tribune». Ende 1952 trat Rosenfeld vor dem Militärdienst in Korea in die Redaktion der moderat-konservativen Zeitung ein und stieg dort bis 1966 zum Ressortleiter Aussenpolitik auf. Anschliessend wechselte er zur «Washington Post» und ging 1978 aufgrund zunehmender Spannungen mit Ben Bradlee schliesslich als Chefredaktor zur «Times Tribune» in Albany, wo er auch nach seiner Pensionierung 1997 weiterhin Kolumnen schrieb. Er hielt dort bis an sein Lebensende ein kleines Büro und gab dort vor einigen Jahren ein Interview für unsere Zeitschrift aufbau.

Dabei erschien Rosenfeld ebenso energisch, wie freundlich und offenherzig. Besonderen Wert legte er auf die Darstellung seiner Berufs-Auffassung. Hier hat er stets strenge Leitlinien angelegt. Dazu zählte Rosenfeld die strikte Trennung von Meinung und einer Berichterstattung, die auf Gründlichkeit und Präzision beruhen müsse: «Dahin führt ein langer, mühsamer Weg und ich habe meine Reporter ständig gefragt: Woher wissen wir das? Wer hat das gesagt? Welche Motive hatte dein Gesprächspartner?» Besonders Auslands-Korrespondenten würden ihre Geschichten aus reiner Bequemlichkeit gerne auf anonyme, «gut informierte Kreise» aufbauen. So drang Rosenfeld auf harte Recherchen und direkte Zitate, was gerade etablierten Korrespondenten sauer aufgestossen sei.

Bei der «Herald Tribune» erlebte Rosenfeld die Blüte des «New Journalism», mit dem sein Kollege Tom Wolfe Furore machte. Der Name löste einen Seufzer aus: «Tom ist ein Freund von mir. Aber seine besten Arbeiten sind Romane wie `Fegefeuer der Eitelkeiten´ – da dürfen die Protagonisten gerne imaginierte Gedanken haben. Journalismus verlangt dagegen Bescheidenheit. Wir sind keine Hellseher und müssen uns mit Fakten und Aussagen begnügen.» Auf diesen Prinzipien ruhe ein Journalismus, den jede Demokratie als Grundlage wohlinformierter Diskussionen benötige. Rosenfeld verstand sein Metier als staatsbürgerliche Dienstleistung und damit als Gegenpol zu der Lügenpropaganda der Nazis, die ihm stets in Erinnerung blieb.

Daneben entwickelte die «Herald Tribune» damals im ständigen Wettbewerb mit der «New York Times» innovative Formen der Investigation und liess Teams Themen längerfristig und eingehend bearbeiten. Nachdem das Blatt 1966 schliesslich aufgeben musste, ging Rosenfeld zur «Washington Post». Der neue Chefredakteur Bradlee war 1965 mit dem Auftrag der Verlegerin Katharine Graham angetreten, aus dem damaligen Provinz-Blatt eine Hauptstadt-Zeitung von Weltgeltung zu machen. Bradlee warb deshalb neben Rosenfeld andere Profis wie den legendären Politik-Reporter David Broder an.

Rosenthal warf sich rückhaltlos in den neuen Job. Ohnehin ein starker Raucher – «Lucky Strikes, Chesterfields, immer ohne Filter» –, konsumierte er nun bis zu vier Schachteln täglich. Im Rückblick sagte er lachend: «Inhaliert habe ich weniger – aber nur weil ich im Stress manchmal zwei Glimmstängel gleichzeitig qualmen liess». Ein Kollaps infolge blutender Magengeschwüre kurierte ihn schliesslich vom Nikotin. Er wurde nicht einmal rückfällig, als er sich mit seinem Konzept der Berichterstattung über einen spektakulären Mordfall gegen Widerstände in der Redaktion und die Kritik anderer Medien durchgesetzt hat. Ende 1970 erschlug eine Gruppe junger Leute den Washingtoner Beamten Richard Mattingly. Darunter war seine 14-jährige Adoptivtochter Debra, genannt «Muffin». Rosenfeld liess sein Ressort 15 Monate lang alle Facetten des Falls und des anschliessenden Gerichtsverfahrens aufrollen.

Ein knappes Jahr später brachen fünf Männer am Abend des 17. Juni 1972 in das Hauptquartier der demokratischen Partei im Watergate-Gebäudekomplex ein. Bei der Post wurde der «Muffin-Fall» Vorlage einer beharrlichen, tief gehenden und kompromisslosen Berichterstattung. Diese journalistische Glanzleistung wird meist als Geschichte des Duos Bob Woodward und Carl Bernstein erzählt. Rosenfeld wollte Beiden die Lorbeeren nicht streitig machen. Doch ehe die Reporter überhaupt aktiv werden konnten, musste Rosenfeld sich zunächst bei der Chefredaktion durchsetzen, dass sein Ressort «Watergate» bearbeiten konnte. Bradlee bezweifelte die Kompetenz der mit der nationalen Politik nicht vertrauten Lokalreporter. Und weder Woodward, noch Bernstein waren bis anhin durch besondere Talente aufgefallen.

Laut Rosenfeld war der damals 28-jährige Bernstein eher für Arroganz und Faulheit bekannt, zudem ging der begabte Stilist leichtsinnig mit seinen Spesen um. Der ein Jahr ältere Woodward war dagegen im August 1970 nach einer zweiwöchigen Probezeit im Lokalressort auf Rosenfelds Anraten zu einem Lokalblatt im Nachbarstaat Maryland gewechselt und erst wenige Monate vor Watergate zur Post gekommen. Rosenfeld verrät, die Probezeit für den journalistischen Novizen sei völlig ungewöhnlich gewesen: «Woodward erzählt nie, dass er mit dem damaligen Aufsichtsratschef der Post bekannt war, dem Banker Paul Ignatius. Der hat sich bei uns für Bob eingesetzt. Ich war nicht so dumm, das abzulehnen.» Rosenfeld war auch nicht von Woodwards Studium an der elitären Yale University beeindruckt. Aber ihm gefielen die Ernsthaftigkeit und die Disziplin, mit der Woodward seinen Job anging: «Die jungen Kollegen trugen meist Bärte und langes Haar – und sie hassten `Bullen´. Bob sah konservativer aus und ging auf die Wachen. Er hat den `Cops´ Kaffee mitgebracht und so gerade für unser Ressort essentielle Quellen aufgeschlossen».

Gleichwohl bildeten «Woodstein», wie das Duo bei der Post intern genannt wurde, nur die Speerspitze einer Team-Anstrengung von Reportern der Ressorts Lokales, Politik und Wirtschaft. Dahinter standen Rosenfeld und andere «Editors», die ihre Arbeit koordinieren und ständig vor dem stellvertretenden Chefredakteur, nicht zuletzt aber vor Bradlee verantworten mussten. Doch ohne die Rückendeckung der Verlegerin hätten Rosenfeld und sein Ressort gerade in den mühsamen, frühen Monaten des Skandals ihre Recherchen nicht fortsetzen können. Danach hatten die Journalisten solide Hinweise darauf, dass der Einbruch auf Nixons nächste Umgebung zurückging.

Heute würden Verleger und Chefredaktoren eine solche Geduld schon aus Kostengründen kaum noch aufbringen, so Rosenfeld in Albany. Zudem sei die Konkurrenz so intensiv, dass ein einziges Medium eine Geschichte von Watergate-Format nicht mehr derart lange alleine würde dominieren können. Schliesslich würden die ideologisch geprägten Nachrichtenplattformen in Kabel und Internet nun einer bedrängten Regierung beispringen, brisante Enthüllungen anzweifeln und damit die Öffentlichkeit verwirren. So würde Nixon den Skandal heute womöglich überstehen. Die Trump-Ära hat eine tragische Erfüllung dieser Einschätzung gezeitigt.

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