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Liste der auszusondernden Literatur

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Die Liste der auszusondernden Literatur ist eine vierbändige Publikation der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone respektive, 1953, des Ministeriums für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik mit den Einzeltiteln:

  1. Liste der auszusondernden Literatur. Herausgegeben von der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone. Vorläufige Ausgabe nach dem Stand vom 1. April 1946 (Berlin: Zentralverlag, 1946).
  2. Liste der auszusondernden Literatur. Herausgegeben von der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone. Erster Nachtrag nach dem Stand vom 1. Januar 1947 (Berlin: Zentralverlag, 1947).
  3. Liste der auszusondernden Literatur. Herausgegeben von der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone. Zweiter Nachtrag nach dem Stand vom 1. September 1948 (Berlin: Deutscher Zentralverlag, 1948).
  4. Liste der auszusondernden Literatur. Herausgegeben vom Ministerium für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik. Dritter Nachtrag nach dem Stand vom 1. April 1952 (Berlin: VEB Deutscher Zentralverlag, 1953).

Geschichte

Am 13. Mai 1946 wurde mit Befehl Nr. 4 des Alliierten Kontrollrats die Aussonderung und Vernichtung von Literatur und Werken nationalsozialistischen und militaristischen Charakters angeordnet. Nach Einwänden von wissenschaftlichen Bibliotheken, die nun verbotene Literatur müsse der wissenschaftlichen Forschung und für behördliche Zwecke noch erhalten bleiben, wurde am 10. August 1946 gestattet, dass Einsicht in sie genommen werden kann.[1][2]

Im Gegensatz zu den Listen verbotener Autoren während der Zeit des Nationalsozialismus erschien die Liste der auszusondernden Literatur offen verlegt, wobei sie auch außerhalb der sowjetischen Zone gewürdigt und zu Rate gezogen wurde – jedoch ohne dass dabei sowjetische, britische, amerikanische und französische Behörden offiziell zusammenarbeiteten.

Die Einzelbände wurden von der für diese Arbeit prädestinierten Deutschen Bücherei in Leipzig erstellt – von eben der Institution, die bereits im Dritten Reich, seinerzeit im Auftrag der „Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums“, der „PPK“, die Positivliste des nationalsozialistischen Schrifttums betreute (nach der widerrechtlich sich nationalsozialistisch nennende Schriften verboten werden konnten). Die Deutsche Bücherei, die nur geringe Kriegsverluste im Bestand hatte, trug die organisatorische Hauptlast der Überprüfung von etwa zwei Millionen Büchern, die zu 35.000 Einträgen führten.[3]

Die 1946–1953 zusammengestellte Zensurliste geht über die vorangegangene Positivliste des Nationalsozialismus weit hinaus: Sie erfasst dezidiert nationalsozialistisches Schrifttum (insbesondere Parteipropaganda), nationalsozialistische Kriegs- und Rassenhetze, Bücher, die die Aufdrucke und Embleme nationalsozialistischer Organisationen zeigen und die darum nicht im öffentlichen Leihverkehr der Volksbibliotheken verbleiben sollten, Anweisungen zum Herstellen von Sprengstoffen und Waffen, sowie zur planmäßigen Bildung (para‑)militärischer Einheiten – sie nahm man vom Markt, um einer schleichenden Wiederbewaffnung sowie terroristischen Anschlägen vorzubeugen.

Zitat:


„I. Bücher

Folgende Gruppen von Büchern sind im ganzen zu sperren, ohne daß die Titel einzeln aufgeführt werden:

  1. die nationalsozialistische Kleinliteratur, wie Dienstanweisungen für SS., SD., SA., HJ., BDM. usw., Berichte von NS.-Dienststellen, KdF-Reiseführer, Einblattdrucke mit nationalsozialistischen Gedichten und ähnliche ohne weiteres als NS-Schrifttum zu erkennende Druckschriften.
  2. die Dienstvorschriften des Heeres, der Luftwaffe und der Marine und des Reichsarbeitsdienstes einschließlich der Instruktionen, Vorschriften usw. für militärische Dienststellen.
  3. die seit dem Weltkrieg 1914–1918 erschienenen Geschichten und Gelegenheitsschriften deutscher Regimenter, Kompanien und sonstigen Truppeneinheiten,
  4. die während des Weltkrieges 1914–1918 und in den folgenden Jahren erschienenen militärische und militaristische Kleinliteratur wie Ausbildungsbücher für Heeresangehörige, Kriegsberichte, Feldpredigten, Kriegsgedichte und ähnliches Schrifttum,
  5. die Baupläne für Modelle von Flugzeugen, Kriegsschiffen und Kriegsfahrzeugen, in der Regel mit gedruckten Anleitungen versehen.
  6. Die Broschüren und Flugschriften über den Versailler Vertrag, soweit sie zu einer gewaltsamen Lösung des Vertrages auffordern,
  7. die Schulbücher aus den Jahren 1933–1945.

Als auszusondernde Schulbücher sind die während der nationalsozialistischen Regierung im Deutschen Reich erschienen, im Unterricht der Volks-, Mittel- und Oberschulen sowie der obligatorischen Fachschulen benutzten Lehrbücher anzusehen. Schulausgaben deutscher Literatur, Bücher für den fremdsprachlichen Unterricht und den Religionsunterricht, ferner Wörterbücher, Logarithmentafeln, Formelsammlungen und Vorbereitungsbücher für Lehrer fallen nicht unter das generelle Verbot; soweit Bücher dieser Art trotzdem auszusondern sind, werden die Titel derselben einzeln aufgeführt.“

– Aus dem Vorwort der Auflage von 1952

Hauptsächlich scheinen die Listen verwendet worden zu sein, um aus öffentlichen Bibliotheken ideologisch verdächtige Literatur zu entfernen. Zudem erlaubten sie bei Anträgen auf Wiederzulassung von Verlagen ein bequemes Urteil über deren Produktion – ein Aufgabenbereich, der in der sowjetisch besetzten Zone, die das Aufkommen von Privatverlagen behinderte, allerdings keine große Bedeutung gewann.

Die entfernten Bücher wurden als Einzelexemplare in Bibliotheken mit Aufbewahrungspflicht (Archivbibliotheken) „sekretiert“ (eingeschlossen und nur über spezielle Kataloge einer besonderen Benutzung zugänglich gemacht), zum größten Teil aber „makuliert“.

Listen in den Westzonen und der Bundesrepublik

In den Westzonen waren die Listen nicht verbindlich, wie weit sie genutzt wurden, ist nicht geklärt. In der Britischen Zone war 1947 eine Nur für den Dienstgebrauch bestimmte „Liste unerwünschten Schrifttums“ erstellt worden. Ein Projekt zur Katalogisierung der forschungsrelevanten NS-Literatur wurde 1951 vom nordrhein-westfälischen Kultusministerium eingestellt, die 20.000 Titelkarten verschwanden für 35 Jahre im Keller der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln.

Resonanz in der rechtsgerichteten Szene

Die Liste der auszusondernden Literatur wurde in den 1980er und 1990er Jahren in der rechtsnationalen Szene der Bundesrepublik Deutschland aufgegriffen. Ihre Veröffentlichung im Nachdruck und im Internet geschah unter Verweis auf die Bemühungen der alliierten Mächte, die Bevölkerung umzuerziehen und das Pressewesen einer allumfassenden Zensur zu unterziehen. Die Liste der auszusondernden Literatur der sowjetischen Behörde wurde im rechtsnationalen Sprachgebrauch die Alliierte Zensurliste. Die Menge der Titel demonstriere, so die Herausgeber, dass nie eine härtere Zensur stattgefunden habe als nach dem Krieg in der „SBZ“/DDR.

Mit der Behauptung, die Listen seien ein Dokument extremer Zensur und einer massiven Büchervernichtung im Nachkriegsdeutschland, sollten die Listen gewissermaßen zu Buchempfehlungslisten für nationalsozialistische Bücher umfunktioniert werden.

Siehe auch

Literatur

  • Ute Steigers: Die Mitwirkung der Deutschen Bücherei an der Erarbeitung der „Liste der auszusondernden Literatur“ in den Jahren 1945–1951. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. ZfBB. 38, 3, 1991, ISSN 0044-2380, S. 236–256.
  • Manfred Komorowski: Nationalsozialistisches Erbe im Bibliothekswesen. In: Peter Vodosek, Manfred Komorowski (Hrsg.): Bibliotheken während des Nationalsozialismus (= Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 16). Band 2. Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03308-8, S. 273–295.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kontrollratsbefehl Nr. 4
  2. Ursula Heukenkamp (Hrsg.): Schuld und Sühne? Kriegserlebnis und Kriegsdeutung in deutschen Medien der Nachkriegszeit (1945–1961). 2 Bände. Internationale Konferenz vom 1.–4. September 1999 in Berlin, Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Amsterdam 2001, ISBN 90-420-1455-5, S. 528–529.
  3. Manfred Komorowski: Nationalsozialistisches Erbe im Bibliothekswesen. In: Peter Vodosek, Manfred Komorowski (Hrsg.): Bibliotheken während des Nationalsozialismus. Band 2. Harrassowitz, Wiesbaden 1992, S. 277
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