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Denkmal zur Erinnerung an 96 von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete

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Das Denkmal vor dem Berliner Reichstagsgebäude.

Das Denkmal zur Erinnerung an 96 von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete befindet sich vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Initiiert vom Verein Perspektive Berlin, erinnert das Denkmal seit 1992 an Reichstagsabgeordnete der Weimarer Republik, die zwischen der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 gewaltsam zu Tode kamen oder an den Folgen einer Inhaftierung starben. Eine weitere Gedenkstätte für vom NS-Regime verfolgte Abgeordnete befindet sich im Reichstagsgebäude.

Vorgeschichte

Auf Initiative der AL-Abgeordneten Hilde Schramm beschloss das Abgeordnetenhaus von Berlin am 23. Mai 1985 einstimmig, dass im Reichstagsgebäude eine Gedenktafel für Abgeordnete mit deren „Name, Beruf, Geburts- und Sterbedatum mit Hinweis auf Ort und Umstände des Todes, Parteizugehörigkeit und Herkunftsort als Abgeordneter sowie Zeitraum der Mitgliedschaft im Reichstag“[1] angebracht werden soll. Philipp Jenninger, der als Bundestagspräsident das Hausrecht im Reichstag ausübte, plädierte für einen allgemein gehaltenen Text und verwies darauf, dass die genannten Daten kaum vollständig zu beschaffen seien. Im September 1985 sprachen sich CDU und FDP dagegen aus, die Parteimitgliedschaften auf den Gedenktafeln zu erwähnen.

Im Herbst 1985 veröffentlichten die Historiker Wilhelm Heinz Schröder und Rüdiger Hachtmann eine vorläufige Bestandsaufnahme zu den Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik als Opfer des Nationalsozialismus.[2] Sie enthielt Kurzbiographien zu 83 Abgeordneten, die vom nationalsozialistischen Regime ermordet wurden, in Haft oder kurz nach Haftende an den Folgen starben. Hiervon waren 40 Mitglieder der KPD und 33 Mitglieder der SPD. Im Frühjahr 1986 erteilte das Bundestagspräsidium der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien einen Forschungsauftrag zu den Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. 1991 erschien eine biographische Dokumentation zur politischen Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung von Reichstagsabgeordneten zwischen 1933 und 1945.[3] Unverwirklicht blieb ein Vorschlag des Historikers Wilhelm Heinz Schröder, die Gedenktafel als Mosaik zu gestalten, das durch neue Forschungsergebnisse ergänzt werden könne, wodurch Verzögerungen bei der Realisierung des Denkmals vermieden werden könnten.[4]

Angesichts der langwierigen Realisierung der Gedenkstätte im Reichstag hatte der Verein „Perspektive Berlin e.V.“ um die Journalistin Lea Rosh am 1. September 1989 eine provisorische Gedenktafel unweit des Reichstagsgebäudes enthüllt. Die als „positive Provokation“[4] gedachte Gedenktafel enthielt die anfänglich umstrittenen Daten zu einzelnen Abgeordneten; sie wurde von zwei Gewerkschaften mitfinanziert.

Am 26. Februar 1992 weihte Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth die Gedenkstätte für die verfolgten Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik im Reichstagsgebäude ein. Die Gedenkstätte besteht aus einer großformatigen Fotoarbeit von Katharina Sieverding, die den brennenden Reichstag symbolisieren soll, sowie drei Gedenkbüchern. Die von Klaus Mettig gestalteten Bücher enthalten biographische Angaben zu 120 ermordeten Abgeordneten und zu weiteren Abgeordneten, die in Haft waren, emigrierten oder anderen Verfolgungen ausgesetzt waren. Die Gedenkstätte befindet sich in der Abgeordnetenlobby.[5] Bei der Einweihung erinnerte Süssmuth ausdrücklich an die KPD-Abgeordneten, die in besonderer Weise verfolgt worden seien. Von der Ehrung ausgenommen seien NSDAP-Abgeordnete, die nach dem sogenannten Röhm-Putsch 1934 hingerichtet wurden, da diese bis zuletzt führende Nationalsozialisten gewesen seien, so Süssmuth.[6]

Am 12. September 1992 übergab Lea Rosh das Denkmal zur Erinnerung an 96 von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete der Öffentlichkeit. An den Gesamtkosten des Projekts von 150.000 DM beteiligten sich der Deutsche Gewerkschaftsbund, das Bezirksamt Tiergarten und der Senator für kulturelle Angelegenheiten. Das Denkmal wurde von den Berliner Kunststudenten Klaus Eisenlohr, Justus Müller und Christian Zwirner unter Leitung von Dieter Appelt konzipiert.[7] Es besteht aus 96 stehend nebeneinander angeordneten gusseisernen Platten mit einer Größe von je etwa 120 Zentimeter Breite und 60 Zentimeter Höhe, auf denen Name, Parteizugehörigkeit, Lebensdaten und Sterbeort der 96 Abgeordneten aufgeführt sind. An beiden Enden der Installation sind Platten in den Boden eingelassen, die Inschriften tragen.

Im Anschluss an das Denkmalprojekt entstand 1994 im Auftrag des Deutschen Bundestages der Chronos-Dokumentarfilm „Parlamentarier unter dem Hakenkreuz. Die Verfolgung von Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik – 1933 bis 1945“. Michael Kloft führte Regie, Dagmar Gassen schrieb das Buch und Wilhelm Heinz Schröder, der auch die Daten für das Denkmal und für das Gedenkbuch erarbeitet hatte, übernahm die wissenschaftliche Leitung. Der Film kann in der Bundestagsausstellung im Deutschen Dom gesehen werden. Der Dokumentarfilm behandelt die vielfältigen Formen der Verfolgung von Parlamentariern der Weimarer Republik durch die Nationalsozialisten nach 1933. Beschrieben wird zunächst das Jahr 1933 mit der ersten Terrorwelle, dem Berufsverlust und dem Alltag in Angst. Danach werden Schicksale im Exil, die erzwungene Weiterwanderung und Auslieferungen an Deutschland dargestellt. Das Kapitel „Gefängnis und Konzentrationslager“ erinnert an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors, besonders an jüdische Parlamentarier. Im Abschnitt „Widerstand“ erfolgt ein Überblick über die Beteiligung von Abgeordneten aller politischen Richtungen am Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Alphabetische Liste der auf dem Denkmal verzeichneten Personen

Namen und Lebensdaten auf Platten des Denkmals.

Die folgende Liste enthält die Namen, Lebensdaten und Parteizugehörigkeiten, wie sie auf den Platten notiert sind.

Daten im Überblick

Das Denkmal verzeichnet insgesamt 96 Personen, darunter 90 Männer und 6 Frauen. Mit Blick auf die parteimäßige Zugehörigkeit der aufgelisteten Abgeordneten dominieren Vertreter der linksgerichteten Parteien (KPD, SPD bzw. USPD), aus deren Reihen 85 der genannten stammen: Diese zerfallen auf die einzelnen Linksparteien mit 43 (KPD), 41 (SPD) und 1 (USPD). Aus dem Lager der Mittelparteien bzw. konfessionell geprägten Parteien der Weimarer Republik sind 9 Abgeordnete auf dem Denkmal verzeichnet, davon 4 Zentrums- und zwei BVP- sowie je ein Abgeordneter des Chr.NA, der DBP und der DDP. Der gemäßigt-rechten DVP gehörten schließlich zwei der gelisteten Abgeordneten an. Abgeordnete aus den rechten Flügel-Parteien DNVP und NSDAP sind nicht auf dem Denkmal vertreten.

Das Gros der in dem Denkmal verzeichneten Abgeordneten wurde in der Frühphase (18 Personen) bzw. in der Endphase (52) der NS-Herrschaft ermordet: In den Jahren 1933 und 1934 wurden 11 bzw. 7 der Genannten umgebracht, während in den Jahren 1944 und 1945 20 bzw. 32 Abgeordnete den Tod fanden. 23 Abgeordnete wurden in den Jahren 1935 bis 1943 zu Tode gebracht. Bei zwei weiteren ist kein Todesjahr angegeben. Ein Sonderfall stellt der Abgeordnete Georg Wendt dar, der erst mehrere Jahre nach dem Ende des NS-Regimes starb.

47 Abgeordnete werden als in Konzentrationslagern und 27 als in Gefängnissen oder Zuchthäusern verstorben aufgeführt. Zwei weitere werden als auf dem Transport in Konzentrationslager ermordet angegeben. Schließlich werden sieben als an den Folgen von KZ- und drei als an den Folgen von Zuchthaus-Haft verstorben identifiziert.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zitiert bei Malte Lehming: Ende eines siebenjährigen Streites um das richtige Gedenken. In: Der Tagesspiegel, 27. Februar 1992, S. 2.
  2. Wilhelm Heinz Schröder, Rüdiger Hachtmann: Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik als Opfer des Nationalsozialismus. Vorläufige Bestandsaufnahme und biographische Dokumentation. (pdf, 1,6 MB) In: Historical Social Research / Historische Sozialforschung. (HSR) Band 10, 1985, ISSN 0172-6404, S.55–98.
  3. Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933−1945. Droste-Verlag, Düsseldorf 1991, ISBN 3-7700-5162-9.
  4. 4,0 4,1 Malte Lehming: Ende eines siebenjährigen Streites um das richtige Gedenken. In: Der Tagesspiegel, 27. Februar 1992, S. 2.
  5. Deutscher Bundestag: Kunst im Bundestag – Katharina Sieverding. (Abgerufen am 31. Juli 2010)
  6. Gedenkstätte für Nazi-Opfer im Berliner Reichstag eingeweiht. In: Der Tagesspiegel, 27. Februar 1992, S. 1.
  7. Erinnerung an jeden einzelnen. In: Der Tagesspiegel, 13. September 1992, S. 14.
  8. Gerhard Schildt, In: Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. Hahn, Hannover 1996, ISBN 3-7752-5838-8, S. 410

Anmerkungen

  1. Die Angabe „Braunschweig Zuchthaus Wolfenbüttel“ ist irreführend bzw. falsch. August Merges verstarb nicht im Gefängnis Wolfenbüttel, sondern nach der Entlassung zuhause in Braunschweig an den Spätfolgen der in der Haft erlittenen Misshandlungen durch die Gestapo.
52.51794113.374631
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