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KZ Lieberose

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Das Konzentrationslager Lieberose bei dem gleichnamigen Ort im Amt Lieberose/Oberspreewald im Dorf Jamlitz war ein in den 1930er Jahren errichtetes KZ-Nebenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Es lag im heute brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald ca. 30 km nördlich von Cottbus in der Niederlausitz. Andere Namen: Liro, Abkürzung durch die Nazis; Arbeitslager Lieberose. Es wurde errichtet, um die Arbeitskraft der Gefangenen auszubeuten, indem sie umfangreiche Militäreinrichtungen bauen mussten. Das SS-Führungshauptamt ließ diese Häftlinge Kasernen, Straßen und militärische Anlagen für den Waffen-SS-Truppenübungsplatz Kurmark errichten. Der Truppenübungsplatz umfasste eine Fläche von 38.854 Hektar. Zu seiner Errichtung wurden 17 Dörfer zwangsumgesiedelt.

Das Konzentrationslager wurde im Laufe des Jahres 1944 zum größten Konzentrationslager von als Juden verfolgten Häftlingen im Gebiet des Deutschen Reichs (Abgesehen von dem 1939 von Polen annektierten Ort Oświęcim mit den Auschwitz-Lagern). Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau diente in dieser Schlussphase der faschistischen Herrschaft einerseits dem Lieberoser Lager als Arbeitskräfte-Reservoir und andererseits wurde es zur Vernichtung der nicht mehr arbeitsfähigen KZ-Häftlinge benutzt, die nach Selektionen oder Erkrankungen monatlich in Sammeltransporten dorthin gebracht wurden.

Von schätzungsweise 6000 bis 10.000 als Juden verfolgten Häftlingen aus 12 europäischen Ländern, vor allem aus Polen und Ungarn, überlebten weniger als 400 ehemalige Gefangene.

Denkmal von 1973

Haftbedingungen

Ab Juni 1944 erreichten monatlich Transporte mit jüdischen Häftlingen aus dem KZ Auschwitz-Birkenau direkt oder über Sachsenhausen das "Arbeitslager Lieberose" in Jamlitz. Hinzu kamen immer wieder kleinere nichtjüdische Häftlingsgruppen aus Sachsenhausen. Die höchste so genannte Belegung erreichte das KZ mit etwa 4350 Häftlingen in 18 KZ-Baracken im Spätherbst 1944. [1]

Innnerhalb der Umzäunung befanden sich nach der Abbildung auf den Gedenksteinen 26 Baracken; außerhalb drei.

Arbeitskommandos

Größtes Arbeitskommando war das Kommando »Unterkünfte Ullersdorf«, wo etwa 1000 Häftlinge einen Kasernenkomplex aus Baracken und festen Gebäuden zu errichten hatten. Auf dem SS-Bauhof zwischen Bahnhof und Häftlingslager waren ca. 500 Häftlinge in Magazinen, Büros, Werkstätten, Lagern und Handwerkertrupps eingesetzt. Berüchtigt war das Kommando »Gleisbau Reckmann« einer privaten Cottbuser Firma, die zugleich im Frühjahr 1944 das Gleis Nr. 3 an der Rampe im Vernichtungslager A-Birkenau verlegt hatte und um Jamlitz Straßen- und Gleisbau für die Waffen-SS betrieb. Es bestanden auch Kommandos »Holzfäller«, »Sägewerk«, »Bahnhof«, »Straßen- und Bunkerbau«.

Die politischen Häftlinge Otto Kriesche, ein sudetendeutscher Redakteur, und Herbert Simon aus Bremen waren zeitweise Lagerältester bzw. Arbeitseinsatzschreiber.[2]

Opferzahlen

Nach Öffnung der Sowjetarchive in Moskau wurden verlässliche Zahlen zum KZ gefunden. Name, Herkunft, Beruf, Geburtstag wurde damals von der deutschen KZ-Bürokratie penibel notiert. Demnach waren die meisten Häftlinge ungarische, aber auch polnische und deutsche Juden, daneben auch sowjetische Kriegsgefangene. Aus halb Europa wurden sie hierher deportiert. Bis zu 10.000 Häftlinge gingen durch das Lager.

Jeden Tag starben rund 30 KZ-Insassen an Krankheitsfolgen und Unterernährung. Das Konzentrationslager war faktisch ein Ort der Vernichtung durch Arbeit. Insgesamt 4000 erschöpfte Häftlinge sind ab Sommer 1944 zur Vernichtung ins KZ Auschwitz-Birkenau gebracht worden.[3]

Führungsstruktur der Täter

Todesmarsch

Einer der wegen der Opferzahlen berüchtigten Todesmärsche von KZ-Häftlingen ging im Februar 1945 von hier in Richtung Oranienburg (KZ Sachsenhausen). Acht Tage hat er gedauert. Der Marsch wurde durch Goyatz, Kuschkow, Teupitz, Zossen, Ludwigsfelde, Potsdam und Falkensee geleitet, wo unterwegs entweder auf freiem Feld, in Scheunen, Ställen oder in verlassenen Lagern und Kasernengebäuden übernachtet wurde.

Genau 1342 Kranke und Nicht-Transportfähige waren von der SS vor Ort zurückgelassen worden. Von ihnen hat vermutlich keiner überlebt. Es waren meist ungarische Juden, die zwischen dem 2. und 4. Februar 1945 von der Wachmannschaft der SS ermordet wurden. Die Leichen wurden zur Kiesgrube Staakow gebracht. Das jüdische Leichenkommando warf die getöteten Mitgefangenen über den Kiesgrubenrand, verschüttete sie und wurde anschließend ebenfalls ermordet.[6]

Die Kolonne der Weggebrachten erreichte am 9. Februar das KZ Sachsenhausen, wo in den nächsten Tagen etwa 400 jüdische Häftlinge auf dem Industriehof getötet wurden. Im Laufe des Februar "evakuierte" die SS erneut die meisten der ca. 1000 bis dahin noch lebenden jüdischen Häftlinge vom KZ Lieberose ins KZ Mauthausen.

Gedenken

Ein Lagerstein von 1944 markiert den früheren KZ-Lagereingang unmittelbar an der Straße, des heute mit Wohnbebauung übersiedelten Gebiets.[7]

Urnengrab

Als 1971 ein Massengrab mit Gebeinen von 577 Personen dort wahrscheinlich Ermordeter bei Staakow entdeckt wurde, wurde einige Kilometer entfernt in der Stadt Lieberose 1982 ein Museum errichtet. Die Überreste der Toten wurden in einem Urnengrab ebenfalls in Lieberose beigesetzt, wo es seit 1973 eine Gedenkstätte gibt.[8]

Museum, Gedenkstätte beim Friedhof Lieberose

In Jamlitz wurden die letzten Zeitzeugnisse beseitigt (Lagerstein, Torpfeiler). Von 1973 bis zum Ende der DDR 1990 erinnerte in Jamlitz nichts an dieses Lager. Anfang der 70er Jahre entstanden durch die Arbeit einer Schülerarbeitsgemeinschaft an der Lieberoser Schule mit ihrem Lehrer Roland Richter eine größere Materialsammlung und erste Kontakte zu Überlebenden des Lagers.

Nördlich von Lieberose, im Winkel der Straßen 168 und 320, befindet sich das 1973 eingeweihte Mahnmahl für das von 1943 bis 1945 dort bestehende Nebenlager.

Seit 2003 erinnern Gedenksteine und Stelen auf dem ehemaligen KZ-Gelände an die Opfer, die bereits gefunden wurden.

Wenn man die bereits gefundenen Leichen berücksichtigt, ergibt sich, dass vor Ort noch immer über 700 meist jüdische Tote in Lieberose-Jamlitz verscharrt sind. Aufgrund der Besitzverhältnisse wurde ein möglicher Grabort bisher nicht untersucht. Es handelt sich dabei vermutlich um das größte bisher nicht gefundene Massengrab der Shoa auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.[9]

Nachkriegszeit

Auf dem gleichen Gelände befand sich zwischen 1945 und 1947 das sowjetische Speziallager Nr. 6 (auch Speziallager Jamlitz) mit 7600 bis 10300 Häftlingen, die als Funktionsträger des NS-Regimes oder entsprechend verdächtigte Personen inhaftiert worden waren.

Eine knappe Darstellung der Aufarbeitungsgeschichte des Konzentrationslagers durch das DDR-Organ MfS über die Nachkriegsjahrzehnte findet sich bei der Zeitschrift HORCH UND GUCK des Bürgerkomitees 15. Januar.[10] Dort wird auf die Problematik hingewiesen, dass ein KZ-Standort auch Ort eines NKWD-Internierungslagers in Deutschland geworden war. Die KZ-Häftlinge wurden immer wieder als "politische" Häftlinge (und eben nicht als rassistisch Verfolgte) dargestellt.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. 9 Bände, C. H. Beck, München 2005–2009, ISBN 3-406-52960-7 — Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, Flossenbürg. München 2006.
  • Thomas Klatt: „Gericht soll Suche nach Opfern aus Nazi-KZ erlauben- Lieberose in der Lausitz bleibt ein Ort mit einer Vergangenheit, die auch einiges über die Gegenwart berichtet“, in Neues Deutschland vom 1. Feb. 2008.
  • Unzugängliches Schoa-Massengrab — Vermutetes Massengrab in Lieberose kann aufgrund der Rechtslage nicht gesichtet werden.“, in Jüdische Zeitung vom März 2008.
  • Cornelia Geißler, Anne Hunger: „Das KZ Lieberose: Bedeutendster Ort der Shoah in Brandenburg“, in Ravensbrück-Blätter, 27. Jahrgang, Nr.106, März 2001.
  • Kappner, Cordula: Von Burgpreppach über Auschwitz in das Konzentrationslager Sachsenhausen : der Weg des Kindes Gerhard Eckmann ; eine Spurensuche. Cordula Kappner, Haßfurt, 2001.
  • Gedenkstättenverein Lieberose: LIRO : KZ-Nebenlager Lieberose. Lieberose, Gedenkstättenverein Lieberose.
  • Andreas Weigelt: „‚Die Juden sollen zittern!‘ : zur Geschichte des jüdischen ‚Arbeitslagers Lieberose‘ 1943-1945 in Jamlitz, einem Außenlager des KZ-Sachsenhausen sowie zur gleichnamigen Wanderausstellung“, in: Gedenkstätten-Rundbrief ; (1998) 82, S. 14-20.

Einzelnachweise

  1. A. Weigelt in Gedenkstättenrundbrief 82
  2. A. Weigelt in Gedenkstättenrundbrief 82
  3. A. Weigelt in Gedenkstättenrundbrief 82
  4. A. Weigelt in Gedenkstättenrundbrief 82: Das WVHA stellte die Lager-SS und mit der »Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei ›Kurmark‹ Lieberose« das technische Personal für die Bauvorhaben. Der größte Teil der Häftlinge kam nicht aus dem KZ Sachsenhausen, sondern aus KZ Groß-Rosen und ab Juni 1944 aus Auschwitz nach Jamlitz.
  5. für alle vier Genannten a.a.O.
  6. Vergleiche das Verfahren gegen Erich Schemel. Zusammengefasst bei Weigelt a.a.O.
  7. 1949 wurde bei Aufräumarbeiten auf dem Lagergelände der von einem ungarischen jüdischen Häftling behauene und als »Lagerstein« bezeichnete Findling mit der Aufschrift »Arbeitslager Lieberose 1944« entdeckt und 1956 auf Veranlassung des Bürgermeisters Werner Mocho etwa am ehemaligen Lagereingang als »Mahnmal« wieder aufgerichtet. Er diente fortan als einzige Stätte für Kranzniederlegungen und Gedenkveranstaltungen, 1965 auf Ministerebene. (Der Stein wurde im September 1971 – wenige Tage vor Grundsteinlegung des Lieberoser Mahnmals – auf Anordnung des Rates des Bezirkes Frankfurt/Oder entfernt und auf die Burg Beeskow geschafft. Er kehrte erst 1990 auf Betreiben von Jamlitzer Einwohnern zurück.) Weigelt a.a.O.
  8. Der Ort liegt nur wenig östlich von Jamlitz und gehört zu Schenkendöbern (Ortsteile in der Nähe sind Pinnow / Pynow und Staakow am Rande der Reicherskreuzer Heide). Allerdings wurde das Zahngold der Verstorbenen nicht mit ihrer Asche bestattet. Jüdische Bestattungsriten wurden nicht beachtet. Vgl. Weigelt, 2006
  9. Suche nach KZ-Massengrab endet erfolglos. MoPo, 13. Mai 2009
  10. Autor Andreas Weigelt; Ausgabe 54, S. 34ff. Stichworte darin sind: … begann 1945. Der als Monteur einer Cottbuser Elektrofirma zum Mordzeugen gewordene Kommunist Otto Maaß hatte im Sommer 1945 für das NKWD einen Bericht über den Massenmord und die Täter verfaßt.4 Maaß wurde jedoch kurz darauf vom NKWD verhaftet, ohne Beweise des Mordes an den Häftlingen beschuldigt, im Speziallager Jamlitz interniert, jedoch 1950 als zu Unrecht verhaftet aus Buchenwald entlassen.5 … 1968 war der SED-Chronist Richard Schulz aus Beeskow von der Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei der Bezirksleitung Frankfurt (Oder) der SED beauftragt worden, u.a. den antifaschistischen Widerstand im Bezirk zu erforschen, und stieß bald auf das Lager.13 … Eine erste MfS-Information über »vermutliche Massengräber sowjetischer Bürger« leitete im Januar 1971 Untersuchungen der Abteilung IX/11 ein. Bemerkenswerterweise wurden die Opfer als »sowjetische Bürger« bezeichnet, obwohl davon bisher keine Rede war. … Zwischen dem 5. und 18. Mai 1971 exhumierte das Institut für gerichtliche Medizin Dresden die 577 Gebeine. … Der Stein verschwand am 10. September 1971, zwei Tage vor Grundsteinlegung für das Lieberoser Mahnmal.30 Bis 1995 erinnerte in Jamlitz nichts an das zweitgrößte Außenlager des KZ Sachsenhausen. Der Stein lag Jahrzehnte zwischen Müllfahrzeugen auf der Burg Beeskow. … forderte das Antifa-Komitee im März 1973 das Gegenteil, nämlich »die zwei Torpfeiler des ehemaligen Lagertores zu beseitigen«.39 Sie sind bald darauf mit einem Traktor »beseitigt« worden. … Der beileibe nicht einfache Umgang mit der Doppelgeschichte eines KZ-Geländes, wie sie auch in Sachsenhausen und Buchenwald gegeben war, hat offenbar in Jamlitz schon 1971 begonnen. Bis dahin war relativ ungestört von politischen Erwägungen und Ängsten am historischen Ort der jüdischen Opfer des Außenlagers Lieberose gedacht worden – ohne Mahnmal und ohne Museum.1999 erschien ein Aufsatz zur Aufarbeitungsgeschichte44, auf den die Medien 2001 aufmerksam wurden.45 Im Mittelpunkt des teilweise internationalen Interesses stand die Entnahme des Zahngoldes durch das MfS. … " In: Andreas Weigelt: Konspirativ gelenktes Gedenken. In der Zeitschrift HORCH UND GUCK, HEFT 54/2006, S. 34 - 38

Weblinks

 Commons: Gedenkstätte_Arbeitslager_Lieberose – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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