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Bornplatzsynagoge

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Die Synagoge am Bornplatz aufgenommen von der Beneckestraße

Die Synagoge am Bornplatz im Hamburger Grindelviertel wurde 1906 eingeweiht. Sie diente der Deutsch-Israelitischen Gemeinde als Hauptsynagoge. In der Reichspogromnacht 1938 wurde die Synagoge verwüstet und 1939 abgerissen, nachdem das Grundstück an die Stadt verkauft werden musste. In unmittelbarer Nähe wurde 1911 das Gebäude der Talmud Tora Schule errichtet. Fünfzig Jahre nach der Zerstörung wurde der ehemalige Standort umgestaltet, seitdem erinnert ein Bodenmosaik an die Synagoge. Der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher unterstützt Pläne für einen Wiederaufbau.[1][2]

Der Bau

Das Zentrum des Jüdischen Lebens lag bis zum 19. Jahrhundert vor allem in der Neustadt. Dort unterhielt die Gemeinde zwei Synagogen in der Elbstraße und in der Straße Kohlhöfen.

Die Synagoge an den Kohlhöfen in Hamburg von 1859

Nach der Aufhebung der Torsperre 1861 zogen immer mehr Gemeindemitglieder aus den engen Gassen der Neustadt in die moderneren Wohnviertel außerhalb der Stadtbefestigung in Harvestehude, Rotherbaum und Eppendorf und vor allem am Grindel. Auch viele jüdische Einrichtungen fanden dort einen neuen Platz. In unmittelbarer Nähe des Bornplatzes befand sich die Neue Dammtor-Synagoge in der Beneckestraße (Westseite des heutigen Allende-Platzes). Sie war 1895 im maurisch-orientalischen Stil errichtet worden und bot etwa 500 Personen Platz. Der dort gehaltene Gottesdienst war weniger orthodox als in der späteren Bornplatzsynagoge.

Die Gemeinde erwarb 1902 einen Bauplatz für eine Synagoge von der Stadt Hamburg. Er lag am Bornplatz 8 (heute Allende- bzw. Joseph-Carlebach-Platz). Die Stadt behielt sich ein Rückkaufrecht vor für den Fall, dass das Grundstück nicht mehr für den bestimmten Zweck, den Bau einer Synagoge, benutzt würde.

Der Bau der freistehenden und repräsentativen Synagoge, die größte in Nordeuropa, wurde 1904 begonnen. Der Entwurf stammte von dem Architekten Semmy Engel und dem Regierungsbaumeister Ernst Friedheim. Ihre zwei ursprünglich getrennt eingereichten Pläne wurden zu einem vereinigt und der Bau beiden Baumeistern übertragen. Am 13. September 1906 konnte der Neubau seiner Bestimmung übergeben werden. Der damalige Oberrabbiner Markus Hirsch hielt eine Festpredigt.

Die Synagoge war im neoromanischen Stil errichtet und von einer braun eingedeckten Kuppel gekrönt. Mit einer Höhe von fast 40 Metern war sie weithin sichtbar. Auch die Fassade war braun verblendet mit Bauschmuck aus rotem Sandstein. Die Rundfenster waren farbig verglast. Der Haupteingang im Westen zum Grindelberg hin war über eine Terrasse zugänglich. Hinter dem Hauptbau lagen Nebengebäude mit einer Wochentagssynagoge, einer Mikwe und Verwaltungsräumen.

Die Synagoge bot 1200 Plätze, davon 500 für Frauen, die nach orthodoxer Tradition von den Männern getrennt auf einer Empore saßen. Eine weitere Empore war für einen Chor vorgesehen. Der Toraschrein, eine Stiftung der Familie Warburg, galt als Höhepunkt der Einrichtung. Er bestand aus schwarzem, weißem und rotem Marmor mit Zierrat aus goldfarbener Bronze.

Die Bornplatzsynagoge war die erste freistehende Hamburger Synagoge an exponierter Stelle. Die alte Kohlhöfensynagoge hatte zwar eine sichtbare Fassade, lag aber von der Straßenfront abgerückt. Die Neue Dammtor-Synagoge war hinter einer Vorderbebauung verborgen. Der neoromanische Stil der neuen Synagoge, der auch im Kirchenbau sehr beliebt war, wurde von der Gemeinde bewusst gewählt als „Zeichen für die vermeintlich erreichte Gleichberechtigung“.[3]

Geschichte

Die Talmud-Tora-Schule von 1911

Die Synagoge war in der folgenden Zeit die Hauptsynagoge des orthodoxen Synagogenverbandes. Daneben bestanden der reformorientierte Israelitische Tempel Poolstraße, die konservative Neue Dammtor-Synagoge und eine Anzahl kleinerer Synagogen.

Die traditionsreiche Talmud-Tora-Schule erhielt 1911 ein neues Gebäude im direkten Anschluss an den Synagogenplatz am Grindelhof. Der Bau wurde zwar nicht im Stil, aber in der Farbgebung auf die Synagoge abgestimmt.

Seit 1930 kam es im Grindelviertel zu antisemitischen Vorfällen. Besucher jüdischer Veranstaltungen wurden überfallen und belästigt und Gräber auf dem Grindelfriedhof (An der Verbindungsbahn/Rentzelstraße) wurden beschädigt. Die Gemeinde forderte, besonders zu den hohen Feiertagen, diskret Polizeischutz an und die Gottesdienstbesucher wurden durch Aushang aufgefordert, sich nicht vor der Synagoge zu versammeln.

Ein Höhepunkt im Leben der Gemeinde war 1936 die Amtseinführung des Oberrabbiners Joseph Carlebach, an der über 2000 Menschen teilnahmen, darunter 200 Ehrengäste.

Während des Novemberpogroms am 10. November 1938 wurde die Synagoge geschändet und die Inneneinrichtung zerstört. Zwei Tage später wurde im Inneren Feuer gelegt. Der genaue Ablauf der Ereignisse lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Eine Augenzeugin berichtete unter anderem über die Schändung von Torarollen.[4] Das Gebäude wurde aber während des Pogroms nicht vollständig zerstört.

1939 wurde die Gemeinde mit Verweis auf den Kaufvertrag gezwungen, das Grundstück zu einem geringen Preis an die Stadt zurückzugeben und die Kosten für den Abriss der beschädigten Gebäude zu tragen. Am 14. Juli 1939 meldete das Hamburger Tageblatt den Abbruch der Synagoge: „Wo heute noch ein paar traurigen Trümmer stehen, wird bald ein freundlicher Grünplatz allen Volksgenossen Freude machen.“[5] Bis Mitte 1940 wurden alle Gebäudereste abgerissen. Später wurde auf dem Gelände ein bis heute erhaltener Hochbunker gebaut.

Die Gemeinde konnte noch eine Zeit lang die Neue Dammtor-Synagoge nutzen, die nach der Beschädigung in der Reichspogromnacht mit privaten Mitteln wieder für den Gottesdienst hergerichtet werden konnte. Sie wurde 1943 durch Bombeneinwirkung völlig zerstört. Joseph Carlebach wurde wie viele seine Gemeindemitglieder deportiert und ermordet.

Im November 2019 entstand in Hamburg eine öffentliche Debatte über den möglichen Wiederaufbau der Synagoge. Sie wurde durch ein Interview des Hamburger Abendblatts mit dem Landesrabbiner Shlomo Bistritzky ausgelöst.[6] Für den Vorschlag, die Synagoge neu aufzubauen, gab es binnen kurzer Zeit breite gesellschaftliche Zustimmung.[7] Es gibt auch ablehnende Stimmen.[8] Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages stellte in seiner "Bereinigungssitzung" in der Nacht vom 14. zum 15. November 600.000 Euro für die Finanzierung einer Machbarkeitsstudie bereit.[9][10]

Auch die Hamburgische Bürgerschaft hat sich auf ihrer Sitzung am 12. Februar 2020 einstimmig für einen Wiederaufbau ausgesprochen. Hierzu sollen in einer Machbarkeitsstudie zunächst verschiedene Varianten geprüft werden.[11]

Die Neugestaltung des Platzes

Der ehemalige Platz der Synagoge heißt heute Joseph-Carlebach-Platz
Monument zur Erinnerung an die Bornplatzsynagoge. Links im Hintergrund der ehemalige Hochbunker

An die ehemalige Synagoge erinnerte zunächst nur eine Gedenktafel an der Ostwand des Hochbunkers. Der ehemalige Standort der Synagoge diente der Universität als Parkplatz. Das erhaltene Gebäude der Talmud Tora Schule befand sich im Besitz der Stadt und wurde vom Fachbereich Bibliothekswesen der Fachhochschule Hamburg genutzt.

Zum fünfzigsten Jahrestag der Zerstörung der Synagoge wurde der Platz neu gestaltet. Die Planung begann 1986. Der erste Künstlerentwurf sah den hebräischen Schriftzug „Awoda“ vor. Das Wort bedeutet den Tempel- und Synagogengottesdienst. Der Entwurf wurde jedoch verworfen, da er nicht verständlich genug erschien. Der zweite, umgesetzte Entwurf der Künstlerin Margrit Kahl bildet den Grundriss und das Deckengewölbe der Synagoge auf dem Boden ab. Ort und Größe des Baus sind durch dunkles Mosaikpflaster dargestellt, die Linien des Deckengewölbes sind durch polierte schwarze Granitsteine hervorgehoben. Der Platz ist nur für Fußgänger begehbar und das Umfeld mit Bäumen und Sitzbänken gestaltet. Eine Schautafel weist auf seine Bedeutung hin. An der dem Synagogenmonument zugewandten Seite des ehemaligen Bunkers befindet sich eine Gedenktafel mit der Inschrift: „Möge die Zukunft die Nachfahren vor Unrecht bewahren“.

Der östliche Teil des ehemaligen Bornplatzes ist seit 1989 nach Joseph Carlebach benannt. 2004 wurde auf Bestreben der Bürgerinitiative Grindelhof hin eine weitere Tafel eingeweiht, diese informiert über die Geschichte der Synagoge und des Gedenkortes.

Das Gebäude der Talmud Tora Schule wurde 2004 an die jüdische Gemeinde zurückgegeben. Es beherbergt seit einem Umbau wieder eine jüdische Grundschule sowie ein Gemeindezentrum. Im Januar 2020 gab der Hamburger Senat bekannt, das Erbbaurecht für ein angrenzendes Grundstück für 60 Jahre an die Gemeinde pachtfrei zu übertragen, um dem Wachstum der Gemeinde Rechnung zu tragen.[12]

Siehe auch → Zentrum jüdischen Lebens

Einzelnachweise

  1. Tschentscher erwägt Wiederaufbau der von den Nazis zerstörten Synagoge
  2. Breite Unterstützung für Synagogen-Neubau
  3. Sakia Rohde: Synagogen im Hamburger Raum 1680-1943 S. 158
  4. Pritzlaff: Synagogen im Grindelviertel S. 25
  5. Hamburger Tageblatt 11, Nr. 192 14. Juli 1939, zitiert nach Ursula Randt: Die Talmud Tora Schule 1805 bis 1942 München, Hamburg 2005. S. 162.
  6. Edgar S. Hasse: Rabbi: "Lasst uns die Synagoge am Bornplatz wieder aufbauen". 28. Oktober 2019, abgerufen am 18. November 2019 (deutsch).
  7. Artikel im Hamburger Abendblatt zum Thema "Wiederaufbau Synagoge Bornplatz" - IGDJ-English. Abgerufen am 18. November 2019.
  8. Ein Zeichen allein reicht nicht allen
  9. Edgar S. Hasse: Neue Synagoge im Grindel: Berlin bewilligt 600.000 Euro. 15. November 2019, abgerufen am 18. November 2019 (deutsch).
  10. Annika Lasarzik: Judentum : "Wir müssen die Mahnmale der Zerstörung wieder mit Leben füllen". In: Die Zeit. Hamburg 2019-11-22, ISSN 0044-2070 (https://www.zeit.de/hamburg/2019-11/judentum-antisemitismus-synagoge-hamburg-wiederaufbau-sicherheit).
  11. NDR: Synagoge: Bürgerschaft einstimmig für Wiederaufbau. Abgerufen am 13. Februar 2020.
  12. NDR: Senat überlässt jüdischer Gemeinde Grundstück. Abgerufen am 23. Januar 2020.

Literatur

  • Christine Pritzlaff: Synagogen im Grindelviertel und ihre Zerstörung, in: Ursula Wamser / Winfried Weinke (Hrsg.): Ehemals in Hamburg zu Hause: Jüdisches Leben am Grindel, Hamburg VSA-Verlag 1991. ISBN 3-87975-526-4
  • Irmgard Stein: Jüdische Baudenkmäler in Hamburg. Hamburg Hans Christians Verlag 1984. ISBN 3-7672-0839-3
  • Das Jüdische Hamburg: Ein historisches Nachschlagewerk, hrsg. vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden. Göttingen, Wallstein, 2006. ISBN 978-3-8353-0004-0
  • Saskia Rohde: Synagogen im Hamburger Raum 1680-1943 in: Arno Herzig (Hg.): Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990, Hamburg 1991, S. 143–169.

Weblinks

 Commons: Bornplatzsynagoge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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