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Häftlingstransporte mit der Olga Siemers und Rheinfels

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Die Dampfschiffe Olga Siemers und Rheinfels wurden im April 1945 zum Transport von KZ-Häftlingen aus dem KZ Neuengamme eingesetzt.

Die KZ-Häftlinge bestiegen die Olga Siemers auf Reede Stader Sand

Schiffsbeschreibungen

Die Olga Siemers war ein Frachter der Reederei G. J. Siemers & Co. und wurde 1923 von Nordseewerken abgeliefert. Sie war 101 m lang, 14,2 m breit, hatte eine Seitenhöhe von 7 m und war mit 3350 BRT vermessen. Sie hatte 1450 PS, lief 10 kn und lag 1945 in Lübeck in der Werft.

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Reichsverteidigungskommissar und Gauleiter Karl Kaufmann
Datei:2015 10 06 von Bassewitz Behr IMG 3745.JPG
Der Höhere SS- und Polizeiführer (HSSPF) Georg-Henning Graf von Bassewitz-Behr

Die Rheinfels der DDG "Hansa" wurde 1939 bei der AG Weser gebaut, aufgrund des Kriegsbeginns 1941 nach Odense geschleppt, hier zu Ende gebaut und 1943 an die DDG "Hansa" abgeliefert. Sie war 150 m lang, 19,1 m breit, hatte einen Tiefgang von 5,3 m und war mit 7760 BRT vermessen. Die Dreifache-Expansionsmaschine mit 4 Zylindern und Abdampfturbine leistete 6.250 PSi und verlieh dem Schiff eine Geschwindigkeit von 14 kn.

Transport der Häftlinge aus dem KZ Neuengamme und Außenlager nach Flensburg

Die Kommandogewalt über das KZ Neuengamme und Außenlager sollte auf Weisung von Reichsführer SS Heinrich Himmler im Falle des Vordringens feindlicher Kräfte auf das Reichsgebiet für den Bereich Nordsee auf den Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) Georg-Henning Graf von Bassewitz-Behr übergehen. Der KZ-Kommandant SS-Sturmbannführer Max Pauly gehörte damit zum Stab des HSSPF. Die staatliche Befehlsgewalt ging in diesem Fall auf die zuständigen Reichsverteidigungskommissare (in der Regel die Gauleiter) über, in diesem Falle von Hamburg auf Karl Kaufmann. Beim Vordringen feindlicher Kräfte durfte kein KZ-Häftling in feindliche Hände fallen, außerdem wollte Karl Kaufmann bei der Ankunft der britischen Soldaten keine KZ-Häftlinge auf Hamburger Gebiet haben.

Neuengamme gehörte zu dem letzten KZ Stammlager, das von der SS vor den herannahenden Alliierten geräumt wurde. Um Platz für die Häftlinge aus zu Außenlagern zu schaffen, wurden schwache, kranke und nicht marschfähige Häftlinge ausgesondert und nach Bergen-Belsen bzw. in Auffanglager abgeschoben. Am 8. April wurden rund 2500 kranke Häftlinge vom KZ Neuengamme mit SS-Bewachung unter Begleitung des SS Lagerarztes Dr. Kitt mit der Bahn zum KZ Bergen-Belsen geschickt. Bergen–Belsen war überfüllt und daher wurde der Transport zurückgeschickt. Über einen Umweg erreichte er Hamburg und da Neuengamme zu räumen war, wurde der Transport mit der Bahn über Bremervörde nach Brillit zum Auffanglager Sandborstel geschickt. Ab Brillit marschierten die Häftlinge zu Fuß und erreichten das seit 1944 von der SS übernommenen Stalag XB in Sandborstel. Es sollte als KZ-Auffanglager dienen und hier wurden mehrere Baracken für die KZ-Häftlinge geräumt und von dem Kriegsgefangenenlager mit Stacheldraht abgetrennt. Bis zur Ankunft am 18. April in Sandborstel waren auf dem Transport fast 300 Häftlinge verstorben. Vom Neuengammer Außenlager „Alter Banter Weg“ in Wilhelmshaven kamen einige Tage später weitere KZ Häftlinge in dem Stalag XB Sandborstel an, die eine ähnliche Irrfahrt mit vielen Verlusten hinter sich hatten.

Weg der Neuengammer KZ-Häftlinge im April 1945

Über das Auffanglager Sandborstel nach Kiel

Die Zustände in Sandborstel waren katastrophal, am Schlimmsten im Bereich MARLAG, der für die KZ-Häftlinge bestimmt war. Am 19. April entstand im Lager eine Hungerrevolte, die von der SS brutal beendet wurde. Am 20. April, zu dieser Zeit befanden sich 7.400 KZ-Häftlinge aus Neuengamme in Sandborstel, marschierten 300–400 dieser KZ-Häftlinge unter SS-Bewachung von Sandborstel zum Bahnhof in Bremervörde. Hier wurden sie in Waggons verladen, um mit dem Zug in Richtung Stade zu fahren. Bei der Abfahrt erfolgte ein Tieffliegerangriff und tötete viele Häftlinge und einige SS Wachleute. Von Stade aus wurde nach Stader Sand in Richtung Elbe marschiert, wo die Häftlinge auf zwei Schleppkähne steigen mußten. Damit wurden sie zum auf der Reede liegenden Dampfer Olga Siemers gefahren und die meisten Häftlinge wurden in die Laderäume verfrachtet. Im Brückenbereich und an Deck lagen viele Kranke und Verletzte, die die Leitern in die Laderäume nicht runtersteigen konnten.

Es wurde der Anker gelichtet und durch den Nord-Ostsee-Kanal erreichten sie am 25. April Kiel. Der Kieler Hafen erlebte am Abend einen starken Bombenangriff. Bei der Weiterfahrt in Richtung Flensburg hielt sich der Frachter immer in Küstennähe und lief am 26. April auf eine Sandbank. Ohne Nahrung für die Häftlinge lag das Schiff weitere vier Tage fest, bis ein Schlepper kam und sie freischleppte. Am 30 April erreichten sie Flensburg. Dieser Transport hatte damit für die am 8. April losmarschierten Häftlinge rund 3 Wochen gedauert. Die am 5. April in Wilhelmshaven aufgebrochenen Häftlinge brauchten bis Flensburg 25 Tage.

Von der Olga Siemers auf die Rheinfels

In Flensburg war man über diesen Häftlingstransport nicht informiert, keine militärische und zivile Dienststelle fühlte sich zuständig und wußte wohin mit ihnen. Es waren zwei Typhus- und eine Pesterkrankung von Bord gemeldet worden, daher war das Schiff gesperrt. Am 1. Mai kamen zwei Marineärzte an Bord der Olga Siemers und nach der Freigabe verholte das Schiff auf die westliche Seite des Hafens und machte neben der Werft fest. Hier ließ man die Häftlinge in Bahnwaggons umsteigen, um sie nach Lübeck zu bringen. Auf dem Bahngleis im Stadtteil Flensburg-Weiche blieb der Zug jedoch vier bis fünf Tage unter Bewachung stehen. Am 2. und 4. Mai kamen noch weitere Zugtransporte mit Häftlingen aus Neuengamme in Flensburg-Weiche an.

Brief an den KZ-Kommandanten Pauli bezgl. der Übergabe des Lagers Sandborstel am 20. April 1945
Befreiung des Lagers von Sandborstel 1945

Inzwischen hatten die SS-Wachmannschaften unter Zurücklassung der Waffen das Weite gesucht und die Flensburger Polizei übernahm die Transporte mit den Häftlingen. Die verhungernden Häftlingen wurden notdürftig vom Roten Kreuz versorgt. Einige der gesunden Häftlinge nutzten die Gelegenheit zur Flucht. Am 2. Mai wurde dem seit einigen Tagen im Amt befindlichen Hafenkapitän, dem Korvettenkapitän Hans Joachim von Ramm, die Anwesenheit der Häftlinge gemeldet. Der ordnete an, sie auf der zur Reparatur im Hafen befindlichen Rheinfels unterzubringen. Der Kapitän Meybohm protestierte ohne Erfolg.

Am 4. Mai ging es für alle Neuengammer Häftlinge unter Polizeibewachung wieder zurück in den Hafen, sie stiegen auf Schlepper und Barkassen, die sie zu der inzwischen auf der Reede ankernden Rheinfels brachte. Außerdem wurde rund 300 Häftlinge aus dem KZ Stutthof mit ihrer SS-Bewachung auf die Rheinfels gebracht. Da kein Stroh zur Verfügung stand, lagen die Häftlinge auf den eisernen Decks. Aufgrund der schlechten Versorgung starben täglich 10 – 12 Häftlinge. Mit rund 1600 Häftlingen und 100 Mann SS-Wachpersonal teilweise vom Stutthof-Transport lief das Schiff aus, kam aber aufgrund einer Schraubenhavarie nicht weit. Vor Anker lagen sie auch noch am 8. Mai, als sie vom Waffenstillstand erfuhren.

Von der Rheinfels auf die Homberg

Am 7. Mai wurde der in Flensburg liegende Dampfer Homberg mit Treibstoff aus dem Tanker Frieda versorgt. Es wurden an Deck provisorischen Toiletten montiert und das Schiff wurde mit Proviant und Gulaschkanonen ausgerüstet. Das an Bord gebrachte Bettzeug wurde von dem Schichau-Dampfer Elbing VIII beschlagnahmt. Am 10. Mai wurden unter der Aufsicht der Alliierten von der Homberg rund 1200 Häftlinge von der Rheinfels übernommen und erreichten im Rahmen der Aktion Folke Bernadotte mit dem schwedischen Roten Kreuz Malmö am 11. Mai, wo ihre Irrfahrt ein gutes Ende nahm.

Hintergrund

Das Lager Sandborstel wurde im Februar 1926 für Strafgefangene geplant, 1932 durch den kirchlichen Freiwilligen Arbeitsdienst Deutschland (FAD) sowie den Arbeitsdienst Niedersachsen e.V. gebaut und 1933 von dem Reichsarbeitsdienst (RAD) übernommen. Im September 1939 wurde es in das Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager X Sandbostel bzw. ab Dezember 1939 Stalag X A umgewandelt, ab April 1940 in Stalag XB, um darin feindliche Soldaten einzusperren. Am 1. Oktober 1944 übernahm die SS unter der Leitung von Georg-Henning Graf von Bassewitz-Behr die Kontrolle über das Lager. Im April 1945 kamen je nach Quelle 8000–9.500 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Neuengamme und dessen Außenlagern nach Sandbostel und wurden in den mit Stacheldraht abgesperrten Lagerteil Marlag bei Hungerrationen und ohne ärztliche Versorgung primitiv untergebracht.

Literatur

  • Bernhard Strebel: Das KZ Ravensbrück; 2003, Ferdinand Schöningh, Paderborn
  • Katharina Hertz-Eichenrode (Hg.): Ein KZ wird geräumt; Edition Temmen; ISBN 3-86108-764-2
  • Mehrere Verfasser: Die Nordseewerke 1903-2003; Nordseewerke GmbH

Weblinks

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