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Electoral College

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Dieser Artikel behandelt das US-amerikanische Gremium. Für das indische Gremium siehe Electoral College (Indien).
Verteilung der Wahlleute für die Präsidentschaftswahlen 2012 bis 2020

Das Electoral College ist in den Vereinigten Staaten das Organ, das alle vier Jahre den Präsidenten und den Vizepräsidenten wählt. Das Electoral College besteht aus 538 Wahlleuten, die im Rahmen der Präsidentschaftswahlen von den 50 Bundesstaaten sowie dem Bundesdistrikt entsandt werden. Die Zahl der Wahlmänner oder -frauen bemisst sich an der Zahl der einem Staat zugemessenen Mitglieder des Kongresses (Senat und Repräsentantenhaus). Nach dem zweiten Artikel der Verfassung der Vereinigten Staaten dürfen Wahlleute nicht Senatoren, Mitglieder des Repräsentantenhauses, Beamte der Vereinigten Staaten oder andere Amtsträger der Bundesregierung sein.

Begriffe

Der englische Begriff „Electoral College“ wird im Deutschen häufig nicht übersetzt und als „das Electoral College“ bezeichnet. Mögliche Übersetzungen sind „Wahlmännerkollegium“, „Wahlkollegium“ oder „Wahlleutekollegium“. Entsprechend werden die im Englischen als „electors“ bezeichneten Mitglieder des Kollegiums im Deutschen als „Wahlmänner“ oder „Wahlleute“, in der Einzahl auch als „Wahlperson“ bezeichnet. Scheinbar männliche Bezeichnungen sind entsprechend der heutigen Zusammensetzung als generisches Maskulinum zu interpretieren. Die Stimmen der Mitglieder werden als „Electoral Vote“ bezeichnet. Die von der wahlberechtigten Bevölkerung im Rahmen der Präsidentschaftswahlen abgegebenen Stimmen werden „Popular Vote“ genannt.

Rechtsgrundlage

Die Grundlagen des Electoral College werden im zweiten Artikel der Verfassung der Vereinigten Staaten beschrieben. Der Wahlvorgang wurde zweimal mittels Verfassungsänderung angepasst: 1803 durch den 12. Zusatzartikel und 1961 durch den 23. Zusatzartikel.

Zusammensetzung

Anzahl der Einwohner pro Wahlperson (Stand 2012)

Jeder Bundesstaat hat so viele Wahlleute, wie er Vertreter in beiden Häusern des Kongresses zusammen hat. Der Bundesdistrikt, der die Hauptstadt Washington umfasst, hat so viele Wahlleute, wie er Vertreter in beiden Häusern des Kongresses haben würde, wenn er ein Staat wäre, aber auf jeden Fall nicht mehr als der von der Bevölkerungszahl her kleinste Staat.

Die derzeitige Zahl von 538 Wahlleuten ergibt sich daher folgendermaßen:

  • Das Repräsentantenhaus hat seit 1911 eine festgelegte Größe von 435 Abgeordneten. Die Verteilung der Abgeordneten auf die Staaten wird durch das Hill-Huntington-Verfahren nach den Bevölkerungszahlen bestimmt, die alle 10 Jahre in der Volkszählung, dem United States Census, erhoben werden. Zuletzt war dies vor der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2012 der Fall. Jedem Staat steht mindestens ein Abgeordneter zu.
  • Darüber hinaus hat jeder Staat unabhängig von der Bevölkerungszahl zwei Senatoren im Senat, also derzeit 100. Änderungen können sich hierbei nur beim Beitritt weiterer Bundesstaaten ergeben.
  • Der Bundesdistrikt darf so viele Wahlleute entsenden, als ob er ein Staat mit vergleichbarer Bevölkerungszahl wäre, jedoch nicht mehr als der bevölkerungsärmste Staat. Sieben Staaten haben derzeit nur einen Repräsentanten, sodass die Zahl der Wahlleute für den Bundesdistrikt auf 3 begrenzt ist (entsprechend zwei Senatoren und einem Repräsentanten). Allerdings hätte er auch ohne diese Einschränkung nicht mehr Wahlleute, da er nur wenig mehr Einwohner als der zurzeit bevölkerungsärmste Staat, Wyoming, hat.

Da die Zahl der Senatoren unabhängig von der Größe des Bundesstaates ist und die Zahl der Abgeordneten im Repräsentantenhaus so gering ist, dass eine proportionale Abbildung der Bevölkerung nach Bundesstaaten nur bedingt möglich ist, unterscheidet sich die Zahl der Einwohner pro Wahlperson erheblich. Während in großen Staaten wie Kalifornien und Texas über 600.000 Einwohner auf eine Wahlperson kommen, sind es in den kleinsten Staaten sowie im Bundesdistrikt weniger als halb so viele.

Arbeitsweise

Wahl der Wahlleute

Die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten erfolgt indirekt alle vier Jahre am Wahltag. Obwohl die Stimmzettel heute gewöhnlich die Namen der Kandidaten für das Präsidenten- und Vizepräsidentenamt selbst enthalten, bestimmen die Wahlberechtigten unmittelbar nur die Wahlleute für den Bundesstaat, in dem sie wohnen, oder für den Bundesdistrikt, wenn sie ihren Wohnsitz in Washington, D.C. haben. Diese Wahlleute wählen später den Präsidenten und Vizepräsidenten.

Die Verfassung der USA gibt ihren Bundesstaaten (und dem District of Columbia) das Recht, selbst zu bestimmen, wie sie ihre Wahlleute vergeben:

“Each State shall appoint, in such Manner as the Legislature thereof may direct, a Number of Electors, equal to the whole Number of Senators and Representatives to which the State may be entitled in the Congress: but no Senator or Representative, or Person holding an Office of Trust or Profit under the United States, shall be appointed an Elector.”

Im 18. und frühen 19. Jahrhundert wurden die Wahlleute in vielen Staaten nicht direkt vom Volk gewählt, sondern von den Parlamenten der Bundesstaaten. Dieses System wurde allerdings bald durch direkte Wahlsysteme abgelöst. Von 1832 bis 1860 war South Carolina der letzte Staat, der seine Wahlleute noch durch das Parlament bestimmte, mit der Ausnahme von Florida, wo 1868 im Zuge der Reconstruction letztmals das Parlament die Wahlleute wählte.

Heute (Stand 2020) benutzen 48 von 50 US-Bundesstaaten und der Bundesdistrikt ein relatives Mehrheitswahlrecht, das oft als „Winner-takes-all“-System bezeichnet wird. Dabei bestimmt jede politische Partei, die einen Präsidentschaftskandidaten stellt, ihre eigene Gruppe an Wahlleuten pro Bundesstaat, entsprechend der dem Bundesstaat zustehenden Anzahl. Der Kandidat, der die meisten Stimmen auf sich vereint, erhält alle Wahlleute seiner Gruppe, während die anderen Kandidaten leer ausgehen. Das zweite bis heute gebräuchliche System bestimmt eine Wahlperson für jeden Wahlkreis des Repräsentantenhauses, zwei weitere werden staatsweit gewählt. Dieses System wird seit 1972 in Maine und seit 1996 in Nebraska angewandt und führte bei der Präsidentschaftswahl 2008 dazu, dass Nebraska vier Wahlleute für John McCain und einen für Barack Obama wählte. In Maine kam es mit der Präsidentschaftswahl 2016 zur Aufteilung der Voten unter den Wahlleuten: Hillary Clinton erhielt drei Stimmen – eine für den 1. Kongressbezirk und die beiden „At-large“-Wahlleute –, und Donald Trump erhielt eine Stimme für den 2. Kongressdistrikt.[1]

Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten

Die Wahlleute treffen sich am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember in den Hauptstädten ihrer jeweiligen Bundesstaaten bzw. im Bundesdistrikt. Entsprechend tritt das Electoral College nie an einem einzigen Ort als ein gemeinsames Gremium zusammen. Die Wahlleute stimmen in zwei unverbundenen Wahlen für einen Präsidentschaftsbewerber und für einen Vizepräsidenten.

In 24 Bundesstaaten (Stand 2016) sind die Wahlleute frei in ihrer Entscheidung für einen Kandidaten, könnten also auch entgegen dem Wählerwunsch abstimmen. In 26 Bundesstaaten und Washington, D.C. sind die Wahlleute indes per Gesetz[2] – und zusätzlich oft per Gelöbnis an den Staat oder ihre Partei – dazu verpflichtet, nur für einen bestimmten Kandidaten abzustimmen; in Virginia könnte der Gesetzestext allerdings auch als Empfehlung (nicht als Gebot) gelesen werden.[3] In der Praxis werden in jedem Staat nur die Unterstützer eines Präsidentschaftskandidaten als Wahlleute bestimmt. Eine Wahlperson, die entgegen dem Willen ihrer Wähler abstimmt, wird als faithless elector bezeichnet.

Die Stimmzettel werden versiegelt und dem amtierenden Vizepräsidenten in seinem offiziellen Amt als Präsident des Senats übersandt.

Auszählung

Die Stimmzettel werden in Anwesenheit der beiden Kammern des US-Kongresses am 6. Januar ausgezählt.[4] Präsident und Vizepräsident werden die Kandidaten, die jeweils die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen.

Regelungen bei erfolgloser Wahl

Wenn kein Präsidentschaftskandidat die absolute Mehrheit erhält, muss das neue Repräsentantenhaus einen der drei Kandidaten, die im Electoral College die höchsten Stimmzahlen erhielten, zum Präsidentenamt wählen. Dabei stimmt die Delegation jedes Bundesstaats jeweils gemeinsam ab und erhält gemeinsam nur eine Stimme. Das Votum eines Bundesstaats wird durch die Mehrheit seiner Abgeordneten bestimmt. Gibt es eine Stimmengleichheit innerhalb der Delegation, wird die Stimme als eine Enthaltung gezählt. Der Wahlgang wird solange wiederholt, bis ein Kandidat die absolute Mehrheit erhält. Mit 50 Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten müssten also die Delegationen von mindestens 26 für denselben Kandidaten stimmen.

Wenn kein Vizepräsidentschaftskandidat die absolute Mehrheit erhält, so wird der neue Vizepräsident durch den Senat bestimmt. Im Gegensatz zur Wahl des Präsidenten durch das Repräsentantenhaus wählt der Senat allerdings nur zwischen den zwei Kandidaten mit der höchsten Stimmanzahl. Auch müssen die beiden Senatoren eines Bundesstaates nicht gemeinsam abstimmen, können sich also für unterschiedliche Kandidaten aussprechen. Es ist nicht klar, ob der Vizepräsident auch in dieser Situation bei Stimmengleichheit die ausschlaggebende Stimme hat, zumal er hier unter Umständen über seine eigene nächste Vizepräsidentschaft, beziehungsweise – wie im Fall von Al Gore – über seinen eigenen zukünftigen Vizepräsidenten, abstimmen würde.

Wenn sich das Repräsentantenhaus bis zum Tage der vorgesehenen Amtseinführung, von der Verfassung seit 1933 auf den 20. Januar angesetzt, nicht einigen kann, so führt der neue Vizepräsident die Geschäfte des Präsidenten aus, bis die Kammer einen neuen Präsidenten wählt. Wenn es am 20. Januar auch keinen neuen Vizepräsidenten gibt, tritt die gesetzliche Nachfolgeregelung des Präsidenten in Kraft. Damit würde der Sprecher des Repräsentantenhauses die Amtsgeschäfte des Präsidenten ausführen, bis das Repräsentantenhaus einen neuen Präsidenten oder der Senat einen neuen Vizepräsidenten wählt.

Es gibt keine eindeutige Regelung für den Fall, dass bis zum Tag der Amtseinführung zwar ein neuer Präsident gewählt wurde, der Senat sich aber nicht auf einen Vizepräsidenten einigen kann. Einerseits bestimmt der 12. Zusatzartikel zur Verfassung, dass der Senat den neuen Vizepräsidenten wählen soll, ohne eine zeitliche Begrenzung festzulegen. Andererseits schreibt der 25. Zusatzartikel vor, dass der Präsident, mit Zustimmung beider Häuser des Kongresses, einen neuen Vizepräsidenten zu ernennen hat, wenn das Amt vakant ist.

Bislang hat das Repräsentantenhaus zweimal den Präsidenten gewählt, Thomas Jefferson im Jahr 1800 und John Quincy Adams im Jahr 1824. Der Senat hat nur einmal einen Vizepräsidenten gewählt, Richard M. Johnson 1836.

Faithless electors

Eine Wahlperson, die entgegen dem Wählerwunsch abstimmt, wird als faithless elector (deutsch: „treulose Wahlperson“) bezeichnet. Von Ausnahmefällen abgesehen gab es bei den meisten Präsidentenwahlen nur einzelne Wahlleute, die nicht für die vorgesehenen Kandidaten stimmten.

Die Wahl 1796 war die einzige, bei der das Ergebnis durch faithless electors beeinflusst wurde. Bis zur Verabschiedung des 12. Zusatzartikels wurden die Stimmen für Präsident und Vizepräsident nicht getrennt abgegeben, sondern jede Wahlperson hatte zwei gleichwertige Stimmen. Präsident wurde der Kandidat mit den meisten Stimmen, Vizepräsident derjenige mit den zweitmeisten. Es gab Gerüchte, dass der föderalistische Kandidat für die Vizepräsidentschaft Thomas Pinckney durch eine Intrige zum Präsidenten gewählt werden solle. Daher gaben 18 Wahlleute der Föderalisten ihre zweite Stimme nicht Pinckney, sondern anderen Kandidaten. Das führte dazu, dass der Präsidentschaftskandidat der Demokraten-Republikaner Thomas Jefferson Vizepräsident wurde und somit Präsident und Vizepräsident konkurrierenden Parteien angehörten.

Vor der Präsidentschaftswahl 1800 hatten beide Parteien geplant, dass jeweils einer ihrer Wahlleute den vorgesehenen Vizepräsidenten nicht wählen sollte, so dass der Präsidentschaftskandidat mit einer Stimme Mehrheit gewählt werden würde. Bei den unterlegenen Föderalisten lief es wie geplant, aber die siegreichen Demokraten-Republikaner gaben unplangemäß ihren Kandidaten Thomas Jefferson und Aaron Burr gleich viele Stimmen. Dadurch musste der Präsident durch das alte, föderalistisch dominierte Repräsentantenhaus gewählt werden. Erst nach 36 Wahlgängen und einem Kompromiss mit den Föderalisten wurde Jefferson gewählt. Das war einer der Gründe für die Verabschiedung des 12. Zusatzartikels, seit 1804 werden Präsident und Vizepräsident in getrennten Wahlgängen bestimmt. 1808 stimmten sechs Wahlleute aus New York nicht für den demokratisch-republikanischen Kandidaten James Madison. Dessen Mehrheit war aber groß genug, um trotzdem gewählt zu werden.

Bei der Wahl 1836 verweigerten die 23 Wahlleute aus Virginia dem demokratischen Vizepräsidentschaftskandidaten Richard Johnson ihre Stimmen, da er offen mit einer Sklavin als Konkubine zusammenlebte. Dadurch erhielt er genau die Hälfte der Stimmen und verfehlte damit die erforderliche Mehrheit um eine Stimme. Anschließend wurde er jedoch vom Senat gewählt, als einziger Vizepräsident in der Geschichte der USA. Auch 1812, 1832, 1896 und 1912 stimmten mehrere Wahlleute nicht für den vorgesehenen Vizepräsidenten, allerdings jeweils ohne Einfluss auf das Ergebnis.

1872 starb Horace Greeley, der Präsidentschaftskandidat der unterlegenen Demokraten, wenige Wochen nach der Volkswahl vor dem Zusammentritt des Electoral College. Von den 66 ihm eigentlich verpflichteten Wahlleuten wählten 63 vier unterschiedliche andere Kandidaten; die drei Stimmen, die trotzdem für Greeley abgegeben wurden, wurden annulliert.

Die erste Wahl nach 1808, bei der mehr als eine Wahlperson nicht für den vorgesehenen Präsidenten stimmte, war die Präsidentschaftswahl 2016. Zwei Wahlleute verweigerten Donald Trump ihre Stimme, acht Hillary Clinton. Von letzteren wurden zwei Wahlleute durch Ersatzleute ersetzt, eine Wahlperson in Maine wurde verpflichtet, ihre Stimmabgabe zu ändern. Nach der Volkswahl hatte es eine Kampagne gegeben, um die republikanischen Wahlleute dazu zu bewegen, Trump nicht zu wählen. Allerdings hätten 37 der 306 republikanischen Wahlleute ihre Stimme ändern müssen, um die absolute Mehrheit Trumps zu kippen, was als sehr unwahrscheinlich galt.

Kritik am Wahlsystem

Unterstützung und Ablehnung einer Direktwahl des Präsidenten, Umfrage aus dem Jahr 2007[5]

Umfragen, die bis in das Jahr 1944 zurückreichen, zeigen, dass eine beständige Mehrheit der Amerikaner die Idee der Direktwahl des Präsidenten befürwortet.[6] Kritiker am System des einfachen Mehrheitswahlrechts und der konsequent umgesetzten Konkurrenzdemokratie im „Winner-takes-all“-Prinzip beklagen, dass sich der Wahlkampf hauptsächlich auf die Swing States (die Staaten ohne klare Mehrheitsverhältnisse) konzentriert und damit die Anliegen der Wähler in diesen Bundesstaaten bevorzugt würden. Beispielsweise versprachen im Wahlkampf 2008 sowohl Barack Obama als auch John McCain neue Weltraumflüge durchzuführen (ohne die Pläne aber zu konkretisieren oder Kontakt mit Experten gesucht zu haben): Im Swing State Florida stellt die NASA mehrere zehntausend Arbeitsplätze.

Die 5 Wochen vor der Wahl 2004: links die Zahl der Kandidaten-Besuche pro Staat; rechts die Kandidaten-Ausgaben für TV-Werbung in Millionen US-Dollar

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Stimmen der Wähler, die für die Minderheit gestimmt haben, immer unter den Tisch fallen, auch wenn diese einen beträchtlichen Anteil ausmachen (im Extremfall Kalifornien bedeutete es 2004 zum Beispiel, dass in diesem Bundesstaat 4,5 Millionen George-W.-Bush-Wähler nicht gezählt wurden; für John Kerry hingegen wurden damals allein in Florida fast 3,5 Millionen Stimmen ignoriert, weil der jeweils andere den Staat gewonnen hatte und damit restlos alle Wahlleute für das Electoral College bekam).

Schließlich repräsentieren die Wahlleute je nach Staat unterschiedlich viele Einwohner; obwohl die Zahl der Wahlleute grob der Einwohnergröße entsprechen soll, repräsentieren beispielsweise die drei Wahlleute von Wyoming je 187.875 Einwohner, die 18 Wahlleute von Ohio je 640.917 Einwohner und die 55 Wahlleute von Kalifornien je 677.345 Einwohner (Einwohnerzahlen von 2010).

Im Extremfall kann der Präsidentschaftskandidat, der landesweit die meisten Stimmen auf sich vereint (Popular Vote), die Wahl dennoch verlieren, weil sein Konkurrent mehr Stimmen von Wahlleuten erhält. Das trat in der Geschichte der USA fünfmal ein: Bereits 1824 erzielte Andrew Jackson 38.149 Stimmen mehr (10,4 %) als der zum Präsidenten gewählte John Quincy Adams. Allerdings wurden damals nicht in allen Staaten allgemeine Wahlen durchgeführt (zum Teil durfte die Staatsregierung festlegen, für wen ihre Wahlleute stimmen sollten), außerdem erhielt Jackson auch die meisten Stimmen von Wahlleuten (99 – Adams erhielt 84). Da jedoch kein Kandidat eine absolute Mehrheit bei den Wahlleuten bekam, wurde der Präsident verfassungsgemäß vom Repräsentantenhaus gewählt, und dort verlor Jackson. 1876 gewann Samuel J. Tilden landesweit die Stimmenmehrheit (Vorsprung von 254.235 oder 3,1 %), doch in der umstrittenen Präsidentschaftswahl 1876 gaben drei Bundesstaaten doppelte Stimmen an ihre Wahlleute; die Kommission, die einen Weg aus der Krise finden sollte, stimmte schließlich gemäß der politischen Ansichten ihrer Mitglieder knapp für eine Lösung, die Rutherford B. Hayes zur Präsidentschaft verhalf. 1888 wurde Präsident Grover Cleveland laut Stimmenmehrheit (90.596 bzw. 0,8 %) im Amt bestätigt, lag aber in der Abstimmung 65 Wahlleute hinter Benjamin Harrison zurück.

Ein ähnliches Ergebnis ergab sich erst wieder im Jahr 2000, als Al Gore bei den Wahlen 543.895 Stimmen (0,5 %) mehr als George W. Bush erhielt, Bush aber fünf Wahlleute mehr gewann. Vergleichbares wiederholte sich bei der Präsidentschaftswahl 2016. Der für die Republikaner kandidierende Donald Trump erhielt über 2,8 Mio. Stimmen (2,09 %) weniger als seine demokratische Kontrahentin Hillary Clinton, lag bei den Wahlleuten aber mit 306 zu 232 vorn, da er einige bevölkerungsreiche Staaten knapp für sich entscheiden konnte. Die landesweite Stimmenmehrheit (die theoretische „Volkswahlmehrheit“) gilt als interpretierbar, da die Wahlbeteiligung in Staaten, in denen eine Partei laut Prognosen weit in Führung liegt, meist wesentlich niedriger ausfällt als in umkämpften Staaten. Außerdem ist die Wahlkampftaktik der Präsidentschaftsanwärter auf ebenjenes Wahlsystem und nicht auf eine Volkswahl ausgelegt. Obwohl der letzte Absatz nahe legt, dass das System der Wahlleute aktuell republikanische Kandidaten bevorzugt, ist dies wahrscheinlich nicht der Fall. Bei den drei nicht genannten Wahlen seit 2000 hätte das System bei knappem Ausgang den demokratischen Kandidaten bevorzugt.[7]

Alternativvorschläge und Gegenkritik

Status des National Popular Vote Interstate Compact im Mai 2011, untere Karte: proportionale Darstellung (isodemografische Karte) der Bundesstaaten entsprechend ihrem Stimmgewicht im Electoral College (1 Kästchen = 1 Stimme):
  • Gesetzesinitiative umgesetzt
  • Gesetzesinitiative in Diskussion, bisher nicht rechtskräftig
  • Gesetzesinitiative gescheitert
  • Trotz der Kritik am Mehrheitswahlsystem durch das Electoral College sind die Aussichten auf Einführung eines Verhältniswahlrechts (bisher nirgends realisiert) oder eines bezirksbasierten Wahlrechts (wie bisher nur in Maine und Nebraska) in einzelnen Staaten gering: In Colorado wurde beispielsweise ein Änderungsentwurf des Gesetzes zu den Wahlleuten im Jahr 2004 von den Bürgern abgelehnt. Ein Problem liegt darin, dass das „Winner-takes-all“-Prinzip die Bedeutung umkämpfter Staaten für die Kandidaten erhöht, sodass es unwahrscheinlich erscheint, dass einzelne Staaten dieses System abschaffen, während es in anderen in Kraft bleibt. Ein anderes Problem ist, dass eine Änderung der Vergabe der Wahlleute in einem Bundesstaat oft eine Partei klar bevorzugt. Die Verfassung gibt aber ausdrücklich den Einzelstaaten das Recht, über den Wahlmodus zu entscheiden. Ein Verfassungszusatz könnte dies ändern, aber auch er müsste von einer Dreiviertelmehrheit der Bundesstaaten gebilligt werden.

    Der National Popular Vote Interstate Compact bietet eine Alternative ohne Verfassungsänderung: die einzelnen Bundesstaaten verabschieden Gesetze, die ihre jeweiligen Wahlleute verpflichten, für den Kandidaten zu stimmen, der USA-weit die meisten Stimmen erhält. Der Knackpunkt ist, dass die Bundesstaaten diese Regelung an die Bedingung knüpfen, dass mindestens 270 Wahlleute (also die absolute Mehrheit) ebenfalls an die Regelung gebunden sind. De facto würde damit das System der Wahlleute von einem Mehrheitswahlrecht abgelöst, aber es bedürfte weder einer Verfassungsänderung noch – zumindest je nach Größe der zustimmenden Bundesstaaten – der Zustimmung von drei Vierteln der Bundesstaaten.[8] Maryland wurde im Jahr 2007 der erste Bundesstaat, der ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat.[9] Bereits zehn weitere Staaten, darunter Kalifornien als Staat mit den meisten Wahlleuten sowie der District of Columbia, haben ähnliche Gesetze erlassen, in anderen Bundesstaaten laufen weitere Gesetzgebungsverfahren. Damit sind bereits 165 Wahlleute bzw. etwa 61 Prozent der benötigten 270 Wahlleute verpflichtet, den Kandidaten mit den meisten Stimmen zu wählen – vorausgesetzt die anderen Staaten ziehen nach.[10][11]

    Allerdings wird auch das Verhältniswahlrecht nicht nur positiv gesehen. Denn es kann dazu führen, dass schon eine auf viele Staaten verteilte, womöglich relativ schwache relative Mehrheit ausreicht, um die Wahlen zu gewinnen. In den USA, in denen traditionell genau zwei Parteien eine Rolle spielen und die Wahl zum Präsidenten die absolute Mehrheit der Wahlleute erfordert, erzeugt die Vorstellung von mehr als zwei wichtigen Parteien und schwachen relativen Mehrheiten Sorgen vor politischer Destabilisierung.[9]

    Verteilung (2012–2020)

    Klausel Verhältniswahlrecht: siehe Abschnitt Alternativvorschläge und Gegenkritik.

    Bundesstaat Wahlleute[12] Einwohner pro Wahlperson Klausel Verhältniswahlrecht
    Alabama 9 531.082 nein
    Alaska 3 236.744 nein
    Arizona 11 581.092 nein
    Arkansas 6 485.986 nein
    Colorado 9 558.800 nein
    Connecticut 7 510.585 nein
    Delaware 3 299.311 nein
    Florida 29 648.321 nein
    Georgia 16 605.478 nein
    Hawaii 4 340.075 ja
    Idaho 4 391.896 nein
    Illinois 20 641.532 ja
    Indiana 11 589.437 nein
    Iowa 6 507.726 nein
    Kalifornien 55 677.345 ja
    Kansas 6 475.520 nein
    Kentucky 8 542.421 nein
    Louisiana 8 566.672 nein
    Maine 4 332.090 nein
    Maryland 10 577.355 ja
    Massachusetts 11 595.239 ja
    Michigan 16 617.728 nein
    Minnesota 10 530.393 nein
    Mississippi 6 494.550 nein
    Missouri 10 598.893 nein
    Montana 3 329.805 nein
    Nebraska 5 365.268 nein
    Nevada 6 450.092 nein
    New Hampshire 4 329.118 nein
    New Jersey 14 627.992 ja
    New Mexico 5 411.836 ja
    New York 29 668.210 nein
    North Carolina 15 635.699 nein
    North Dakota 3 224.197 nein
    Ohio 18 640.917 nein
    Oklahoma 7 535.907 nein
    Oregon 7 547.296 nein
    Pennsylvania 20 635.119 nein
    Rhode Island 4 263.142 nein
    South Carolina 9 513.929 nein
    South Dakota 3 271.393 nein
    Tennessee 11 576.919 nein
    Texas 38 661.725 nein
    Utah 6 460.648 nein
    Vermont 3 208.580 ja
    Virginia 13 615.463 nein
    Washington 12 560.378 ja
    Washington, D.C. 31 200.574 ja
    West Virginia 5 370.599 nein
    Wisconsin 10 568.699 nein
    Wyoming 3 187.875 nein
    Vereinigte Staaten 538 573.876 Staatenregelung
    1 Obwohl Washington, D.C. kein Bundesstaat ist, hat es auf Grund des 23. Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten drei Wahlleute.

    Literatur

    Weblinks

    Belege

    1. Maine Results nytimes.com, 10. Februar 2017
    2. Welchen Spielraum haben die Wahlmänner? 10: November 2016, WELT/N24, Abruf 12. November 2016
    3. What is the Electoral College? auf: U.S. National Archives and Records Administration (die hier Daten vom Congressional Research Service nutzen) (engl.; abgerufen 11. November 2016)
    4. 3 United States Code 15, Counting electoral votes in Congress
    5. Quelle: The Washington Post: Umfrage aus dem Jahr 2007 (PDF; 81 kB)
    6. Americans Have Historically Favored Changing Way Presidents are Elected. Gallup. 10. November 2000. Abgerufen am 11. Juni 2008.
    7. Will The Electoral College Doom The Democrats Again?. In: FiveThirtyEight. 2016-11-14 (http://fivethirtyeight.com/features/will-the-electoral-college-doom-the-democrats-again/).
    8. Joel Connelly (20. November 2007). Electoral College is past its prime. Seattle Post Intelligencer column (Memento vom 27. August 2008 im Internet Archive) (engl.; abgerufen 4. November 2008)
    9. 9,0 9,1 Bill Schneider (10. April 2007), Dropping out of the electoral college. CNN.com (engl.; abgerufen 4. November 2008)
    10. National Popular Vote
    11. Is it time to scrap the Electoral College?
    12. U.S. Census Bureau
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