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Karl von Vogelsang

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Dieser Artikel beschreibt den österreichischen Politiker Karl von Vogelsang. Für den deutschen Maler siehe Karl Vogelsang
Karl von Vogelsang

Karl Freiherr von Vogelsang, vollständig Hermann Ludolph Carl Emil von Vogelsang (* 3. September 1818 in Liegnitz (heute Legnica, Polen), Schlesien; † 8. November 1890 in Wien) war ein katholischer Publizist, Politiker und Sozialreformer. Er war einer der Wegbereiter der Arbeiterbewegung in Österreich.

Leben und Werk

Karl wurde als Sohn von Karl von Vogelsang und Ida, geb. von der Lühe geboren. Er studierte in Bonn, Rostock[1] und Berlin Rechts- und Staatswissenschaften. In Bonn war er Mitglied des Corps Borussia, in Rostock des Corps Vandalia. Nach Beendigung seiner Studien trat er in den preußischen Justizdienst ein. Er war mit Franz Chassot von Florencourt, Herausgeber des in Rostock erscheinenden „Norddeutschen Correspondenten“, befreundet. Nach der Märzrevolution 1848 erbte er das Gut Alt-Guthendorf nahe Rostock, Mecklenburg, das er nun bewirtschaftete; er wurde dort zum ritterschaftlichen Amtsdeputierten in die mecklenburgische Ständevertretung gewählt.

Er lernte in Berlin den Dompropst der Sankt-Hedwigs-Kathedrale und späteren Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler kennen. Diese Bekanntschaft bestärkte 1850 ihn und einen Freundeskreis (Franz Chassot von Florencourt, Friedrich Maassen, Emil von Bülow) zur Konversion vom protestantischen zum katholischen Glauben. Iwan von Glöden war schon einige Monate vorher katholisch geworden. Vogelsang musste deshalb aus dem mecklenburgischen Landtag ausscheiden. Er beschäftigte sich nun als Publizist mit aktuellen religiösen Fragen und dem Problem einer gerechten sozialen Gesellschaft.

1852 heiratete er Bertha Sophie von der Linde, mit der er elf (einschließlich der früh verstorbenen 13) Kinder hatte. Nach Aufenthalten in Köln, Sigmaringen und Fußberg bei München, wo er Kontakt mit dem „Eoskreis“ um Guido Görres, den Sohn des berühmten Joseph Görres, hatte und wo seine Familie noch länger wohnte, begleitete er ab 1859 beruflich den jungen Fürsten Johannes II. von und zu Liechtenstein auf Reisen durch Europa, wodurch er mit bedeutenden Persönlichkeiten in Kontakt treten konnte. Zum Dank wurde ihm 1860 der Freiherrntitel verliehen.

Gedenktafel am Magdalenenhof

1864 kam Vogelsang nach Österreich und lebte bis zu seinem Tod im Jagdschloss Magdalenenhof am Bisamberg. Er widmete sich seiner schriftstellerischer Tätigkeit und veröffentlichte u. a. Artikel in den „Historisch-politischen Blättern“ (München) und arbeitete länger bei „Katholik“ und „Recht“ in Pressburg mit. 1875 wurde er leitender Redakteur der Wiener katholisch-konservativen Zeitung „Das Vaterland“, die die Auswirkungen der Französischen Revolution bekämpfte. Dass „konservativ“ für ihn so viel wie „lebensfördernd“ bedeutete, wird deutlich, wenn er sagt: „Nur was lebendig voranschreitet, kann conservativ sein.“ (Vaterland, 20. November 1887). Die Blattlinie 1878 gründete er die „Österreichische Monatsschrift für Gesellschaftswissenschaft und Volkswirtschaft“, die sich später „Monatsschrift für christliche Sozialreform“ nannte.

Durch diese Artikel und vor allem durch seine Schrift „Die materielle Lage des Arbeiterstandes in Österreich“ löste Vogelsang eine christlich-soziale Volks- und Reformbewegung mit der Forderung nach sozialen Reformen aus, welche dazu führte, dass unter der Regierung von Eduard Graf Taaffe gegen den Widerstand der liberalen Partei eine Reihe von Sozialgesetzen beschlossen wurde: Arbeitszeitbegrenzung, Sonntagsruhe, Unfall- und Krankenversicherung und Genossenschaftsgesetz. Diese galten teilweise für vorbildlich in Europa und bildeten die Grundlage der österreichischen Sozialgesetzgebung. Sogar ein (beinahe) allgemeines Wahlrecht wäre geplant gewesen, wurde aber von der radikalen Nationalpartei verhindert.

Vogelsang organisierte ab 1888/1889 in Wien einen Diskussionskreis für Sozialreformer, bekannt geworden als die „Enten-Abende“ (Studienrunde katholischer Sozialreformer), und koordinierte die internationale Kooperation der Sozialreformer bei einer Tagung in Haid.[2] Vogelsang gilt als der geistige Begründer der „Christlichsozialen Bewegung“, aus der 1893 die Christlichsoziale Partei hervorging. Seine Ideen beeinflussten Karl Lueger († 1910), Franz Martin Schindler († 1922) und Prinz Aloys von Liechtenstein († 1920). Scheinbar paradoxerweise vertrat er gewisse Ideen des Marxismus, wie die Ablehnung von freiem Kapital und Freihandel. Durch seine bedeutende Tätigkeit in der "Union de Fribourg" regte er auch die Enzyklika Rerum novarum an, welche 1891, ein Jahr nach seinem Tod, von Papst Leo XIII. herausgegeben wurde.

Vogelsang sah die zunehmende wirtschaftliche Globalisierung im 19. Jahrhundert kritisch, da sie seiner Ansicht nach die „natürliche Ordnung“ zerstöre und eine der Ursachen für diese tiefgreifenden Umwälzungen, die vom Liberalismus getragen wurden, das Judentum sei. Vogelsangs war der Überzeugung, dass die sozialen Probleme der Industrialisierung und der starke Bevölkerungszuwachs in den Städten durch eine „naturgegebene“ Ordnung gelöst werden könnten.[3] Diese Ordnung war durch ständestaatlich-mittelalterliche Elemente geprägt, der spätere Versuch der Umsetzung dieser Ansicht scheiterte im austrofaschistischen Ständestaat.

Vogelsang und der Antisemitismus

Als Herausgeber der Monatszeitschrift Österreichische Monatsschrift für Gesellschaftswissenschaften begann sich eine anti-liberale und antisemitische Gruppe um ihn zu bilden, der sich unter anderem auch der spätere Wiener Bürgermeister Karl Lueger anschloss. Vogelsangs Ablehnung des Kapitalismus offenbarte sich in Polemiken gegen die „Reformjuden“, die er für ebenjenen Kapitalismus verantwortlich machte:

„Das wahrhaft christliche Volk wird die Juden in sich aufnehmen und absorbieren können, ohne zu verJuden; das vom Christentum in Glauben, Recht und Sitte Abgefallene aber muß rettungslos unter dem kaudinischen Joch der Knechtschaft hindurchkriechen, es wird von den Juden ausgeplündert, beherrscht, zum Paria gemacht.“

Karl von Vogelsang: [3]

Die irrationalen Ansichten Vogelsangs stützten sich auf die Vorstellung, dass Wirtschaft und Presse von einem koordinierten und nicht-religiösen „Weltjudentum“ kontrolliert wurden und auch die „christlichen“ Wirtschaftstreibenden beeinflussten:

„Wenn durch irgendein Wunder an irgendeinem gesegneten Tage alle unsere 1,400.000 Juden uns entzogen würden, es wäre wenig geholfen; denn uns selbst hat der Judengeist angesteckt.“

Karl von Vogelsang: Tageszeitung Das Vaterland, 10. Oktober 1875

Die Wirtschaftskrise in Österreich, die durch den Gründerkrach 1873 ausgelöst wurde, könne nur durch eine Rückkehr zum christlichen Glauben aufgehalten bzw. gelöst werden. Für durch Krisen und massive soziale Gegensätze entstehenden Probleme der arbeitenden Bevölkerung, der Vogelsang sympathisch gegenüberstand, machte er alleinig die „jüdischen Fabrikaten“ verantwortlich, so etwa anlässlich eines Streiks der Brünner Textilarbeiter 1875. Er reduzierte seinen politischen Antisemitismus auf die Formel „Antisemitismus ist eigentlich Anticapitalismus“, die zuerst die Zwischenstufe des „vulgären Antisemitismus“ durchleben müsse.[3]

Die Auswirkungen von Vogelsangs antisemitischer Agitation machten sich spätestens bei der Gemeinderatswahl in Wien 1886 bemerkbar, als einige Kandidaten mit einer ähnlich gefärbten Instrumentalisierung des Antisemitismus erfolgreich waren. Zur selben Zeit näherte sich Vogelsang politisch auch immer mehr Karl Lueger, der zu diesem Zeitpunkt noch relativ unreligiös war. Nach Vogelsangs Tod 1890 wurde in der Neuen Freien Presse drauf hingewiesen, dass „er auch mit der antisemitischen Bewegung in Fühlung trat, um sie dem Clericalismus dienstbar zu machen. Als er im December 1888 seinen 70. Geburtstag feierte, gab es Ovationen von der gesamten antiliberalen Liga“.[3]

Nachwirken

Im Jahr 1901 wurde in Wien-Margareten (5. Bezirk) die Heinegasse in Vogelsanggasse nach ihm umbenannt.[3]

Die österreichische Post gab 1990 eine Sondermarke zu seinem 100. Todestag heraus.

Das „Karl-von-Vogelsang-Institut zur Erforschung der Geschichte der Christlichen Demokratie in Österreich“ mit Sitz in Wien gab 1983 bis 1996 eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift Christliche Demokratie heraus und publizierte Arbeiten über die Geschichte der christlichen Demokratie in Österreich. Seit 1997 erscheint ein Jahrbuch mit dem Titel Demokratie und Geschichte.

„Der Karl-von-Vogelsang-Staatspreis“ ist ein Österreichischer Staatspreis für Geschichte der Gesellschaftswissenschaften. Er wird alle zwei Jahre durch den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung verliehen.

Schriften

  • Die Bauernbewegung in den österreichischen Alpenländern. 1881
  • Die Konkurrenzfähigkeit in der Industrie. 1883
  • Die materielle Lage des Arbeiterstandes in Österreich. 3 Teile. 1883–84
  • Zins und Wucher. 1884
  • Österr. Monatsschrift für Gesellschaftswissenschaft, für volkswirtschaftliche und verwandte Fragen; später unter dem Namen: Österr. Monatsschrift für christl. Sozialreform, für Gesellschaftswissenschaft, volkswirtschaftliche und verwandte Fragen. Hrsg. und Autor zahlreicher Beiträge. 1878–1890.

Seine Ideen schrieb er vor allem in Artikeln der Tagespresse und in Zeitschriften nieder. Teile davon finden sich in:

  • Gesammelte Aufsätze über socialpolitische und verwandte Themata. Huttler, Augsburg 1886

Literatur

  • Johann Christoph Allmayer-Beck: Vogelsang. Vom Feudalismus zur Volksbewegung. Herold, Wien 1952.
  • Erwin Bader: Karl v. Vogelsang. Die geistige Grundlegung der christlichen Sozialreform. Herder, Wien 1990.
  • Maximilian Aichern, Erwin Bader, Ernst Bruckmüller u. a.: Karl Freiherr von Vogelsang. Christliche Demokratie. Schriften des Karl von Vogelsang Instituts, 1991/92, 2.
  • Ernst Joseph Görlich: Karl von Vogelsang. Ein Mann kämpft für die soziale Gerechtigkeit. Veritas, Wien u. a. 1968.
  • Wiard von Klopp (Hrsg.): Die sozialen Lehren des Freiherrn Karl von Vogelsang. Grundzüge einer christlichen Gesellschafts- und Volkswirtschaftslehre nach Vogelsangs Schriften. Reinhold, Wien u. a. 1938.
  • Anton Orel: Vogelsangs Leben und Lehren. Seine Gesellschafts- und Wirtschaftslehre. 3. Aufl. Gesellschaft zur Förderung wissensch. Forschung, Wien 1957.
  • Gerhard Silberbauer: Österreichs Katholiken und die Arbeiterfrage. Styria, Graz u. a. 1966.
  • W., K.: Vogelsang, Karl Freiherr von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 40, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 156.
  • Gerhard Seewann: Vogelsang, Karl. In: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Abgerufen am 5. Juni 2017.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wintersemester 1843/44, Eintrag im Rostocker Matrikelportal
  2. Vgl. den Abdruck der „Haider Thesen“. In: Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914. II. Abteilung: Von der Kaiserlichen Sozialbotschaft bis zu den Februarerlassen Wilhelms II. (1881-1890), 1. Band: Grundfragen der Sozialpolitik. Die Diskussion der Arbeiterfrage auf Regierungsseite und in der Öffentlichkeit. Bearbeitet von Wolfgang Ayaß, Florian Tennstedt und Heidi Winter, Darmstadt 2003, Nr. 38.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“ (PDF; 4,4 MB), S. 188ff, Forschungsprojektendbericht, Wien, Juli 2013
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