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Unterwerfung (Roman)

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Unterwerfung ist ein Roman von Michel Houellebecq. Er erschien am 7. Januar 2015 in französischer Sprache unter dem Titel Soumission[1] bei der Pariser Verlagsgruppe Flammarion, nachdem er vorab schon illegal im Netz zum Download kursierte.[2] In deutscher Sprache erschien der Roman in der Übersetzung von Norma Cassau und Bernd Wilczek am 16. Januar 2015 im Kölner DuMont Buchverlag.[3]

Nach dem am Erscheinungstag des Romans verübten Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo, das Houellebecq sein Titelbild gewidmet hatte, brach der Autor die Promotion für seinen Roman ab.[4][5]

Handlung

Die Handlung spielt im Jahr 2022 in Frankreich. Ein charismatischer muslimischer Politiker, Mohamed Ben Abbès, schart immer mehr Wähler um sich. Die sozialistische Partei geht ein Bündnis mit den Konservativen und Ben Abbès ein, um den Aufstieg der rechten Front National unter Marine Le Pen zu verhindern. Ben Abbès wird Staatspräsident, ändert die laizistische Verfassung, führt die Theokratie ein, die Scharia, das Patriarchat und die Polygamie.[6]

Die Hauptperson François ist ein Literaturwissenschaftler Mitte Vierzig, Alkoholiker und frühzeitig gealtert. Er forscht an einer Pariser Universität über den Autor Joris-Karl Huysmans. Im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen verliert er zunächst seine Stelle und verlässt Paris, als Tumulte ausbrechen. Er profitiert schließlich von der Islamisierung Frankreichs: So verdient er als Dozent nach der Machtübernahme wesentlich mehr und erfreut sich der neuen Unterwürfigkeit seiner auch minderjährigen Gespielinnen.

Der Roman spielt mit zwei Ängsten des heutigen politischen Frankreich: vor der äußersten Rechten einerseits und einer Islamisierung Europas andererseits. Der französische wie der deutsche Titel verweist auf die Wortbedeutung von Islam als Unterwerfung oder völlige Hingabe des Gläubigen.

Figuren und Bezüge der Handlung

Sitz des Verlags Gallimard
  • Marine Le Pen ist im Frankreich des Jahres 2022 stärkste politische Kraft. François Hollande hat zwei Amtszeiten als Präsident hinter sich; sein designierter Nachfolger in Manuel Valls, mit dem die französischen Sozialisten ihr schlechtestes Wahlergebnis einfahren.[7]
  • Die Figur des Robert Rediger, im Roman Präsident der Universität Sorbonne, spielt auf den Philosophen Robert Redeker an, der 2006 wegen islamkritischer Äußerungen Morddrohungen erhalten hat.[7]
  • Das Modell der Unterwerfung bezieht sich auf den Roman die Geschichte der O (1954), geschrieben von Dominique Aury unter dem Pseudonym Pauline Réage für ihren Geliebten und Arbeitgeber Jean Paulhan im Verlag Gallimard. In Paulhans Pariser Stadtpalais wiederum, der während der Besatzung Frankreichs durch das NS-Regime Treffpunkt der widerständigen Intellektuellen war, residiert nun im Buch Rediger.[7]
  • In Frankreich machte der Althistoriker Stéphane Ratti darauf aufmerksam, dass die politische Rahmenhandlung von Unterwerfung in wesentlichen Teilen vom 2013 in Paris veröffentlichten Buch Le déclin des belgischen Altertumswissenschaftlers David Engels beeinflusst sein dürfte. Engels hatte in seinem 2014 auch ins Deutsche übertragenen Buch auf die Analogien zwischen der Identitätskrise der europäischen Gesellschaft und dem Niedergang der römischen Republik hingewiesen und das Heraufkommen eines neuen augusteischen Herrschaftssystems angekündigt, das auch bei Houellebecq unter namentlichem Verweis auf Augustus eine zentrale Rolle spielt.[8]
  • In Deutschland wies Gero von Randow auf die Ähnlichkeit der Handlung mit Jean Yannes Film Die Chinesen in Paris (1974) hin.[9] Thomas Steinfeld sah starke Bezüge zu Jean Raspails Buch Heerlager der Heiligen von 1973, in dem eine „Armada aus der Dritten Welt in Frankreich einfällt und sich mühelos ein moralisch wie intellektuell heruntergekommenes Abendland unterwirft“.[10]

Rezeption

Wie bereits andere Werke des Autors wurde auch Unterwerfung in sehr hoher Auflage gedruckt und von Pariser Intellektuellen kritisch besprochen. Alain Finkielkraut bezeichnete Soumission als „Meisterwerk“[2] eines „großen Romanciers des Möglichen“[11], Kulturministerin Fleur Pellerin sagte, Houellebecq habe „einen seltsamen Sinn für Humor“[12]; auch Präsident François Hollande äußerte sich unmittelbar bei Erscheinen und kritisierte den „Pessimismus“ des Autors.[13]

Jürg Altwegg attestierte Houellebecqs linken Kritikern mangelndes Gespür für dessen „Ironie und Satire“: Der Roman sei „eine Farce des (etablierten französischen) Antifaschismus“: „Es ist ein phänomenales, genaues Porträt der französischen Gesellschaft, vor allem ihrer Medien und der politischen Klasse ...“[14]

Thomas Steinfeld bemerkte einen „konstruktiven Mangel“ des Romans. Das Werk sei „ein Zwitter zwischen Satire und Utopie, mit der Folge, dass sich der Satiriker Michel Houellebecq nicht darauf festlegen lässt, eine Provokation im Sinne gehabt zu haben, während sich der Träumer Michel Houellebecq nicht darauf festlegen lässt, dass seine Erfindungen noch erfundener seien als etwa die Insel Liliput bei Jonathan Swift.“ [15]

Volker Weidermann meinte: „Unterwerfung ist ein Buch der Angst und der Einsamkeit. Es handelt von der Liebe zur Literatur ...“[16]

Christopher Schmidt betrachtete das Buch in der Süddeutschen Zeitung vor dem Hintergrund des Anschlags auf die Redakteure von Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt: „Letztlich steckt in ihm ein verkappter Idealist, ein Idealist im Gewand des Provokateurs. Und für diesen Idealisten dürfte die Tatsache, dass die bürgerliche Mitte nach den Bluttaten zusammengerückt ist und sein Schreckensszenario widerlegt, die beste Bestätigung sein.“[7]

Houellebecq sah sich bei der Vorstellung seines Romans bei der lit.Cologne in Köln angesichts der Ereignisse in Paris und möglicher islamfeindlicher Lesarten genötigt, vorab eine Erklärung zu verlesen. Sein Roman sei nicht islamophob. Der Roman habe ursprünglich die Bekehrung eines mit Huysmans befassten Literaturwissenschaftlers zum Katholizismus zum Thema gehabt und sollte dementsprechend mit „Conversion“ betitelt sein; bei der Durchführung dieses Themas sei er allerdings an den gegenwärtigen Realitäten gescheitert. Er berief sich zugleich auf die Freiheit der Kunst, die auch ein islamophobes Werk legitimiere, und die Meinungsfreiheit, deren Selbstbehauptung das Hauptmotiv der aktuell demonstrierten Einheit der französischen Nation sei: diese dürfe nicht in Rücksicht auf religiöse Gefühle eingeschränkt werden. Hier ergriff er Partei für die heldenhafte „Sturheit“ der Autoren von Charlie Hebdo. Für ihn komme es darauf an, sich von keiner Seite, weder dem Front National noch von Islamisten, vereinnahmen zu lassen.[17][18]

Weblinks

Ausgaben

Einzelnachweise

  1. Anne Christine Heckmann: Debatten über neuen Houellebecq-Roman – Rassismus oder gelungene Satire? In: Tagesschau.de. 7. Januar 2015, abgerufen am 8. Januar 2015.
  2. 2,0 2,1 Beißendes Portrait der französischen Gesellschaft. swr2 Kulturthema am 7. Januar 2015 von Kathrin Hondl, abgerufen am 9. Januar 2015.
  3. Angaben zum Roman auf der Seite des Verlages DuMont, abgerufen am 12. Januar 2015.
  4. Houellebecq « quitte Paris pour se mettre au vert » et annule sa promotion, lemonde.fr vom 8. Januar 2015, abgerufen am 9. Januar 2015 (französisch).
  5. Charlie Hebdo: Houellebecq bricht Buch-Promotion ab, buchreport.de vom 9. Januar 2015, abgerufen am 15. Januar 2015.
  6. Stefan Simons: Michel Houellebecqs Vision. spiegel.de, 6. Januar 2015, abgerufen am 7. Januar 2015.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 Christopher Schmidt: Über die Verführbarkeit zum Extremismus, Süddeutsche.de, 16. Januar 2015, abgerufen am 22. Januar
  8. Stéphane Ratti: Michel Houellebecq et l'empereur Auguste Le Figaro, 16. Januar 2015, abgerufen am 16. Januar 2015.
  9. Gero von Randow: Nichts für intellektuelle Feiglinge. zeit.de, 5. Januar 2015, abgerufen am 7. Januar 2015.
  10. Thomas Steinfeld: Das Abendland ist nicht zu retten. In: Süddeutsche.de, 7. Januar 2015, abgerufen am 9. Januar 2015.
  11. Pourquoi Alain Finkielkraut a aimé le livre de Houellebecq. Causeur, 5. Januar 2015, abgerufen am 9. Januar 2015
  12. Kim Willsher: Michel Houellebecq provokes France with story of Muslim president. theguardian.com, 16. Dezember 2014, abgerufen am 7. Januar 2015.
  13. N. N.: Angstvision eines islamischen Frankreichs. handelsblatt.com, 7. Januar 2015, abgerufen am 7. Januar 2015.
  14. Jürg Altwegg: Houellebecqs neuer Roman: Ist das alles iranisch gemeint? faz.net, 6. Januar 2015, abgerufen am 7. Januar 2015.
  15. Thomas Steinfeld: Das Abendland ist nicht zu retten. In: Süddeutsche.de, 7. Januar 2015, abgerufen am 9. Januar 2015.
  16. Volker Weidermann: Trägt er Schuld?, faz.net, 12. Januar 2015, abgerufen am 12. Januar 2015.
  17. Michel Houellebecq in Köln. Der Egotist bleibt amüsiert, NZZ, 21. Januar 2015, abgerufen am 21. Januar 2015.
  18. Michel Houellebecq in Köln. Lob der verantwortungslosen Kunst, Süddeutsche.de, 20. Januar 2015, abgerufen am 21. Januar 2015.
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