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Handeln

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Dieser Artikel befasst sich mit dem Handeln als Tun bzw. Tat, für den Austausch von Waren siehe Handel, für die Begriffsklärung Handlung.

Handeln bezeichnet jede menschliche, von Motiven geleitete zielgerichtete Aktivität, sei es ein Tun oder ein Unterlassen. Es ist also deutlich von »Verhalten« zu unterscheiden, das allenfalls unbewusst motiviert ist und/oder ohne Zielvorgabe abläuft.”[1]

Philosophie

Scholastik

Die Scholastik als Hauptströmung der mittelalterlichen Philosophie nannte das Was einer Handlung »Gegenstand (obiectum)« und das Worum-willen die »Absicht (intentio)« einer Handlung.[2] Zum Beispiel lügt jemand (Aktivität/Tatbestand) um sich a) einen Vorteil zu verschaffen (Motiv) oder b) einen Juden vor der Gestapo versteckt zu halten (Motiv). „Die Motive geben das Worum-willen der Handlung oder die Ziele/Zwecke an“[3] und was in einer Handlung getan wird, „erweist sich als Mittel, sie (die Ziele/Zwecke –d. Verf.) zu erreichen“.[4]

Die Struktur einer Handlung: die Zweckmittelrelation

Handlungsmittel und Handlungszweck sind die beiden Elemente, aus denen eine Handlung besteht: „Handlungen sind nur verstehbar, wenn sie unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob sie Mittel darstellen, das gewünschte Ziel zu erreichen.“[5] Soll das Handlungsmittel tatsächlich dem Handlungsziel dienen, „dann muss man ihre Zweckmittelrationalität (M. Weber) [...] prüfen.“[6] Eine Handlung besteht also strukturell aus drei Wirklichkeiten: aus zwei Elementen (Mittel und Zweck) und einer Relation (Zweckmittelrelation: ob das Mittel der Handlung dem Zweck entspricht).

Handlung oder Handlungsverbund: die Einheit einer Handlung

Oft bestehen Handlungen aus mehreren Einzelvollzügen. Die Handlung „frühstücken“ besagt, dass man sich etwas zum Trinken macht und Obst oder Brot isst.

Der Satz „Deutschland führte bis Mai 1945 Krieg in Europa (mit dem Ziel, die politische Vorherrschaft in Europa zu entscheiden)“ bezeichnet grammatisch eine Handlung, die in Wirklichkeit aus vielen zusammenhängenden Handlungen (Handlungsverbünden) besteht [Kriegswirtschaft, politische Taktik, einzelne Schlachten innerhalb eines Feldzuges, mehrere Feldzüge (Krieg im Osten und Westen) ...]

Mehrere Einzelvollzüge und Handlungsverbünde kann man als eine Handlung ansprechen. Dabei entsteht die Frage, wie sich ein Handlungsverbund von wirklich unterschiedlichen Handlungen unterscheiden lässt. Unterschiedliche Handlungen lassen sich von einer Anzahl von Einzelvollzügen einer Handlung oder von einem Handlungsverbund dadurch unterscheiden, dass unterschiedliche Handlungen auch unterschiedliche oder die gleichen (nicht „dieselben“!) Zwecke haben, und dass ein einziger Handlungsverbund oder eine Handlung aus mehreren Einzelvollzügen jedoch denselben Zweck für alle seine Handlungen hat.

Das Kriterium für die Einheit einer Handlung ist also, ob Einzelvollzüge oder Handlungsverbünde ein und dasselbe Ziel haben.

Handlung als System

Der Systembegriff besagt, dass etwas Einzelnes (z. B. Handlung) nur zureichend verstanden werden kann, wenn mitbedacht wird, wovon das einzelne mit abhängt und mitbedingt (mitgeformt) wird. Dass ein Einzelnes ohne Anderes nicht sein kann (existiert), macht aus einem Einzelnen ein Element in einem System: „eine Gesamtheit von Elementen, die so aufeinander bezogen sind und in einer Weise wechselwirken, dass sie als eine aufgaben-, sinn- oder zweckgebundene Einheit angesehen werden können und sich in dieser Hinsicht gegenüber der sie umgebenden Umwelt abgrenzen.”[7] „Systeme organisieren und erhalten sich durch Strukturen. Strukturbezeichnet das Muster (Form) der Systemelemente und ihrer Beziehungsgeflechte, durch die ein System entsteht, funktioniert und sich erhält.”[8] „Jedes System besteht aus Elementen (Komponenten, Subsystemen), die zueinander in Beziehung stehen. Meist bedeuten diese Relationen ein wechselseitiges Beeinflussen – aus der Beziehung wird ein Zusammenhang.”[9]

Die Analyse und Beschreibung von Handlung in ihrem Systemzusammenhang führt zu einer Handlungstheorie (siehe unten).

Ethik

Fragt man historisch (faktisch, rein militärisch) nach der Zweckmittelrationalität des Satzes „Deutschland führte bis Mai 1945 Krieg in Europa“, so sind die Historiker sich einig, dass die Kriegserklärung gegen die Sowjetunion nicht in einer rationalen Relation stand zum Handlungsziel, durch die kriegerischen Handlungen ab 1939 (Polenfeldzug, Frankreichfeldzug, Luftkrieg gegen England) die politische Vorherrschaft in Europa zu gewinnen, denn der Zweifrontenkrieg überforderte die deutschen Kräfte. Nehmen wir an, Deutschland hätte den Luftkrieg gegen England gar nicht begonnen, sondern hätte das eroberte West- und Osteuropa politisch konsolidiert – wäre der Polen- und Frankreich-Feldzug dann zweckrational gewesen? Rein historisch betrachtet wohl schon. Die Frage ist aber: wäre das aber auch politisch gut gewesen – gut im moralischen Sinn (in einem für alle geltenden Sinne), denn die Politik muss moralisch fragen, weil sie sich nur allgemein (moralisch) begründen lässt (vernünftig verantworten lässt gegenüber Wählern) – will sie keine Diktatur sein – und Diktaturen sind politisch instabil (gehen unter).

Ethik als philosophisches Fach bedenkt alles Handeln nach einer letzten (absoluten) Zweck-Mittel-Relation – insofern die Ethik darauf abzielt, „eine umfassende Handlungsorientierung [...] zu leisten“.[10] So fragt die Ethik z. B., ob und unter welchen Bedingungen Kriege vernünftig sind (erlaubt sind oder gar geboten sind, sogenannte gerechte Kriege) und welche Arten von Kriegsführung moralisch unerlaubt sind („ungerechte Kriege“). Dabei reflektiert sie drei Handlungsstrukturelemente:

  • den Tatbestand einer Handlung (z. B. Bürgerkrieg gegen Tyrannen),
  • die Handlungsfolgen (Güterabwägungstheorie): ob oder unter welchen Bedingungen die schlechten Folgen einer Handlung in Kauf zu nehmen sind, damit ein guter Handlungszweck überhaupt erfüllt werden kann („Die Theorie der Güterabwätung bildet das Kernstück einer jeden Etik.“[11]) und
  • das Höchste Gut (höchste Ziel/Zweck) von Handlungen, das allererst mögliche gute Handlungszwecke normiert (als gut erscheinen lässt), da „jede umfassende Güterabwägung erfordert, dass es [...] ein Gut“ geben muss, das anderen „Gütern als Maßstab der Abwägung gelten kann“[12] – weil anders (ohne ein höchstes Gut) Güterabwägungen nicht allgemein einsichtig dargestellt werden können, sondern (vom ersten unbestimmten Glied her) beliebig oder different sind. Somit ist außer der Güterabwägungstheorie die Begründung des Höchsten Gutes eine wesentliche Aufgabe der Ethik. „Für die menschliche Person bedeutet das ethisch höchste Gut zugleich auch das Lebensziel, das allem Sinn gibt. Es beantwortet die identitätsstiftende Frage nach dem Lebenssinn.“[13] In der Ethik werden z. B. folgende Bestimmungen des Höchsten Gutes diskutiert:
    • dass jede Person nie in einer Handlung als Mittel zu einem Zweck gebraucht, der nicht im Interesse der Person liegt (Selbstzwecklichkeit des Menschen, Personenwürde) oder
    • das Glück der größtmöglichen Zahl oder
    • die Lebensentfaltung aller auf die Dauer und im Ganzen.

Rechtswissenschaft

Von diesem Verständnis analysiert das Strafrecht die Handlung als prinzipiell willentlich, und die Tathandlung als schuldhaft: Ohne eine gewisse (vom Gesetzgeber unterstellte) Freiheit des Willens gäbe es keine Schuld, also auch keine gesetzliche Strafe.[14]

Soziologie

Namentlich ist „Handeln“ – und zwar als soziales Handeln – zu einem wichtigen Grundbegriff der Soziologie geworden.[15]

Soziale Positionen in der Gesellschaft und ein von ihnen gestütztes Selbstbewusstsein kann sich der Einzelne (Akteur) mit Hilfe sinnhaften Handelns und Gestaltens im Rahmen von Arbeitsprozessen sowie von weiteren Handlungsformen (Kunst, Spiel) erobern und bewahren. Zum Beispiel lassen sich die häufigen Handlungsschwächen von Langzeitarbeitslosen auch als Entzug der Zugänge zu sozialen Positionen kraft eigenen Handelns erklären, die ihnen soziale Anerkennung und Identität vermitteln könnten.

Psychologie

Über viele Jahre wurde Handeln in der Psychologie nur am Rande diskutiert.

Handeln ist motiviert und daher zielgerichtet. Handeln strebt die Befriedigung eines Bedürfnisses oder die Vermeidung eines Schadens an. Mit der Einbeziehung der Motivation thematisiert die Handlungstheorie die >>inneren<< Prozesse, die zwischen der Wahrnehmung der Umgebung, der aktuellen Motivlage und dem Tun vermitteln.

Dietrich Dörner erstellte ein Modell, welches Handeln in verschiedene Stationen unterteilte. Dabei ist es nicht wichtig, dass diese Stufen linear abgearbeitet werden.

> Absichtsauswahl > Zielelaboration > Informationssammlung und Hypothesenbildung > Prognose > Planen > Entscheidung und kontrolliertes Tun

Handeln gehört auch zum Kerngebiet der Motivationspsychologie. Zielbasierte, motivationspsychologische Theorien gehen davon aus, dass Menschen sich Ziele setzen (können), nach denen sie ihr Handeln ausrichten. Ob ein Ziel gesetzt wird, hängt davon ab, inwieweit es als wünschbar und durchführbar erlebt wird bzw. mit einer Strategie oder einem Lebensplan vereinbar ist. Andererseits lässt sich Handeln (theoretisch) auf motivationale Sachverhalte zurückführen.[16]

Handeln ist im Sinne der neueren Psychologie bzw. Pädagogik vor allem ein Instrument der Sozialisation. Als Interaktion gewinnt der Sachverhalt seine sozialisatorische Bedeutung. Indem der Mensch in sozialen Gefügen handelt

  • erwirbt er Wissen
  • lernt er, sich in ähnlichen Situationen zu verhalten
  • gewinnt er gestalterische Kompetenzen, die ihm Einfluss auf seine soziale und materielle Umwelt ermöglichen (siehe Handlungskompetenz).

Eine Existenzsicherung stellt das Handeln als Interaktion zwischen Kind und Bezugspersonen in der frühen Kindheit dar. Kinder ohne diese oder ausreichende Interaktionsmöglichkeiten haben bedeutende Persönlichkeitsstörungen, die von langer Dauer sind und nicht immer (vollständig) therapiert werden können (siehe Entwicklungspsychologie bzw. Hospitalismus; siehe auch Liselotte Ahnert: Bindungstheorie).

Menschen (im Alter) ohne sozial relevante Handlungsmöglichkeiten geraten in große psychische Bedrängnis, erachten sich als wertlos und fühlen sich an den Rand ihrer Existenz gedrängt (Suizid) (Siehe auch Depression.).

Pädagogik

In der Pädagogik geht es insbesondere um das Handeln des Erziehenden, das grundsätzlich daran orientiert sein sollte, das Kind/den Jugendlichen zu fördern. Förderung ist ein Komplex unterschiedlicher und methodisch durchdachter Handlungen, die der Entwicklung des Kindes bzw. seiner möglichst effektiven Sozialisation dienen.

In der Pädagogik gibt es verschiedene Systeme, die Handlungen beschreiben, die man als effektiv bzw. wenig effektiv im Sinne der Sozialisation des Kindes/Jugendlichen bezeichnen könnte. Die Diskussion über Erziehungsstile (A. und R. Tausch: Erziehungspsychologie) ist z. B. eine Erörterung von Handlungsvarianten und deren Möglichkeiten der Realisierung (vor allem eine Systematisierung von Handlungen). Ähnlich ist es mit der Darstellung von sinnvollen und weniger sinnvollen Maßnahmen der Erziehung (Handlungskomplexen) in unterschiedlichen Situationen.

Handlungen des Erziehenden werden meist in Beziehung gesetzt zu den Erziehungsinstitutionen, in denen sie realisiert werden (sollen): Erziehungshandeln in der Familie, in der Vorschulerziehung, in der Schule, in der Ausbildung usw.

Im gänzlich anderen Zusammenhang wurde in den 1970er Jahren von dem Erziehungswissenschaftler Andreas Gruschka (heute: Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main) die Handlungsweise und ihre Reflexion in die Ausbildung eingebracht. Die Methode ist ein Verfahren innerhalb der Erzieherinnenausbildung in NRW (Kollegschule NRW), in dem das Erziehungshandeln von Praktikantinnen und Erzieherinnen reflektiert werden sollte. Das Verfahren wurde im Verlauf der letzten Jahrzehnte in den Berufskollegs des Landes NRW ausdifferenziert und systematisiert und spielt heute noch eine Rolle in der Ausbildung zur Erzieherin.

Handlungstheorien

siehe

Siehe auch

Weblinks

Wikiquote: Handeln – Zitate
Wiktionary: handeln – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Rupert Lay, Philosophie für Manager, ECON-Verlag 1989(3), 72
  2. Peter Knauer, Handlungsnetze - Über das Grundprinzip der Ethik, Frankfurt am Main 2002, 20 ISBN 3-8311-0513-8. (PDF)
  3. Otfried Höffe, Lexikon der Ethik, Verlag C.H. Beck, 1992 (4), 315f
  4. AaO 316
  5. Otfried Höffe, Lexikon der Ethik, Verlag C.H. Beck, 1992 (4), 316
  6. Otfried Höffe, Lexikon der Ethik, Verlag C.H. Beck, 1992 (4), 316
  7. System
  8. System
  9. System
  10. Peter Koslowski, Prinzipien der ethischen Ökonomie, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1988, 137
  11. Rupert Lay, Ethik für Manager, ECON Verlag 1989, 85
  12. Peter Koslowski, Prinzipien der ethischen Ökonomie, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1988, 170
  13. Rupert Lay, Über die Kultur des Unternehmens, ECON Verlag 1992, 71
  14. Vgl.: Heinz-Gerd Schmitz: Zur Legitimität der Kriminalstrafe. Philosophische Erörterungen. Berlin 2001.
  15. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. 1922 u. ö., § 1.
  16. Vgl.: Falko Rheinberg: Motivation. Kohlhammer, 5. Aufl., Stuttgart 2004.
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