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Kurtze Beschreibung und Erzehlung von einem Juden mit Namen Ahasverus

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Die Kurtze Beschreibung und Erzehlung/ von einem Juden/ mit Namen Ahasverus (kurz: Kurze Beschreibung) ist ein von einem bislang unbekannten Verfasser veröffentlichtes Flugblatt aus dem Jahr 1602. In dieser weitflächig in der Öffentlichkeit verbreiteten Erzählung liegt die spätere antisemitische Legende vom Ewigen Juden begründet, die zahlreiche literarische Werke der folgenden Jahrhunderte inspirierte und die Figur des Ewigen Juden zu einer emblematischen Gestalt in der Theologie und Philosophie werden ließ.

Inhalt der Erzählung

Die Kurze Beschreibung schildert ein Aufeinandertreffen des Schleswiger Bischofs Paulus von Eitzen mit einem unsterblichen Wanderer in Hamburg im Jahre 1542/1547. Der durch einen namenlos bleibenden Ich-Erzähler vorgetragene Bericht erzählt, wie Bischof Eitzen in der Kirche von Hamburg einen großen, bärtigen, spärlich bekleideten Mann trifft, der bei der Liturgie in ein tiefes Stöhnen verfällt und scheinbar körperliche Schmerzen empfindet. Der Unbekannte ist laut den Angaben des Erzählers zum Zeitpunkt des Aufeinandertreffens ungefähr 50 Jahre alt.

In einem umfassenden Gespräch berichtet der merkwürdige Alte dem Bischof, er sei Jude, stamme aus Jerusalem und sei bei der Kreuzigung Christi zugegen gewesen. Als Jesus auf seinem Kreuzweg an seinem Haus vorbeigekommen sei, habe er den Sohn Gottes von seiner Türschwelle gestoßen, als dieser bei dem Unbekannten habe Rast machen wollen. Daraufhin sei der unbekannte Jude, der sich Eitzen mit dem Namen Ahasverus vorstellt, von Jesus zu ewigem Leben und zu ewiger Wanderschaft verflucht worden.

Ahasverus habe nach dem Tod Jesu Jerusalem verlassen und sei seitdem rastlos durch die Welt gewandert, um den Menschen von Gott zu predigen. Er sei befähigt, alle Sprachen zu sprechen, lebe in genügsamen Verhältnissen und bereise zahlreiche Länder während seiner Zeit des Wartens auf den Tag des Jüngsten Gerichts.[1]

Intention der Erzählung

Gemäß den Ausführungen Nieds (2002) liegt die Intention des anonymen Verfassers der Flugschrift im Bestreben der Fortsetzung der Judenmission begründet, die im Verlauf des 16. Jahrhunderts durch Lutheraner und Calvinisten betrieben wurde.[2] Zahlreiche, in den unterschiedlichen Drucken ausgewiesene Erscheinungsorte der ersten Version der Erzählung (z. B. Bautzen, Leyden, Straßburg oder Schleswig) spiegeln dem Leser eine hohe Verbreitungsdichte und eine große Popularität der Erzählung vor. Die Geschichte von Ahasverus folge zudem den gängigen Topoi der Zeugenberichte, die für Wunder- und Exempelgeschichten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit typisch waren.

Verbreitung

Bis heute ist unklar, wie weit die Flugschrift in der Bevölkerung tatsächlich verbreitet war. Eine hohe Dichte an Nachdrucken in den Folgejahren nach dem erstmaligen Erscheinen der Kurzen Beschreibung lässt gemäß Appel (2022) auf der Basis der Forschungen Leonhard Neubaurs aber darauf schließen, dass die Flugschrift über das gesamte 17. Jahrhundert hinweg durchaus populär gewesen sein dürfte.[3] So wurde die Erzählung unter anderem 1603, 1613, 1634 und 1650 nachgedruckt und als Massendruck unter das Volk gebracht.

Einstellung zu den Juden

Die Ursprungsschrift von 1602 weist gemäß den Ausführungen Appels trotz ihrer Ausrichtung auf die Judenmission noch keine dezidiert antijüdischen Elemente auf. Die Figur des Ahasverus wird als „einzelner Frevler“ dargestellt, dessen individuelle Verfehlung von Jesus bestraft worden sei.[4]

Die ab 1613 unter anderem durch den unter Pseudonym arbeitenden Chrysostomus Dudulaeus Westphalus veröffentlichten Versionen der Flugschrift (Duduläus-Pamphlete) hätten diese neutrale Position der Ursprungsschrift jedoch eindeutig hin zu einer antijüdischen Schmähschrift verschoben, was sich unter anderem durch die Ergänzung der Schrift durch unterschiedliche Zusätze (z. B. die Erinnerung an den christlichen Leser von diesem Juden) zeige. In den Folgeschriften sei gemäß den Ausführungen Victoria Gutsches somit eine deutliche „Um- und Abwertung der Figur des Ahasverus“[5] zu erkennen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Unbekannt: Kurtze Beschreibung und Erzehlung/ von einem Juden/ mit Namen Ahasverus, Leyden 1602: Christoff Creutzer.
  2. Vgl. Stefan Nied: Das Volksbuch von Ahasver, in: Ursula Schulze (Hrsg.): Juden in der deutschen Literatur des Mittelalters. Religiöse Konzepte – Feindbilder – Rechtfertigungen, Tübingen 2002: Max Niemeyer Verlag, S. 258.
  3. Vgl. Bernd Appel: Antisemitismus und Ahasver. Hamburger Beiträge zur Germanistik, Nr. 69. Peter Lang Verlag, Berlin / Bern / Bruxelles u. a. 2022, S. 145.
  4. Vgl. Bernd Appel: Antisemitismus und Ahasver. Hamburger Beiträge zur Germanistik, Nr. 69. Peter Lang Verlag, Berlin / Bern / Bruxelles u. a. 2022, S. 148–149.
  5. Victoria Luise Gutsche: Zwischen Abgrenzung und Annäherung. Konstruktionen des Jüdischen in der Literatur des 17. Jahrhunderts, Berlin und Boston 2014: De Gruyter, S. 95.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Kurtze Beschreibung und Erzehlung von einem Juden mit Namen Ahasverus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.